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Diplomarbeit, 2006
144 Seiten, Note: 1
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Das Zusammenleben in der deutschen Gesellschaft ist durch große Veränderungen gekennzeichnet. Die Auswirkungen der abnehmenden Geburtenrate, des gestiegenen Durchschnittsalters und der Ausdifferenzierung von Lebensstilen und kulturellen Hintergründen können unter dem mittlerweile verbreiteten Slogan: ‚Wir werden weniger, älter und bunter’ zusammengefasst werden.
Unter der Prämisse, dass Wohnformen die Bedürfnisse und Wünsche ihrer Bewohner widerspiegeln, führen gesellschaftliche Veränderungen zu neuen Vorstellungen und Anforderungen an Wohnen. Somit führt der aktuelle gesellschaftliche Wandel in Deutschland auch zu einem Wohnwandel. Der Gesellschaftswandel, der unter anderem als Folge der Individualisierung betrachtet werden kann, führt zunehmend zu strukturellen Wohnraumproblemen verschiedener Bevölkerungsgruppen, für die innovative Wohnformen gefunden werden müssen. Neue Wohnformen stellen dabei sowohl einen Ausdruck neuer architektonischer Vorstellungen und Möglichkeiten dar, als auch eine Reaktionen auf neue Anforderungen, die traditionelle Wohnformen nicht erfüllen können. Dem sinkenden Anteil junger und erwerbstätiger Menschen steht ein ansteigender Anteil älterer Menschen gegenüber, der versorgt und gepflegt werden muss. 2010 wird jede vierte Person 60 Jahre oder älter sein, im Jahr 2050 bereits jede dritte (vgl. STATISTISCHES BUNDESAMT 2003:42). Weil gleichzeitig die sozialtstaatliche Versorgung abnimmt, müsste viel mehr Versorgung, Betreuung und Pflege der älteren Menschen von den eigenen Familien geleistet werden. Doch stattdessen nimmt die Familiengröße ab und mit ihr die Zahl potenzieller Hilfe aus der eigenen Familie. Die Zahl familiärer Haushalte sinkt, während Einpersonenhaushalte zunehmen. So nimmt der Austausch zwischen den Generationen ab und es kommt zu einer Überalterung von Wohnvierteln, die immer häufiger homogene Altersstrukturen der Bewohner aufweisen. Durch diese Veränderungen werden sowohl das familiäre als auch das örtliche soziale Netz
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kleiner. Eine Abnahme infrastruktureller Versorgungsmöglichkeiten ist zu erwarten. Diese Veränderungen stellen besonders ältere Menschen zunehmend vor Versorgungsprobleme und können zu Vereinsamung und Isolierung führen. Daneben ist der derzeitige Wohnraum kaum an die Bedürfnisse älterer Bewohner angepasst.
Die traditionelle Struktur von Wohnräumen, abnehmende familiäre Hilfsnetze und steigende räumliche Entfernungen zwischen Verwandten stellen auch für berufstätige Eltern, vor allem für den gestiegenen Anteil an Alleinerziehenden, ein Problem dar. Lange Wege zwischen Wohn-, Arbeits-, Schul- bzw. Kinderbetreuungsstandort und Freizeitangeboten sowie die Isolierung der Haushalte erschweren die tägliche Vereinbarung von Beruf und Familie. Neben diesen strukturellen Problemen führt die Differenzierung der
Innerhalb dieses Wohnwandels entstehen neue Wohnformen, die Lösungen für die genannten strukturellen Probleme sowie eine Umsetzung der neuen Wohnraumwünsche darstellen sollen und gleichzeitig ein neues Interesse an einer innovativen Form von Gemeinschaft unter Hausbewohnern bezeugen. In Deutschland entstehen zunehmend sogenannte kollektive Wohnprojekte, in denen Bewohner eine verbindliche Gemeinschaft bilden, sich gegenseitig helfen und unterstützen wollen und gemeinsam ein Haus oder mehrere Häuser beziehen. Diese „Wohnform der Zukunft“ (vgl. MATZIG 2006) wird dabei von den Bewohnern selbst (mit-)geplant und ist aus diesem Grund architektonisch an neue Wohnbedürfnisse angepasst.
1 Ein verheiratetes Ehepaar mit zwei oder mehr Kindern, alleinverdienendem Vater und Hausfrau. Die Normalfamilie stellte den Großteil der Lebensformen in den 1950er und 1960er Jahren und das gewünschte Ideal für diese Zeit dar.
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Aus der vorangegangenen knappen Gegenüberstellung der Folgen des Gesellschaftswandels in Deutschland für das Wohnen mit den neuen kollektiven Wohnformen ergibt sich die Frage, ob generationsübergreifende Wohnprojekte (als Unterform kollektiver Wohnformen) wirklich langfristige Wohnformen der Zukunft darstellen. Was motiviert Bewohner zu der Wahl einer generationsübergreifenden Wohnform und welche Folgen hat es für sie? Ist diese Wohnform hilfreich(er) zur raum-zeitlichen Strukturierung des Alltags als traditionelle Formen? Bieten generationsübergreifende Wohnformen einen räumlich-sozialen Lösungsansatz für die demographischen und gesellschaftlichen Probleme?
Diese Fragen sollen in der vorliegenden Diplomarbeit unter einem sozialgeographischen Blickwinkel betrachtet werden. Mit Hilfe eines handlungszentrierten Ansatzes werden anhand qualitativer Interviews die Hintergründe, Motive, Ziele und Erfahrungen der Bewohner von
Dabei werden nicht nur Projekte in Deutschland erforscht, sondern es wird auch auf Ergebnisse von Wohnprojekten in Dänemark, Schweden und den Niederlanden zurückgegriffen. Weil kollektive und generationsübergreifende Wohnformen in diesen Ländern schon länger existieren als in Deutschland, sollen ihre Ergebnisse die Grundlage für eine abschließende Prognose langfristiger Entwicklungen vervollständigen.
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Forschungsansätze sind wie eine Brille, durch die man ‚die Welt’ oder zumindest seinen Forschungsgegenstand sieht (vgl. WERLEN 2000:13). Je nach Interesse und Forschungstradition nimmt man den Untersuchungsgegenstand ‚kollektives Wohnen’ unterschiedlich wahr. Um den Forschungsblickwinkel dieser Arbeit transparent zu machen, sollen daher zu Beginn die sozialgeographische ‚Brille’ der Wohnungsmarktforschung und die verwendeten Ansätze erläutert werden. Nach der Einordnung der Wohnungsmarktforschung in die Sozialgeographie (Kap. 2.1) folgt ein Überblick über die Entwicklung der relevanten wissenschaftstheoretischen Betrachtungsweise (Kap. 2.2). Aus den aktuellen Konzepten sozialgeographischer Forschung wurde für diese Arbeit ein handlungstheoretischer Zugang gewählt, der an das Konzept von Benno WERLEN angelehnt ist. Nach einer kritischen Betrachtung seiner Konzeption (Kap. 2.3), wird der eigene Forschungsblickwinkel entwickelt und erläutert (Kapitel 2.4).
2.1 Die Wohnungsmarktforschung in der Sozialgeographie
Generell ist die Wohnungsmarktforschung immer schon interdisziplinär gewesen und weist verschiedenste Ansätze auf. Neben den psychologischen, den betriebswirtschaftlichen, den architektonischen sowie den ökonomischen Bezügen steht Wohnen auch in einem räumlich-sozialen Kontext: Wohnen kann nicht von seinen sozialen Aspekten getrennt werden und braucht gleichzeitig einen spezifischen Raum, einen Ort. Damit rückt die Wohnungsmarktforschung in den Fokus der Sozialgeographie und ist spätestens seit der Betrachtung von Wohnen als Daseinsgrundfunktion (vgl. Kap. 2.2) durch die Münchner Schule der Sozialgeographie in den 1960er Jahren dort fest verortet (vgl. WIESSNER 1989:17f).
Für den Wohnenden dient der Wohnraum neben der physischen Schutzfunktion oder der ökonomischen Aufgabe als Altersvorsorge auch als Mittelpunkt für die Organisation des täglichen Lebens. Für den Menschen als sozialen Akteur übernimmt die Wohnung damit eine hohe soziale Bedeutung und lässt nicht nur die Verteilung der Wohnräume, sondern auch den Standort der Wohnung selbst
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2 Eine sozialgeographische Betrachtung von kollektivem Wohnen
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raumwirksam werden. Da bauliche Strukturen räumlich eine hohe Persistenz aufweisen, entstehen immer wieder Spannungen zwischen den gesellschaftlichen Bedürfnissen, insbesondere den Anforderungen an Wohnstrukturen, und den bestehenden Angeboten, was anhand von räumlichen Maßnahmen wie der Erneuerung, der Umnutzung, dem Neu- oder Umbau sichtbar wird (vgl. ODERMATT/VAN WEZEMAEL 2002:1f). Aus diesem Grund schließt die Betrachtung der räumlichen Verteilung auch die Darstellung der betroffenen und agierenden sozialen Systeme ein. Die Sozialgeographie kann hier als ohnehin schon interdisziplinäre Verbindung von sowohl raum- als auch sozialwissenschaftlichem Fokus ansetzen und zu einem erweiterten Verständnis des Wohnungsmarktes beitragen. Vor diesem Hintergrund behandelt die sozialgeographische Wohnungsmarktforschung die Frage, „… wie Gesellschaften als soziale Systeme über den Teilaspekt des Wohnens ihre Verankerung in Zeit und Raum organisieren. Konkret geht es um die Frage, wie in einer Gesellschaft Wohnen produziert, verteilt, und … innerhalb einer bestimmten und bestimmenden Ordnung konsumtiv genutzt“ (vgl. ODERMATT/ VAN WEZEMAEL 2002:2) wird.
Bis zum Ende der 1970er Jahre lagen innerhalb der geographischen
zugrunde gelegt. In den 1980er Jahren wurde dieser Ansatz um den limitierenden Faktor des Angebots korrigiert und erweitert, was zur Betrachtung „… spezifischer Rahmenbedingungen der Wohnungsmarktentwicklung, … Wohnchancen und Wohnkarrieren bestimmter Bevölkerungsgruppen“ (vgl. SAILER-FLIEGE 1998:309f) führte. Um die veränderte Sozialraumstruktur innerhalb der Globalisierungs-, Deindustrialisierungs- und Flexibilisierungsprozesse erklären zu können, misst SAILER-FLIEGE (1998) der Untersuchung aktueller Prozesse der Wohnungsteilmärkte, die mit den gesellschaftlichen Veränderungen verbunden sind, einen hohen Nutzen bei (vgl. ebd.: 10). Die vorliegende Arbeit ist aus sozialgeographischer Sicht daher vor dem Hintergrund der Frage zu verstehen, wie die heutige deutsche Gesellschaft mit ihren neuen Lebens- und Familienformen ihr tägliches Leben, also ihre
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In diesem Verständnis stellen statistisch-analytische Methoden „… keine objektiven oder gar intersubjektiv kontrollierbaren Verfahren [dar]…, sondern … Konventionen …, die eine bestimmte Repräsentation sozialgeographischer Phänomene liefern, dabei aber beileibe keine ‚Wirklichkeiten’ abbilden“ (vgl. ebd.:32).
Diplomarbeit, 95 Seiten
Medien / Kommunikation - Journalismus, Publizistik
Wissenschaftlicher Aufsatz, 25 Seiten
Zwischenprüfungsarbeit, 47 Seiten
Seminararbeit, 35 Seiten
Hausarbeit, 27 Seiten
Diplomarbeit, 224 Seiten
Diplomarbeit, 72 Seiten
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