Das Judentum in der griechisch-römischen Diaspora lebte in der beständigen Spannung zwischen Absonderung von der paganen Umwelt und Anpassung an diese. In vielen Bereichen nahmen die Juden am Leben der Umwelt teil und formten es auch (z.B. als hohe Beamte). Mancherorts deuten die Quellen auf ein gutes Verhältnis zwischen Juden und der nicht-jüdischen Umwelt hin. Wir wissen von Sympathisanten der Synagogengemeinden („Gottesfürchtige“) und von Konvertiten (Proselyten). Wie wir später sehen werden, sind diese beiden Gruppen von zentraler Bedeutung für die Ausbreitung des frühen Christentums.
Trotz der benannten beiderseitigen Anpassungen und Annäherungen gab es wesentliche Unterschiede zwischen dem Judentum und der paganen Umwelt, die einer vollständigen Assimilation entgegenstanden. Das Judentum ist seinem Selbstverständnis nach das auserwählte Volk JHWHs. Dieses Erwählungsbewusstsein stützt sich auf die Tora, in der die Bundesschlüsse JHWHs mit den Erzvätern Israels, die Verheißungen JHWHs an Israel, sowie die Erwählungsgeschichten bekundet sind. Die Tora umfasst zum großen Teil auch Gesetze, Gebote, Vorschriften und Verbote, die JHWH seinem Volk gibt (Reinheitsgebote, Speisegebote, Sabbatobservanz und Beschneidung) und die ihrerseits eine identitätsstiftende Wirkung entfalten, aber zugleich eine wirkliche Gemeinschaft mit Nichtjuden verhindern.
Oder anders ausgedrückt: ein wichtiger Wesenszug des Judentums als Volk JHWHs ist eben diese Absonderung von allen nicht-jüdischen Völkern. Aber gerade in der Diasporasituation, in der die Berührungsfläche zwischen dem Judentum und seiner paganen Umwelt größer ist, als in einer rein jüdischen Umgebung, treten die trennenden Elemente des Judentums für beide Seiten um so deutlicher hervor.
Ich denke an dieser Trennungslinie konnte das frühe Christentum in der (jüdischen) Diaspora die größte Attraktivität entfalten, indem es die „Zugangsbeschränkungen“ zum Gottesvolk umdefinierte (Glaube an Christus statt Beschneidung) und auf diese Weise die „ehernen Mauern“, die das Gottesvolk umgaben nieder riss.
In der vorliegenden Arbeit werde ich die einzelnen Institutionen des Diasporajudentums beschreiben und versuchen herauszuarbeiten, welche Relevanz sie für die Ausbreitung des frühen Christentums gehabt haben könnten.
Inhaltsverzeichnis
- I. Einleitung
- II. Situation der Juden im Römischen Reich
- 1. Verbreitung
- 2. Rechtliche Situation
- 3. Verhältnis zur paganen Umwelt
- 4. Verhältnis zum Jerusalemer Tempel
- III. Institutionen des Diasporajudentums
- 1. Die Synagoge
- a) Terminologie.
- b) Entstehung der Synagoge als Institution des Judentums.......
- c) Funktionen
- d) Relevanz
- 2. Die Septuaginta
- a) Die Heilige Schrift der Juden...
- b) und der Christen
- c) Relevanz .....
- 3. Tempel und Gesetz
- a) Und alsdann soll die Stadt genannt werden »Hier ist der HERR<<
- b) Οὐκ οἴδατε ὅτι ναὸς θεοῦ ἐστε καὶ τὸ πνεῦμα τοῦ θεοῦ οἰκεῖ ἐν ὑμῖν; .
- c) Relevanz
- 4. Sympathisanten, Gottesfürchtige und Proselyten
- a) Die Attraktivität des Diasporajudentums
- b) Das „Umfeld“ der Diasporagemeinden
- c) Relevanz, oder πάντες γὰρ υἱοὶ θεοῦ ἐστε διὰ τῆς πίστεως ἐν Χριστῷ Ἰησοῦ ....
- 1. Die Synagoge
- IV. Zusammenfassung
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Arbeit befasst sich mit dem Judentum in der griechisch-römischen Diaspora und beleuchtet die spannungsreiche Beziehung zwischen Absonderung und Anpassung an die pagane Umwelt. Sie untersucht verschiedene Institutionen des Diasporajudentums und ihre Relevanz für die Ausbreitung des frühen Christentums.
- Die geographische Verbreitung des Diasporajudentums im römischen Reich
- Die rechtliche Situation jüdischer Gemeinden und ihre Sonderrechte
- Das Verhältnis zwischen dem Judentum und der paganen Umwelt, geprägt von Abgrenzung und kultureller Begegnung
- Die Bedeutung der Synagoge, der Septuaginta und des Tempelgesetzes für die jüdische Identität
- Die Rolle von Sympathisanten und Proselyten für die Ausbreitung des frühen Christentums
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung führt in die Thematik des Diasporajudentums ein und beleuchtet die Spannungen zwischen Absonderung und Anpassung an die pagane Umwelt. Das zweite Kapitel behandelt die Verbreitung des Diasporajudentums, die Gründe für die Zerstreuung und die geschätzte Anzahl der Juden im Römischen Reich. Kapitel III beleuchtet die rechtliche Situation der jüdischen Gemeinden im Römischen Reich, die Sonderrechte, die ihnen gewährt wurden, und das Verhältnis zu den nicht-jüdischen Gemeinschaften.
Schlüsselwörter
Diasporajudentum, Römisches Reich, Synagoge, Septuaginta, Tempelgesetz, Gottesfürchtige, Proselyten, Abgrenzung, Anpassung, Hellenistische Kultur, frühes Christentum.
- Quote paper
- Denny Mattern (Author), 2011, Die Bedeutung der Institutionen des Diasporajudentums für die Ausbreitung des Christentums, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/187659