Mit dem Bundestagswahlkampf 2005 haben sich Weblogs als Bestandteil der Online-Kampagnen vieler Parteien etabliert. Die erheblichen Resonanzunterschiede zwischen den Blogs weisen darauf hin, daß nicht alle Parteien und Politiker mit ihren Formaten erfolgreich waren.
Die vorliegende Diplomarbeit basiert auf Material, welches im Rahmen einer Projektgruppe zur Bundestagswahl 2005 am Otto-Stammer-Zentrum von mir gesammelt wurde. Anhand von zuvor gebildeten Kategorien wurde eine Auswahl von Partei- und Politiker-Weblogs
inhaltsanalytisch ausgewertet. Dabei konnten u.a. auf der Basis einer statistischen Zusammenhangsanalyse verschiedene Bedingungen für die Resonanz der Weblogs ermittelt werden.
Ein weiteres Forschungsinteresse meiner Arbeit galt den Kommunikationsstrategien und Nutzenerwartungen der Wahlkampfstäbe in Bezug auf Kampagnen-Blogs. Zu diesem Zweck wurde ein Interview mit dem Koordinator des Online-Wahlkampfes der SPD geführt.
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1. Einleitung
Parteien- und Politiker-Weblogs gehörten zu den hervorstechendsten Neuerungen im Online-Wahlkampf im Vorfeld der Bundestagswahl 2005. Nachdem Bundespräsident Horst Köhler am 21. Juli Neuwahlen angesetzt hatte, setzten fast alle Bundestagsparteien auf ihren Internetseiten interaktive, tagebuchähnlich Formate auf, die Lesern personalisierte Informationen oder authentisches Hintergrundwissen suggerierten und Interessierten die Möglichkeit zum Kommentieren gaben 1 . Zu diesem Zeitpunkt hatten bereits einige Politiker die Initiative ergriffen und bloggten jenseits der offiziellen Parteien-Websites auf unabhängigen oder kommerziellen Plattformen wie wahlblog05.de bzw. Focus Online. Weblogs, auch Blogs genannt, sind funktional erweiterte Internet-Tagebücher, die sich von den bisher in Wahlkämpfen genutzten Online-Formaten vor allem durch eine veränderte Medienlogik (höherer Aktualitäts-und Personalisierungszwang) sowie eine ausgeprägte Vernetzungstendenz unterscheiden (vgl. Coenen 2005, 3). Während Diskussionen in Foren oft auf die lokalen Seiten begrenzt bleiben, können in Weblogs aufgebrachte Themen regelrechte „Informationsepidemien“ (Adar u.a. 2004) auslösen. In den letzten Jahren sind in der so genannten “Blogosphäre“, der Gesamtheit verlinkter Weblogs, neben den etablierten Online-Medien neue Öffentlichkeiten und Informationsnetzwerke entstanden, die immer öfter als Quelle massenmedialer Berichterstattung dienen und in zunehmenden Maße eine Meinungsmacht darstellen (vgl. Sixtus 2005, 148ff.). Die Sozialwissenschaften haben Weblogs als Untersuchungsgegenstand spätestens seit dem US-Präsidentschaftswahlkampf 2004 entdeckt, welches sich in der stetig anwachsenden Zahl entsprechender Publikationen sowie in den zahlreichen Konferenzen und Tagungen, die sich mit dem Format auseinandersetzen 2 , ausdrückt.
1 Die SPD startete bereits Anfang Juni ihre Weblog-Plattform roteblogs.de, zu der allerdings erst am
28.07. von der SPD-Website verlinkt wurde. Die FDP setzte ein ähnliches Angebot am 08.07. auf
(www.fdp-buergerfonds.de/plog/ später blog.fdp.de), die Linkspartei/PDS am 29.07.
(sozialisten.de/wahlen2005/magazin/weblog/index.htm), B90/Grüne am 11.08. (blog.gruene.de) und
die CSU am 16.08 (www.blog4berlin.de). Die CDU verzichtete auf ein offizielles Parteien-Weblog.
2 Ein Beispiel ist die Tagung „Weblogs, Podcasting&Videojournalismus“ am Zentrum für Kunst und
Medientechnologie Karlsruhe im September 2005
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symbiotischen Tauschbeziehung (z.B. von Alemann 1997) oder von einer bewußten Annäherung der Parteielite an die Medien (Katz und Mair 1995) ausgehen. Vor dem Hintergrund der problematisierten Responsivitätsdefizite und Abhängigkeit der Parteien von massenmedialen
Selektionsmechanismen nehmen einige Autoren Parteien- und Politiker-Weblogs u.a. als Möglichkeit wahr, einen direkten, herrschaftsfreien und rationalen Dialog zwischen Bürgern und politischen Akteuren herzustellen (z.B. Abold 2006; Coenen 2005).
1.1. Forschungsstand und Fragestellung
Die wissenschaftliche Literatur, die sich mit Weblogs auseinandersetzt, ist bisher noch recht überschaubar. Einen Überblick über das hochgradig interdisziplinäre und fachlich schwer abgrenzbare Forschungsfeld geben Schmidt, Schönberger und Stegbauer (Schmidt/Schönberger/Stegbauer 2005) sowie Herring u.a. (Herring u.a. 2006).
Kommunikationswissenschaftlich orientierte Arbeiten konzentrieren sich sowohl auf die theoretische Einordnung von Weblogs (Perschke/Lübcke 2005), den Einfluß von Weblogs auf die Medienagenda (z.B. Gill 2004; Delwiche 2005) als auch auf die Bedeutung von Weblogs für den Journalismus (z.B. Welch 2003, Gillmor 2004; Matheson 2004; Witt 2004) und die Öffentlichkeitsarbeit allgemein (z.B. Horton 2002). Neben frühen Veröffentlichungen aus dem Bereich der Informatik (Kumar u.a. 2003; Adar u.a. 2004) bilden sie z.T. grundlegende Anknüpfungspunkte für die vorliegende Arbeit. Der US-Präsidentschaftswahlkampf von 2004 gab Anlaß für eine Reihe von Untersuchungen zur Nutzung von Weblogs im politischen Kontext. Gegenstand der zumeist empirisch-deskriptiv angelegten Studien sind im Fall mehrerer Autoren strukturelle Eigenschaften und Verknüpfungsmuster politischer Weblogs im US-Wahlkampf (Drezner/Farrell 2004; Adamic/Glance 2005; Ackland 2005). Dabei wurde u.a. aufgezeigt, daß enge Verbindungen zwischen Bloggern und Journalisten bestehen und sich in der politischen Blogosphäre ähnlich hierarchische und polarisierte Strukturen wie in der massenmedial hergestellten Öffentlichkeit herausbilden. McKenna und Pole sowie Sivek untersuchten demographische Merkmale bzw. Aspekte des Nutzungsverhaltens von politischen Bloggern (McKenna/Pole 2004; Sivek 2006). Zudem beleuchteten mehrere Autoren
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bestehenden Online-Formaten wahrgenommen? Darüber hinaus soll für eine Auswahl der von den Parteispitzen initiierten Weblogs eine qualitative und quantitative Analyse der Einträge und Kommentare aus dem Wahlkampf vorgenommen werden. Dabei stellt sich zum einen die Frage, ob Weblogs ein Ort politischer Debatten im Sinne konstruktiver und deliberativer Dialoge jenseits der strategischen Kommunikationszwänge von Kampagnen oder kommunikativer Störfaktoren (wie z.B. Störversuche politischer Gegner oder Trolle 3 ) waren. Zum anderen interessiert, welche Blogs eine hohe Resonanz erzielen konnten und welche Erfolgsfaktoren dabei entscheidend waren.
1.2. Aufbau der Arbeit
Im anschließenden Kapitel werden nach einer Einführung in die noch immer aktuelle Diskussion um “elektronische Demokratie“ die theoretischen und konzeptionellen Anknüpfungspunkte dieser Untersuchung dargelegt. Vor dem Hintergrund der kontinuierlichen Modernisierung und
Professionalisierung von politischer Kommunikation inner- und außerhalb von Wahlkämpfen sollen Parteien- und Politiker-Weblogs als ein weiterer Schritt hin zur „postmodernen Kampagne“ (Norris 2000) bzw. in das „dritte Zeitalter politischer Kommunikation“ (Blumler/Kavanagh 1999) gedeutet werden. Dabei wird die Modernisierung der Parteienkommunikation im Kontext des Parteienwandels dargestellt. Auf Basis der Forschungsliteratur soll herausgearbeitet werden, welche spezifischen Kommunikationsmuster und Wahlkampfformen die Veränderung der Parteiorganisation von den Honoratiorenparteien und Massenparteien bis zu gegenwärtig diskutierten Parteitypen hervorgebracht hat.
Das dritte Kapitel beschäftigt sich mit der Systematisierung und Auswertung der englisch-und deutschsprachigen Literatur zum
Untersuchungsgegenstand “Weblogs“. Normative Arbeiten nähern sich dem Format sowohl aus demokratietheoretischer als auch aus politischinstrumenteller, praktisch orientierter Perspektive. Empirische
Untersuchungen zur politischen Nutzung von Weblogs konzentrieren sich auf die strukturellen Eigenschaften der Blogosphäre, die demographischen Merkmale und Praktiken der Nutzerschaft sowie die Anwendung als
3 Als Trolle werden im Netzjargon Verfasser von Kommentaren in Diskussionsforen bezeichnet,
deren Inhalt allein auf Provokation und Störung der Diskussion ausgelegt ist (vgl. Raymond 2003).
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Wahlkampfinstrument. Daneben sollen zum einen die zentralen Begrifflichkeiten in Bezug auf Weblogs geklärt werden. Zum anderen werden grundlegende, den Gegenstand erschließende Befunde (wie beispielsweise zur Dynamik von Blogs) sowie methodische Probleme, die mit der Untersuchung von Weblogs einhergehen, erläutert. Nach Darlegung der Datenbasis, der methodischen Herangehensweise und der verwendeten Meßbegriffe (Kapitel 4) werde ich die empirischen Ergebnisse im fünften Teil dieser Arbeit, welcher sich in zwei Unterkapitel gliedert, vorstellen. Der erste Abschnitt beinhaltet die inhaltsanalytische Auswertung der ausgewählten Parteien- und Politiker-Weblogs im Bundestagswahlkampf anhand der zuvor gebildeten Kategorien. Im zweiten wird ein Interview, welches mit dem Koordinator des Online-Wahlkampfes der SPD geführt wurde, im Hinblick auf die Nutzenerwartung der Kampagnenstrategen ausgewertet. Im letzten Kapitel möchte ich die Ergebnisse der Untersuchung zusammenfassen und die aus der Arbeit heraus entwickelten Hypothesen vorstellen.
2. Politische Kommunikation von Parteien im Internet
Unter dem Schlagwort “elektronische Demokratie“ oder electronic democratization wird seit den 1980er Jahren vor allem in den USA die Auswirkung des Internet und anderer Informationsnetzwerke auf die politische Beteiligung sowie den Dialog zwischen Bürgern und Politik diskutiert. Dabei existieren zum einen Ansätze, die
Verbesserungsmöglichkeiten für die bestehenden politisch-institutionellen Strukturen, wie sie in repräsentativen Demokratien zu finden sind, ausloten und andere, die sich stärker an der Umsetzung direkter Demokratieformen orientieren (vgl. Hagen 1999, 68f.). Die Befürworter einer Verbesserung erhoffen sich von den neuen elektronischen Kommunikationsformen eine Ausweitung politischer Beteiligungsmöglichkeiten sowie die Intensivierung und Enthierarchisierung 4 der Kommunikation zwischen Bürgern und politischen Akteuren (vgl. Siedschlag u.a. 2002, 9f., Kamps 1999, 11). Damit verbunden ist die Annahme, daß die Bereitstellung neuer
Beteiligungsmöglichkeiten mit einer Steigerung des politischen Interesses
4 Enthierarchisierung in dem Sinn, daß das einseitige Kommunikationsverhältnis von “Sprecher und
Publikum“ aufgebrochen wird.
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