„Beweglichen, fruchtbaren Geistes, wie er war, Anregungen auf allen Gebieten und von allen Seiten aufgreifend, kommentierend und weiterleitend, immer sich verschwendend, beratend, eingreifend, ungestüm disputierend, Dialoge mit sich selbst führend, das Für und Wider einer These aufzeigend, ohne den Partner zu Worte kommen zu lassen, erzählend, von der Anekdote zu Maximen überspringend, dann wieder in die Schilderung erotischer Erlebnisse hinüberwechselnd: so hat man ihn sich vorzustellen.“
Denis Diderot, der durch diese Charakterisierung treffend beschrieben wird, hat im Laufe seines Lebens zahlreiche Werke philosophischer, naturwissenschaftlicher und theatertheoretischer Natur geschrieben, die zu einem Großteil auch erst nach seinem Tod vollständig veröffentlicht wurden. So auch der Roman Jacques le fataliste et son maître, der trotz dieser Gattungszuordnung paradoxerweise den „Anti-Roman par excellence“ darstellt. Dieser Widerspruch ist jedoch nicht weiter verwunderlich, wenn man beachtet, dass es gerade das Phänomen des Paradoxen war, das Diderot mit Vorliebe in seine Werke mit hineinfließen ließ und das somit ein grundsätzliches Stilelement seiner Kunst figuriert. Jacques le fataliste bietet mit einer schier nicht enden wollenden Themenvielfalt, Diderots Vorliebe für das freie Feld „au monde des possibles“, für die Ambiguität und Ambivalenz und für eine nicht existierende, einzig gültige und wahre Wirklichkeit, Gelegenheit für zahlreiche Interpretationsmöglichkeiten. Aufgabe dieser Arbeit ist es, den Dialog auf seine Funktion hin zu untersuchen bzw. genauer seinen Einfluss auf die Macht- und Herrschaftsstrukturen im Roman. Hierbei wird nicht nur das Herrschaftsverhältnis von maître und Diener Beachtung finden, sondern auch die Machtstruktur zwischen Erzähler und Leser. Bevor dies jedoch eingehend unter Kapitel 3 und 4 analysiert wird, soll ein kurzer Blick auf die funktionelle Bedeutung des Dialogs für Diderot im Allgemeinen und die dialogische Entwicklung in seinem Werk geworfen werden. Unter Punkt 5 ist die Gesellschaftskritik des Autors dargestellt, die kurz gefasst ist, aufgrund ihrer thematischen Relevanz in der Arbeit jedoch wenigstens Erwähnung finden muss und also lediglich Überblickscharakter haben wird.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Der Diderot'sche Dialog
- Entwicklung des Dialogs bei Diderot
- Seine Funktion
- Charaktere und Herrschaftsverhältnisse in Jacques le fataliste
- Erzähler und Leser
- Herr und Diener
- Signifikanz und Funktion des Dialogs in Jacques le fataliste
- Erzähler und Leser/ Autor und realer Leser
- Jacques und sein Herr
- Gesellschaftskritik Diderots (grobe Darstellung)
- Fazit
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit befasst sich mit der Funktion des Dialogs in Diderots Roman Jacques le fataliste und dessen Einfluss auf die Macht- und Herrschaftsstrukturen im Werk. Dabei werden sowohl die Herrschaftsverhältnisse zwischen Herr und Diener als auch die Machtstruktur zwischen Erzähler und Leser analysiert.
- Die Entwicklung des Dialogs in Diderots Werk
- Die Funktion des Dialogs in Jacques le fataliste
- Die Machtverhältnisse zwischen Erzähler und Leser
- Die Herrschaftsverhältnisse zwischen Herr und Diener
- Die Gesellschaftskritik in Diderots Werk
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung bietet einen Überblick über das Werk und die Forschungsfrage. Sie beschreibt Diderot als einen vielseitigen Denker, der sich mit zahlreichen Themen auseinandersetzte und seine Werke oft mit Paradoxen und Ambiguitäten bereicherte. Jacques le fataliste wird als "Anti-Roman par excellence" vorgestellt und die Aufgabe der Arbeit, die Funktion des Dialogs in Bezug auf Macht- und Herrschaftsstrukturen zu untersuchen, wird erläutert.
Kapitel 2 beleuchtet die Entwicklung des Dialogs in Diderots Werk. Es wird deutlich, dass Diderot vom klassischen griechischen Modell abweicht und dem Dialog eine neue Funktion zuschreibt: Probleme aufzuwerfen, statt sie zu lösen. Seine Dialoge zeichnen sich durch die Individualisierung der Dialogpartner und die zunehmende Gleichrangigkeit aus. Beispiele für die Entwicklung der Dialogform werden anhand der Werke Pensées philosophiques, Entretiens sur le fils naturel und Le rêve de d'Alembert gezeigt.
Kapitel 3 analysiert die Charaktere und Herrschaftsverhältnisse in Jacques le fataliste. Dabei werden die Rollen von Erzähler und Leser sowie die Beziehung zwischen Herr und Diener untersucht.
Kapitel 4 befasst sich mit der Signifikanz und Funktion des Dialogs in Jacques le fataliste. Hier wird die Rolle des Erzählers und seine Interaktion mit dem Leser sowie die Beziehung zwischen Jacques und seinem Herrn genauer betrachtet.
Kapitel 5 bietet eine kurze Darstellung der Gesellschaftskritik Diderots, die zwar nur am Rande betrachtet wird, aber aufgrund ihrer Relevanz für die Arbeit erwähnt werden muss.
Schlüsselwörter
Die Arbeit befasst sich mit den zentralen Themen des Dialogs, der Macht und der Herrschaft in Diderots Roman Jacques le fataliste. Dabei werden wichtige Begriffe wie die Funktion des Dialogs, die Entwicklung der Dialogform, Herrschaftsverhältnisse, die Beziehung zwischen Erzähler und Leser sowie die Gesellschaftskritik des Autors behandelt.
- Arbeit zitieren
- Hannah Scharf (Autor:in), 2008, Der Abbau oder die Beeinflussung der Macht- und Herrschaftsstrukturen durch den Dialog in Diderots "Jacques le fataliste", München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/187765