Die Niederlage der Unionsparteien CDU und CSU bei der Bundestagswahl am 27. September 1998 markierte ohne Zweifel eine Zäsur von historischer Bedeutung, wurde doch zum ersten Mal in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland eine Bundesregierung durch Wahlen abgelöst.1 Für CDU und CSU, die sich ihrem Selbstverständnis nach als natürliche Mehrheitsparteien in Deutschland ansehen2, bedeutete der Verlust von 6,4 Prozentpunkten und ein Zweitstimmenanteil von 35,1 % mehr als nur das zweitschlechteste Wahlergebnis ihrer Geschichte. Mit dieser schweren Niederlage war nach sechzehnjähriger gemeinsamer Regierungszeit mit der FDP der Beginn der zweiten Oppositionszeit nach 1969 und ein Wechsel an den Führungsspitzen beider Parteien verbunden. Bundeskanzler Helmut Kohl übernahm bereits am Wahlabend die Verantwortung für die Niederlage und kündigte an, nach fünfundzwanzigjähriger Amtszeit auf dem Bundesparteitag der CDU am 07. November 1998 nicht erneut für das Amt des Bundesvorsitzenden zu kandidieren. 3 Obwohl der CDU-Bundesvorstand einen Tag nach der Wahl auf einen Personalvorschlag für den Vorsitz verzichtete, um die Beratungen der Landesverbände nicht zu präjudizieren, war es ein offenes Geheimnis, daß der CDU/CSU-Bundestagsfraktionsvorsitzende Wolfgang Schäuble Nachfolger von Helmut Kohl werden würde.4 Auch der CSU-Vorsitzende, Finanzminister Theo Waigel, teilte dem Parteivorstand mit, daß er sein Parteiamt nach zehn Jahren zugunsten des bayerischen Ministerpräsidenten Edmund Stoiber auf einem außerordentlichen Parteitag zur Verfügung stellen werde. Das CSU-Wahlergebnis von 47,7 % in Bayern sei zwar über jeden Vergleich mit dem Ergebnis der Schwesterpartei erhaben, es habe jedoch den Anspruch der Partei, bei jeder Wahl die Hürde von „50 + x Prozent“ zu überspringen, nicht Stand halten können, so Waigel. 5 Die Deutlichkeit des Ergebnisses vom September 1998 bewahrte CDU und CSU davor, die Wahlniederlage, wie dies 1969 der Fall gewesen war, als „Betriebsunfall“ anzusehen. 6 Dementsprechend überraschte es nicht, daß sowohl jüngere - bspw. die von der Presse als „junge Wilde“ titulierten Roland Koch, Peter Müller und Christian Wulff - als auch etablierte Unionspolitiker wie Heiner Geißler oder Jürgen Rüttgers eine grundlegende Reform von Parteiprogramm und -organisation einforderten. 7 Die neue Parteiführung konnte dies im Hinblick auf zukünftige Wahlen nicht ignorieren. [...]
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung
- 1.1. Problem und Fragestellung
- 1.2. Stand der wissenschaftlichen Forschung
- 1.2.1. Parteienforschung
- 1.2.2. CDU-Forschung
- 1.2.3. CSU-Forschung
- 1.2.4. Ausländerpolitik
- 1.3. Methodik und Vorgehensweise
- 2. Die Union und die Reform des Staatsangehörigkeitsrechts
- 2.1. Ausländerpolitische Positionen der CDU/CSU am Ende der Ära Kohl
- 2.1.1. Grundsatzprogramme und Regierungsprogramm 1994
- 2.1.2. CDU-Zukunftsprogramm und Wahlplattform 1998
- 2.2. Die Unionshaltung in der Debatte um die Reform des Staatsangehörigkeitsrechts 1998/1999
- 2.2.1. Die Reform des Staatsangehörigkeitsrechts – ein politisches Dauerthema
- 2.2.2. „Ja zur Integration – Nein zur doppelten Staatsbürgerschaft“ – Der Weg zur CDU/CSU-Unterschriftenaktion
- 2.2.3. „Integration und Toleranz“ – Das Eckpunktepapier der CDU/CSU -Bundestagsfraktion
- 2.2.4. Vom „Doppelpaß zum Optionsmodell“
- 2.1. Ausländerpolitische Positionen der CDU/CSU am Ende der Ära Kohl
- 3. CDU/CSU-Ausländerpolitik im Zeichen von Green-Card und Leitkultur
- 3.1. Die Haltung der Unionsparteien zu Beginn der Green-Card-Debatte
- 3.2. Das Diskussionspapier „Zuwanderungssteuerung und – begrenzung im Interesse unseres Landes“
- 3.3. Von der Green-Card zur Leitkulturdebatte
- 3.4. „Arbeitsgrundlage für die Zuwanderungs-Kommission der CDU-Deutschlands“ „Thesen zur Zuwanderungspolitik vom 14. November 2000“
- 3.5.
- 4. „Zuwanderung steuern und begrenzen – Integration fördern“ – Die Konzepte von CDU/CSU
- 4.1. Der Weg zu den Zuwanderungs- und Integrationskonzepten von CDU/CSU
- 4.2. „Thesen zur Zuwanderungspolitik vom 23. April 2001“
- 4.3. Das CDU-Konzept „Zuwanderung steuern und begrenzen. Integration fördern.“
- 4.4. Das gemeinsame „Positionspapier von CDU und CSU zur Steuerung und Begrenzung der Zuwanderung“
- 5. CDU/CSU-Ausländerpolitik im Zeichen von Kontinuität und Weiterentwicklung
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Hausarbeit analysiert die programmatische Entwicklung der CDU/CSU im Bereich der Ausländerpolitik von 1998 bis 2001, mit Fokus auf die Reaktion der Unionsparteien auf die Reform des Staatsangehörigkeitsrechts, die Green-Card-Debatte und die Leitkulturdebatte.
- Entwicklung der programmatischen Positionen der CDU/CSU zur Ausländerpolitik in Reaktion auf die Bundestagswahl 1998
- Analyse der CDU/CSU-Haltung zur Reform des Staatsangehörigkeitsrechts und der Debatte um die doppelte Staatsbürgerschaft
- Bewertung der Positionen der Unionsparteien zur Green-Card-Debatte und dem Konzept der Zuwanderungssteuerung
- Untersuchung der CDU/CSU-Haltung zur Leitkulturdebatte und dem Konzept der Integration
- Beurteilung des Einflusses der programmatischen Entwicklung auf die zukünftige Ausrichtung der CDU/CSU-Ausländerpolitik
Zusammenfassung der Kapitel
Kapitel 1: Einleitung
Die Einleitung führt in die Thematik der programmatischen Entwicklung der CDU/CSU in der Ausländerpolitik ein. Sie stellt die Fragestellung und den Forschungsstand dar, sowie die Methodik und Vorgehensweise der Arbeit.
Kapitel 2: Die Union und die Reform des Staatsangehörigkeitsrechts
Dieses Kapitel untersucht die ausländerpolitischen Positionen der CDU/CSU am Ende der Ära Kohl und deren Reaktion auf die Debatte um die Reform des Staatsangehörigkeitsrechts 1998/1999. Es beleuchtet die Haltung der Unionsparteien zur Einführung eines Optionsmodells für die Staatsbürgerschaft.
Kapitel 3: CDU/CSU-Ausländerpolitik im Zeichen von Green-Card und Leitkultur
Dieses Kapitel befasst sich mit der Reaktion der CDU/CSU auf die Green-Card-Debatte und die sich anschließende Leitkulturdebatte. Es analysiert die Positionen der Unionsparteien zur Steuerung und Begrenzung der Zuwanderung sowie zur Integration von Einwanderern.
Kapitel 4: „Zuwanderung steuern und begrenzen – Integration fördern“ – Die Konzepte von CDU/CSU
Dieses Kapitel beleuchtet die Entwicklung der Zuwanderungs- und Integrationskonzepte der CDU/CSU, einschließlich der Veröffentlichung von „Thesen zur Zuwanderungspolitik“ und des gemeinsamen „Positionspapiers von CDU und CSU zur Steuerung und Begrenzung der Zuwanderung“.
Schlüsselwörter
Die Arbeit fokussiert auf die Themenfelder Ausländerpolitik, CDU/CSU, Staatsangehörigkeitsrecht, Green-Card-Debatte, Leitkulturdebatte, Zuwanderungssteuerung, Integration, Parteiprogrammatik, programmatische Entwicklung, Wahlprogramme, Bundestagswahl 1998, politische Positionen.
- Arbeit zitieren
- Sven Volmering (Autor:in), 2001, CDU/CSU-Ausländerpolitik im Zeichen von Kontinuität und Weiterentwicklung. Der programmatische Entwicklungsprozeß der Union nach der Bundestagswahl 1998, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/18751