Beschäftigt man sich mit dem Thema Kirchenpolitik im Nationalsozialismus fallen bei der ersten sorgfältigen Recherche drei wesentliche Aspekte ins Auge. Erstens ist die NS-Kirchenpolitik radikal auf das Ziel hin ausgerichtet die Religion aus dem öffentlichen Leben zurückzudrängen um sie allmählich zu beseitigen. Zweitens sollte die Religion im Dritten Reich nicht ersatzlos abgeschafft, sondern durch eine neue totalitäre Weltanschauung, der Ideologie des Nationalsozialismus, ersetzt werden und drittens erlangt man die Erkenntnis, dass auch die Ziele der NS- Kirchenpolitik von keiner anderen Person als dem damaligen Reichskanzler Adolf Hitler persönlich festgesetzt und fanatisch vertreten wurden.
Wird besonders bei dem zuletzt genannten Punkt ersichtlich, dass die Begriffe Hitler-Bewegung und Nationalsozialismus häufig nicht ohne Grund gleichgesetzt werden, soll die vorliegende Seminararbeit dennoch verdeutlichen, dass besonders in der realen Kirchenpolitik der Hitler-Diktatur polykratische Kräfte herrschten, die ungleiche und sich rivalisierende Meinungen vertraten und somit eine geradlinige NS-Kirchenpolitik unmöglich machten.
Des Weiteren ist bei der Auseinandersetzung mit jenem politischen Themenfeld unverkennbar, dass Hitler der Kirchenpolitik große Aufmerksamkeit entgegenbrachte.
Lothar Kettenacker spricht in Bezug auf kirchenpolitische und konfessionelle Fragestellungen sogar von einer Obsession Hitlers, die bei seiner Anschauung einen enorm hohen Stellenwert gleich nach dem „doktrinären Antisemitismus“ einnahm.
Ist jene graduelle Bewertung Kettenackers durchaus diskutabel, weist die These dennoch auf die hohe Bedeutsamkeit des Themas „Kirchenpolitik im Nationalsozialismus“ hin.
In Anbetracht jener Themenrelevanz soll in den folgenden Kapiteln die Kirchenpolitik der Nationalsozialisten im Zeitraum ihres Einflusses analysiert werden. Dabei soll das Hauptaugenmerk auf die kirchenpolitischen Interessen Hitlers gerichtet sowie Bezug zu anderen NSDAP-Mitgliedern und kirchenpolitischen Kräften in der Weimarer Republik und dem Dritten Reich genommen werden. Da die ausführliche Betrachtung der katholischen sowie der evangelischen Kirchenpolitik den Rahmen dieser Arbeit sprengen würde, soll in den folgenden Kapiteln lediglich auf die evangelische Kirche eingegangen werden.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Die Kirchenpolitik der NSDAP in der Weimarer Republik
- Die Kirchenpolitik der Indifferenz in den Anfangsjahren der jungen Republik
- Der Wandel der NS-Kirchenpolitik im Kontext politischer Interessen
- Die Etablierung der „DC“ als kirchenpolitischer Arm der NSDAP
- Hitlers Kirchenpolitik im Dritten Reich
- Die zweigleisige Kirchenpolitik in den Anfangsjahren der Machtergreifung
- Von der Reichskirche zum Reichskirchenministerium
- Zusammenfassung
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Seminararbeit analysiert die Kirchenpolitik der Nationalsozialisten, insbesondere Hitlers Rolle und Interessen, in der Weimarer Republik und im Dritten Reich. Der Fokus liegt auf der evangelischen Kirche und dem Verhältnis zu den „Deutschen Christen“. Die Arbeit untersucht den Wandel der NS-Kirchenpolitik von einer anfänglichen Indifferenz zu einer zunehmenden Ausschaltung der Kirche.
- Hitlers strategische Nutzung des „positiven Christentums“ zur Machtergreifung.
- Der Wandel der NS-Kirchenpolitik im Kontext politischer Interessen und Machtstrategien.
- Die Rolle der „Deutschen Christen“ als Instrument der NS-Kirchenpolitik.
- Die ambivalente Kirchenpolitik Hitlers und der innerparteiliche Dissens.
- Der Übergang von der Gleichschaltungs- zur Ausschaltungspolitik gegenüber der Kirche.
Zusammenfassung der Kapitel
Einleitung: Die Einleitung beschreibt die drei zentralen Aspekte der NS-Kirchenpolitik: den Versuch, Religion aus dem öffentlichen Leben zu drängen, die Ersetzung der Religion durch die nationalsozialistische Ideologie und Hitlers persönliche Rolle. Sie kündigt die Analyse der evangelischen Kirchenpolitik und das Verhältnis Hitlers zu den „Deutschen Christen“ an.
Die Kirchenpolitik der NSDAP in der Weimarer Republik: Dieses Kapitel beschreibt die anfängliche indifferente Kirchenpolitik der NSDAP, den späteren Wandel hin zur „Wertschätzung“ des Christentums aus machtpolitischen Gründen, und die Ambivalenz der NS-Haltung zur Religion. Die Entstehung und die Rolle der "Deutschen Christen" werden angeschnitten.
Hitlers Kirchenpolitik im Dritten Reich (Kapitel 3.1): Hier wird Hitlers anfängliche pro-christliche Propaganda im Zuge der Machtkonsolidierung dargestellt, im Kontrast zu seinen privaten Äußerungen, die seine antichristliche Haltung offenbaren. Die Rolle der "Deutschen Christen" und der Konflikt mit der Opposition innerhalb der evangelischen Kirche werden behandelt.
Hitlers Kirchenpolitik im Dritten Reich (Kapitel 3.2): Dieser Abschnitt beschreibt den Versuch der "Deutschen Christen", eine Reichskirche zu etablieren, den Widerstand der Opposition ("Bekennende Kirche"), und die schrittweise Abkehr Hitlers von der "DC" hin zu einer staatlich kontrollierten und schließlich auszuschaltenden Kirche.
Schlüsselwörter
NS-Kirchenpolitik, Adolf Hitler, Deutsche Christen, Evangelische Kirche, Gleichschaltung, Ausschaltungspolitik, Positives Christentum, Reichskirche, Bekennende Kirche, Konfessionspolitik, Antisemitismus, Ideologie, Propaganda, Widerstand.
- Arbeit zitieren
- Tobias Knecht (Autor:in), 2011, Zwischen Neutralität und Intervention - Die evangelische Kirchenpolitik Hitlers, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/187566