Die Verarbeitung der französischen Kolonialzeit bei Bernard B. Dadiés "Un nègre à Paris" und Ahmadou Kouroumas die "Nächte des großen Jägers"


Wissenschaftliche Studie, 2001

33 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitende Bemerkungen zum Thema

2. Die französische Kolonialherrschaft in Afrika (1920 - 1960)
2.1 Politische Rahmenbedingungen im Überblick
2.2 Menschenzoos als wesentliches Instrument der Kolonialpropaganda in Frankreich

3. Das Phänomen der Négritude oder eine Elite und seine Ideologie

4. Hauptsächliche Vertreter der französischsprachigen Literatur vor 1960

5. Postkoloniale Literatur mit Schwerpunkt Elfenbeinküste

6. Wirken und Schaffen von DADIÉ und KOUROUMA im Spiegel der Zeit

7. Inhalt und Aufbau der Romane
7.1 Un nègre à Paris
7.2 Die Nächte des großen Jägers

8. Die Aufarbeitung der Kolonialära in den vorgestellten Werken an einigen Beispielen

9. Die Möglichkeit eines Vergleichs

Literaturverzeichnis

Anhang

1. Einleitende Bemerkungen zum Thema

Wie verarbeiten Afrikaner ihre neuere Vergangenheit, insbesondere die Spätphase der Kolonisation? Die Frage nach indigener Verarbeitung, einer für viele Zeitzeugen verheerenden Epoche, markiert den Horizont dieser Arbeit und soll exemplarisch an zwei Werken dargestellt werden.

Zum einen handelt es sich um den Briefroman Un négre à Paris von Bernard B. DADIÉ, der zum Ende der 50er Jahren des letzten Jahrhunderts in der Öffentlichkeit auftauchte und zum andern um den 1999 in Frankreich mit viel Glanz und Glorie gefeierten Roman Ahmadou Kouroumas Die Nächte des großen Jägers.

Zwischen beiden Werken liegen 40 Jahre Zeitgeschehen, gespickt mit großen politischen Umwälzungen und reichhaltiger literarischer Verarbeitung. Das Thema aber bleibt in dem meisten Fällen dasselbe; die Kolonisation und ihre nachfolgenden Kumpane, einschließlich des heute noch zelebrierten Wirtschaftskolonialismus, hat nachhaltige Spuren in der Seele der Menschen hinterlassen und bedeutet neben psychischer Auszehrung des Einzelnen auch eine nachhaltige Verarbeitung kolonialer Hinterlassenschaften über das Medium der Literatur.

Der politische, administrative und soziokulturelle Einfluss der ehemaligen französischen Besatzungsmacht, mit besonderem Schwerpunkt auf die nördliche und westliche Hälfte des Kontinents, ist bis heute allgegenwärtig in der französischsprechenden afrikanischen Gesellschaft und es verwundert nicht, dass die öffentlichen Diskussionen darüber nicht verstummen. In der Literatur tauchen immer wieder Bücher auf, die bezeugen, dass der individuelle und kollektive Schmerz und die Entwurzelung mit einer sehr alten traditionellen Lebensgewohnheit, thematisch aufgearbeitet werden muss.

Wie die beiden Autoren, entsprechend ihrer Zeit, das düstere Kapitel mit den Mitteln der Literatur bewältigen, welche Sprache sie verwenden und wie sie Kritik üben, sollen die nachfolgenden Kapitel verdeutlichen.

2. Die französische Kolonialherrschaft in Afrika (1920 – 1960)

Die französische Kolonialherrschaft erreichte ihren expansiven Höhepunkt mit den Verträgen von Versailles (1919). Das damit erweiterte Netz der Kolonien erstreckte sich fortan neben den afrikanischen Territorien über Indien, Indochina (Vietnam, Laos, Kambodscha), den Pazifischen Inseln, Westindien und Französisch Guiana.

Jedoch konnte in keiner anderen Region die Hegemonialmacht Frankreich eine derartige Expansion verzeichnen wie in dem nördlichen und westlichen Teil des afrikanischen Kontinents.

Neben Algerien, Tunesien und Marokko im Norden, wurden die beiden großen schwarzafrikanischen Förderationen »Französisch Westafrika (AOF)« und »Französisch Äquatorial Afrika (AEF)« verwaltet und dominiert.

Hinzu kam Madagaskar, die über angrenzende Satellitenverwaltungen gesteuert wurde, »Französisch Somaliland« mit der von den Franzosen neugegründeten Stadt Djibouti und die für rein administrative Zwecke genutzten Komoren.

1920 umfasste die Flächenausdehnung der AOF 4.600.000 km2, ca. die neunfache Größe des Mutterlandes Frankreich. Die verwaltete Fläche war in ihrem Grenzverlauf eine Folge der europäischen Okkupationen des 19ten Jahrhunderts. Die französisch - westafrikanische Förderation unterteilte sich in acht Kolonien.

Neben dem Senegal, die »Mutter aller Kolonien« und mit Dakar als Hauptstadt der Förderation, zählten Mauretanien, der französische Sudan (heutiges Mali), Obervolta (heutiges Burkina Faso), Niger in der sudanesisch-sahelianischen Zone, Guinea, die Elfenbeinküste (Côte d’ Ivoire) und Dahomey (heutiges Benin) in der humiden Zone des Golfstromes, dazu. Hinzu gesellte sich noch das neu hinzugewonnene Mandat über Togo mit seinen schätzungsweise 800.000 Einwohnern.

Im wesentlichen vollzog sich im Kernbereich der besetzten Zone eine reine Subsistenzwirtschaft. Die dort lebenden Menschen produzierten für den täglichen Bedarf und außer dem langsam einsetzenden Exporthandel der Peripherregionen - wie Erdnuss im Senegal, Palmöl in Dahomey und Holz-wirtschaft an der Elfenbeinküste - konnten die Franzosen zunächst keine gewinnbringenden wirtschaftlichen Interessen ausnutzen.

Die Verwaltungseinheit der AEF umfasste vier Kolonien. Hierzu zählten Gabon, der mittlere Kongo (heutiges Kongo-Brazzaville), Ubangi-Schari (heutige Zentralafrikanische Republik), und der Tschad. Die Direktive der verwalteten Fläche lag in Brazzaville. Die Franzosen wussten anfangs nicht genau ihre Interessen in dem Gebiet zu formulieren und rekrutierten zunächst von dort nur Arbeitskräfte.

Im Zuge der Verhandlungen in Versailles wurde außerdem ein Großteil von Kamerun - im Sinne einer Mandatsverwaltung (in Kooperation mit der britischen Protektoratsverwaltung) - dem französischen Einflussbereich einverleibt. Anders als die übrigen Regionen der Zone, war die hinzugewonnene Fläche besser organisiert. Das deutsche Kaiserreich hatte u.a. damit begonnen ein funktionsfähiges Eisenbahnnetz zu bauen. Insgesamt umfasste die dortige Territorialfläche ca. 2.5.000.000 Millionen km2 und weniger als 4.000.000 Menschen.

Mit den Mandaten über Togo und Kamerun (ab 1946 Administrativverwaltung unter Aufsicht der Vereinten Nationen) zählte die französische Kolonial-herrschaft in Afrika 14 Kolonien und blieb im wesentlichen bis zu den Unabhängigkeiten der Staaten in diesen Grenzen erhalten.

2.1 Politische Rahmenbedingungen im Überblick

Das nationale Gedankengut der französischen Kolonialbestrebungen in der ersten Hälfte des 20ten Jahrhunderts äußerte sich besonders deutlich in der Kolonialausstellung von 1931, die unter der Ägide von Louis-Hubert Lyautey organisiert wurde. Deschamps (1970) nennt zwei entscheidende Faktoren, die das gesellschaftliche und politische Leben in Frankreich zu jener Zeit besonders prägten und thematisch in der Ausstellung aufgriffen: Einerseits das Vergnügen am Exotischen - dem Fremden - und andererseits der im Land wiederbelebte und energisch praktizierte Nationalismus. Letzteres umschrieb ein damaliger Geschäftsmann (O. Homberg) mit den Worten:

„La France des cinq parties du monde.“

Frankreich wollte nach 1919 endlich die desaströsen Erlebnisse Waterloos und Sedans »gerächt« sehen und ein überbordender Patriotismus bot sich als Balsam für die nationale Seele geradezu an. Ein Frankreich mit 100 Mio. Einwohnern, wie es sich General Charles Marie Mangin erträumte und popularisierte, war wohl mehr Ideal, als realisierbare politische Maxime. Als Vorbild dienten sowohl das römische Imperium, als auch die früheren europäischen Expansions-bestrebungen, wie es vor allem Spanien und Portugal praktiziert hatten.

Der »gemeine« Bürger, besonders außerhalb Paris, widmete der politischen Arbeit in den Kolonien kaum Beachtung. Dies war in der Regel Angelegenheit politischer Parteien und entzog sich somit weitgehend dem franz. Alltag.

In den Printmedien wurden insbesondere die Kolonialausstellungen und Menschenzoos für den »einfachen« Bürger propagiert, die politischen Fäden liefen aber unbeobachtet auf einer anderen Bühne zusammen.

Somit blieb den meisten Franzosen das aktive politische Leben in den afrikanischen Ländern in seiner Komplexität weitgehend unerschlossen.

Die koloniale Gesetzgebung wurde in Form von Dekreten durch den Präsidenten der Republik betrieben. Vorbereitet wurden sie durch das Kolonialministerium, dessen direkter politische Einfluss aber eher untergeordneter Natur war, da die finanziellen Möglichkeiten bescheidener Natur waren. Unter der Obhut hoher Regierungsbeamter, wie Léon Perrier oder Albert Sarraut, wurde ein hierarchisches Kadersystem unterhalten.

Dieses bestand hauptsächlich aus einer Vielzahl an Zivilangestellten, die als Direktoren oder Angestellte der kolonialen Hauptverwaltung, als Kolonial-inspektoren oder Kolonialgouverneure, Provinzverwalter oder Mitglieder des kolonialen Gesundheits- und Technikerservice eingesetzt wurden.

In den Ländern selbst waren die Kolonialadministrationen die treibende Kraft. Die Afrikaner hatten in der Regel die Bezirks- und Provinzverwalter mit »mon commandant« anzusprechen und mussten dies in militärischer Manier absolvieren. Die Offiziellen im Dienste der französischen Regierung trugen, entsprechend ihrem Rang, eine Uniform mit Gold und Silberbeschlag. Administratoren, die als »Cadre Supérieur« bezeichnet wurden, durchliefen die »École Coloniale« die später als »École Nationale de la France d’ Outre-Mer« (ENFOM) bekannt wurde.

Der Gouverneur einer Kolonie hatte immense politische Macht, war der einzige, der Dekrete und Instruktionen erlassen konnte und in direkter Verbindung mit dem zuständigen Minister in Paris stand. Sein Stellvertreter, ausgestattet mit ähnlichen Befugnissen, firmierte als Generalsekretär. Beide regierten mit Hilfe einer Rats- oder Gouverneursversammlung, dessen Mitglieder gelegentlich konsultativ bei anstehenden Entscheidungen auftraten.

In zwei Kolonien wurde eine Art »Assemblé Nationale« (Nationalversammlung) geschaffen. Dazu zählte der Senegal - mit Mitgliedern, die direkt gewählt wurden (von 4 Gemeinden und den Repräsentanten der Clans aus dem Landesinneren) - und Madagaskar. Sie hatten aber keine wirkliche politische Macht und trafen sich nur gelegentlich zu Sitzungen.

1940 - Frankreich hatte im Krieg gegen Deutschland kapituliert, de Gaulles Einfluss wuchs - erklärte Félix Eboué, Gouverneur des Tschads, dass die Kolonien die Politik der Gaullisten unterstützen. In der AOF zeigte sich besonders der damalige Emissär Gouverneur-General Boisson den Verhandlungen von Vichy loyal gegenüber und festigte damit den Einfluss der aufkommenden neuen Macht im Mutterland. Der politische Status quo in dieser Region wurde trotz des Angriffs der britischen Flotte auf Dakar maßgeblich beibehalten.

Zu diesem Zeitpunkt war aber die ökonomische Lage der Region äußerst instabil. Die Subsistenzwirtschaft wurde zunehmend wiederbelebt und die kaum etablierten, ersten Industriezweige, Ölpflanzen- und Seifenverwertung, kamen nicht richtig in Schwung.

1943 wurde dann unter der Leitung von René Pleven (Commissaire des Colonies) eine Franco-Malegassische Kommission erstellt, die eine neue französische Kolonialpolitik etablieren sollte, die im wesentlichen auf die Einigkeit des Empires und eines erneuerten Frankreiches (einschließlich Kolonien) - unter einem gemeinsamen institutionalisierten Label - abzielte.

Ende Januar 1944 folgte dann die berühmte Brazzaville-Konferenz, die von de Gaulle höchstpersönlich eröffnet wurde. Sie sollte die langfristige, politische Richtung in den Kolonien vorgeben.

Für viele Historiker markiert sie die Unabhängigkeit der afrikanischen Kolonien, obwohl Delavignette in den Konferenzproklamationen eher das Gegenteil sieht. Die folgende Passage verdeutlicht seinen Standpunkt.

„[whereas] the aims of the civilizational work accomplished by the France in her colonies rule out all idea of ment in the autonomy and all possibility of development outside the French empire; [therefore] the eventual constitution, even in a far-off future, of self-government in the colonies is out of the question.“[1]

Das die Franzosen das Zepter so leicht nicht aus der Hand geben, zeigt sich auch weniger explizit im folgenden Abschnitt:

„It is desirable that the political authority of France be exercised with precision and rigour over all parts of the Empire. It is desirable also that the colonies enjoy considerable administrative and economic freedom. It is desirable, furthermore, that the colonial peoples experience this liberty themselves, and that their responsibilities be gradually created and increased until they become associated with the conduct of public affairs in their countries.“[2]

Die Hoffnung der Kolonien auf totale Freiheit wurde enttäuscht. Zunächst sollten die Länder Politik lernen und den Geist der Freiheit schnuppern. Dieses pädagogische Gebaren entblößte die französische Mentalität radikal. Man hatte nicht vor, den Einfluss in Afrika einfach aufzugeben und von heute auf morgen den Staaten die Souveränität zurückzugeben.

Schließlich schafften die Franzosen 1948 offiziell die Sklaverei per Dekret ab und ermöglichten allen Einwohnern der Kolonien die französische Staatsbürgerschaft anzunehmen.

In ihren Augen kehrte der »befreite« Mann nicht in sein ursprüngliches Heimatland zurück, er wurde Bürger einer französisch geprägten Umgebung und Mitglied der »großen Familie«. Hauptsächlich verstand die französische Regierung zu diesem Zeitpunkt aber unter Kolonien vor allem »Französisch Westindien« und »Réunion«. Die schwarzafrikanische Bevölkerung spielte dabei zunächst eine eher untergeordnete Rolle.

Insgesamt kann festgehalten werden, dass zwischen 1945 und 1960 der Prozess der Dekolonialisierung zu zwei, voneinander getrennten, Konsequenzen führte. Einerseits wurde das bestehende System auf dem Höhepunkt seiner Macht entthront und andererseits führten gerade die politischen und gesellschaftlichen Entwicklungen in jenem Zeitraum zu einer Festigung französischer Kolonialinteressen und sicherte auch nach der Unabhängigkeit - in Form wirtschaftsimperialistischer Strukturen - die Macht der Franzosen in den ehemaligen Kolonien.

2.2 Menschenzoos als wesentliches Instrument der Kolonialpropaganda in Frankreich

Die Idee exotische Bevölkerungsgruppen im Rahmen sog. anthropologisch-zoologischer Ausstellungen vorzuführen tauchte etwa gleichzeitig in mehreren europäischen Ländern in den Siebzigerjahren des 19ten Jahrhunderts auf. Nachdem Hagenbeck in Hamburg (1874) Samoaner und Lappen den ein-heimischen Publikum vorgeführt hatte und mit seiner Präsentation großen Erfolg erntete, schlossen sich 1877 die Franzosen mit einer Ausstellung im »Jardin Zoologique d’Acclimatation« (Paris), unter der Leitung von Geoffroy de Saint-Hillaire , diesem Trend an. Es wurden erstmals Nubier und Eskimos präsentiert und die Nachfrage war so gewaltig, dass im Zeitraum von 1877 bis 1912 dreißig weitere Veranstaltungen folgten.

Auch während der Pariser Weltausstellungen 1878, 1889 und 1900 wurde auf diese Karte gesetzt. So gehörte 1889 auf der »Exposition du Monde« ein sog. »Negerdorf« mit 400 »Eingeborenen« neben der Einweihung des Eiffelturms zu den absoluten Highlights. Auch die Kolonialausstellungen in Marseille 1906 und 1922, sowie in Paris 1907 und 1931 boten sog. »Menschenmaterial« aus den Kolonien auf. Vor allem in der Zeit zwischen 1889 und 1939 boomte somit das Ausstellungsgewerbe mit Menschen aus den Kolonien gewaltig.

Besonders in der französischen Provinz gab es eine große Nachfrage nach den »mysteriösen« Fremden. Fahrende Schausteller fuhren deshalb mit ihren Attraktionen übers Land und zeigten die »Schwarzendörfer« oder »Senegalesendörfer« im gesamten Frankreich (s.a. Lyoner Ausstellung von 1894).

Zwischen 1877 und dem Anfang der 30er Jahre des 20ten Jahrhunderts suchten Millionen von Franzosen die Begegnung mit dem Anderen, wenn auch nur in einer inszenierten, hinter Gittern geführten Version. Für das Bild vom Anderen waren diese Aufführungen von kapitaler Bedeutung, zumal sie sich mit der in Wort und Bild allgegenwärtigen Kolonialpropaganda verzahnten, die in der Vorstellungswelt vieler Franzosen Spuren hinterlassen hatte.

Warum diese »Menschenzoos« überhaupt möglich waren, zeigen Bancel, Blanchard und Lemaire an drei, sich gegenseitig ergänzenden, Faktoren auf[3]:

a) an der Konstruktion eines »Ensembles« gesellschaftlicher Vorstellungen vom Anderen (kolonisiert oder nicht).
b) an der wissenschaftlichen Theoretisierung einer angeblichen
»Rassenhierarchie« (Positivismus, Evolutionslehre nach Darwin und Rassenkunde), die sich auf die Fortschritte der physischen Anthropologie[4] stützte.
c) an dem forcierten Ausbau des Kolonialreichs.

In der französischen Presse wurden die exotischen Bevölkerungsgruppen, im Zuge des grassierenden klassenunabhängigen Rassismus, stets thematisiert. Man konnte über sie Artikel in den Illustrierten fürs niedere Volk (Le Petit Parisien, Le Petit Journal), in der Reiseliteratur (Le Tour du Monde, Journal des Voyages) oder in populärwissenschaftlichen Veröffentlichungen (La Nature, La Science Amusante) finden. Das stigmatisierende Vokabular - roh, primitiv, blutrünstig, bestialisch - in Verbindung mit einer Flut an gewalttätigen Bildern sollte die Vorstellung vom geistig zurückgebliebenen Untermenschen, der an der Grenze zum Animalischen vegetiert, nähren. Unter dem Blickwinkel einer linearen Evolutionsabfolge von soziokulturellen Gruppen galten nicht-europäische Kulturen, die man an die unterste Stufe der menschlichen Zivilisation stellte, als zwar zurückgeblieben aber im weitesten Sinne auch zivilisierbar, also kolonisierbar. Daher verstand die franz. Kolonialpolitik ihr imperiales Bestreben auch als eine Art zivilisatorischen Auftrag zur Entwicklung und Erhaltung der menschlichen Hochkultur.

3. Das Phänomen der Négritude oder eine Elite und seine Ideologie

Geboren aus den Erfahrungen der zwei Weltkriege, entwickelte sich in den Zirkeln der intellektuellen afrikanischen Elite Mitte des 20ten Jahrhunderts ein regelrechter Prozess der Emanzipation. Als Gegengewicht zu den assimilierenden Kräften der Kolonialmächte wurde fortan eine Rückbesinnung auf urtümliche kulturelle Werte Afrikas gefordert.

Ziel sollte sein, sich seiner afrikanischen Identität bewusst zu werden und den komatösen Zustand der Kolonialepoche zu überwinden.

Das Phänomen der Négritude erwacht und wird in der Folgezeit mit weiteren Schlagwörtern, wie »Authenticité«, »Conscienscisme« oder auch »African Personality« umschrieben.[5]

[...]


[1] Delavignette (1970), S. 253

[2] Delavignette (1970), S. 253

[3] Bancel & Blanchard & Lemaire (2000), Text unter http://hagalil.com/archiv/2000/08/kolonialismus.htm

[4] Einer der führenden Köpfe der »physischen Anthropologie« war Joseph Arthur de Gobineau. Er führte die uranfängliche Ungleichheit der Rassen auf eine Typologie zurück, deren Hierarchisierungscharakter weitgehend subjektive Merkmale trugen (u.a. Schönheit der Körperformen, Körperkraft und Intelligenz) und unterteilte den Homo sapiens in höherwertige und minderwertige Rassen. Auch die sozialdarwinistischen Unterscheidungen zwischen primitiver und zivilisierter Rassen interpretiert und popularisiert von Gustave Le Bon und Vacher de Lapouge um die Jahrhundertwende des letzten Jahrhunderts, fanden in der franz. Bevölkerung zunächst große Anklang.

[5] Der Begriff Négritude wurde 1939 von Aimé Césaire in seinem Cahier d’un retour au pays natal zum ersten Mal verwendet.

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Details

Titel
Die Verarbeitung der französischen Kolonialzeit bei Bernard B. Dadiés "Un nègre à Paris" und Ahmadou Kouroumas die "Nächte des großen Jägers"
Hochschule
Universität zu Köln  (Institut für Afrikanistik)
Veranstaltung
Sprache als Ausdruck von Herrschaftsideologie
Note
1,7
Autor
Jahr
2001
Seiten
33
Katalognummer
V18784
ISBN (eBook)
9783638230520
Dateigröße
633 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Autoren, Vergleich, Verarbeitung, Kolonialzeit, Bernard, Dadié, Ahmadou, Kourouma, Beispiel, Veröffentlichungen, Paris, Nächte, Jägers, Sprache, Ausdruck, Herrschaftsideologie
Arbeit zitieren
Arndt Brodkorb (Autor:in), 2001, Die Verarbeitung der französischen Kolonialzeit bei Bernard B. Dadiés "Un nègre à Paris" und Ahmadou Kouroumas die "Nächte des großen Jägers", München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/18784

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