Wie sieht Dein Traumjob aus?

Betrachtung der neuen Bewerbergeneration im Arbeitgeberfindungsprozess aus wertorientierter Perspektive


Diplomarbeit, 2011

105 Seiten, Note: 1.3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abbildungs- und Tabellenverzeichnis

1 Einleitung

2 Wertewandel aus der soziologischen Perspektive
2.1 Begriffsdefinition und Funktion von Werten und Normen
2.2 Wertewandeltheorie nach Inglehart
2.3 Kritik und Modifikationen des Inglehart-Ansatzes

3 Generation Y - Die aktuelle Generation?
3.1 Wer ist die Generation Y
3.2 Warum die Generation Y so ist wie sie ist
3.3 Generationen im Kontext - Von X bis Y

4 Der Arbeitsmarkt - Treffpunkt von Arbeitnehmer und Arbeitgeber
4.1 Allgemeine Arbeitsmarktsituation
4.2 Arbeitsmarktsituation aus Arbeitnehmer-/ Bewerbersicht
4.3 Arbeitsmarktsituation aus Arbeitgeber-/ Unternehmenssicht
4.4 Besonderheiten des Arbeitsmarktes für Naturwissenschaftler

5 Employer Branding - Verstehe ich Sie da richtig?
5.1 Positionierung der Arbeitgebermarke
5.2 Kommunikation der Arbeitgebermarke und der Unternehmenswerte
5.3 Reputationsrisiken durch falsche Positionierung oder Kommunikation

6 Forschungsdesign und Datenerhebung

7 Empirische Befunde
7.1 Ergebnisse des Inglehart-Index
7.2 Ergebnisse des Conjoint-Design
7.3 Ergebnisse des semantischen Differenzials
7.4 Ergebnisse der Mitarbeiterprofilbewertung

8 Diskussion - „Eine“ individualisierte Generation

Literaturverzeichnis

Anhang

Abbildungs- und Tabellenverzeichnis

Tabelle 1: Konstruktion des Inglehart-Index

Tabelle 2: Typologie von Wertmustern

Tabelle 3: Merkmale und deren Ausprägungen im Conjoint-Design

Tabelle 4: Dimensionen des semantischen Differenzials, seine Ausprägungen und deren korrespondierendes Merkmal aus dem Conjoint-Design

Tabelle 5: Spearman’sche Rankgkorrelation zwischen Wertorientierung und ausgewählten Kontrollvariablen

Tabelle 6: Zusammenfassung der signifikanten Unterschieden in den Mitarbeiterprofilbewertungen - Ergebnisse der Varianzanalyse

Abbildung 1: Maslows Bedürfnishierarchie nach Inglehart

Abbildung 2: Bevölkerungsanteil der Postmaterialisten, des Mischtyps und der Materialisten. Bundesrepublik Deutschland (West) 1970 bis 1997 (in %)

Abbildung 3: Entwicklung der Studierenden in den Studienfächern Biologie und Chemie nach Geschlecht vom Wintersemester 1998/99 bis Wintersemester 2009/10

Abbildung 4: Beispiel einer Stellenausschreibungskarte des Conjoint-Design

Abbildung 5: Anteil der Postmaterialisten, der beiden Mischtypen und der Materialisten

Abbildung 6: Mittelwerte der relativen Wichtigkeiten der Stellenausschreibungsmerkmale aus der Conjoint-Analyse (Angaben in Prozent)

Abbildung 7: Durchschnittliche Teilnutzenwerte der einzelnen Stellenausschreibungsmerkmale des orthogonalen Designs

Abbildung 8: Relative Wichtigkeiten der Arbeitgebermerkmale nach Subgruppe der Altersklassen aus der Conjoint-Analyse

Abbildung 9: Unterschiede der durchschnittlichen Teilnutzenwerte der Merkmalsausprägungen nach Subgruppen der Altersklassen

Abbildung 10: Mittelwerte der Bewertungen im semantischen Differenzial

Abbildung 11: Gegenüberstellung des semantischen Differenzials und der durchschnittlichen Teilnutzenwerte der Conjoint-Analyse

Abbildung 12: Durchschnittliche Bewertung der sechs Mitarbeiterprofile auf einer neunstufigen Skala

Anhang 1: Anschreiben Einladung zur Umfrage (Version für Professoren und Lehrstühle)

Anhang 2: Anschreiben Erinnerungsmail (Version für Professoren und Lehrstühle)

Anhang 3: SPSS-Versuchsplan für die Stellenausschreibungskarten des orthogonalen Design

Anhang 4: Stellenausschreibungskarten

Anhang 5: Protokollvorlage zur Dokumentation der Mitarbeiterinterviews als Grundlage zur Erstellung der Mitarbeiterprofile

Anhang 6: Mitarbeiterprofile

Anhang 7: SPSS Syntax

Anhang 8: Anteil der Postmaterialisten, der beiden Mischtypen und der Materialisten nach Geschlecht (in %)

Anhang 9: Varianzanalyse der Subgruppenunterschiede nach Altersklassen im Conjoint- Design

Anhang 10:Unterschiede in der Bewertung der Dimensionsausprägungen im semantischen Differential nach Geschlecht

Anhang 11:Korrelation zwischen den relativen Teilnutzenwerten des Conjoint-Design und der Mittelwerte des semantischen Differentials

1 Einleitung

Werte spielen in unserem alltäglichen Leben als Entscheidungshilfen eine wichtige Rolle. Demnach wird in den Sozialwissenschaften dem Konzept der Werte eine grundlegende Bedeutung beigemessen (Kmieciak 1976). Seit dem Beginn der empirischen Wertwandelforschung in den 1970er Jahren stellt das Wertkonzept wegen der Themen- und Problemüberspannenden Reichweite eines der zentralen Forschungs- felder der empirischen Sozialwissenschaften dar (Klein und Pötschke 2004).

An Universitäten werden Wertkonzepte jedoch nicht nur theoretisch untersucht, sondern zugleich durch die Universität als Institution an deren Studierende1 vermittelt. Unter anderem werden Werte wie Fleiß und Durchhaltevermögen während der Studienzeit internalisiert und im späteren Arbeitsalltag von zukünftigen Arbeitgebern eingefordert. Gerade zum Ende des Studiums, also vor dem eigentlichen Eintritt in den Arbeitsmarkt, wird die Frage nach dem potenziellen Arbeitgeber für Studierende immer wesentlicher. Dieser Prozess ist den Unternehmen, welche auf der Suche nach den besten und geeignetsten Mitarbeitern sind. Universitäten rücken so in den Fokus der unternehmerischen Rekrutierungsstrategien.

Schon lange sind Universitäten nicht mehr eine Bastion der Neutralität, sondern seit der Erlaubnis des Bundestages 1996 zur Werbung an Hochschulen, dienen diese neben der Ausbildung zugleich als Werbefläche für Unternehmen, zur Produktvermarktung, aber vor allem zur Rekrutierung ihres zukünftigen Nachwuchses (Meiländer 2008).

Ein lukratives Geschäft, welches sich die Unternehmen hohe Summen Kosten lassen, um unter zunehmenden Wettbewerbsdruck die besten Nachwuchskräfte zu gewinnen (Seng und Baum 2008). Zahlreiche Arbeitgeber-Rankings die von diversen Beratungsfirmen oder selbst ernannten Instituten, wie zum Beispiel Universum Communications oder Great Place to Work Institute Deutschland ermittelt werden, dienen Unternehmen als Erfolgsmessung und Studierenden als Wegweiser durch den Arbeitgeberdschungel.

Aber nicht nur die Art und die Möglichkeiten des Hochschulmarketings haben sich gewandelt, sondern auch die Ansprüche und Anforderungen der Studierenden an Ihren potenziellen zukünftigen Arbeitgeber. Daraus resultierend haben sich die Inhalte der Unternehmensdarstellungen in den letzten Jahren gewandelt - hin zu den Bedürfnissen einer von diversen Forschern neu ausgerufenen Bewerbergeneration, die nicht nur auf neuen Kanälen wie Facebook, Twitter und Youtube erreichbar ist. Diese neue Generation nutzt die vielseitigen neuen Möglichkeiten der Informationsbeschaffung und gehe wesentlich anspruchsvoller und differenzierter an ihre Arbeitgeberwahl heran, als es noch die Vorgängergenerationen gemacht haben.

In der Literatur wird stereotypisch von der einen Generation Y als aktuelle Bewerbergeneration gesprochen und dabei meist nur Trends bestätigt, die in den Personalabteilungen deutscher Unternehmen ohnehin schon vermutet wurden. Deshalb untersucht diese Arbeit inwiefern sich die unterstellten Charakteristika und Wertorientierungen der aktuellen Bewerbergeneration empirisch belegen lassen und ob diese innerhalb der Alterskohorten homogen verteilt sind. Daraus sollen sich Erkenntnisse ableiten lassen, wie Unternehmen sich in Stellenausschreibungen oder in Mitarbeiterprofilen auf ihren Homepages aufstellen müssen, um Studierende ziel- gruppengerecht anzusprechen.

Aufgrund einer der Diplomarbeit zugrunde liegenden praktischen Kooperation mit einem international agierenden deutschen Chemiekonzern werden bei der empirischen Erhebung nur die für dieses Unternehmen hauptsächlich relevanten Zielgruppen der Biologie und Chemie-Studierenden einbezogen.

Dazu legen die Kapitel zwei bis fünf den theoretischen Grundstein der Arbeit und leiten die Hypothesen für die empirische Untersuchung ab. Zunächst befasst sich Kapitel 2 deshalb mit den soziologischen Grundbegriffen und greift auf die soziologischen „Klassiker“ der Werttheorie, wie der Wertewandeltheorie nach Inglehart und deren Kritikern, zurück um einen einheitlichen Rahmen für die nachfolgende Analyse zu schaffen. Kapitel 3 fasst die Charakterisierung der aktuellen Bewerbergeneration aus verschiedenen Studien zusammen, hinterfragt welche Treiber für einen möglichen Wertewandel verantwortlich sein können und bettet die aktuelle Generation in den Kontext ihrer Vor- und Nachgeneration ein. Kapitel 4 beschäftigt sich mit den aktuellen Entwicklungen auf dem Arbeitsmarkt, sowie der Arbeitsmarktsituation sowohl aus der Arbeitnehmer- beziehungsweise Bewerbersicht als auch aus der Arbeitgeber- beziehungsweise Unternehmenssicht, um dadurch praktische Auswirkungen des Verhaltens der Akteure im Arbeitgeberfindungsprozess herauszustellen. Darüber hinaus wird explizit auf die speziellen Bedürfnisse und Besonderheiten naturwissenschaftlicher Studierender im Kontext der Arbeitgeber- situation in der Pharma- und Chemiebranche eingegangen. In Kapitel 5 wird die Wirkung und Wichtigkeit einer Arbeitgebermarke beschrieben.

In Kapitel 6 wird das methodische Vorgehen und die Operationalisierung des Forschungsdesigns, welches zur Validierung der in Kapitel 2 bis 5 aufgestellten Hypothesen diente, erläutert.

Das siebte Kapitel beschäftigt sich mit der Analyse und der Auswertung des empirisch erhobenen Datenmaterials zur Überprüfung der aufgestellten Hypothesen. Im achten Kapitel werden die Erkenntnisse aus der empirischen Analyse mit dem aktuellen Forschungsstand aus dem Theorieteil kritisch reflektiert, mögliche Kritik am Forschungsdesign und den Ergebnissen geäußert sowie ein Fazit der Arbeit gestellt und ein Ausblick auf die zukünftigen Entwicklungen in diesem Forschungsfeld gegeben.

2 Wertewandel aus der soziologischen Perspektive

Die soziologische Wertewandelforschung diagnostizierte in den 1970er und 1980er Jahren eine Verschiebung von materialistischen zu postmaterialistischen Werteorientie- rungen in den westlichen Industrienationen (Inglehart 1977) und damit auch in Deutsch- land (Beck 1986; Friedrichs 1998). Dabei wird der Wertewandel nicht als ein reiner Austausch von Werten, sondern als Neugewichtung bestehender Werte bei einherge- hender Pluralisierung der Wertehaltungen verstanden. Die Theorie des Soziologen Ronald Inglehart stellt dabei einen der bekanntesten Ansätze dar. Nach einer kurzen Begriffsdefinition von Werten und Normen werden seine Annahmen als Grundlage zur Beschreibung des Wertewandels vorgestellt und in Verbindung mit anderen Ansätzen kritisch hinterfragt. Dabei wird zuerst eine einheitliche Definition vom Wertebegriff ge- schaffen, um danach die Theorie des Wertewandels nach Inglehart vorzustellen und sie im Hinblick auf andere Forschungsansätze zu hinterfragen.

2.1 Begriffsdefinition und Funktion von Werten und Normen

Es existieren eine Vielzahl an Definitionen von Werten und Normen in verschiede- nen Wissenschaftsbereichen, so dass eine Klärung des Begriffes, wie er in dieser Arbeit angewendet und verstanden wird notwendig ist. Bei Werten handelt es sich um vom einzelnen Akteur internalisierte und mit anderen Mitgliedern seiner Gruppe oder Ge- sellschaft geteilte Maßstäbe, die in verschiedenen Handlungssituationen die Auswahl von Handlungszielen, Handlungsmitteln und affektiven Bedürfnissen lenken (Parsons und Shils 1962). Das heißt Werte können als eine Art Selektionsstandard verstanden werden, die bei der Auswahl des Einzelnen zwischen mehreren Handlungsalternativen zur Steuerung des Verhaltens dienen (Friedrichs 1968) und dadurch zentrale Determi- nanten für die Einstellungen und das Verhalten von Individuen darstellen (Maag 1991). Meulemann (2001) spricht von Werten, die Normen rechtfertigen und dabei als allge- meine Werte den spezifischen, handlungseingrenzenden Normen gegenüberstehen. Ber- ger und Luckmann (1980) verbinden Werte und Normen mit der Gesellschaftsordnung, welche ein Produkt des Menschen und seiner Handlungen ist und die ständig reprodu- ziert wird. In Anlehnung daran ist eine Norm als ein geeignetes Mittel zu verstehen, die individuelles Verhalten unter der Annahme eines gegebenen sozialen Systems zu ver- stehen hilft (Coleman 1991).

Dabei sind Werte als eine bewusste oder unbewusste Vorstellung des gewünschten (Friedrichs 1999) anzusehen und als solch abstraktes Konstrukt nicht direkt messbar. Eine Messung kann nurüber ihre Manifestation, das bedeutet in Form von Einstellun- gen gegenüber bestimmten Handlungsoptionen, gemessen werden. Diese Annahme stellt eine wichtige Prämisse für die Konstruktion des empirischen Teils dieser Arbeit dar. Zudem gilt die Annahme, dass Werte relativ stabil und zeitlichüberdauernd sind (Jagodzinski 2004).

Damit Werte ihre Funktion des Selektionsstandards wahrnehmen können, müssen sie zuerst vom Einzelnen internalisiert und so zum Bestandteil des individuellen Überzeu- gungssystems werden (Friedrichs 1968). Bei diesem Prozess wird der Einzelneüber ge- samtgesellschaftlich geteilte Werte in die Gesellschaft integriert (Maag 1991).

2.2 Wertewandeltheorie nach Inglehart

Eine der einflussreichsten Wertewandeltheorien ist die von Ronald Inglehart 1971 veröffentlichte Theorie der „stillen Revolution“, welche die Hypothese eines Wertewandels in den westlichen Industrienationen unterstellte:

„ A transformation may be taking place in the political cultures of advanced industrial societies. This transformation seems to be altering the basic value priorities of given generations, as a result of changing conditions influencing their basic sozializations.”

(Inglehart 1971, S. 991).

Als Basis für das Werteverständnis Ingleharts dient die Bedürfnispyramide Maslows (1970). Diese ordnet individuelle Bedürfnisse in eine hierarchische Anordnung. Dabei werden zuerst die niedrig-stufigeren Bedürfnisse wie Nahrung oder Sicherheit befriedigt und erst danach Bedürfnisse höherer Stufen, wie etwa das Bedürfnis nach Anerkennung (siehe Abbildung 1).

Abbildung 1: Maslows Bedürfnishierarchie nach Inglehart

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Erläuterung: Eigene Darstellung nach Hommerich 2008, S. 23.

Inglehart ging einen Schritt weiter und fasste die von Maslow angeordneten Werte zu den zwei Wertgruppen Materialistisch und Postmaterialistisch zusammen und bildet dadurch zwei exklusive Gegenpole. Inglehart nimmt wie Maslow an, dass postmaterialistische Werte erst dann an Wichtigkeit für den Einzelnen gewinnen, wenn die untere Stufe der materialistischen Bedürfnisse schon befriedigt sind. Durch die Reduzierung auf eine implizite, eindimensionale Struktur ist ein Wertewandel hier nur als ein Aufoder Abstieg in der Hierarchie möglich. Gewinnt die eine Ebene an Bedeutung, so muss die andere an Bedeutung verlieren. Daraus resultiert eine Abhängigkeit der Bedeutung eines einzelnen Wertes von der Wichtigkeit der anderen Werte.

Den Treiber für einen Wertewandel sieht Inglehart in den sozioökonomischen Ver- änderungen, denen eine Gesellschaft unterliegt. Denn bei durch Industrialisierung und Modernisierung verbesserten sozioökonomischen Bedingungen gelten die materialisti- schen Bedürfnisse im Zuge des steigenden gesellschaftlichen Wohlstands als befriedigt (Inglehart und Welzel 2005). Dies ermöglicht eine höhere Bedeutung der postmateria- listischen Werte des Einzelnen. Dieser Prozess ist in umgekehrter Richtung möglich, sodass in einer durch wirtschaftliche Krisen gebeutelten Gesellschaft die postmaterialis- tischen Werte an Bedeutung verlieren und die materialistischen an Bedeutung gewinnen können. Des Weiteren beschreibt Inglehart diesen Prozess durch eine Mangel- und So- zialisationshypothese (1989). Der Mangelhypothese nach spiegeln die Wertprioritäten eines Menschen seine Lebensbedingungen wieder, bei denen der Einzelne den größten subjektiven Wert den für ihn persönlich relativ knappen Dingen zu misst (Inglehart 1990). Auch hier verbreitet ein zunehmender Wohlstand postmaterialistische Werte wie Selbstverwirklichung und Lebensqualität. Inglehart spricht ebenfalls von einem lang- fristigen Prozess (Vgl. Jagodzinski 2004), der „stillen Revolution“, so dass Änderungen in der Anordnung von Wertprioritäten erst in aufeinanderfolgenden Generationen statt- finden (Inglehart und Welzel 2005).

Die Sozialisationshypothese bezieht sich auf diese langfristige Komponente des ge- sellschaftlichen Wertewandels. So spiegeln die grundlegenden Wertvorstellungen eines Menschen die Bedingungen, welche zu seiner Jugendzeit herrschten und im Rahmen seiner primären Sozialisation internalisiert wurden, wieder (Inglehart 1990). Die primä- re Sozialisation wird dabei als grundlegende und allseitige Einführung des Individuums in die objektive Welt der Gesellschaft verstanden, welche im Verlauf der Übermittlung durch signifikante Andere modifiziert wird (Berger und Luckmann 1980). Infolge des- sen kommt es zu einem zeitlich versetzten Wertewandel, da sich die Wertmuster erst in der nachfolgenden Generation, die unter veränderten Bedingungen aufwächst und ent- sprechend anders sozialisiert wird, durchsetzen. Dabei bleiben die Werte, welche durch die Sozialisation internalisiert werden, im weiteren Lebensverlauf des Individuums rela- tiv stabil (Inglehart 1990).

Aus diesem theoretischen Rahmen entwickelte Inglehart anhand seiner ersten empiri- schen Daten den nach ihm benannten Inglehart-Index zur Bestimmung der Werteorien- tierung. Anhand der Zuordnung der Rangfolge zur jeweiligen politischen Werteorientie- rung wird die Wichtigkeit eingeschätzt und danach der Inglehart-Index mit seinen Ext- rempolen von Postmaterialist bis Materialist gebildet. Tabelle 1 zeigt eine Übersicht der politischen Wertorientierung, der Antwortkategorien und des Inglehart-Indexes selbst. Dabei korreliert die Setzung politischer Prioritäten mit dem Inglehart-Index. Stuft man zum Beispiel Wichtigkeit von Bürgereinfluss und von freier Meinungsäuße- rung auf den ersten beiden Stufen ein, so wird man als Postmaterialist eingestuft. Mate- ria listen setzen hingegen eine hohe Priorität auf die Wichtigkeit von Ruhe und Ordnung sowie von Inflationsbekämpfung. Zwischen den beiden Endpolen entstehen die beiden Mischtypen der Extremformen.

Tabelle 1: Konstruktion des Inglehart-Index

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Erläuterungen: Eigene Darstellung nach Thome 2003, S. 25.

Werden die Items 1 und 2 den Items 3 und 4 vorgezogen, so wird der Befragte als reiner Postmaterialist angesehen. Wird Item 1 oder 3 an erster Stelle sowie Item 2 oder 4 an zweiter Stelle genannt, handelt es sich um den Postmaterialisten-Mischtyp. Dies gilt analog in umgekehrter Reihenfolge für den Materialisten-Mischtyp und den reinen Materialisten.

Inglehartüberprüfte seine Theorien in einem von ihm initiierten World Value Survey, durch den seit Anfang der 1980er Jahre inüber 80 Nationen in regelmäßigen Abständen Werteinstellungen gemessen werden. Dieses Messinstrument ermöglicht eine Längs- schnittanalyse der Werte bei gleichzeitigem Vergleich verschiedener Gesellschaften.

So wies er nach, dass sich die Befragten, welche den Lebensmittel- und Sicherheits- notstand des zweiten Weltkriegs erfahren haben, sich maßgeblich von den Befragten unterschieden, die in der Nachkriegszeit einen wirtschaftlichen Aufschwung erlebten.

Demnach zeigten ältere Befragte eine hohe Wertpriorität auf ökonomische Sicherheit und des Sicherungsbedürfnisses im Sinne Maslows, während jüngere Befragte eine ho- he Priorität auf postmaterialistische Werte wie ästhetische und intellektuelle Bedürfnis- se aufwiesen (Inglehart 1971). Als möglicher Grund für den festgestellten Wertewandel wurde der Bildungsschub in der postmaterialistischen Gesellschaft angesehen. Der stei- gende Bildungslevel führte zu einem höheren Maße an kognitiven Fähigkeiten bei ei- nem Großteil der Gesellschaft (Ester 1994). Die Folge war eine Erhöhung der Wertprio- rität auf das Erstreben von Selbstverwirklichung und Unabhängigkeit, um die eigenen intellektuellen Fähigkeiten umsetzen zu können (Giddens 1991). Neben dem Bildungs- schub nahmen in einer fortgeschrittenen, globalisierten, postindustriellen und postmo- dernen Gesellschaft der Einfluss von traditionellen Werte, Normen und Überzeugungen ab (Rush 1992).

Eine interessante Besonderheit bei der Erhebung des Inglehart-Index ist die bis heute andauernde getrennte Erhebung von West- und Ostdeutschland aufgrund der Vermu- tung von distinkten Kulturen im Zuge der Teilung. So zeigte sich, dass die Westdeut- schen eine ausgeprägtere Selbstverwirklichung aufwiesen, während die Ostdeutschen auf der Säkularisation-Dimension einen höheren Wert erzielten. Im globalen Vergleich sind sich die beiden Staaten jedoch erstaunlich ähnlich und sich zum Beispiel näher als die USA und Kanada (Inglehart 2004). Borg und Braun (1996) konnten im Bezug auf Arbeitswerte anhand des ALLBUS-Datensatzes kurz nach der Wende ebenfalls die gleichen Strukturen in West- und Ostdeutschland aufzeigen. In Folge dessen ist eine Unterscheidung in West- und Ostdeutschland für diese Arbeit nicht relevant und wird nicht betrachtet.

Für den speziellen Fall der Arbeitswertorientierung bewirkte der Wertewandel eine Verschiebung von intrinsischen zu extrinsischen Werten (Ester 1994). Neue Netzwerkmöglichkeiten transformieren menschliche Verbindungen, welche gerade für die Arbeitswelt in einer globalen und interdependenten Wirtschaft von großer Bedeutung sind (Castells 1998). Schon in den 1980er konnte Pawlowsky (1986) das Streben nach Selbstverwirklichung im Arbeitsleben anhand von Längsschnittdaten nachweisen und stellte zudem eine starke Priorisierung von abwechslungsreichen und interessanten Tätigkeiten bei den jüngeren Altersgruppen fest.

2.3 Kritik und Modifikationen des Inglehart-Ansatzes

Die ersten eigenständigen empirischen Forschungen auf dem Gebiet des Wertewandels wurden in Deutschland Ende der 1970er Jahre durch Noelle-Neumann im Rahmen der demoskopischen Umfragen des Allensbacher Institutes begonnen. Anfänglich besonders der methodischen Kritik ausgesetzt, entwickelten daraufhin Klages und Pawlowsky weitere theoretische Ansätze.

Im Zusammenhang zu den Ergebnissen von Noelle-Neumann wurden die gesell- schaftlichen Auswirkungen des Wertewandels oft fälschlicherweise als ein „Werteverfall“ in der öffentlichen Debatte bezeichnet (Noelle-Neumann 1978). Noelle-Neumann befürchtete Ende der 1970er Jahre eine Abkehr von bürgerlichen Werten, wie den hohen Wert von Arbeit und Leistung, hin zu einer Anpassung an eine Unterschichtsmentalität. Allerdings sind diese Interpretationen aufgrund einer sehr schmalen Zahlenbasis als kritisch zu betrachten (Noelle-Neumann 1978).

Zu ähnlichen Ergebnissen wie Inglehart kam Klages (1984) in Deutschland. Er wies für die Kohorten von 1965 bis 1975 einen Wertewandelschub in Form einer erheblichen Abwertung von traditionellen Pflicht- und Akzeptanzwerten (unter anderem Disziplin, Gehorsam, Leistung, Ordnung und Pflichterfüllung) zu einer starken Aufwertung von Selbstverwirklichungswerten (unter anderem Gleichbehandlung, Partizipation, Demo- kratie) nach.

Tabelle 2 zeigt eine Übersicht der verschiedenen Wertewandelansätze in den 1970er und 1980er Jahren.

Tabelle 2: Typologie von Wertmustern

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Erläuterung: Eigene Darstellung nach Pawlowsky 1985, S. 56.

Im fortschreitenden Verlauf der Wertewandelforschung wurden immer wieder ein- zelne inglehartsche Annahmenüberprüft, kritisiert und erweitert. Dies betrifft insbeson- dere drei Themenfelder. Zum einen die Dimensionen von Materialismus und Postmate- rialismus, zum anderen die Validität des Inglehart-Indexes als Messinstrument und die Annahme der Wandlungsdynamik gesellschaftlicher Werte.

Ein weiterer Kritikpunkt ist die Trennung von Kohorten-, Perioden- und Lebenszyk- luseffekten. So lässt sich eine Verschiebung in den beruflichen Zielen meist auch auf die mit dem steigenden Alter einhergehenden Rahmenbedingungen begründen. So sind gerade Ziele im Bereich der Karriere eher angestrebte Ziele jüngerer Arbeitnehmer, während ältere Arbeitnehmer in diesem Zusammenhang Ziele im Bereich des betriebli- chen Engagements nennen (Zacher, Degner, Seevaldt, Frese und Lüdde 2009). Maag (1991) sieht die Sozialisationsannahme Ingleharts als unrealistisch an, da sich in einer hoch industrialisierten Gesellschaft auch nach dem Jugendzeitalter vielfältige Differen- zierungsprozesse in unterschiedlichen Lebensbereichen abspielen.

In diesem Zusammenhang kritisieren Klein und Pötschke (2004) die Ergebnisse des Inglehart-Indexes und gehen sogar von einer Umkehr der Verdrängung materialistischer durch postmaterialistischer Wertorientierungen unter den jüngsten Generationseinheiten aus und mahnen weitere, langfristige Panelstudien an, um die intra-individuelle Stabilität gesellschaftlicher Werteorientierungen nachzuweisen. Abbildung 2 zeigt den Verlauf des Inglehart-Indexes von 1970 bis 1997.

Abbildung 2: Bevölkerungsanteil der Postmaterialisten, des Mischtyps und der Mater- ialisten. Bundesrepublik Deutschland (West) 1970 bis 1997 (in %)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Erläuterungen: Klein und Pötschke 2000, S. 208.

Deutlich erkennbar ist eine rapide Abnahme der Materialisten seit 1980, bis diese Mitte der 1990er Jahre wieder ansteigen. Dagegen nehmen die zuvor angestiegenen Postmaterialisten seit Ende der 1980er Jahren kontinuierlich ab, während die Mischty- pen einen konstant hohen Anteil innerhalb der Bevölkerung behalten. Diese Befunde stehen in Gegensatz zu Ingleharts Prognosen.

Darüber hinaus kritisiert Thome (2003) Ingleharts Bezug zu Maslows Bedürfnishie- rarchie als Fehlinterpretation und wirft ihm vor, sein Modell durch Ausnutzung inter- pretatorische Spielräume gegen Kritik zu immunisieren und keine nennenswerte Revisi- on veranlasst zu haben. Insgesamt kommt es in der Interaktion zwischen Theorieent- wicklung und empirischer Werteforschung seiner Ansicht nach zu keinem erkennbaren Fortschritt.

Trotz der Kritik an Inglehart, sowie der Modifikation, Ergänzung und Verfeinerung durch Noelle-Neumann, Klages und Pawlowsky lassen sich allen Ansätzen nach dem Befund einer wachsenden Selbstentfaltung und Selbstverwirklichung des Einzelnen als zentrale Charakteristika des Wertewandels entnehmen (Hradil 2002).

Aufgrund der jüngsten Kritik erfasst Hypothese 1 die Aussage des Inglehart-Indexes um eine Antwort darauf geben zu können, ob sich der Trend in Richtung des Materialismus oder Postmaterialismus bewegt.

H1: Ein Befragter präferiert eine postmaterialistische vor einer post- materialistischen Mischtyp Wertorientierung, sowie diese vor einer materialistischen Mischtyp oder einer materialistischen Wertorientierung.

3 Generation Y - Die aktuelle Generation?

Das folgende Kapitel beschreibt die Charakteristika und Wertorientierungen der aktuellen Bewerbergeneration, der Generation Y. Darüber hinaus werden mögliche Begründungen für ein anderes Verhalten dieser Generation gegeben und in den Kontext der Vorgängergeneration gesetzt.

3.1 Wer ist die Generation Y

Schon bei der ersten Frage zeigt sich ein deutliches Problem in der Forschung zur Generation Y, denn es existiert zwar ein Konsensüber die Bedeutung des Begriffs, aber bei weitem keine einheitliche Definition. Die Namensgebung „Generation Why“ zielte auf die Verhältnisse und Vorstellungen der 1980er-Generation, die alle bisherigen für selbstverständlich gehaltenen Werte in Frage stellte. Es existiert jedoch keine einheitli- che Definition, welche Zeitspanne die Generation Y umfasst. So sieht Parment (2009) die Kohorte der Jahrgänge 1978 bis 2000. Andere wie Howe und Strauss (2001) spre- chen gar die Existenz einer Generation Y als Marketingversuch ab und rufen mit den Millenials, die nach 1982 zur Welt gekommen sind, ihre eigene Generation aus.

Ähnlich heterogen wie die Definition der Zeitspanne der Generation Y werden auch deren Charakteristika beschrieben beziehungsweise unterschiedlich gewichtet. Ameri- kanische Studien von Tulgan (2001) sehen die Generation Y als eine der ehrgeizigsten, findigsten und weltläufigsten Generationenüberhaupt an, von der man das Beste erwar- ten und bekommen kann. Traditionen, die für vorherige Generationen einen maßgebli- chen Einfluss darstellten, verlieren bei dieser Generation erheblich an ihrer Wirkungs- kraft.

Arbeit bedeutet für diese Generation, dass die Aufgaben der Sinn und der Inhalt ihres Tätigkeitsfeldes sollte der Förderung der Selbstverwirklichung dienen und wird immer weniger als Pflicht betrachtet. Die mit der Arbeit verknüpften hohen Erwartungen, die sich aus dem hohen Lebensstandard der Generation ableiten, können hierbei zu Frustra- tion am Arbeitsplatz führen. Man könnte davon sprechen, dass die Verwöhntheit der Generation ein falsches Erwartungsmanagement an die eigene, berufliche Entwicklung schürt. Die stärkere europaweite bzw. globale Prägung sorgt zudem für einen unge- zwungenen und offenen Umgang mit anderen Kulturen - auch und gerade am Arbeits- platz. Hinzu kommt ein Wandel der früher deutlich hierarchischen Organisationsstruk- turen zu offeneren, modernen Strukturen. Operativ betrachtet sollte das Tätigkeitsfeld möglichst immer neue Herausforderungen stellen, bei gleichzeitiger flexibler Gestaltung von Arbeitszeit und Arbeitsort (Büning und Marchlewski 2009).

Trotz der hohen Ansprüche an die Arbeitsumgebung, die in Verbindung mit dem großen Selbstbewusstseins als arrogant wirken können, ist der Horizont der Generation Y durch ein strafferes Ausbildungssystem eingeschränkter als bei vorhergehenden Generationen (Honoré 2010). Das bedeutet, sie haben trotz der Fähigkeit sich einer unwägbaren Lage schnell anzupassen noch wenig Erfahrungswerte.

Der gesteigerte Ehrgeiz der Generation Y spiegelt sich zugleich in einem leistungs- orientierteren Verhalten wieder, dass heißt der Faktor Karriere und die damit eng ver- bundene Weiterentwicklung der eigenen Kompetenzen und Fähigkeitenüberwiegen. Die Leistungsorientierung ist gekoppelt an einen zunehmenden Individualismus. Ge- paart sind diese Eigenschaften für eine abnehmende Loyalität gegenüber dem Arbeitge- ber verantwortlich, die immer mehr den Merkmalen einer Produzenten-Konsumenten- Beziehung ähneln. Die Leistungsorientierung hat zugleich wichtige Implikationen zur Wahrnehmung des Arbeitsumfeldes. Denn wer gerne mit Besseren zusammenarbeitet um dadurch On-the-Job, also innerhalb der normalen Arbeitszeit mehr zu lernen, der trägt zu einer anderen Kultur bei, als jemand der nicht gerne sieht das seine Kollegen eine bessere Leistung bringen (Honoré 2010).

Die Eigenverantwortlichkeit und Selbstständigkeit zeigt sich in Bezug auf Karriere und Familie. Einkommen und Karriere sind zwar nicht zu vernachlässigende Faktoren, aber gegenüber Arbeitsplatzsicherheit und der Familie von nachrangiger Bedeutung (Laick 2009).

Auch die Arbeitszeit wandelt sich. Durch neue, technisch vereinfachte Möglichkeiten wird das Arbeiten von zuhause im „Home Office“ möglich. Dadurch verschwimmen bei der Generation Y zunehmende die Grenzen zwischen Berufs- und Arbeitsleben, so dass die Work-Life-Balance einen wichtigen Bestandteil im Berufsleben dieser Generation darstellt. Dabei ist die Work-Life-Balance als das Verhältnis von Arbeit zu Freizeit zu verstehen.

Identität und das Image spielen eine immer tragendere Rolle bei der Arbeitssuche (Weiss und MacKay 2009). Dies ändert den Prozess der Anwerbung maßgeblich. Da- bei spielt eine größere Vielfalt des Arbeitgeberangebotes eine immer wichtigere Rolle. Dazu gehört unter anderem der Standort des Unternehmens beziehungsweise des Ar- beitsplatzes, um neben einer repräsentativen Adresse, eine vereinfachten Alltagslogistik wie den Zugriff zu Dienstleistungen (unter anderem Einkaufsmöglichkeiten) zu haben. Der erste Eindruck vom potenziellen Arbeitgeber ist wichtig bei der Entscheidungsfin- dung, zudem muss das Unternehmen seine Vorzüge durch sein Image herausstellen um in die engere Auswahl als potenzieller Arbeitgeber zu gelangen (Honoré 2010).

Eine sehr selbstbewusst auftretende Generation Y weiß die emotionalen Werte des Konsumlebens auf ihre Arbeitswelt zuübertragen und im gleichen Maße zu schätzen (Parment 2009). Immaterielle Faktoren wie Talente, Werte, Kultur und Marken nehmen eine immer größere Rolle in der Wahrnehmung und als Selektionsstandard eines Unternehmens als zukünftigen Arbeitgeber ein. Die Unternehmen gehen von einer selbstbewussteren Durchsetzung der eigenen Wertvorstellungen der jüngeren Generation aus, die sich intensiveren Überlegung aussetzen, an welches Unternehmen und damit auch in welches soziale Gefüge man sich bindet (Swain und Brown 2009).

Eine mögliche Ursache für das verzerrte Abbild dieser Generation könnte darin lie- gen, dass es gerade die angrenzende Generation ist, welche sich mit ihr beschäftigt, sie analysiert und sich mit ihr auseinandersetzt und das obwohl man offensichtlich in einer Art Konkurrenz zueinander steht. Der folgende Abschnitt hinterfragt deshalb die Grün- de für das Entstehen einer neuen Generation, welche eng mit der vorhergehenden Gene- ration verbunden sind.

3.2 Warum die Generation Y so ist wie sie ist

Die Umwelt in der die Generation Y aufgewachsen ist, war als erste Generation von klein auf durch die Hochtechnisierung des Informationszeitalters geprägt (Laick 2009). In diesem Zusammenhang ist von den „Digital Natives“ die Rede, deren Lebens- und Arbeitsrhythmus sich mit SMS, Facebook, Google und Twitter völlig an diese elektronische Umwelt angepasst hat.

Gerade junge Menschen sind anfällig für viele Informationen und offen für Perspek- tiven, die ihnen die Gesellschaft in der sie groß werden bietet. Durch dieses Angebot und ihre Unvoreingenommenheit werden sie inspiriert ihre Zukunft auf neue Art und Weise zu planen. Zudem hat sich die Struktur der Erwerbstätigkeitslebensläufe gravie- rend gewandelt. Früher war esüblich als Sohn in den Beruf seines Vaters einzutreten oder sich als Tochter um die Familie zu kümmern und nicht erwerbstätig zu werden, so- dass lineare Lebensläufe planbar waren. Es bestanden weniger Perspektiven und es wurde erstüberhaupt nicht in Betracht gezogen eine andere Wahlmöglichkeit zu haben. Für die Generation Y gelten nicht-lineare, zyklische Lebensläufe, in denen sich mehrere Perioden wie Ausbildung, Arbeit und Erholungüberlappen, vor (Laick 2009). Beck (1986) spricht in diesem Zusammenhang von Bausätzen biografischer Kombinations- möglichkeiten, wodurch Wahlmöglichkeiten zu Wahlzwängen aufbrechen.

Der Auslöser für die Unstetigkeit des Berufslebens liegt nach Oesterdiekhoff (2006) in einem Rückgang des Anteils langfristiger Beschäftigungsverhältnisse, die durch ei- nen Wandel des Wirtschafts- und Beschäftigungssystems verursacht worden sind. Dabei bezieht sich Oesterdieckhoff (2006) auf die Theorie des Soziologen Richard Sennet, der diesem Wandel weitreichende Folgen für das ökonomische, soziale und kulturelle Le- ben unterstellt. So fehlen die sich auf die Identität und das Selbstbewusstsein positiv auswirkenden stabilen und standardisierten Lebensläufe, die vom Individuum als kohä- rente sinnvolle Ereignisse interpretiert werden können. Demnach sinkt bei flexiblen Be- schäftigungsmöglichkeiten die Identifikation mit dem Unternehmen und damit auch die Loyalität zum Arbeitsverhältnis, hinzukommend wird die Kompetenz und fachliche Tiefe abgeschliffen.

Dies bedeutet, dass diese Generation in einer Gesellschaft mit hoher Transparenz, ständiger und schneller Kommunikation, vielen Wahlmöglichkeiten einem zunehmen- den Individualismus und einem sehr hohen Lebensstandard aufgewachsen ist. Die Ge- neration kam schon in ihrer Kindheit in den Genuss verschiedener Urlaubsmöglichkei- ten, viele Freunde und Spaß zu haben. Daraus lässt sich eine erhöhte Erwartungshaltung ableiten, die sich im späteren Leben auf das Arbeitsleben und damit auch auf die An- sprüche gegenüber dem Arbeitgeberüberträgt. Diese Generation ist es gewohnt viel Anerkennung zu bekommen und erwartet dies von einem Arbeitgeber (Böhlich 2009).

Einer der maßgeblichen Treiber für die Individualisierung war die Entwicklung hin zur Konsumgesellschaft. Durch den internationalisierten Handel, welcher durch sinken- de Transportkosten begünstigt wurde, konnten neben den Waren auch der Geschmack und Präferenzen globalisiert werden. Auf vielen Konsumentenebenen kam es zu einer neuen Vielfalt von Preis-, Leistungs- und Qualitätsalternativen. Die gleichzeitige rasan- te Entwicklung der Informationstechnologien führte zu einer vernetzteren, informations- intensiveren und transparenteren Welt. Durch das Internet gab es nun die Möglichkeit sichüber Produkte zu informieren und in Sekundenschnelle Preis- oder Qualitätsver- gleiche anzustellen, wie es vorher nicht möglich gewesen war. Das Internet wird zu- nehmend als Informationsquelle und Wissensbasis in diversen Lebenslagen sowie ins- besondere bei der Suche nach Arbeitsmöglichkeiten genutzt (Weitzel, Eckhardt, von Stetten und Launer 2011).

Durch das konsumentenähnliche Verhalten bei der Arbeitgeberauswahl hat dies Auswirkungen auf die Entscheidungsfindung der Generation Y. Die Generation Y be- sitzt durch ihre Affinität zum Internet den entscheidenden Vorteil intuitiv und selbstver- ständlich schnell und effizient an Informationenüber die Wahlmöglichkeiten zu gelan- gen. Dabei fördern die Wahlmöglichkeiten den Individualismus. In der Konsumkultur nutzen die Menschen die eigenen Präferenzen zur Profilierung der eigenen Person. Ein immer größeres Angebot an Fernsehkanälen und Internetseiten, die durch die Nutzung moderner Smartphonesüberall und jederzeit erreichbar sind, erschwert es den Firmen die Aufmerksamkeit des Konsumenten auf ihre Aktivitäten und Angebote zu lenken. Andererseits eröffnet dies neue Kommunikationskanäle und kann bei richtiger Anspra- che die Kommunikation erleichtern. Das hat zur Folge, dass man als potenzieller Ar- beitnehmer genauso umworben werden möchte, wie dies bei einem normalen Konsu- menten der Fall ist. Zum Beispiel durch Give-Aways, kleine Präsente mit dem Unter- nehmenslogo, die zu Werbezwecken verteilt werden. Um eine optimale Informationsla- ge zur Entscheidungsfindung bereitzustellen, erfreuen sich Arbeitgeberrankings auf der Ebene des Hochschulabsolventen als Arbeitsplatzkonsument, einer immer höheren Beliebtheit. Solche Rankings sind eine Strategie um auf den vorherrschenden Informa- tionsüberfluss zu reagieren. In Zeiten der zunehmenden Vernetzung steigt die Informa- tionsmenge, aber nicht die Fähigkeit die Informationen zu beurteilen und zu verarbeiten.

Bedingt durch die vielen Eindrücke aus verschiedenen Zusammenhängen realisiert die Generation Y, dass sie ihre Träume und Ambitionen realisieren kann, verspürt aber zugleich den Druck sie realisieren zu müssen. Ausschlaggebend dafür ist die Leistungs- gesellschaft, in der die erbrachte menschliche Leistung eine strukturbildende Wirkung auf das Gesellschaftssystem zukommt, die einen sozialen Druck auf ihre Individuen ausübt (Schäfers und Hradil 1995). Jedoch stellen finanzielle, zeitliche, physiologische und soziale Begrenzungen die Prämissen zur Erreichung und Realisierung der Träume dar.

Durch die infolge des Internets transparenter gewordenen Welt, in der die Generation Y aufgewachsen ist, werden auch für die Arbeitswelt bestimmende Faktoren transparenter. Zugleich geht die zunehmende Informationsmasse mit einer Veroberflächlichung der Gesellschaft einher (Parment 2009). Die Generation Y scheint sich demgegenüber aber durchaus in dieser Flut an Informationen navigieren zu können. Aus der Vielzahl von Wahlmöglichkeiten leitet sich Hypothese 2 ab, dieüberprüft ob die Wertorientierungen in unterschiedlichen Kontexten in gleichem Maße als Orientierungshilfe beziehungsweise Selektionsstandard angewendet werden2.

H2: Das tatsächliche (in den Teilnutzenwerten des Conjoint-Design) und das angegebene (im semantischen Differenzial) Muster der Wertorientierungen der Befragten gleichen sich.

3.3 Generationen im Kontext - Von X bis Y

Die Generation Y und ihre Vorgänger-Generation X haben aus wissenschaftlicher Sicht vor allem eine Gemeinsamkeit, das Fehlen einer einheitlichen Definition. Das Phänomen der Konflikte mit einer angrenzenden Generation betraf vor allem die Gene- ration X, welche sich nur sehr schwerlich mit ihrer Elterngeneration verstand, die in den 1930er und 1940er Jahren zur Zeit der Weltwirtschaftskrise oder im Schatten des zwei- ten Weltkrieges geboren wurden (Gillon 2004). Während die Baby-Boomer-Generation durch fehlende Wahlmöglichkeiten dem Kollektivismus zuneigte unterscheidet sie sich hier maßgeblich von der durch den Individualismus geprägten Generation Y. Dabei werden die Kohorten nach Larkan (2007) als Baby-Boomer die zwischen 1945 und 1960, die Generation X die zwischen 1961 und 1979, sowie die Generation Y welche ab 1980 geboren wurde, definiert. Die politische und wirtschaftliche Situation dieser Gene- ration war eine andere. Das Aufwachsen der Baby-Boomer in der Nachkriegszeit war geprägt durch eine tendenzielle politische Linksorientierung und eine Warenknappheit an den Märkten, während die Generation Y eine Differenzierung und Entpolitisierung sowie einem Warenüberfluss gegenüberstand. Der Individualismus stieg auf Kosten des Kollektivismus und entgegen der Baby-Boomer ist die Generation Y mit emotionalen Produkten und Dienstleistungen aufgewachsen. Während für die neue Generation emo- tionale Argumenteüber eine Kaufentscheidung eine große Rolle spielen, zählt für die Baby-Boomer mehr die Vernunftbetonung der Argumentation, da sich diese besser in das kollektive Lebensverhalten einer Gesellschaft eingliedern. Anfang des 20. Jahrhun- derts (Pierenkemper 2009) galt Arbeit als eine Pflicht um die eigene Versorgung und die der Familie sicherzustellen. Arbeit war ein rational motiviertes Handeln. Dies wan- delte sich zu einem emotional motivierten Handeln, sodass sich ein neues Konsumden- ken entwickelte. Es lässt sich nicht abstreiten, dass die Generation der Baby-Boomer maßgeblich zu einer Veränderung der Gesellschaft beigetragen hat. Sie sind die Eltern der 1980er Kinder, haben versucht ihre Kinder mit ihren Werten zu erziehen und ihnen den Lebensstandard ermöglicht, der zu ihren hohen Ansprüchen beigetragen hat.

Trotz der vielen negativen Stimmen zur neuen Generation gibt es einige die in der wohlhabenderen, besser geschulteren und ethnisch gemischteren Generation durchaus Vorteile sehen (Behrstock-Sherratt und Coggshall 2011). Sie sehen die Generation Y als intelligente, kooperative Teamplayer, die durchaus Regeln und Autorität beachten und alle Erwartungen ins Positive durchbrechen (Howe und Strauss 2001). Ebenfalls kritisch wird von manchen Autoren die Generations-Typologie an sich gesehen. Demnach ist das Leben durch die dynamischen und sich wandelnden Lebenssituationen eher geprägt als durch Generationszugehörigkeiten (Dziemba und Wenzel 2009).

4 Der Arbeitsmarkt - Treffpunkt von Arbeitnehmer und Arbeitgeber

In Kapitel 2 wurde der sozioökonomische Status als einer der maßgeblichen Gründe für eine Wertorientierung hin zum Postmaterialismus oder zum Materialismus angesehen. Um den Hintergrund der sozioökonomischen Situation der aktuelle Bewerbergeneration in Deutschland nachvollziehen zu können, werden im Folgenden sowohl die allgemeine Arbeitsmarktsituation als auch die jeweiligen Sichten der beiden Akteure Arbeitnehmer und Arbeitnehmer dargestellt.

4.1 Allgemeine Arbeitsmarktsituation

Der Arbeitsmarkt unterliegt der Dynamik und dem Wechselspiel von Konjunkturen und Rezessionen. Diese Effekte wirken sich sowohl auf das Angebot und die Nachfrage als auch auf das Verhalten der beiden Akteure, den Arbeitnehmern als Anbietern von Arbeit und den Arbeitgebern als Nachfrager von Arbeit, aus. Das Personalmanagement ist in Phasen des Aufschwungs von verstärkten Rekrutierungsmaßnahmen bei erhöhtem Wettbewerbsdruck um Mitarbeiter geprägt, während bei einer Rezession Rationalisie- rungsmaßnahmen die Mitarbeiter wieder dem Arbeitsmarkt zuführen (Anchouri 2010). Dabei schwankte die gesamtwirtschaftliche Arbeitslosenquote in der Bundesrepublik Deutschland in den Jahren von 1992 bis 2011 zwischen sechs und elf Prozent. Die Quo- te stieg nach der Dotcom-Krise des Jahres 2000 kontinuierlich an, bis sie mit 10,8 Pro- zent im Jahr 2005 einen vorläufigen Höhepunkt erreichte. Es folgte eine leichte Erho- lung bis zu einem kurzzeitigen, erneuten Anstieg aufgrund der Folgen der amerikani- schen Immobilienkrise, bis die Arbeitslosenquote zu Beginn des Jahres 2011 auf niedri- ge 6,5 Prozent sank (Statistisches Bundesamt 2011a). Die spezifische Arbeitslosenquote für Akademiker lag in den vergangenen Jahren im Jahresdurchschnitt konstant zwischen 3 und 4 Prozent (Rang 2007). Sie betrug damit nicht einmal die Hälfte des Wertes für die Gesamtbevölkerung und ist deutlich weniger volatil.

Der demografische Wandel führt in Deutschland zu einem Rückgang der Bevölke- rung im Erwerbsalter. Dieses Erwerbsalter betrifft die Spanne von 20 bis 65 Jahren. Nach dem statistischen Bundesamt gehörten im Jahr 2009 knapp 50 Millionen Men- schen dieser Gruppe an. Diese Zahl wird nicht kurz- aber mittelfristig, nach 2020, zu- rückgehen. Die Vorausberechnung bei dem Szenario einer mittleren3 Bevölkerung geht davon aus, dass sich die Zahl der erwerbsfähigen Bevölkerung bis 2030 auf etwa 42 Millionen verringert und langfristig bis 2060 sogar auf 36 Millionen abfällt (Statisti- sches Bundesamt 2009).

Trotz der isolierten Betrachtung der Bevölkerungsentwicklung, ohne den Gesamt- kontext des Bildungssystems zu betrachten, sprechen die Politik und die Unternehmen oft von einem drohenden Fachkräftemangel. Jedoch zeigen die Projektionsdaten des In- stituts zur Zukunft und Arbeit (2007), dass die Anzahl der Hochschulabsolventen bis 2020 um 15 Prozent auf 5021 Tausend und die der Fachhochschulabsolventen um 16 Prozent auf 3057 Tausend steigen werden. Demgegenüber kommt es zu dem angedroh- ten Fachkräftemangel im Bereich der Ausbildungsberufe, wo bis 2020 die Zahl der ab- geschlossenen Berufsausbildungen um 5 Prozent auf 2203 Tausend zurückgehen wer- den.

Für den Arbeitsmarkt bedeutet das langfristig eine relativ konstante Anzahl an Hoch- schulabsolventen, bei einem Rückgang an Absolventen von Fachausbildungsberufen. Der demografische Wandel bewirkt einen Druck auf beide Akteure. Sowohl die Stu-dierende sind in der Bringschuld in noch kürzerer Zeit mehr Praktika, mehr Auslands-aufenthalte bei besseren Noten vorzeigen zu können. Als auch die potenziellen Arbeit-geber, die neben einem gut bezahlten Job noch glaubwürdiges Talentmanagement be-reitstellen und darüber hinaus auch noch die Ressourcen und Fähigkeiten besitzen müs-sen, dass gesamte Angebotspaket in den richtigen Kanälen vermarkten und feilbieten zu können (Taylor und Stern 2009).

Betrachtet man die demografische Veränderung im Blickwinkel der in Kapitel 3.3. beschriebenen Generationen so werden in den kommenden Jahren die Arbeitnehmer der Baby-Boomer-Generation vermehrt in den Ruhestand treten und die nachkommenden Generation Y ersetzt. Dies führt möglicherweise zu einem Anstieg der Generationskon- flikte innerhalb der Unternehmen, denn neben unterschiedlichen Wertvorstellungen un- terscheiden sich die Generationen auch in ihrer Arbeitsweise und ihren Arbeitsmetho- den. Neben dem Alter ist der Arbeitsmarkt indem sie sich bewegen zudem durchmisch- ter in Bezug auf Geschlecht und ethnische Herkunft, als dies noch in den 1990ern der Fall war (Millward, Bryson und Forth 2000).

4.2 Arbeitsmarktsituation aus Arbeitnehmer-/ Bewerbersicht

Im Zuge der zunehmenden Wahlmöglichkeiten und Individualisierung der Erwerbs- lebensläufe (Vgl. Kapitel 3.2.) entwickelten sich neue Karrierestrategien. Obwohl die Arbeitslosenquote von Akademikern konstant niedrig liegt (Vgl. Kapitel 4.1.) wird der Druck für die Studierenden dadurch nicht geringer, da ein zunehmender Wettbewerb um den Jobeinstieg von den Unternehmen durch einen Anstieg der Stellenanforderun- gen und immer raffinierten Auswahlmethoden (unter anderem Assessment Center) sug- geriert wird. Der Begriff „Generation Praktikum“ beschreibt die schwierige Phase des Übergangs vom Hochschulabsolventen zum Arbeitnehmer (Hommerich 2008). Viele Absolventen erhielten erst einmal schlecht bezahlte und befristete Arbeitsverhältnisse, was Beck (1986) schon in den 1980ern als labile Übergangsphase beschrieb. Infolge dessen hat sich ein neuer Markt entwickelt, der sich auf die Beratung Studierender be- züglich ihrer Karriere ausgerichtet hat. Schon die Wahl eines Praktikums in der frühen Studienphase wird als eine strategische Karriereentscheidung wahrgenommen (Tulgan 2001). Dabei wird beachtet ob die Branche stimmt, der Arbeitgeber als eine Empfeh- lung für andere Unternehmen gilt und ob man sich durch die Art der Tätigkeit nicht zu sehr festlegt. Man lernt recht schnell, dass ein sehr guter Universitätsabschluss alleine nicht mehr ausreicht, um später den gewünschten Job zu bekommen und es gerade prak- tische Erfahrungen sind, die einen Bewerber im Auswahlverfahren von anderen Mitbe- werbern abheben (Weuster 2004).

Es gibt eine Vielzahl an Informationsplattformen und sozialen beziehungsweise kar- riereorientierten Netzwerken die nur dem Zweck der Informationsbeschaffungüber Karrieremöglichkeiten und Unternehmensinformationen dienen. Neben den kommerzi- ellen Karriereberatungen und -informationszentren kann keine Universität mehr ohne Karriereberatungen oder Kompetenzzentren auskommen. Studierende sind informierter und werden mehr informiert als ihre Vorgängergenerationen. Je mehr Aspekte und Möglichkeiten des Jobangebotes wahrgenommen werden (unter anderem durch Gast- vorlesungen, Messen, Außenwerbung, Flyern, Eventeinladungen), desto informierter und anspruchsvoller werden die Studierenden.

Die Konsequenz aus den zahlreichen Wahlmöglichkeiten, der Verwöhntheit und der höheren Leistung, äußert sich in einer abnehmenden Loyalität gegenüber dem Arbeit- nehmer. Neben dem eigenen Individualismus und einer bewussten Arbeitgeberwechsel- fähigkeit als möglichen Wechselgrund, gelten Arbeitgeberwechsel im richtigen Maß als Zeichen von Flexibilität und einem breiteren Erfahrungsschatz (Jdanoff und Steinert 2010). Nach einer empirischen Studie sind das Gehalt und die Art der Tätigkeiten die maßgeblichsten Kriterien bei der Entscheidung eines Arbeitnehmers bei einem mögli- chen Jobwechsel (Grund 2009). Im Internet zugängliche Gehaltstabellen sind zudem ein gutes Beispiel für die Möglichkeiten der Informationsbeschaffung, sodass man sich da- raufhin möglicherweise in einem Arbeitgeberwechsel bekräftigt sieht.

Durch die hohe Relevanz der inhaltlichen Eigenschaften eines Arbeitsplatzes für die aktuelle Bewerbergeneration lässt sich die dritte Hypothese ableiten.

H3: Je attraktiver die Jobeigenschaften der Stellenausschreibung, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass der Befragte sich darauf bewirbt.

4.3 Arbeitsmarktsituation aus Arbeitgeber-/ Unternehmenssicht

Die sich ändernden Rahmenbedingungen auf dem Arbeitsmarkt zeigten sich zunehmend auch in den Aufgaben des Personalmanagements. Dabei sehen Personalmanager durch den demografischen Wandel, der nicht mehr abwendbar zu sein scheint, keine Alternative als in Konkurrenz zu Wettbewerbern um Arbeitnehmer zu treten. Der „War for Talent“ entsteht dabei zwischen Unternehmen genauso wie der „War of Talent“ unter den Bewerbern (Swain und Brown 2009).

Für Unternehmen ist es folglich nicht einfach talentierte Mitarbeiter zu finden und diese darüber hinaus erfolgreich langfristig an sich zu binden. Bis vor einigen Jahren waren deshalb Themen wie Talent-Management und Employer Branding allenfalls in Großunternehmen, denen ausreichend Ressourcen zur Verfügung standen, auf der Agenda des Managements. Top-Talente, die sogenannten High-Potentials sind sehr begehrt und werden von einer Vielzahl von Unternehmen umworben. Dies steigert den Prestigewert der Person. Es gilt je mehr präsumtive Mitarbeiter, vor allem Studenten und Berufsanfänger, präsumtive Arbeitgeber unter die Lupe nehmen, bevor sieüber ein Jobangebot nachdenken, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass man dort arbeitet, wo man hinpasst und sich wohl fühlt (Parment 2009).

Zwei Faktoren spielen dabei eine Rolle, warum Unternehmen immer früher potenzi- elle Mitarbeiter ansprechen. Zum einen macht sich die Generation Y schon wesentlich früher Gedanken darüber, bei wem sie später arbeiten möchte. Zum anderen bietet die frühe, proaktive Ansprache durch die Unternehmen einen möglichen Wettbewerbsvorteil gegenüber anderen Unternehmen.

Als Maßnahme gegen schrumpfende Bewerberzahlen im Zuge des demografischen Wandels und als Antwort auf die steigenden Anforderungen der aktuellen, umkämpften Bewerbergeneration, werden potenzielle Kandidaten immer früher angesprochen und bei geeigneter Qualifikation bis hin zu ihrem tatsächlichen Berufseinstieg nach ihrer Ausbildung vom Unternehmen begleitet. Diesen Prozess nennt man „Pipelining“ (Prit- chard 2006), welcher die Bindungsaktivitäten des Unternehmens an potenzielle Arbeit- nehmer beschreibt. So werden bereits Schüler durch Aktionen wie einem Schnupper- praktikum ins Unternehmen eingeladen, bevor sieüberhaupt mit dem Studium begin- nen. Gerade Unternehmen die an sehr raren Studienrichtungen interessiert sind platzie- ren ihre Schnupperangebote bewusst bevor Schüler ihre Leistungskurse in der Schule belegen, um so einen strategischen Einfluss auf eine eventuelle Vertiefung, bezie- hungsweise spätere Studienrichtung, nehmen zu können. In den ersten Semestern hat sich eine Form des kurzen „Spring Into Internship“ etabliert, Kurzpraktika die dem Un- ternehmen mehr Aufwand bedeuten als es Nutzen aus der unerfahrenen Arbeitskraft zieht, aber den Studierenden bereits frühzeitig auf das Unternehmen und die Branche aufmerksam macht. Entsprechend niedrig ist zu diesem Zeitpunkt das geforderte Quali- fikationsprofil des Bewerbers. Sind erste Erfahrungen und Kenntnisse im Studium er- worben, wird ein Praktikum oder eine Werksstudententätigkeit für beide Seiten interes- sant. Zum Ende des Studiums dienen sogenannte „Summer Internship Programme“ so- wie das Schreiben von Abschlussarbeiten im Unternehmen dazu, die geeignetsten Ta- lente für ein mögliches Traineeprogramm nach dem Studium zu binden und gleichzeitig auszuwählen. Diese modulare Baukastenweise ist zudem eine Reaktion auf die konse- kutiv aufgebauten neuen Studiengänge, sodass kurze Praktika-Zeiträume auf die ver- schulteren und von kürzeren Semesterferien geprägten Curricula oder Praktika gezielt als Zeitfüller im Übergang von Bachelor zum Masterstudiengang auf die neuen Bedürf- nisse eingehen.

Trotz des härteren Wettbewerbs um Hochschulabsolventen reagieren die Unterneh- men meist mit gesteigerten Anforderungen in ihren Stellenausschreibungen. Auf den ersten Blick scheint es ein paradoxes Verhalten auf eine Verknappung des Angebotes mit zusätzlichen Eintrittshürden zu reagieren. Unternehmen können jedoch höhere An- forderungen stellen, da die Profile der Studierenden immer mehr Praktika und bessere Noten bieten. Zudem investieren Unternehmen zunehmend mehr in die fortlaufende Weiterbildung ihrer Mitarbeiter und möchten vorab sicher gehen, dass sich diese Investitionen später auch lohnend auszahlen. Dieser Ansatz folgt der Theorie des Humankapitals (Becker 1993; Klein 1995), welche die Ressource Bildung unter wirtschaftlichen Aspekten berücksichtigt. Gerade die Investition in neue Mitarbeiter verdeutlicht eines der großen Probleme der Arbeitgeber im Zuge der abnehmenden Loyalität zu einem Arbeitgeber aufgrund des zunehmenden Individualismus.

Eine Studie von Sutherland und Canwell (2004) belegt, dass der Mangel an Einfluss, unattraktive Arbeitszeiten, ein unattraktives Arbeitsumfeld und unattraktive Arbeitsauf- gaben zu den häufigsten Gründen zählen seinen Arbeitgeber zu verlassen. Andere Stu- dien wiesen zudem fehlendes Feedback und Anerkennung (Parment 2009), mangelnder Karrierefortschritt und schlechte Unternehmenskultur (Dychtwald und Morison 2006) sowie einen schlechten Wohlfühlfaktor in Bezug auf Kollegen und Vorgesetzten (Bo- xall, Purcell und Wright 2007) als Gründe. Der Effekt war bei allen Altersgruppen rela- tiv stabil.

Durch aufwendige Auswahlverfahren und spezielle Einstiegsprogramme, wie Trai- neeprogramme, wird versucht einen Grundstein für eine langfristige Bindung zu schaf- fen. Dies erklärt sich durch den Effekt, dass man einem aufwendigem Bewerbungsver- fahren eher zuneigt als einem beiläufigen Verfahren, das nur wenige Ressourcen des Bewerbers beansprucht (Boxall et al. 2007). Bei Traineeprogrammen spielen eine ex- klusive Integration in das Unternehmen und zahlreiche Vorteile wie Auslandsaufenthal- te, Seminarveranstaltungen und das avisieren einer anschließenden Führungskarriere im Vordergrund.

Die vielen, vielleicht nicht neuen aber sicherlich veränderten Anforderungen der Generation Y erfordern folglich mehr Einsatz des Arbeitgebers. Personalbetreuer müssen nun nicht mehr nur den Lohnüberweisen, sie müssen Fortbildungen strategischüber den Karrierehorizont des Mitarbeiters hinweg planen, sie müssen komplizierte und flexible Arbeitszeitmodelle umsetzen und durch ein wandelndes Angebot die Work-Life- Balance des Mitarbeiters sichern.

Die flexible Gestaltung des Arbeitsorts und der Arbeitszeit werden dabei durch die mobile Technik von Laptop und Blackberry unterstützt.

[...]


1 Im Sinne der norwegischen Formel wird eine geschlechtsneutrale Formulierung verwendet.

2 Durch die Anwendung des Conjoint-Design, bei dem die Befragten aufgrund des orthogonalen Design nur indirekt ihre Wertorientierungen angeben und des semantischen Differentials, bei dem sie sich direkt bezüglich ihrer persönlichen Wertorientierungen entscheiden müssen, werden zwei unterschiedliche Kontextsituationen zur empirischen Überprüfung abgebildet.

3 Entwicklung unter der Annahme annähernd konstanter Geburtenhäufigkeit, eines Anstiegs der Lebenserwartung um etwa sieben Jahre und eines Wanderungssaldos von 200 000 Personen im Jahr.

Ende der Leseprobe aus 105 Seiten

Details

Titel
Wie sieht Dein Traumjob aus?
Untertitel
Betrachtung der neuen Bewerbergeneration im Arbeitgeberfindungsprozess aus wertorientierter Perspektive
Hochschule
Universität zu Köln
Note
1.3
Autor
Jahr
2011
Seiten
105
Katalognummer
V186810
ISBN (eBook)
9783869434575
ISBN (Buch)
9783656991106
Dateigröße
9454 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
dein, traumjob, betrachtung, bewerbergeneration, arbeitgeberfindungsprozess aus, perspektive
Arbeit zitieren
Uwe Link (Autor:in), 2011, Wie sieht Dein Traumjob aus? , München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/186810

Kommentare

  • Noch keine Kommentare.
Blick ins Buch
Titel: Wie sieht Dein Traumjob aus?



Ihre Arbeit hochladen

Ihre Hausarbeit / Abschlussarbeit:

- Publikation als eBook und Buch
- Hohes Honorar auf die Verkäufe
- Für Sie komplett kostenlos – mit ISBN
- Es dauert nur 5 Minuten
- Jede Arbeit findet Leser

Kostenlos Autor werden