Leseprobe
Inhalt
1. Einleitung
2. Entscheidung des Parlamentarischen Rates über das Amt des Bundespräsidenten
3. Vorschlag und Ernennung des Bundeskanzlers
3.1 Möglichkeiten des Bundespräsidenten
3.2 Politische Praxis
4. Ausfertigung und Verkündung von Gesetzen
4.1 Möglichkeiten des Bundespräsidenten
4.2 Politische Praxis
5. Völkerrechtliche Vertretung der BRD
5.1 Möglichkeiten des Bundespräsidenten
5.2 Politische Praxis
6. Repräsentation und Integration
6.1 Möglichkeiten des Bundespräsidenten
6.2 Politische Praxis
7. Reservefunktionen für Krisensituationen
7.1 Möglichkeiten des Bundespräsidenten
7.2 Politische Praxis
8. Fazit
9. Literatur
1. Einleitung
Der Bundespräsident besitzt unter den Verfassungsorganen der Bundesrepublik Deutschland die schwächste Stellung. Oft ist deshalb von Kompetenzarmut die Rede. Das Staatsoberhaupt gilt als „erster Repräsentant des Staates“, „Integrationsfigur“ oder „Staatsnotar“. Es stellt sich jedoch die Frage, ob das Amt des Bundespräsidenten durch diese Formulierungen bereits umfassend beschrieben ist oder ob es darüber hinausreicht. Ist der Bundespräsident „Repräsentant oder Politiker“ (Winkler 1967: 3) oder gar beides? Besitzt er eigenständige politische Handlungsmöglichkeiten?
Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit der Frage, „Welche Macht besitzt der Bundespräsident?“. Bevor diese Frage näher behandelt werden kann, bedarf es jedoch einer Definition des Begriffes Macht. Max Weber definiert Macht als „...jede Chance, innerhalb einer sozialen Beziehung den eigenen Willen auch gegen Widerstreben durchzusetzen, gleichviel worauf diese Chance beruht“ (Weber 1972: 28). Auch nach Schubert und Klein bedeutet Macht „...die Möglichkeit der Machthabenden, ohne Zustimmung, gegen den Willen oder trotz Widerstandes anderer die eigenen Ziele durchzusetzen und zu verwirklichen“(Schubert/Klein 2001:68). Diese Definition soll für die vorliegende Arbeit gelten. Es soll untersucht werden, inwiefern der Bundespräsident die Möglichkeit hat, eigene Ziele gegen den Willen der anderen Verfassungsorgane, insbesondere der Bundesregierung, durchzusetzen. Um dies zu erörtern, sollen die fünf wichtigsten Funktionen des Staatsoberhauptes zur näheren Betrachtung ausgewählt werden. Eine wichtige Aufgabe des Bundespräsidenten besteht in der Beteiligung an der Regierungsbildung. Hier soll besonders seine Rolle bei der Wahl und Ernennung des Bundeskanzlers berücksichtigt werden. Eine weitere wichtige Aufgabe des Präsidenten ist die Mitwirkung bei der Gesetzgebung. Auch seine völkerrechtliche Vertretungsfunktion soll betrachtet werden. Bezüglich der Repräsentations- und Integrationsfunktion sollen die Reden des Bundespräsidenten im Mittelpunkt stehen. Letztlich soll die Funktion des Staatsoberhauptes in parlamentarischen Krisensituationen beachtet werden.
Die vorliegende Arbeit gliedert sich in drei Teile. In einem ersten Teil soll versucht werden, die Entscheidung des Parlamentarischen Rates über das Amt des Bundespräsidenten kurz darzustellen. Durch einen Vergleich soll die schwächere Stellung des Bundespräsidenten gegenüber dem Reichspräsidenten verdeutlicht werden. Im zweiten Teil sollen die fünf zuvor genannten Funktionen des Präsidenten betrachtet werden. Dabei soll die jeweilige Funktion zuerst anhand der entsprechenden Grundgesetzartikel konkretisiert werden. Danach soll überprüft werden, welche Möglichkeiten der Bundespräsident besitzt, eigene Ziele durchzusetzen. Zuletzt sollen Beispiele aus der politischen Praxis folgen. Im dritten Teil der Arbeit soll versucht werden, die Ergebnisse in einem kurzen Resümee zusammenzufassen.
2. Entscheidung des Parlamentarischen Rates über das Amt des Bundespräsidenten
Im Parlamentarischen Rat wurde die Stellung des Staatsoberhauptes ausführlich und teils sehr gegensätzlich diskutiert. „Im Ergebnis vermochte sich bei der Ausgestaltung des Bundespräsidentenamtes keine der politischen Grundströmungen entsprechend der ursprünglichen Intentionen durchsetzen...“(Lange 1978: 651). Es bestand jedoch weite Übereinstimmung bezüglich „... einer im Vergleich zur Weimarer Reichsverfassung schwachen Stellung des Staatsoberhauptes, die sich damit zugleich mit der historischen Kritik an der Unausgewogenheit der Weimarer Verfassungskonstruktion verband“ (Lange 1978: 651). Der Parlamentarische Rat wand sich konsequent vom semipräsidentiellen Regierungssystem der Weimarer Republik ab und entschied sich für eine parlamentarische Demokratie.
Vergleicht man die Kompetenzen von Reichspräsident und Bundespräsident, so wird die schwächere Stellung des Bundespräsidenten deutlich. Der Reichspräsident hatte den Oberbefehl über die Reichswehr. Nach dem Grundgesetz hat im Frieden der Verteidigungsminister (Art. 65 a) und im Krieg der Bundeskanzler (Art. 115 a) den Oberbefehl über die Streitkräfte. Das Recht des Reichspräsidenten, Notverordnungen zu erlassen (Art. 48 WRV), entfiel im GG. Im Gegensatz zum Reichspräsidenten kann der Bundespräsident das Parlament nur in den in Art.63 GG und Art. 68 GG genannten Ausnahmefällen auflösen. Weiterhin kann der Bundespräsident nicht alleine über Ernennung und Entlassung des Bundeskanzlers entscheiden, er hat lediglich das Recht, dem Bundestag einen Kanzlerkandidaten zur Wahl vorzuschlagen (vgl. Hesse 1999: 276). Bezüglich der Amtszeit und des Wahlmodus’ bestehen weitere Unterschiede zwischen Reichspräsident und Bundespräsident. Die Amtszeit des Bundespräsidenten wurde im Vergleich zur Weimarer Reichsverfassung von sieben auf fünf Jahre verkürzt. Es besteht nur einmal die Möglichkeit zur Wiederwahl. Der Bundespräsident wird nicht direkt vom Volk, sondern durch die Bundesversammlung gewählt. Er besitzt somit eine nur mittelbare demokratische Legitimation (vgl. Kaltefleiter 1970: 202ff).
Die im Vergleich zur Weimarer Reichsverfassung schwächere Stellung des Bundespräsidenten bedeutet jedoch „keine ’Entmachtung der Exekutive’, sondern nur eine Verlagerung des Schwergewichtes der Exekutivmacht auf die Bundesregierung und besonders den Bundeskanzler, die weit mehr in der Konsequenz der parlamentarischen Demokratie liegt als die Weimarer Lösung “(Hesse 1999: 274f).
3. Vorschlag und Ernennung des Bundeskanzlers
Gemäß Art. 63 GG stimmt der Bundestag über den vom Bundespräsidenten vorgeschlagenen Kanzlerkandidaten ohne Aussprache ab (Abs. 1).
Wenn der Kandidat „ die Stimmen der Mehrheit der Mitglieder des Bundestages auf sich vereinigt“ ist er gewählt. Der Bundespräsident muss ihn ernennen (Abs. 2).
Erhält der Kandidat nicht die absolute Mehrheit der Stimmen, dann kann der Bundestag innerhalb von vierzehn Tagen einen Bundeskanzler auf Vorschlag aus den eigenen Reihen ohne Mitwirkung des Bundespräsidenten „mit mehr als der Hälfte seiner Mitglieder“ wählen. Der Bundespräsident muss diesen ernennen (Abs. 3).
(Art. 63 Abs. 4 GG siehe Punkt 7 )
3.1 Möglichkeiten des Bundespräsidenten
Der Bundespräsident kann frei entscheiden, wen er als Kanzlerkandidaten vorschlägt. Er ist jedoch daran interessiert, dass der von ihm Vorgeschlagene die Zustimmung des Bundestages findet (vgl. Eschenburg 1962: 641). Das Vorgehen des Bundespräsidenten ist deshalb abhängig von der Mehrheitssituation im Bundestag.
Wenn eine Mehrheit besteht, die sich bereits auf einen Kandidaten geeinigt hat, ist es sinnvoll, dass der Bundespräsident diesen vorschlägt. Tut er dies nicht, so kann der Bundestag dem Kandidaten des Präsidenten die Zustimmung verweigern und im zweiten Wahlgang den aus seiner Mitte vorgeschlagenen Kandidaten wählen (vgl. Rudzio 2000: 344f). Die Position des Bundespräsidenten gewinnt an Bedeutung, wenn sich die Mehrheit im Bundestag nicht auf einen Kandidaten einigen kann oder eine Mehrheit fehlt. Der Bundespräsident kann in diesem Fall versuchen, durch Vermittlung und Gespräche eine Mehrheitsbildung oder Einigung herbeizuführen. Hierzu ist es wichtig, dass er „das Vertrauen aller politischen Gruppen“ besitzt (Kaltefleiter 1970: 216). Fritz Münch beschreibt die Funktion des Bundespräsidenten bei unklaren Mehrheitsverhältnissen als eine „rein praktische Geburtshilfe für den wählenden Bundestag“ (Münch 1954: 131).
Im Vergleich zum Vorschlagsrecht ist der Bundespräsident bei der Ernennung des Bundeskanzlers stark eingeschränkt, „... eine Kontrollfunktion hat er nur insofern, als zu prüfen ist, ob die Wahl gültig war, ob der Gewählte sie annahm und ob die Vorraussetzungen für dessen Wählbarkeit vorlagen“(Patzelt 1997: 235). Ist eine dieser Vorraussetzungen nicht gegeben, so kann der Bundespräsident die Ernennung verweigern. Weiterhin kann er sie verweigern, wenn er an der Verfassungstreue des Gewählten zweifelt (vgl. Billing 2001: 323).
3.2 Politische Praxis
In der bisherigen Geschichte der BRD bestand zumeist vor der Wahl des Bundeskanzlers eine Bundestagsmehrheit, die sich auf einen Kandidaten geeinigt hatte. Dies war auch beispielsweise 1957 der Fall. Die CDU/CSU besaß die absolute Mehrheit im Bundestag. Ihr Kandidat, Konrad Adenauer, wurde vom Bundespräsidenten zur Wahl vorgeschlagen, mit der absoluten Mehrheit gewählt und ernannt (vgl. Kaltefleiter 1970: 213). Es kam bisher nie zu einer Anwendung des Art. 63 Abs.3 GG. Alle vom Präsidenten vorgeschlagenen Kandidaten wurden bereits im ersten Wahlgang gewählt (vgl. Billing 200: 323). Kein Bundespräsident hat je die Ernennung eines Bundeskanzlers verweigert.
4. Ausfertigung und Verkündung von Gesetzen
Gemäß Art. 82 Abs. 1 Satz 1 GG ist es die Aufgabe des Bundespräsidenten, „die nach den Vorschriften dieses Grundgesetzes zustandegekommenen Gesetze“ nach der Gegenzeichnung durch den Bundeskanzler oder den zuständigen Bundesminister durch seine Unterschrift auszufertigen und im Bundesgesetzblatt zu verkünden.
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