Politischer und Kultureller Wandel im frühen Theater Corneilles


Proyecto/Trabajo fin de carrera, 2008

117 Páginas, Calificación: 2.5


Extracto


1. Einleitung: Corneille als Spiegel seiner Zelt

Diese interdisziplinäre Arbeit mit historischen, landeskundlichen und literarischen Ele­menten versucht unter multiperspektivischer Herangehensweise eine kulturhistorische Be­trachtung der drei frühesten Tragödien Corneilles. Sie verwendet den diskurstheoretischen Ansatz, der Texte als Teil der Geistesgeschichte, der literarischen Philosophie und der ideologischen Strömungen im Rahmen der Diskurse ihrer Zeit sieht und zu versteht. Auch mit der Rezeptionsästhetik, vor allem den klassischen Funktionen des Dramas, delectare, prodesse, movere1, setzt sich diese Arbeit auseinander und stellt die Frage, ob Corneilles frühe Tragödien durch ihren Appell an Gefühl und Verstand eine Verhaltensänderung beim Publikum anstrebten. Im Sinne der nouvelle critique wird ein Versuch unternommen, ideologische Strukturen und Grundhaltung der Stücke aufzuzeigen.2 Die vorliegende Ar­beit geht davon aus, dass Literatur eine Geschichtlichkeit aufweist, also in eine bestimmte gesellschaftliche Situation und ihre ethischen Normen, Wertvorstellungen und doktrinären Traditionen eingebunden ist, ohne aber eine direkte, monokausale Rückführung auf die zeitgenössische Realität anzustreben.3 Doch um den Poeten in seinem moralischen und po­litischen Kontext zu besprechen und um die Wirkung seines Theaters zu verstehen, er­scheint die Kenntnis der Überzeugungen der Zielgruppe Corneilles und auch seiner Bezie­hungen zur zeitgenössischen Politik, besonders zu Richelieu, nötig.

Zu diesem Zweck wird ein knapper, auf das Relevante beschränkter historischer Kontext dargestellt, um spezifische intellektuelle Strukturen zu durchschauen, unter deren Einfluss Corneille schrieb. Damit soll versucht werden, die in den Werken dargestellten Wertekon­flikte in die ideologischen Kontroversen der frühen Schaffensphase Corneilles einzuord­nen. In diesen dargestellten Konflikten konfrontiert der Autor wiederholt Generationen in ihren Wertesystemen. Diese Arbeit geht von der These aus, dass die Generationen unter­schiedliche Phasen des politischen und kulturellen Übergangs vom Feudalsystem zum Ab­solutismus repräsentieren. Dieser spiegelt sich vornehmlich im Heldentum Corneilles, das daher einen Hauptschwerpunkt bildet. Daher bietet sich an, den ideengeschichtliche Hin­tergrund des literarischen Schaffens Corneilles herauszuarbeiten.

Außerdem soll die chronologische Betrachtung der Werke die Entwicklung der Verhält­nisse der wichtigsten Figuren zum Staat nachzeichnen. Da fur die Theoretiker des Absolu­tismus die Familie ein Analogon des Staats ist4 und auch Richelieu sah sie als ein Modell ansah, ergibt sich das Ziel, die Familienstrukturen zu untersuchen.

Der politische und kulturkritische Gehalt des Frühwerks Corneilles wurde in Ansätzen mehrfach bearbeitet, so unter anderen von Georges Couton, Michel Prigent, Wolfgang Mittag, C.J. Gossip und Werner Krauss. Corneille reflektierte laut Prigent die Wurzeln des Staates in der klassischen Kultur und verwandte sein Theater als Analyseinstrument der Machtmechanismen.5 Im Vorwort zu dessen Buch Le Héros et l’État dans la Tragédie de Pierre Corneille geht Jean Mesnard deshalb davon aus, dass in Corneilles Werk eine Re­flexion über das Verhältnis zwischen Existenz und Politik zu finden sei.6 Prigent geht so weit, Corneilles Tragödien als politische Abhandlungen mit dem zusätzlichen Element der Emotion zu betrachten.7 Er hält Corneille sogar für einen überzeugten Monarchisten.8 Dem widerspricht Gossip vehement, denn er empfindet die Deutung spezifischer politi­scher Ereignisse der französischen Geschichte als Corneilles Quellen unangemessen und wirft auch Couton vor, durch seine Suche nach Parallelen in Geschichte und Politik die in­härenten Qualitäten der Werke und deren eigene Dynamik verkannt zu haben.9 Diesen Thesen soll diese Arbeit nachgehen und den politischen Gedanken Corneilles anhand der ausgewählten Frühwerke aufzeigen.

Natürlich darf man das Theater Corneilles nicht als szenischen Ausdruck des politischen Lebens im 17. Jahrhundert betrachten10, denn das wäre eine unzulässige Reduktion. Aber dennoch spiegeln sich wesentliche Elemente des kulturellen und politische Gesellschafts­wandels in der Kunst und so auch in Corneilles politischen Tragödien. Um das herauszu­arbeiten, sollen in dieser Arbeit aber keine dem Zeitalter Corneilles externen Kriterien her­angezogen werden, wie es Schlumberger und Basillach getan haben.11 Die Relevanz der vorliegenden Arbeit liegt darin, im Sinne einer Perspektivierung die be­deutendsten Theorien aus dieser reichhaltigen Vorleistung herauszuarbeiten, zu verknüp­fen und in einer Gegenüberstellung von weniger überzeugenden zu trennen, um zu einer Synthese darüber zu kommen, inwieweit Corneille als Spiegel und Kritiker seiner Zeit ge­sehen werden kann. Diese Arbeit geht also davon aus, dass die dargestellten Werte der Fi­guren Corneilles als ein - wenn auch indirekter und sicherlich zum Teil unbewusster Kommentar des Autors zur politischen Situation Frankreichs zu dessen Lebzeiten gelesen werden kann. Jeder Autor hat einen spezifischen Blick auf Geschichte und Politik, der sich mehr oder weniger stark in seinem Werk widerspiegelt. Corneille behandelte nicht explizit zeitgenössische Geschehnisse und Umstände, aber er übertrug das Staatsverständnis seiner Zeit auf andere Epochen, bevorzugt auf das Römische Reich, als dessen Nachfolger sich die französische Monarchie verstand.12 Demnach thematisierte Corneille bevorzugt Zeiten der sich wandelnden Staatsform und ließ sich dabei vom politischen Geschehen inspirie­ren. „In Corneilles frühem Theater spiegelt sich die politische Entwicklung des Landes und damit zugleich die Diskussion über die souveräne Staatsgewalt.“13 Durch den Spiegel des Zeitgenössischen betrachtet, soll die Arbeit abschließend eine An­näherung an die Frage liefern, warum Corneilles Werk auch in der heutigen Zeit noch so­viel Interesse findet.

2. Der Entstehungskontext

2.1. Extern: Der Konflikt mit Spanien

Der externe und interne historische Kontext bildet den Hintergrund des Werteverständnis­ses in den drei hier bearbeiteten Tragödien, wie es vor allem in den Kapiteln 5 und 6 rele­vant ist. Corneilles Frühwerk entstand in einer bewegten Übergangsepoche zwischen Ba­rock und Klassizismus, die im Absolutismus gipfelte.

Das zunächst noch enge Verhältnis zwischen Frankreich und Spanien schlug sich in den Kontroversen der Querelle de Cid14 nieder. Es gab seit Maria von Medici15 ihren Sohn Ludwig XIII mit Anna von Österreich, Tochter des spanischen Königs, und ihre Tochter mit Philipp IV, der dann König von Spanien wurde, verheiratet hatte, auch im Volk viele französisch-spanische Familien.

Die habsburgischen Mächte hatten aber eine wachsende Vormachtstellung in Spanien und Mitteleuropa und wurden damit zu einer potentiellen Bedrohung für Frankreich. Mit die­ser Rivalität ging man zunächst diplomatisch um, doch der Wunsch, die Hegemonie des Hauses Habsburg zu brechen, wuchs.16 Frankreich fühlte sich zunehmend vom einst durch die traditionelle katholische Verbindung verbrüderten Staat Spanien17 umkreist und ging daher zu einer finanziellen Unterstützung der Gegner Spaniens über und alliierte sich so­gar mit protestantischen Mächten.18 So geriet Frankreich anfangs indirekt in den Dreißig­jährigen Krieg, in den es erst 1636 eintrat, als die Spanier die Corbie einnahmen. Dieser Krieg zwischen Spanien und Frankreich wurde von vielen Seiten als brudermörderisch ge­sehen, da er zwischen zwei katholischen Mächten mit familiären Verbindungen geführt wurde.19 Diese Thematik schlug sich im Stück Horace nieder.

Corneille war als Bürger der Normandie von den Eroberungen der Spanier unmittelbar be­troffen, da diese durch die Einnahme der Picardie zu einer Grenzprovinz wurde.20 Die De­batte um den Krieg gegen Spanien und die drohende Aussicht, erobert zu werden, schlug sich auch in seinen Stücken nieder.21 Die von Corneille behandelten Wertekonflikte waren repräsentativ für die ideologischen Debatten des Tages. Diese besonderen Umstände zwangen Frankreich, das vorher mehr religiöse durch ein mehr pragmatisches Staatskon­zept zu ersetzen.22 Dies geschah besonders unter Richelieu durch seine Außenpolitik der nationalen Größe, der politique de gloire, die Corneille in allen drei behandelten Tragödi­en, insbesondere aber in Horace, aufgriff. Durch die militärischen Erfolge gegen Spanien wurde die Idee eines nationalen Zentralstaats unterstützt. Richelieu bereitete durch seine extraeuropäischen Ambitionen in seiner 18 Jahre andauernden Ministertätigkeit den Weg zur Vormachtstellung Frankreichs unter Ludwig XIV vor.23 In diesem Konzept sollen die Völker im Ausland nach ihrer militärischen Eroberung durch Frankreichs aufgeklärte Kul­tiviertheit, gefördert durch großzügige Patronage, zivilisiert werden.24 So kam es auch zu einer breiten Förderung der Künste, aber auch zu ihrer Bevormundung, wovon auch Cor­neille betroffen war.

2.2. Intern: Konflikte der gesellschaftlichen Gruppen

2.2.1. Aufstieg des Bürgertums

Frankreich war zu Beginn der Schaffensphase Corneilles noch ein ständisch gegliederter Feudalstaat mit den drei Hauptinteressengruppen Klerus, Adel und tiers état.,25 Die Struk­tur des Dritten Stands war zu differenziert, als dass er ein einheitliches ständisches Be­wusstsein hätte entwickeln können.26

Das obere, Vermögen bildende Bürgertum machte die Mehrzahl der Abgesandten der Ge­neralstände aus, da es finanzkräftig, gebildet und aufstiegsorientiert war.27 Als Teil der no­blesse de robe gehörte Corneille dieser gesellschaftlichen Gruppe an, die hier aus diesem Grund am relevantesten ist. Sie stellte die treusten Funktionäre des Absolutismus, da nur dieser sie der sozialen Unterlegenheit im Ständestaat entheben konnte28, und schwankte zwischen Imitation und Verdammung des Adels, dessen ständisches Ideal im Absolutis­mus mit dem totalitären Staatsideal identisch werden sollte.

Das Bürgertum war in seinem Handel und Gewerbe mit dem Ziel der Kapitalakkumulati­on auf einen starken Staat angewiesen, der für Ordnung sorgte, wie ihn Corneille in seinen Werken zunehmend verlangte. Die Interessen von Bürgertum und König fielen im Streben nach dem Abbau feudaler Privilegien zusammen.29 Doch der Absolutismus, den es sich als justice distributive der Zuteilung des Angemessenen, unter Verantwortung vor Gott und jenseits der Willkür vorgestellt hatte, entwickelte sich nicht auf diese Weise30, weil institu­tionelle und konstitutionelle Kontrollinstanzen fehlten. Die bürgerliche Gruppe protestier­te insbesondere gegen die Einschränkung des Rechts aufPrivateigentum.31 Im tiers état kam es wie im Adel zu sozialen Unruhen, aber nicht wegen enttäuschter Am­bitionen, sondern wegen hoher Steuern, die zur Deckung der Kriegskosten eingetrieben wurden, und durch klimatisch verursachte Missernten, die zu Hungersnöten führten. Die noblesse de robé32, die in den Parlamenten politisch aktiv und am Gericht zum Vertreter des Königtums geworden war, wurde von den Finanznöten des Staats ebenfalls betroffen, da zugunsten der Staatskasse immer mehr Ämter auch doppelt verkauft wurden.33 Den­noch entwickelte der Amtsadel zunehmend ein Gefühl der gemeinsamen Identität.34

2.2.2. Revolten des Blutadels

Die Eigenmächtigkeit des Blutadels spielt in Le Cid und in Cinna eine wichtige Rolle. Zu Corneilles Zeit war das Feudalsystem35, in dem die gesellschaftlichen Gruppen nicht offen waren, sondern die Geburt die Zugehörigkeit bestimmte, im Abbau begriffenen.36 Das Motto der noblesse de race blieb jedoch anachronistisch: ,,le sang fait des gentilshommes.“37 Die angeborene Würdigkeit musste allerdings noch durch Waffendienst bewiesen werden - so entstand die noblesse d’épée, die ihre angeborene Stellung im Dienst an König und Staat bestätigen musste. Diese verlor allerdings im 17. Jahrhundert zugunsten der noblesse de robe Macht, nicht zu letzt, da der Geburtsadel meist über keine einträglichen Ämter verfügte.38 Die noblesse de robe und der Geburtsadel wurden zuneh­mendjuristisch gleichgestellt.39 So kam es, dass der König sich auf den dritten Stand stütz­te und der Adel nur noch dekorative Funktion hatte. Die Bevorzugung des Bürgertums durch den Absolutismus erklärt sich auch dadurch, dass die Bürgerlichen „den starken und gefährlichen Rückhalt, der den anarchistischen Impulsen des Adels eine kollektive Sicher­heit verleiht“40 entbehren. Das Konzept des Königs als Prinzip, des Feudaladels als Ener­gie und des gehobenen Bürgertums als Vernunft des Staates galt nicht mehr. Der Haupt­grund für den Machtverlust des Adels war aber der kriegstechnisch bedingte Funktions­verlust.41 Auch militärisch war der Adel nach den Zentralisierungsprozessen des Gewalt­monopols also nicht mehr unabhängig.42 Anachronistisch hielt er aber an der traditionellen Kriegskunst fest.43

Die konservativen Strömungen der Adelsschicht verharrten also in feudalen Vorstellungen und wurden zunehmend enttäuscht. Auch der Schwertadel sollte sich im Absolutismus dem königlichen Gesetz unterwerfen, statt durch Duelle die militärische Schlagkraft zu schwächen, indem die adeligen Eliten durch ihre Selbstausrottung dezimiert werden. Der Adel hatte durch das Duellverbot kein Recht mehr, seine Ehre selbst zu schützen. Dass er nicht mehr selbst Recht schaffen durfte, sah der Adel, der eine gewisse Autonomie gegen­über dem König forderte, als wesentlicher Eingriff in seine Vorrechte an, der seine Macht unrechtmäßig beschnitt.44 Doch das Verbot wurde in aller Härte durchgesetzt.45 Diese Schritte dehnten im 17. Jahrhundert den königlichen Machtbereich aus46 und errichteten den Absolutismus. In diesem wurde der Monarch zum aus dem reziproken Bezugssystem von Rechten und Pflichten ausgelösten Monopolherren, der Chancen vergab.47 Das adelige Prinzip der Treue wurde unter dem Absolutismus zunehmend durch ein Prinzip des Kö­nigsgehorsams und der Einordnung als politische Aufgabe ersetzt.48 Der Adel revoltierte mehrfach, so kam es auch 1614 zu einem größeren Aufstand.49 Von 1630 bis 1640 herrschte in Frankreich eine besondere Desorientierung durch Bürgerkriege und ständige Revolten.50 Der Adel rebellierte gegen die königliche Zentralgewalt und Re­pression und wünschte sich eine ständisch beschränkte Monarchie zurück.51 Die Hochade­ligen wähnten sich in Berufung auf ihre Traditionen im Recht, aufgrund ihrer Wurzeln und der natürlichen Ordnung die wichtigsten und höchsten Staatsaufgaben auszuüben, wie zum Beispiel den Thronfolger mitzubestimmen. Dies widerspricht aber dem königlichen Gewaltmonopol, daher wollte der Absolutismus die Macht des Feudaladels brechen.

Der Höhepunkt der antiabsolutistischen Opposition folgte jedoch erst nach den hier rele­vanten Werken, von 1648 bis 1652: Die Fronde52, ein Aufstand des Feudaladels, also der Prinzen verbunden mit dem Parlament, gegen die Steuerpolitik und die königliche Verfü­gung über Ämter unter Mazarin.53 Die Entpolitisierung der französischen Gesellschaft ver­ursachte mit der Zeit eine Entpolitisierung des Theaters.54

2.3. Kulturelle Entwicklungen

2.3.1. Richelieu als Wegbereiter des Absolutismus

Als Kritiker und Patron beeinflusste Richelieu mit seinen Reformen das Schaffen Corneil­les und die Entwicklung, die dessen frühes Werk nahm: „Die Begegnung mit Richelieu und dessen diktatorischer Staatskonzeption war für Corneille schicksalhaft.“55 Bereits Maria von Medici setzte Richelieu, den damaligen Bischof von Luçon, als Staats­sekretär ein.56 Er verlor vorübergehend sein Amt, als man sie ins Exil verbannte, wurde aber 1624 erster Minister unter Ludwig XIII.57

Alle drei Tragödien, mit denen sich diese Arbeit auseinander setzt, verfasste Corneille un­ter diesem König, als der französische Staat noch nicht als gefestigt angesehen werden konnte. Die Stücke befassen sich mit einer Grundfrage des aufkommenden Absolutismus, der nach der Effektivität und Rechtfertigung des Königtums. Entweder sah man diese aus pragmatischen Gründen oder in der christlichen Moralität durch die Position des Monar­chen als Vertreter Gottes aufErden gewährleistet.58

Die quasi-anarchischen Zustände am Beginn der Ministertätigkeit Richelieus greift Cor­neille in Cinna auf. Hierin liegt eine der Parallelen, welche die These eines Gnadenappells durch Corneille an Richelieu, um Staatsinteresse und Menschlichkeit zu vereinigen, be­stärken.59 Die chaotischen gesellschaftlichen Zustände wollte Richelieu ändern: Zur Bestä­tigung der Wirksamkeit der Monarchie60 und zur Verwirklichung des absolutistischen Staatsgedankens bemühte er sich im Namen Ludwig XIII um die innen- und außenpoliti­sche Stärkung Frankreichs, indem er Staatsinteressen vor Einzelinteressen einordnete. Der König sollte von allen anderen Gruppen distanziert sein und wurde als Verkörperung des Staats propagiert. Nicht staatswillige Adelige wollte Richelieu zugunsten seines deklarier­ten Ziels der Wahrung und Mehrung des Staatswohls Frankreichs strikt deklassieren. Er schloss im Falle von Staatsverbrechen jegliche Gnade aus, denn Mitleid sei eine private und keine öffentliche Tugend.61

Richelieu bestimmte die Politik, auch wenn er nicht von Anfang an über eine unbestrittene Führungsposition verfügte. Seine Amtszeit war die Grundlage eines gesellschaftlichen Wandels: Die Ära Richelieu kann als Geburt des klassischen Theaters gesehen werden62, denn er förderte die Literatur, die immer mehr von politischen Interessen bestimmt war, nach dem Motto arma et litterae, also um die Nationalliteratur als sprachlich-kulturelles Komplement zur politischen Dominanz Frankreichs zu nutzen.

2.3.2. Die Rolle des Theaters im Umbruch

Anfang des 17. Jahrhunderts war das Theater noch irregulär, von der Inspiration getragen und auf ein ungebildetes Publikum ausgerichtet. Es galt als unkultiviertes und diskreditie­rendes Privatvergnügen. Das Interesse des Hofes und der Aristokratie am Theater war erst in der Entstehung, weshalb sich die Stücke des 16. Jahrhunderts noch am Geschmack des Volkspublikums orientierten. Die verbreitetsten und modischsten Gattungen waren bis etwa 1640 Komödien, Pastoralen und die noch kaum regeltreuen Tragikkomödien. Das unregelmäßige, prunkvolle, allegorische, komplexe und manchmal paradoxe Barock er­hellte noch mehrere Aspekte der europäischen Gesellschaft im siebzehnten Jahrhundert, so auch die Inhalte und Themen des Theaters.63

Doch das französische Theater entwickelte parallel zu einer übergreifenden gesellschaftli­chen Transformation ein neues Gesicht.64 Es wandte sich der Macht zu und wurde von die­ser anerkannt.65 Eine wichtige Rolle spielte auch der erzwungene Verzicht des Adels auf politische Machtausübung, sodass er nun Freizeit für Bildungsinteressen und kulturelle Betätigung hatte.66 Dies, im Zusammenspiel mit der Erhöhung der Eintrittspreise, führte zu der Veredelung des Theaterpublikums in den 1630er Jahren. Man begann, das Theater67 als Mittel der intellektuellen Schulung zu betrachten, denn die zentralisierte Verwaltung benötigte kultiviertes Personal.68 Kultiviertheit orientierte sich an dem durch die Schule des ab 1618in den Salons gebildeter Damen entstandenen Kulturideals honnêteté’69, dessen Anspruch an kultivierten Umgang auch zur Domestizierung des einstigen Feudaladels diente.70 So wurde das Theater zusätzlich zur politischen Funktion als Medium der Propa­ganda staatlicher Interessen auch noch Instrument zur Verfeinerung der Sitten und der Le­bensform, besonders der dadurch aufgewerteten noblesse de robe, das belehrt, indem es unterhält.71 Das Theater wurde folglich für ein gebildeteres Publikum geöffnet, das stärker an politischen Fragestellungen interessiert war.72 Das erklärt den Erfolg Corneilles früher Tragödien, wo die Politik als tragischer Faktor dient und die einer „logique tragique de la politique, logique politique de la tragédie“73 folgten.

In der Amtszeit Richelieus - der für einen Kirchenmann unerwartet politischen Gefallen am Theater fand74 kam es durch Vermittlungsprozesse zwischen Politik und Literatur zu einer Reform und Aufwertung der Bühne. Alle Gattungen des Theaters waren von diesem gesellschaftlichen Wandel hin zur politischen Rechtfertigung der Kunst durch die Staats­maschinerie betroffen. Die von Richelieu ins Werk gesetzte und von Mazarin vollendete Zentralisierung der Macht am Königshof, genannt Pariser Zentralismus, hatte auch zur Folge, dass das Theater, welches in den ersten 30 Jahren des 17. Jahrhunderts vorwiegend in der Provinz eine Rolle spielte, sich mehr auf den Pariser Hof konzentrierte.75 In der Hauptstadt wurden immer mehr ständige Theater eingerichtet. «L’image de Paris grandit incontestablement en même temps que la pastorale meurt et que le pouvoir royal se déve­loppe.»76

Zwar gab es ab 1623 bereits königliche Zensoren, die Druckerlaubnisse erteilten77 ; unter Richelieu aber wurde die Kontrolle der Künste staatstragendes Element, denn er hatte die Bedingtheit der öffentlichen Meinung und die Bedeutung des Theaters durchschaut. Er re­organisierte deshalb die intellektuelle Welt, indem er alle Publikationsmittel kontrollierte und eine Aufsicht über Buchwesen und Druckerei einführte.78 Sein Ziel war, das literari­sche Leben in den Dienst des Staates zu stellen.

Der Funktionswandel der dramatischen Literatur in der Epoche des entstehenden Absolu­tismus war widersprüchlich - einerseits wurde die literarische Produktion nationalstaatlich legitimiert und erhielt einen Eigenwert durch ihre Annäherung an die Politik, andererseits wurde sie durch Mäzene, die oft auch politische Machthaber waren, kontrolliert. Das Theater profitierte von dem gesellschaftlichen Wandel in dieser „époque de découverte, à la fois théâtrale et sociale“79, die literarische Aktivität geriet aber auch durch Vorschriften und ministeriellen Interventionismus zunehmend unter Regierungsdruck. Alle Künste wa­ren mehr oder weniger von der Gunst des Königs abhängig.

Clarke nennt die Schaffensperiode Corneilles „a period when matters of politics were ne­ver very far from matters of political ideology“80: Unter Richelieu waren literarische Fra­gen nicht von Politischen zu trennen, denn er hatte den moralischen Gehalt des Politischen erkannt. Daher duldete seine das literarische Schaffen manipulierende politique de raison der absoluten Autorität auch keine Freiheit des Ausdrucks mehr, wenn die literarische Ak­tivität nicht den Regierungsinteressen entsprach.81 Richelieu setzte das Theater also unter Regelzwang und förderte so die Herausbildung der klassischen Dramaturgie durch seine allgemeine Reglementierung und durch seine Förderung einzelner Literaten.

Um 1630, nach sechs Jahren Amtszeit Richelieus, hatte das französische Theater dadurch eine zuvor nicht gekannte Stabilität und nicht nur literarisches, sondern auch soziales Pres­tige erlangt.82 Selbst die Kirche, die im Absolutismus wie alle Institutionen stark in das Staatswesen eingebunden wurde, war nicht mehr gegen das Theater. Die Académie Fran- caise wirkte seit ihrer Gründung durch Richelieu 1635 an der Popularisierung königlicher Auffassungen mit. In einer Zeit ohne Urheberrecht, wo das literarische Schaffen vorwie­gend durch Mäzene bestimmt wurde, schuf die Académie ein gegenüber persönlichen Bin­dungen autonomes Urteil und trug auf diese Weise zur politischen und künstlerischen Blü­te bei. Auf diese Weise begann das Theater des 17. Jahrhunderts nach dem Erhabenen zu suchen.

Durch das Konzept der Kultur und Literatur zur Herrschaftssicherung wurde auch der Sta­tus der Schriftsteller aufgewertet. Immer mehr Theater und Schauspielertruppen83 entstan­den.84 Doch die Autoren waren zunehmend nicht mehr wie Angestellte dieser Truppen, sondern wurden zu Geschäftsleuten, die um Mäzenen und Geldgeber warben.85 Diese ver­hielten sich oft direktív. Corneille hingegen war vergleichsweise unabhängiger86 und damit autonomer von intellektuellen Milieus.87 Er ließ sich nicht zum gefügigen Staatsdiener ma­chen, obwohl er ab 1640 auch eine der 1637 eingeführten staatlichen Pensionen für Schriftsteller erhielt, denn seine Tragödien88 trugen erheblich zur neuen Würde des Thea­ters bei.

Als Dramenautor kam Corneille zu dem Ruhm, den man nicht erbt, sondern durch persön­liches Verdienst erwirbt.89 Der Autodidakt Corneille lieferte einen Beitrag zur Legitimie­rung des Theaters als sozial nützlich und erhaben.90 Scherer stellt fest, dass Corneille der Autor sei, dem es am besten gelungen sei, im Einvernehmen mit der zeitgenössischen Ge­sellschaft eine neue Ästhetik des Theaters zu entwickeln.91

Die Zusammenhänge von Dramaturgie und Gesellschaft erklären sich durch die Wurzeln des Theaters im Wirklichen.92 Daher kann das Theater als Spiegel der Gesellschaft gese­hen werden, in diesem Fall als Portrait einer „société qui place au plus haut niveau les va­leurs de courage et d’héroïsme“93. In ihm spiegeln sich die Ideologie, das Wertesystem und die Weitsicht der Epoche, wobei diese natürlich nicht als uniform betrachtet werden können. Insofern integriert aber das Theater die soziale Realität. Es war sogar von politi­schem Nutzen, indem es zum Ausgleich der Versagensmomente der Politik diente.94 So kultivierte das Theater die zentralisierte Macht: «Instrument de la propagande nationale et monarchique, un théâtre brillant convaincra à la fois les Français de l’excellence de leur système de gouvernement et les étrangers de la grandeur de la France.»95 Zusammenfassend lässt sich von einer Entwicklung des Theaters zu einer gesellschaftli­chen Institution sprechen, es wurde zu einer Form öffentlicher Kommunikation.

3. Die Reflexion des Gesellschaftswandels in Corneilles Werken

3.1. Das Zeitgeschehen

Meist bilden soziale Kategorien den Rahmen von Corneilles Theaterstücken, wodurch sie mit dem geistigen Klima ihrer Zeit übereinstimmen. Im 17. Jahrhundert wurde der Einzel­ne zunehmend in den Staat eingebunden. Diesen Prozess greift Corneille in seinen frühen Tragödien auf, indem er Individuum und Staat gegenüber stellt, wobei das Subjekt Auto­nomie postuliert, während der Staat Einordnung fordert.96 Diesen Konflikt drückt er in be­grifflichen Gegensatzpaaren wie devoir - amour, amour - honneur, amour - raison und vo­lonté-passion aus.97 Bei ihm versteht sich der Einzelne zuerst einmal unreflektiert als Teil eines sozialen Ganzen, dem er konstruktive Verantwortung schuldet.98 Dabei ist das Individuum austauschbar - in Le Cid, das zur Zeit der Reconquista in Spanien spielt, ist es zum Beispiel egal ob, Don Diègue, Don Gomès oder Rodrigue den Heerführer stellen (vgl. Vers 1099).

Die enorme legislative Macht des Königs im entstehenden Absolutismus wird schon in Le Cid angedeutet: „Jamais à son sujet un roi n’est redevable“ (Vers 370) und «Mais on doit ce respect au pouvoir absolu / De n’examiner rien quand un roi l’a voulu.» (Verse 163f.). Am Anfang der Stücke Le Cid und Cinna schränkt der Feudaladel die Souveränität des Königs im Inneren aber noch ein. Die Ausgangssituation ähnelt der Frankreichs unter Ludwig XIII99, dessen Macht, wie oben dargelegt, noch stark durch Partikulargewalten be­schränkt war, welche die monarchische Staatsform infrage stellten100. « Le Cid expose une situation militaire dont l’analogie avec la situation française est bien visible. »101 Zu dieser Regimekrise finden sich Parallelen im Werk: Die Aristokratie will an ihre ritter­liche Vergangenheit anknüpfen, die sie nostalgisch romantisiert und auf die sie stolz ist.102 Aristokratische Agitationen gefährdeten die königliche Autorität: Rodrigue löst in Le Cid nicht nur das Versprechen seiner Geburt ein (vgl. Vers 1629), er übertrifft es sogar in der Erfüllung seiner Staatsaufgabe, Don Gomès zu ersetzen. Doch Rodrigue übergeht wieder­holt den König und zieht statt gehorsam den Befehl abzuwarten, mit Freunden selbstbe­stimmt gegen die Mauren und maßt sich das Heerführeramt selbst an. Durch das feudale Prinzip der fidélitékann Rodrigue die Verteidigung seines Landes privat organisieren.103 In Frankreich wäre zu Corneilles Zeit ein solch eigenmächtiges Verhalten als Hochverrat mit der Todesstrafe geahndet worden.104 Daher inszeniert Corneille Rodrigue nicht als den idealen Staatsdiener, obwohl er ihn unter Don Fernand den Namen, den ihm gefangene Maurenkönige wegen seiner Einmaligkeit gegeben haben, empfangen lässt: „Le Cid“, was in ihrer Sprache seigneur heißt. (vgl. Vers 1225) Die Heerführer sind austauschbar, aber der Titel mit seiner magischen Wirkung (vgl. Verse 1326, 1827) bleibt Rodrigue noch nach seinem Tod und hebt so die Zeit auf.105

Le Cid bildet also einen Regimewechsel von einem feudalen System zu einem „univers héroique animé par les lois de la monarchie“106 ab. Corneille thematisiert wiederholt den Wechsel von der Dominanz feudaler Regeln zur Dominanz königlicher Gesetze, die das Heroische beherrschen.107 Seine Szenarien scheinen also an die Realität angelehnt. Richelieus imperiales Streben wird in Le Cid durch die Unterwerfung der Mauren in Ka­stilien und in Horace durch den Souveränitätsanspruch Roms Alba gegenüber reflek­tiert.108 Der Stoff des Stücks Cinna weist noch deutlichere Parallelen zu den Verhältnissen unter Richelieu auf als der in Horace109: Die römische Republik in ihrer Endphase ähnelt Frankreich in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts110, als es auf der Suche nach der Defi­nition einer Herrschaftsform war. Die politische Aussage Cinnas kann deshalb als eindeu- tiges Plädoyer für den Absolutismus gesehen werden111. Dies sprach dem oberen Bürger­tum, das die Beseitigung feudaler Nebengewalten durch einen starken, von Feudalherren unabhängigen Staat, der die öffentliche Ruhe garantiert, erwünschte und damit Hoffnun­gen an die absolute Monarchie knüpfte, aus dem Herzen.

Der König war dem Volk durch die Erbfolge aus Gottes Hand gegeben und nur vor Gott verantwortlich und durch die lois fondamentales divines et naturelles begrenzt.112 Der Ge­danke des von Gott ausgewählten Herrschers findet sich auch in Corneilles Werk wieder: Auguste kündigt in Cima an „Le ciel m’inspirera ce que je devrai faire“ und über Tulle wird in Horace gesagt Ces mêmes dieux à Tulle ont inspiré ce choix / Et la voix du public n’est pas tou­jours leur voix. Ils descendent bien moins dans de si bas étages Que dans l’âme des rois, leurs vivantes images de qui l’indépendante et sainte autorité Est un rayon secret de leur divinité. (Verse 841f.)

Corneille zeichnet ein Bild des Absolutismus, der Staatsbürgertugenden, aber auch ent­sprechende Herrschertugenden, betont und den alten Adel durch Staatsämter am Regie­rungsgeschäft beteiligt.113 Bedingung dafür ist, dass Geburtsadel mit Tugendadel überein­stimmt114, wie Corneille fordert: Die Gnade der Geburt muss mit göttlicher Würde und Be­rufung, mit dem Willen, der die Anlagen wirksam macht und mit der entsprechenden Würde durch persönliche Tugend kombiniert sein.115

Die noble Herkunft hielt man für äußerlich sichtbar, wie auch in Le Cid reflektiert wird (vgl. Verse 26ff, 419f.). Nur in Ausnahmefällen eröffnete besondere Leistung Aufstiegs­möglichkeiten, denn man ging davon aus, dass mit niedriger Geburt niedrige Denkweise einher ging.116 Das spiegelt sich in Cinna bei Euphorbe, der als Niedriggeborener zwar ein Überzeugungstalent besitzt, aber auch infame Ratschläge gibt und mit seinen „lâches con­seils“ (Vers 1407) Maxime zum Schlechten verführt - dessen Verrat steht dem Heldentum konträr gegenüber, denn sang, rangund vertu mussten zusammenkommen, um die Freiheit und Sicherheit einer gerechten und rechtmäßigen Ordnung zu garantieren. Cinna nennt sie naturgemäß verbunden (vgl. Verse 1409ff.), denn nobles Blut ist gleichzeitig ein Verspre­chen und der Garant seiner Erfüllung. Corneille lässt Cinna den Lehrcharakter der Ge­schichte erkennen, aber auch anmerken, dass die geschichtlichen Beispiele nicht immer übertragbar sind: „Mais l’exemple souvent n’est qu’un miroir trompeur.“ (Vers 388)

Die Entmachtung des Hochadels schlug sich erst mit einiger Verzögerung in Corneilles Werk nieder, wo das im Frühwerk dominante Motiv der autonomen Selbstverwirklichung allmählich verblasste, da der Absolutismus für diese Priorität der tradierten Werte keine Verwendung mehr hatte.117 Der Schein trat in der Statuskonkurrenz der reputationsstreben­den höfischen Aristokratie des absolutistischen Frankreichs an die Stelle des Seins.118 So ist auch in Cinna der Hof als Ort der Begegnung zwischen König und Adel ein Ort der In­trigen. „What is new, however, is the extraordinary richness and precision with which Cinna reflects contemporary political theory and debate.“119 Corneille nimmt stofflich auch auf seine zeitgenössische Wirklichkeit Bezug, indem er Cinna die Monarchie als bestmögliche Staatsform darstellen lässt: Er lebte und schrieb in einer Zeit, als um das Verhältnis zwischen aristokratischer Freiheit und monarchischem Prinzip gerungen wur­de.120 So weist die Verschwörung Parallelen zu den Adelskonspirationen der 20er und 30er Jahre des 17. Jahrhunderts auf121. In Auguste zeigt Corneille einen Staatsmann, der mit den Staatsinteressen ringt und eine moralische Aufwärtsbewegung vom usurpatorischen Herr­scher zum rechtmäßig anerkannten Kaiser vollzieht.122 Physisch ist die Person des Auguste bedroht, aber auf das Politische übertragen ist es der Thron: Die institutionelle Zukunft Roms als Republik oder Kaiserreich steht auf dem Spiel.123 Darin besteht die besondere tragische Breite des Stücks.

Corneille bewies eine idealpolitische Gesinnung. Bei ihm ist es kaum noch möglich, vom sozialen und politischen Kontext zu abstrahieren.124 Dabei bleiben seine Thematiken ak­tuell: „La passion du pouvoir a changé de visage depuis Corneille, mais elle mène toujours à l’oppression, elle permet de tuer et d’absoudre les assassins.“125 Clarke sieht in Tulles Urteil, das in Horace mit seinem Freispruch die Staatsraison über das geltende Recht stellt, eine Rechtfertigung der Politik Richelieus.126 Doch kein Stück Corneilles verfolgte vorran­gig politisch-propagandistische Ziele: Statt zu verurteilen inszenierte Corneille bestimmte Verhaltensweisen127, sodass die Zuschauer das Betragen des Helden, der bei Corneille als großer Staatsdiener neben, aber auch vor und bisweilen gegen den König steht, beurteilen konnten ,,by extending their own experience of the social order into the socio-political oder of the play“.128 Corneilles Helden verkörpern die Staatsgewalt oder stehen wegen ih­rer Verwandtschaft und ihres Verdienstes in ihrem Umkreis. „Diese Erhebung der Cor- neilleschen Helden, die Umwandlung und Läuterung ihrer Lebensstoffe lässt sich genauer verstehen in der Sicht auf die widerspruchsvolle politische Rolle, die das französische Bürgertum im großen Jahrhundert zu spielen gezwungen war.“129

Es lässt sich also das Fazit ziehen, dass Corneille Konflikte inszenierte, welche die erste Hälfte des 17. Jahrhunderts erschütterten.

3.2. Corneilles Umgang mit den dramatischen Regeln

3.2.1. Bienséance

Corneille war weniger ein Theoretiker der regeltreuen Tragödie als am Verhältnis von Staat und Held und deren Konfrontation als handlungsauslösendes Element interessiert. Er ließ sich in seinem Frühwerk nicht von formellen Regeln begrenzen, denn er sah sie als Schwächung der Tragödie.130 Er experimentierte mit den gängigen Regeln131 und versuch­te, sie weiter zu entwickeln, indem er Regularität und Irregularität kombinierte. Die drei Einheiten von Zeit, Ort und Handlung, die zum Beginn Corneilles Schaffensperiode noch eine Neuheit waren, mit der er neugierig umging, hat er teils missachtet132 oder zumindest logisch-kausal verknüpft. Ganz Pragmatiker, setzte er den Erfolg seiner Stücke als prakti­sche Erfahrung über die Theorie und argumentierte mit dem geringen Bühnenerfolg der Hochgelehrten, der ihre die Publikumsreaktion ignorierenden präskriptiven Regeln zu ei­ner reinen Spekulation degradierte.133

The doctrinaires [...] transform the drama into an agreeable depiction of an altern­ative universe of ideas, far superior to the wretched world of experience.134

Für Corneille war Regeltreue nutzlos, wenn sie beim Publikum keinen Gefallen fand.135 Das konventionelle Theater gab kaum Einsicht in die menschliche Natur und folglich kaum Anregung zum Nachdenken.

Those rival history plays which Richelieu’s protégés most applauded, because they seemed most successfully to marry the dramatist’s art with univocal political significance, now seem to us undeniably poorer than Corneille’s more thoughtful, but problematic, re­creations ofhistory.136

Er inszenierte zugleich menschliche Leidenschaften und Staatsinteressen137 wobei die Ge­fühle und Handlungen der Figuren konform zu ihrer Funktion und Natur sind.

Die bienséance, auf deren Sitte Richelieu die Künste, insbesondere die Tragödie, die eine höhere Welt darstellen sollte, verpflichten wollte138, verlangt als ideologische Einheit eine strikte Orientierung am zeitgenössischen Publikum, also eine Anpassung an den neuen Gesellschaftstyp139, auch wenn das dem historisch Wahren widerspricht. Vraisemblance ist also abhängig von der normativen und regulativen bienséance. „Das klassische Stilgesetz der bienséance ist aus der idealtypischen Vorstellungswelt der eigenen Zeit deduziert, die als universelle Norm und sogar als Natur verstanden wird.“140 Diese verlangt, dass das pri­vate Schicksal nie vor das öffentliche gestellt oder als von diesem unabhängig präsentiert wird. Hier zeigt sich der Zusammenhang von Kunsttheorie und Politik. Die Gesellschaft sollte, wie auch D’Aubignac vertrat, aufrecht erhalten werden, indem das Theater zur Ver­einigung des Volks in der Theorie der Pflicht beitrug.141 So sollte zum Beispiel der Herr­scher nur als Objekt der Verehrung dargestellt werden.

Corneille aber war ein zur Figur passendes Verhalten wichtiger als deren Tugendhaftig­keit.142 Für ihn hatten die bienséances internes als Einklang der Figuren mit der histori­schen Rolle Vorrang vor den bienséances externes, nämlich der Publikumserwartung als ahistorische Komponente143, denn nur Charakterkohärenz sichert die Verständlichkeit des Stücks. Doch für viele seiner Zeitgenossen war die Treue zur Vorlage kein Wert, sie ver­langten eine Aktualisierung der Stoffe. Zur Rechtfertigung des skandalösen Sozialverhal­tens seiner Figuren wie Emilie, Horace, Maxime oder Cinna vollzog Corneille einen Ver­gleich zur Portraitmalerei, wo es wie in der Literatur auch nicht darum gehe, ein Gesicht schön zu malen, sondern darum, dass das Bild dem Modell ähnele. „By illustrating the realities of human behaviour and misbehaviour, Corneilles play is both interesting and en­joyable, because it raises serious moral issues.“144 Corneilles Ziel war, die Zuschauer es- sentidle Wahrheiten erkennen zu lassen.145 Eine Kunst mit dieser Zielsetzung ist „morally indifferent, because its office is to imitate nature as it is, rather than moralise by imitating only a reassuring part of it.“146 Corneille bewies einen „distaste for any mode of imitation which aims directly to express preconceived truths, rather than make an intrinsic truth pleasurably apparent through dramatic contrasts and conflicts of behaviour.”147 Nicht nur sozial vertretbares Handeln war für ihn wahrscheinlich. Diese Einstellung zeigte sein Ver­trauen in die Kompetenz des Publikums, ohne auktoriale Hilfestellung zur korrekten Inter­pretation zu finden, zum Beispiel durch die Entwicklung moralischen Unbehagens ange­sichts verderblicher Handlungen der Figuren, deren Konsequenz die Geschehnisse auf der Bühne sind.148

Corneille traute seinem Publikum viel zu, aufgrund seiner [...] conviction that the spectator also recognizes that those same consequences of choice and action subtend his own experience and understanding ofbeauty and ugliness in human conduct and of the servitudes and freedoms ofhis social and political experience.149

3.2.2. Vraisemblance

Die wichtigsten Streitpunkte Corneilles mit der Akademie waren sein Wahrheitsbezug in der Verwendung historischer Quellen und seine Figurenkonzeption sowie seine Zweckde­finition der Kunst.150

Anders als die von den Historiographen überlieferte Wahrheit ist die vraisemblance eine ästhetische Einheit, die verlangt, dass das Wahre so modifiziert wird, dass es positiv mo­dellhaft ist.151 Das an Aristoteles angelehnte Leitmotto Corneilles Zeit war plaire selon les règles. Aristoteles hatte aber, anders als die Theoretiker des 17. Jahrhunderts, sofern eine Thematik wahr ist, auch das Unwahrscheinliche anerkannt, das seinerseits durch wahr­scheinliche und plausible dazuerfundene Details ergänzt werden durfte. Corneille verlang­te diese Unabhängigkeit der Kreation, die Geschichte mit psychologisch überzeugenden Details zu ergänzen, ohne sie zu entstellen oder ihr zu widersprechen, um so seine Stücke gefallend und überzeugend zu gestalten.152 Solange die Handlungen den Charakteren ent­sprechen, sind die moralischen Bedeutungen klar und treten in Kohärenz mit den eigenen Erfahrungen der Zuschauer, die sich emotional einbringen. Die moralische Verständlich­keit des Stücks hängt von der Identifikationsfigur ab, die bei Corneille der Gratwanderung zwischen individuellen Erstrebungen und kollektiven Moralstrukturen ausgesetzt ist und politische Entscheidungen treffen muss. Das der Konzeption des Protagonisten unange­messene Verhalten führt zu Sympathiebruch.153 Durch feine Charakterisierung kommt der Zuschauer in widerstreitenden Reaktionen auf die kontrastreichen Darstellungen von prin­zipientreuem und verwerflichem Handeln zu eigenen Schlussfolgerungen über die menschlichen Stärken und Schwächen und damit zu einem tieferen Verständnis.154 Ab­strakte Darlegungen moralischer Prinzipien bewirken dies nicht. Corneille plädierte also für eine Freiheit der Regelinterpretation, welche die Tragödie zu einem Instrument der Ge­schichtsinterpretation macht155: Er bevorzugte wahre Vorkommnisse, weil sie eine dauer­hafte Bedeutung haben. Sie kommunizieren Wahrheiten, die zeitgebundene Moden über- greifen.156 Doch das scheinbare Paradoxon, dass was wahr ist, nicht zwangsläufig auch wahrscheinlich sein muss, brachte ihm Probleme ein, als er davon ausging, dass er die vraisemblance bei Behandlung von unmodifiziertem historischem Material nicht bedenken müsse.157 Doch Corneille akzeptierte die Geschichte und verweigerte sich der Forderung, das Theater müsse deren Unordnung korrigieren.158 Daher griff er bevorzugt auf Stoffe der römischen Geschichte aus antiken Quellen und auf andere bekannte historische Gescheh­nisse zurück, die das Thema Machtausübung problematisierten.159 Damit stellte er die „ambiguities of heroic pride and military ambition caught in the complexities of political necessity“160 dar. Da er die römische Antike systematisch erforscht hat, empfand ihn Bra­sillach sogar als Vater des römischen Heroismus.161 Er benutzte nicht nur, sondern reflek­tierte die Geschichte durch Modernisierung der Anciens, statt sich ihnen zu versklaven.162 Indem er sie im Licht der sein zeitgenössisches Publikum unmittelbar betreffenden morali- sehen und politischen Angelegenheiten wieder aufleben ließ’ hat Corneille sie verändert und sie zu etwas Neuem und Eigenem gemacht.163

Den Rückgriff auf die Geschichte als Stoffquelle glaubwürdiger menschlicher Erfahrun­gen sah schon Aristoteles als typisch für die Tragödie an.164 Zudem war Rom zu Corneilles Schaffenszeit ein literarisches Modethema, das Corneille mit der Erinnerung an feudale Herrlichkeit verband. Rom symbolisierte eine erhabene Bürgerordnung geprägt von Elo­quenz, Konstanz und Patriotismus.165 Die französischen Könige sahen sich als Nachfolger der römischen Kaiser.166 Das alte Rom verkörperte ein vorbildliches Menschentum voller moralischer Qualitäten und staatsbürgerlichen Eigenschaften, man traute ihm deshalb Lehrcharakter zu.167 In seiner Darstellung von Römern, Symbole des idealisierten Franzo­sen, gab Corneille seinen Tragödien folglich einen didaktischen Zug, indem er die Zu­schauer die moralischen Effekte des menschlichen Handelns nachvollziehen ließ. Letzt­endlich war die unter dem Gesichtspunkt der vraisemblance entworfene Fiktion, die „fa­brication of an ideal world of preconceived virtues within the formal framework of regula­rity“168, nicht mal für rein didaktische Zwecke dem Wahren überlegen, denn die Tragödie kann nur als Schule der Tugend dienen, wenn Gefälliges neben Ungefälligem gezeigt wird.169

Auch Richelieu legte besonderen Wert auf die römische Geschichte, da der entstehende absolutistische Staat der Literatur eine erzieherische Aufgabe zuteilte.170 So muss der hero­ische Wert bei Corneille in die kollektiven Interessen integriert werden.171 Er reformierte und verschönerte das Altertum und ließ einerseits römisch gleichbedeutend mit tugendhaft erscheinen.172 Andererseits zeigte er den idealen Römer, der seine Welt überschreiten will, in einer realen weltlichen Situation und schnell wird deutlich, dass die menschlichen Fä­higkeiten begrenzt sind und die Römertugend totalitäre Züge aufweist173: Sie steht in enger Beziehung zu Gewalt, wie in Horace verdeutlicht.

Cinna hingegen legt dar, dass heroische Stärke nur verbunden mit einem ausgeprägten Ge­rechtigkeitssinn und der Kenntnis des Guten möglich ist, die man durch das Erkennen der Intentionen der Götter erhält.174 Die Worte „romaine“ und „haine“ werden hier durch einen Reim inVerbindung gebracht (vgl. Verse 974 - 976).

Folglich liegt nahe, dass bei Corneille die Regeln fur einen geordneten Rahmen eines Stücks sorgen, nicht aber fur dessen Bedeutungsgehalt175 - der Poet formt, um die Sozial­kondition zu untersuchen, die Geschichte durch seine Auswahl an Aspekten neu, er voll­führt eine Art Metamorphose im Theater, eine „transformation du fait en signe“.176 Durch seine historischen Themen waren Corneilles Stücke nicht nur plausibel, sondern wahr. Die kultivierte Öffentlichkeit erkannte in Corneilles Tragödienhelden Modelle oder Antimodelle der politischen Philosophie, die angetrieben von Tacitus177 und Machiavelli diskutiert wurde178. Daher kann man Corneilles Frühwerk mit Recht als politische Litera­tur bezeichnen. Susan Read Baker nennt Corneilles Tragödien „a historical theatre which has weighty political issues at its core“.179 Trotz der Vielfalt seiner Stücke kann man also von einer Machttriebe, Ambition und Rache umfassenden thematischen Einheit spre­chen.180

4. Politik und Theater bei Corneille

4.1. Le Cid als heroische Tragödie

4.1.1. Generationen und Werthaltungen

Le Cid wurde im Übergang von Barock und Klassik181 geschrieben und weist noch einige Merkmale des Barocks auf, zum Beispiel den hyperbolischen Sprachstil und die übertrie­benen Gesten.182 Das Stück entspricht der Mode der 1630er, indem es 1637 erst als Tragik­komödie bezeichnet wurde183, die zu der Zeit stark verbreitet war, während es noch wenige reine Tragödien gab.184.

Der Ausgangspunkt des Stücks ist komödienartig, da das private Liebesglück thematisiert wird, während in der Tragödie die rationale Steuerung dominant ist.185 Das Stück behan­delt als Kerninteresse das Verhältnis zwischen Liebe und Freiheit. Auch die Handlungs­struktur von Le Cid erinnert an eine Komödie186, weil sich das Stück durch ständige Unge­wissheit und wechselseitige Abhängigkeit aller Figuren auszeichnet. Jedoch entsteht dann eine solide, da sozial präzise und historisch fundierte, politische und moralische Argumen­tation, die über die gewöhnliche Tragikkomödie hinausgeht.187 Das Ende von Le Cid bricht ebenfalls mit tragischkomischen Mustern, da sich Chimène eloquent gegen die Ver­mählung wehrt, weil sie nicht das Gehalt für den Staatsverdienst sein will (vgl. Vers 1792). Doch Don Fernand darf hier das Naturrecht der freien Gattenwahl brechen, da so die zwei wichtigen Häuser versöhnt und ein staatsgefährdendes Bürgerkriegsrisiko ge­bannt werden.

Zwar sagte Corneille, die Liebe188 habe in Le Cid von allen seiner Stücke am meisten Ge­wicht, doch das erklärt sich, weil sie in dem Stück eine breitere politische Bedeutung hat, da die Bedürfnisse der Liebenden mit dem kollektiven Staatsbedürfnissen unvereinbar sind.189 Sie können ihrem Kontext nicht entkommen, da er ihre Wahlfreiheit begrenzt.190 Die Katastrophe, die mit der Ernennung des Don Diègue zum Prinzenerzieher beginnt, die Don Gomès in seinem Ehrgeiz kränkt, verwandelt Einklang in Widerspruch. Don Diègue und Don Gomès haben in der gleichen Funktion Ehre erworben und teilen daher ein ähnli­ches Selbstverständnis, nur die Zeit unterscheidet Don Diègue als Held der Vergangenheit von Don Gomès als Held der Gegenwart und Rodrigue als Held der Zukunft.191 Don Gomès empfindet die Wahl des Königs als Subversion seiner Wertehierarchie. Daher stellt der sich nicht anerkannt fühlende Graf den König infrage und stellt sich selbst in sei- nem maßlosen Selbstlob über ihn.192 Er lässt einen Rechtsanspruch gegenüber dem König verlauten, der sein feudalistisches Staatsverständnis entlarvt, das den König als Gleichen an der Spitze eines durch reziproke Rechte und Pflichten gegliederten Staates sieht.193 „Pour grands que soient les rois / Ils sont ce que nous sommes“ (Verse 157f.). Er zweifelt an der Urteilsfähigkeit des Königs (vgl. Verse 151f.). Daher sieht sich Don Gomès im Recht, dem König Widerspruch zu leisten, was der Staatsraison widerspricht.194 Don Gomès beleidigt aus Überkompensation das Ehrgefühl des Don Diègue durch eine Ohrfeige, die diesen in seinem funktionsbezogenen Selbstverständnis trifft. Ein verbaler Konflikt ist zu einem physischen geworden. An Don Gomès’ Verachtung für Don Diègue, der über seinen Sohn seine Ehre trotz seines Alters bewahren möchte, wird deutlich, dass in der feudaladeligen Gesellschaft Schwäche Schande bedeutet195: In einer Gesellschaft, die auf Kampf aufbaut, geht körperlicher Verfall mit sozialer Missachtung einher. Don Diègue hat seinen Gebrauchswert verloren, sein Schwert, einst „glorieux instrument“ (Vers 255), ist nur noch ein „inutile ornement“ (Vers 256). Er muss erkennen, dass Bluta­del und vergangener Staatsverdienst nicht (mehr) vor Entehrung schützen: Heldenhaft ge­wesen zu sein reicht nicht. Heldentum ist nicht mehr vererbbar, sondern muss begründet werden, so auch von Rodrigue.196 Daher fordert er seinen Sohn auf „meurs ou tue“ (Vers 277), obwohl er von dessen Liebe weiß (vgl. Vers 285). Rodrigue teilt mit seinem Vater die gleiche moralische Identität (vgl. Verse 261f., 270) und wird auf diese Weise sein alter ego: „mon fils, mon sang“ (Vers 266).197

Auch wenn er einem tragischen Helden entsprechend über sein Verhängnis klagt, ent­scheidet Rodrigue in dieser Gegenüberstellung von Erbe und Zartgefühl sowie Blutsban­den und Empfinden198, dass seine Pflicht seinem Blut und seiner Ehre gegenüber dringli­cher ist und keine Verzögerung erlaubt. Damit ist er bereit, für seine grandeur sein Glück einzutauschen.199 An der Wertschätzung, die Don Gomès seinem Gegner gegenüber - wenn auch auf herablassende Weise - äußert, wird deutlich, dass er das Wertesystem des Blutgesetzes teilt, das Rodrigues Vater vertritt. Rodrigue erweist sich nun als würdig und bestätigt den Eindruck des Grafen, er sei die Hand seiner Tochter wert. Zwischen den Kontrahenten ist kein Hass, sie sind keine Feinde, obwohl sie sich auf Leben und Tod ge­genüber stehen.200

Die Aufgabe, den Grafen abzustrafen, ist die Negation der Erfüllung Rodrigues, doch die Entscheidung ist in diesem Normenkonflikt unausweichlich.201 Wenn Rodrigue den obers­ten Leitwert der Familienehre nicht rehabilitiert, erntet er die Verachtung seiner Mit­menschen, einschließlich Chimènes. Darum entscheidet er „Je rendrai mon sang pur com- meje l’ai reçu“ (Vers 344).

Die rebellische Entehrung, die impliziert, dass der Graf die Interessen seiner Familie vor die des Allgemeinwohls stellt, wird allgemein verurteilt, so sagt auch Don Fernand, dass Don Gomès ein „[...] sujet téméraire“ (Vers 561) sei, das sich offen gegen die Staatsge­walt auflehne: „Au milieu de ma cour il me donne la loi“ (Vers 564). Die königliche Wahl richtet sich neben mérite auch nach faveurund ist unkritisierbar: « S’attaquer à mon choix, c’est se prendre à moi-même / Et faire un attentat sur le pouvoir suprême » (Verse 605f.) Don Arias liefert die Gegenposition zu diesem « disruptive character of aristocratic preten­sions »202. Vor ihm sieht der Graf seine Überreaktion ein, dochje mehr er insistiert, je ver­härteter in seinem Hochmut wird dieser aus Trotz wieder (vgl. Vers 378). Er hält sich für die unverzichtbare Stütze des Königs: „Il a trop d’intérêt lui-même en ma personne / Et ma tête en tombant ferait choir sa couronne.“ (Verse 381f.)203

Zwar hat Don Gomès als Heerführer große Macht, doch indem er angibt, nur sich selbst schätzt und seinen guten Staatsdienst als Handlung der Profitgier entlarvt, disqualifiziert er sich.204 Somit symbolisiert der Tod des Grafen, der eine Peripetie205 darstellt, das Schei­tern seines politischen Systems, das im gewandelten Staat für Unordnung gesorgt hätte, da es den König nicht als dem Hochadel überlegen ansah, wie Don Gomès in seiner sarkasti­schen Anklage der Ungerechtigkeit und Undankbarkeit Don Fernands zeigt.206 Don Diègue teilt im Grunde das überholte Wertesystem des Grafen, das den Staatsdienst nicht als selbstverständliches Geschenk des Untertans sieht, sondern dafür berechnend Großmü­tigkeit und Belohnung verlangt: Er argumentiert wie der Graf, als er voraussagt, der König habe keine Wahl als Rodrigue zu vergeben, wenn er auf dem Schlachtfeld siege (vgl. Ver­se 1101 - 1104). Auch er ist ein Mann der Vergangenheit.

[...]


1 Unterhalten, anregen und belehren.

2 Vgl. Wolfgang Mittag: Individuum und Staatim dramatischen WerkPierre Corneilles. Dissertation an der Westphälischen Wilhelms-Universität zu Münster 1976, S. 8.

3 Vgl. Ebenda, S. 11.

4 Vgl. Astrid Grewe: Vertu im Sprachgebrauch Corneilles und seiner Zeit. Ein Beitrag zur Sozialgeschichte des französischen 17. Jahrhunderts. Heidelberg: Universitätsverlag C. Winter 1999, S.234.

5 Vgl. Michel Prigent: Le héros et l’État dans la tragédie de Pierre Corneille. Paris : Presses Universitaires de France 1986, S. 563 - 564.

6 Vgl. Jean Mesnard : « Préface », in : Ebenda, S. V.

7 Vgl. Prigent, a.a.O., S. 4.

8 Vgl. Ebenda, S. 355.

9 Vgl. C.J. Gossip: Corneille. Cinna. London: Grant & Cutler Ltd 1998, S. 90.

10 Vgl. Prigent, a.a.O., S. 22.

11 Vgl. Ebenda, S 45.

12 Vgl. Mittag, a.a.O., S. 55.

13 Ebenda, S. 361.

14 Siehe Kapitel 4.1.2.

15 Nach der Ermordung ihres Gatten Heinrich IV im Jahr 1610 Königin von Frankreich.

16 Vgl. Susanne Korn: Zum Problem der Staatsraison in den frühen Tragödien Pierre Corneilles (Le Cid, Horace, Cinna). Hausarbeit im Rahmen der Ersten Staatsprüfung für das Lehramt an Gymnasien an der Ge­org-August Universität Göttingen 1999, S.12.

17 Frankreich war ein traditionell katholischer Staat. Das brachte allerdings die problematische, weil den Ab­solutismus beschränkende, Papstmacht mit sich, denn ein absoluter König wollte unabhängig sein. Vgl. Mit­tag, a.a.O., S. 25. Selbst dem Kirchenoberhaupt war er keine Rechenschaft schuldig. Abweichende Meinun­gen wurden vom von Gottes Gnade erleuchteten König, der nur durch seine begrenzte Zeit von den Göttern verschieden war und sogar die Klassenunterschiede durch gottgewollte Hierarchien rechtfertigte, nicht ge­duldet. Dabei wurden althergebrachte, religiöse Ideale und Bürgertugenden irrelevant. Der Suche nach poli­tischem Vorteil wurde Vorrang gegeben. Insofern war der Absolutismus mit seinem rechtlich und institutio­nell nicht gebundenen König die neue Staatsreligion. Vgl. Clarke, a.a.O., S. 16.

18 Vgl. Theodor Schieder (Hg.): Europa im Zeitalter des Absolutismus und der Aufklärung. Handbuch der europäischen Geschichte Band 4. Stuttgart: Klett 1968, S. 824f.

19 Der Bruder des Königs, Gaston d’Orleans, sprach sich zum Beispiel für eine Allianz mit Spanien aus. Siehe die Situation in Corneilles Stück Horace.

20 Vgl. David Clarke: Pierre Corneille. Politics and Political Drama under Louis XIII. Cambridge: Cam­bridge University Press 1992, S. 27.

21 Vgl. Ebenda, S. 30.

22 Vgl. Ebenda, S. 13. Neben der Versuchung machiavellistischer Politik und den Habsburgern bedrohten auch Religionskriege Corneilles Zeitalter. Die Innenpolitik bemühte sich, gegen die hugenottische Subkultur vorzugehen, doch die Protestanten revoltierten offen gegen die Monarchie. Erst seit der Kapitulation ihrer Festung La Rochelle waren sie keine politische Gegenkraft im Staat mehr. Der Krieg gegen sie stellte eine politische, religiöse und institutionelle Krise dar, welche die Gesellschaftsordnung und die Monarchie be­drohte. Vgl. Korn, a.a.O., S. 10. Der Religionskonflikt schuf ein politisches und intellektuelles Klima, in dem sich die Öffentlichkeit zunehmend für Staatsangelegenheiten interessierte. Vgl. Prigent, a.a.O., S. 1.

23 Vgl. Korn,a.a.O.,S. 13.

24 Vgl. Clarke, a.a.O., S. 201.

25 Das einfache Volk der Unterschichten wurde als der Vernunft unzugänglich gesehen, sodass der König für sein Wohl sorgen musste. Vgl. Mittag 56f.

26 vgl. Ebenda, S. 54.

27 Vgl. Mittag, a.a.O., S. 35f.

28 Vgl. Erich Köhler: Vorlesungen zur Geschichte der Französischen Literatur. Band 2: Vorklassik. 2. Auf­lage. Stuttgart: Kohlhammer 1983, S. 163.

29 Vgl. Mittag, a.a.O., S. 48.

30 Vgl. Ebenda, S. 358.

31 Ludwig XIV, der für Corneilles frühe Tragödien natürlich noch keine Rolle spielte, entfremdete sich vom Bürgertum, indem er angesichts der hohen Kosten für Kriege und den Bau von Versailles nicht nur die Steu­ern anhob, sondern auch noch Verfügungsgewalt über alle Besitztümer verlangte. Sein Ausbau des Straßen - und Kanalnetzes verbesserte zwar die Handelsmöglichkeiten, aber durch seine Regulierung der Warenpro­duktion standen die bürgerlichen Wirtschaftsinteressen im Gegensatz zum monarchischen Staat. Vgl. Eben­da, S. 51f. Spätestens in der Amtszeit Mazarins hatte auch der Adel keinen nennenswerten Einfluss mehr und war desillusioniert.

32 Hier eingeordnet, da sie bürgerliche Funktionsträger mit gekauften Titeln, keine Erbadeligen, bezeichnet.

33 Vgl. Clarke, a.a.O., S. 25.

34 Vgl. Ebenda, S. 26.

35 Im 16. Jahrhundert war der König noch teils von den Lehnsträgern gewählt und durch sie begrenzt.

36 Vgl. Mittag, a.a.O., S. 32.

37 Ebenda, S. 33.

38 Vgl. Ebenda, S. 43.

39 Vgl. Ebenda, S. 357. Doch auch die noblesse de robe wurde mit der Zeit entmachtet, da dem König direkt unterstellte Intendanten zunehmend die Administration übernahmen.

40 Vgl. Werner Krauss: Corneille als politischer Dichter. Marburg: Lahn 1936, S. 12.

41 Feuerwaffen wurden vermehrt vom Fußvolk, traditionell aus den unteren Schichten zusammengesetzt, und von Söldnerheeren bedient. Der Sold schien unter dem durch Steuereinkommen kapitalkräftigen und vom Adel unabhängigeren König das Treueprinzip der fidélité zu ersetzen. Vgl. Ebenda, S. 44.

42 Vgl. Ebenda, S. 48.

43 Das obwohl der adelige Kriegerstand schon im Hundertjährigen Krieg hatte Niederlagen einstecken müs­sen, da der Krieg mechanisiert und rationalisiert worden war. Vgl. Ebenda, S. 24.

44 Der alte Adel hatte nur noch rein repräsentative Ämter am Hof, doch Handel betrachtete er als seiner Schicht unwürdig. So war es dem König möglich, durch Pensionen die politischen Ambitionen des Adels zu bremsen, indem diese ihn wirtschaftlich abhängig und zum seiner Willkür ausgelieferten Bittsteller degra­dierte. Eine Geldrente ist viel leichter zu entziehen als der traditionelle Bodenbesitz. Das erklärt die Tendenz zur Verhofung des einstigen Kriegerstands. Der Hof wird zur Versorgensorganisation, aber damit durch das mit ihm verbundene Zeremoniell und der Etikette auch zum Herrschaftsinstrument. Der höfische Adel ge­wann hohes Prestige, durch das er sich vom aufstrebenden Bürgertum abheben konnte, aber geriet auch in Abhängigkeit vom König. Vgl. Grewe, a.a.O., S. 39. Der höfische Adel stand so nicht nur unter dem Druck des aufsteigenden dritten Stands, sondern auch noch in Konkurrenzdruck innerhalb seiner Schicht. Auf diese Weise formte das höfische Leben das Verhalten des Adels. Ungezwungenheit ließ zugunsten der Interdepen­denz nach. Überlegenheit demonstrierte sich am meisten durch Selbstbeherrschung. Vgl. Mittag, S. 50f.

45 GrafMontmorency wurde hingerichtet und 1642 auch Cinq-Mars.

46 Vgl. Mittag, a.a.O., S. 21.

47 Vgl. Ebenda. Diese Tendenzen zum Merkantilismus sind in den Augen Gerhardis Zeichen einer Vereini­gung und Zusammenarbeit, wurden aber auch oft als Anzeichen der moralischen Kapitulation des Adels vor dem Königtum interpretiert. Vgl. Gerhard C. Gerhardi: Ökonomie und Machtpolitik in Corneilles „Cinna“. In: Romanische Forschungen Band 95 (1983), Heft 4, S. 427.

48 Die Dienstleistungen des Adels, der den König umwerben musste, wurden - zuvor uneigennützig - käuf­lich und zu einemkommerziellen Tauschverkehr. Vgl. Grewe, a.a.O., S. 34.

49 1626 kam es zur Affaire de Chalais, einem Mordkomplott gegen Richelieu durch die Parti de ¡’Aversion, die sich Gaston, den jüngeren Bruder Ludwigs, auf den Thron wünschte. Der Komplott drückte den Unge­horsam des Hochadels angesichts der Machtzentralisierung und Einschränkung seiner Unabhängigkeit aus. Henri de Talleyrand, Compte de Chalais, war der Anführer des Komplotts und wurde daraufhin geköpft. Die eigentliche Antreiberin war aber die Herzogin von Chevreuse, die den Grafen verführt hatte und somit stark an die Rolle Emilies erinnert.

50 Zum Beispiel 1636 die nächste Revolte des Bruders des Königs, Gaston Duc d’Orléans.

51 Vgl. Grewe, a.a.O., S. 40.

52 Aristokratische und parlamentarische Opposition gegen den Abbau der Privilegien der Aristokratie und des Parlaments , also unter Ludwig XIV, während des Krieges gegen Spanien. Mitauslöser waren die Miss­ernten des Schlüsseljahrs der politischen Entmachtung und des finanziellen Verfalls des Adels, der von der Agrarproduktion abhing, 1645.

53 Dies geschah nicht mehr in der frühen Schaffensperiode Corneilles, stellt aber den Höhepunkt einer Ent­wicklung dar, die sich da schon abzeichnete.

54 Vgl. Ebenda, S. 226f. Siehe Gliederungspunkt 6.4.

55 Köhler, S. 155.

56 Vgl. Korn, a.a.O., S. 9.

57 Nach der Aussöhnung der Medici mit ihrem Sohn, die nach Intrigen, Revolten und dem Wiederaufflam­men der Religionskriege zur Konsolidierung der Situation führte. Richelieu starb 1642, ein Jahr vor dem Kö­nig. Mazarin nahm trotz seiner eher niedrigen Geburt seine Position ein. Vgl. Köhler, a.a.O., S. 115.

58 Vgl. Clarke, a.a.O., S. 156.

59 Vgl. Köhler, a.a.O., S. 174.

60 Angesichts der Herrschaft des bürgerlichen Königsattentäters Cromwell in England zur gleichen Zeit schi­en die Stärkung der Monarchie dringend.

61 Vgl. Ebenda, S. 228.

62 Vgl. Grewe, S. 7.

63 Vgl. Colette Scherer: Comédie et Société sous Louis XIII. Corneille, Rotrou et les autres. Paris : Nizet 1983, S. 9.

64 Vgl. Bernhard Dort: „Préface“, in: Ebenda, S. VI.

65 Beispielsweise entstand mit Boisrobert ein Posten, der mit dem eines Kulturministers zu vergleichen ist.

66 Vgl. Köhler, a.a.O., S. 117. Seine Hauptzielgruppe war das richterliche und verwaltende Regierungsperso­nal, aus dem auch viele seiner zeitgenössischen Autorenkollegen stammten und das die Förderung des Thea­ters vorantrieb. Vgl. Scherer, a.a.O., S. 233.

67 Das Theater war als soziales Phänomen aufgrund seines Gruppencharakters besonders geeignet zur Mei­nungsbildung.

68 Für die höfischen Funktionsträger war der daher Eintritt kostenlos. Vgl. Ebenda, S. 21.

69 Anständigkeit und Rechtschaffenheit als ständeübergreifendes Persönlichkeitsideal des 17. Jahrhunderts. Vgl. Jürgen Grimm (Hg.): Französische Literaturgeschichte. Dritte, um die frankophonen Literaturen außer­halb Frankreichs erweiterte, Auflage. Stuttgart: Metzler 1994, S. 142.

70 Vgl. Grewe, a.a.O., S. 8.

71 Vgl. Mittag, a.a.O., S. 46.

72 Vgl. Köhler, S. 99 ff.

73 Vgl. Prigent, a.a.O., S. 134.

74 Vgl. Scherer, a.a.O., S. 19.

75 Vgl. Robert Garapon: Le Premier Corneille. De Mélite à L’illusion Comique. Paris: PUF 1984, S. 10.

76 Vgl. Scherer, a.a.O., S. 120.

77 Die öffentliche Meinung sollte durch eine Prüfung der Staatsförderlichkeit der literarischen Produktion kontrolliert werden. Offenbar griff dieses System doch nicht immer wirksam, wie zahlreiche oppositionelle Lieder und Schmähschriften belegen.

78 Vgl. Korn, a.a.O., S. 11.

79 Ebenda, S. 234.

80 Vgl. Clarke,a.a.O., S. 2.

81 Vgl. Ebenda, S. 47f.

82 Vgl. Scherer, a.a.O., S. 10.

83 Die Autoren waren stark in Konkurrenz und präsentierten oft zur gleichen Zeit Bearbeitungen des glei­chen Stoffs. Vgl. Georges Couton : Corneille et la Tragédie Politique. Paris : PUF 1989, S. 9.

84 Richelieu selbst gründete 1041 das Théâtre du Palais du Cardinal, später unter dem Namen Palais-Royal bekannt. Vgl. Scherer, a.a.O., S. 22.

85 Vgl. Couton, a.a.O., S. 12f.

86 Er stammte aus einer wohlhabenden Aufsteigerfamilie, ursprünglich Handwerker, dann Juristen, die letzt­endlich über die Armee die Aufnahme in die noblesse d’épée erstrebten. Corneilles Vater und Großvater wa­ren Offiziere, seine Söhne wurden es. Einer stirbt 1674 auf dem Schlachtfeld. Vgl. Mittag, a.a.O., S. 41f.

Er bekleidete vom König übertragene Ämter. Sie gingen mit Einfluss und Steuerprivilegien einher und wur­den später käuflich. Werden aber Privilegien käuflich, werden auch die Werte materialisiert. Vgl. Mittag, a.a.O., S. 39. Typischer Vertreter der noblesse de robe, wollte Corneille durch Geld seinen sozialen Aufstieg sichern. Seine Geschäftstüchtigkeit (Beispielweise widmete er Cinna Monsieur de Montoron, einem Reprä­sentanten der Finanzwelt, der sich diese Widmung höchstbietend erkauft hatte) erklärt sich aus seiner Gleichsetzung von finanzieller und sozial-ideologischer Unabhängigkeit. Corneille lebte bis 1662 in Rouen, in der Normandie und somit in der Provinz außerhalb des Pariser Machtzentrums, wo er auch im Parlament saß. Auch danach verweigerte er die gänzliche Anpassung an die Normen der Hauptstadt. Vgl. Clarke, a.a.O., S. 10. Seine fehlende Pariser Eleganz und seine Abneigung gegen das höfische Leben brachten ihm allerdings auch den Ruf des Provinziellen ein. Vgl. Ebenda, S. 9. Sogar der Autor selbst nannte seine ersten Werke „Les péchées de ma jeunesse et les coups d’essai d’une muse de province [...]“ Vgl. Ebenda, S. 44.

87 Vgl. Scherer, a.a.O., S. 24.

88 Aristokratisches Genre, da Personen höchsten Standes Träger der Konflikte sind und die Figuren so an die Verhaltensnormen der exklusiven Gesellschaft gebunden sind.

89 Vgl. Marie-Dominique Boutilié: «Au fil du texte», in: Pierre Corneille: Horace. Préface et commentaires par Catherine Eugène. Paris: Pocket 1993, S. XIV.

90 Vgl. Grewe, a.a.O., S. 51.

91 Vgl. Scherer, a.a.O., S. 49.

92 Vgl. Vgl. Bernhard Dort: „Préface“, in: Scherer, a.a.O., S. VIII.

93 Vgl. Scherer, a.a.O., S. 95. Siehe Gliederungspunkt 5.1.

94 Vgl. Ebenda, S. 20.

95 Ebenda, S. 19.

96 Vgl. Ebenda S. 10.

97 Vgl. Ebenda, S. 9.

98 Vgl. Ebenda, S. 14.

99 Ganz anders Ludwig XIV, dessen Regierungsperiode oft mit dem goldenen Zeitalter Roms unter Augustus verglichen wurde.

100 vgl. Korn, a.a.O., S. 28.

101 Vgl. Georges Couton: La pensée politique de Pierre Corneille. Paris : Europe 1974 nr 540-541, S. 59.

102 Vgl. Grewe, a.a.O., S 23.

103 Wegen solch einem eigenmächtigen Angriff verurteilte schon der römische Senator Manlius seinen eige­nen Sohn zu Tode. Vgl. Korn, a.a.O., S. 19.

104 Vgl. Mittag, a.a.O., S. 181.

105 Vgl. Ebenda, S. 182.

106 Prigent, a.a.O., S. 116.

107 Vgl. Ebenda.

108 Vgl. Ebenda, S. 63.

109 Vgl. Köhler, a.a.O., S. 177.

110 Zu der Zeit waren Worte auf der Bühne noch ebenso wichtig wie Handlungen. Vgl. Clarke, a.a.O, S. 188.

111 Vgl. Grewe, a.a.O., S 37.

112 Diese Verantwortung verhinderte Willkür, denn im Idealfall traten Glauben, Wissen, Moral und Politik in einer Einheit zusammen. Vgl. Mittag, a.a.O., S. 50, 64f.

113 So wird Cinna nach der Vergebung zum Konsul ernannt. Vgl. Grewe, a.a.O., S. 38.

114 Was bei Maxime nur nicht zutrifft, da er auf die Einflüsterungen eines Niedriggeborenen gehört hat. Vgl. Ebenda, S. 131.

115 Vgl. Mittag, a.a.O., S. 67.

116 Vgl. Ebenda, S. 76.

117 Vgl. Grewe, a.a.O., S. 175f.

118 Vgl. Ebenda, S. 164.

119 Clarke, a.a.O, S. 203.

120 Der Absolutismus entstand und die zentralistische Staatsgewalt festigte sich. Vgl. Korn, a.a.O., S. 72.

121 Dazu gehörte auch die des Grafen von Chalais, der Richelieu töten wollte, damit die Herzogin von Che- vreuse in eine Heirat einwilligte. Vgl. Ebenda.

122 Auch hier orientierte sich Corneille an historischen Realitäten, denn Augustus (Ehrennahme, „der Erhabe­ne) zeigte tatsächlich gegensätzliche Persönlichkeiten: der Haupterbe Caesars war grausam im Ehrgeiz sei­ner Jugend, aber vereinte die zerrüttete Republik nach 100 Jahren Bürgerkrieg durch seinen klug gemäßigten Gebrauch der Macht.

Vgl. Hubert Curial: Cinna. Corneille. Paris : Hatier 1991, S. 45.

124 Laut Balzac repräsentierte Corneille auf der Bühne den Terror, den Richelieu in der Wirklichkeit walten ließ. Vgl. Clarke, a.a.O., S. 15.

125 Marie-Dominique Boutilié: «Au fil du texte», in: Pierre Corneille; Horace, a.a.O., S. XXIII.

126 Vgl Clarke, a.a.O., S. 195.

127 Vgl. Prigent, a.a.O., S 172

128 Clarke, a.a.O., S. 107.

129 Krauss, a.a.O., S. 11.

130 Vgl. Prigent, a.a.O., S. 12.

131 Der Bruch im politischen Klima führte zur Wiedergeburt der Tragödie und ihrer Theorie. Vgl. Ebenda, S. 161.

132 Vgl. Garapon, a.a.O., S. 69.

133 Vgl. Clarke, a.a.O., S. 42.

134 Vgl. Ebenda, S. 60.

135 Vgl. Garapon, a.a.O., S. 51.

136 Clarke, a.a.O., S. 257.

137 Vgl. Prigent, a.a.O., S. 9.

138 Vgl. Krauss, a.a.O., S. 5.

139 vgl. Scherer, a.a.O., S. 29.

140 Köhler, a.a.O., S. 120.

141 Vgl. Clarke, a.a.O., S. 62.

142 Vgl. Curial, a.a.O., S. 47.

143 Vgl. Wilhelm Graeber: „Je ferais justice“. Über ein Motiv in Corneilles frühen Tragödien. In: Hudde, Hinrich / Schöning, Udo (Hg.): Literatur. Geschichte und Verstehen. Festschrift für Ulrich Mölk zum 60. Geburtstag. Heidelberg: Universitätsverlag C. Winter 1997, S. 373.

144 Clarke, a.a.O., S. 63.

145 Der Zuschauer erhält die Möglichkeit, sein moralisches Urteil zu üben, wie schon Plutarch am Theater lobte.

146 Ebenda, S. 65. Theater als Lektion im tugendhaften Leben unter Verbesserung des historischen Materials durch Bestrafung schlechter Sitten war nicht im ursprünglichen Sinn Aristoteles’. Vgl. Ebenda, S. 57.

147 Ebenda, S. 91.

148 Vgl. Ebenda, S. 92ff.

149 Ebenda, S. 260.

150 Vgl. Ebenda, S 87.

151 Aus heutiger Perspektive scheint es kaum noch bedeutsam, ob ein Werk vrai oder vraisemblable ist, da alle Geschichtsschreibung fabriziert und damit Fiktion ist. Sie hat viele kontrastreiche und komplementäre Bedeutungen, die der die Geschichte als Quelle verwendende Autor reflektiert. vgl. Ebenda, S. 257.

152 Vgl. Prigent, a.a.O., S. 14.

153 Vgl. Clarke, a.a.O., S. 109, 97ff.

154 Vgl. Ebenda, S. 100f.

155 Vgl. Ebenda, S. 18.

156 Vgl. Ebenda, S. 79.

157 Man warf zum Beispiel seiner Geschichte des Cid'vor, zwar vrai, aber nicht vraisemblable und daher un­nutzbar zu sein. Vgl. Mittag, a.a.O., S. 192.

158 Nur in einer Hinsicht passte der Katholik die historischen Geschehnisse an: Er interpretierte sie neu mit christlichem Blick. Besonders in Cinna - Rom kannte noch kein Christentum - wird deutlich, dass bei ihm die göttliche Vorsehung die Linien der Geschichte in Richtung eines Zustands der Perfektion bestimmt (vgl. Vers 1258). Dass Augustes Gnade göttlich inspiriert ist, zeigt Corneilles christlichen Optimismus. Vgl. Cu­rial, a.a.O., S. 54.

159 Vgl. Prigent, a.a.O., S. 2.

160 Clarke, a.a.O., S. 70.

161 Vgl. Robert Brasillach: Corneille. Paris : 1938, S 318.

162 In der Widmung seines frühen Stücks La Suivante von 1634 erklärt der Autor: „J’aime à suivre les règles, mais loin de me rendre leur esclave [...]“. Zitiert in: Garapon, a.a.O., S. 50.

163 So ist die Hauptquelle von Horace Titus Livius, vermutlich über Tacitus und Machiavelli. Vgl. Mittag, a.a.O., S. 195f.

164 Vgl. Köhler, a.a.O., S. 119.

165 Vgl. Clarke, a.a.O., S. 167.

166 Vgl. Mittag, a.a.O., 197.

167 Dieses Ideal prägte die städtischen Salons und ihre Entwicklung des honnêteté Konzepts.

168 Clarke, a.a.O., S. 61.

169 Vgl. Ebenda, S. 69.

170 Das erklärt, warum Corneille sein erstes Römerdrama Horace, das die Anfänge der römischen Geschichte aufgreift, Richelieu widmete. Vgl. Grewe, a.a.O., S. 32. Die Widmung ist aber im Zeitkontext Corneilles un­gewöhnlich, da sie kaum propagandistisch ist und Richelieu recht moderat lobt und seine Größe als politi­sche Figur gar nicht erwähnt. Das mag an der ambivalenten Stellung Corneilles zum Kardinal liegen. Vgl. Clarke, a.a.O., S. 30, 32. Clarke vermutet gar, dass die Figur Horace und ihr Moralverlust durch den Staatsu­tilitarismus an die Persönlichkeit Richelieus angelehnt sei. Vgl. Ebenda, S. 33.

171 Vgl. Clarke, a.a.O., S. 171.

172 « Un cœur vraiment romain » (Cinna, Vers 980).

173 Vgl. Ebenda, S. 190.

174 Vgl. Ebenda, S. 197f.

175 Vgl. Prigent, a.a.O., S. 8.

176 Clarke, a.a.O,, S 258.

177 Römischer Senator und Historiker, 55 - 116 vor Christus, wichtigster Kritiker Augustus’ staatlicher Ord­nung des Prinzipats, das für den Republikanhänger nur eine Tarnung der Alleinherrschaft war.

178 Vgl. Prigent, a.a.O., S. 3.

179 Susan Read Baker: Dissonant Harmonies. Drama and Ideology in five neglected plays of P. Corneille. Tübingen: Narr 1990, S. 11.

180 Vgl. Milorad R. Margitic: Cornelian Power Games. Variations on a theme in Pierre Corneille’s theatre from Mélite to Polyeucte. Tübingen: Narr 2002, S. 9.

181 Diese Tragödie befindet sich zwischen dem Barock mit seiner Formvarietät, seiner Mischung der Gattun­gen und seiner Unregelmäßigkeit und dem Klassizismus mit seiner Kodifizierung durch die Hochgelehrten.

182 Wie die Geste Rodrigues, als er mit dem noch blutigen Schwert zum Haus seines Opfers kommt und dort dessen Tochter bittet, ihn damit zu töten.

183 Ab 1648 nannte Corneille Le Cid in eine Tragödie um. Unter gesteigertem Bewusstsein der politischen Bedeutung, überarbeitete Corneille sein Stück, änderte allerdings nichts am Inhalt und Sinn seines Stücks, sondern nur an der Eleganz und Klarheit des Ausdrucks. 1660 nahm er noch einige Anpassungen an die Klassik vor. Vgl. Ebenda, S. 137.

184 Vgl. Garapon, a.a.O., S. 20.

185 Vgl. Grewe, a.a.O., S. 58.

186 Bei Corneille unterscheidet sich die Tragödie nicht wesensmäßig durch die Verschiedenheit der dramati­schen Vorgänge von der Komödie, sondern je nach der Passionsbereitschaft des Helden, der in lebensgefähr­liche Situationen gerät. Vgl. Krauss, a.a.O., S. 7.

187 Vgl. Clarke, a.a.O., S. 135.

188 Die Liebe bei Corneille ist bis auf die Gemeinsamkeit der Verneinung fleischlicher Liebe von der altruis­tischen Liebe, wie sie Honoré d’Urfé gezeichnet hat, zu unterscheiden, denn sie geht mit Dominanzwillen einher und ist nie der erstrangige Wert - sie muss sich mit der Gesellschaft einigen oder eingehen. Vgl. Serge Doubrovsky: Corneille et la dialectique du héros. Paris: Gallimard 1963, S. 105.

189 Vgl. Clarke, a.a.O., S. 136.

190 Vgl. Ebenda, S. 263.

191 Vgl. Mittag, a.a.O., 157.

192 Vgl. Prigent, a.a.O., S. 117, 118.

193 Vgl. Mittag, a.a.O., S. 158.

194 Das bringt Korn dazu, den Grafen mit einem Frondeur zu vergleichen, der eliminiert werden müsse. Dies überzeugt wenig, da die Fronde zur Zeit der Entstehung noch nicht absehbar war. Vgl. Korn, a.a.O., S. 29.

195 Vgl. Mittag, a.a.O., S. 167.

196 Vgl. Prigent, a.a.O., S. 27.

197 Die ganze Familie wird durch die Entehrung eines Gliedes mit entehrt, was in einem Bürgerkrieg ausarten kann. Der Landesfrieden ist nur gesichert, wenn sich die zwei großen Familien versöhnen.

198 Vgl. Prigent, a.a.O., S. 166.

199 Vgl. Ebenda, S. 65.

200 Vgl. Ebenda, S. 39.

201 Vgl. Korn, a.a.O., S. 18.

202 Clarke, a.a.O., S. 146.

203 Er würdigt den Staatsdienst auf einen Handel herab, indem er zynisch behauptet, Don Fernand schulde ihm etwas. Der Krieger wird dadurch zum Opportunist seines Marktwerts.Vgl. Ebenda, S. 144.

204 Vgl Mittag, a.a.O., S 161.

205 Wendepunkt durch überraschende Ereignisse, welche die Handlungsrichtung ändern. Das Angestrebte schlägt ins Gegenteil um durch Glückswechsel oder Handlungsumschwung, bei Corneille meist durch innere Kämpfe begründet.

206 Vgl. Clarke, a.a.O., S. 140.

Final del extracto de 117 páginas

Detalles

Título
Politischer und Kultureller Wandel im frühen Theater Corneilles
Universidad
University of Göttingen
Calificación
2.5
Autor
Año
2008
Páginas
117
No. de catálogo
V186637
ISBN (Ebook)
9783869435794
ISBN (Libro)
9783656993810
Tamaño de fichero
1180 KB
Idioma
Alemán
Palabras clave
politischer, kultureller, wandel, theater, corneilles
Citar trabajo
Dana Finné (Autor), 2008, Politischer und Kultureller Wandel im frühen Theater Corneilles, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/186637

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