Paul Virilio sieht den Zuwachs von Geschwindigkeit und Hektik in einer schnell wachsenden Welt als ein Zeitkritisches Problem, welches sich sowohl auf die Filmentwicklung, die Sexualität als auch das Reisen und auch das Kriegsspiel der Nationen auswirkt. Ästhetik des Verschwindes ist ein Zeitkritisches Werk im Kontext von Wahrnehmung, Kommunikation und Ästhetik.
Paul Virilio - Ästhetik des Verschwindens (1980) - Häufig gestellte Fragen
Was ist das zentrale Thema von Virilios "Ästhetik des Verschwindens"?
Virilio analysiert den Einfluss von Geschwindigkeit und Hektik auf die Wahrnehmung, Kommunikation und Ästhetik in einer sich beschleunigenden Welt. Er untersucht, wie dieser zunehmende Tempowandel sich auf verschiedene Lebensbereiche auswirkt, von der Filmentwicklung und Sexualität bis hin zum Krieg und Reisen.
Wie vergleicht Virilio die Wahrnehmung von Kindern mit der von Erwachsenen?
Virilio vergleicht die kindliche Wahrnehmung mit dem Spiel. Die Ungewissheit und der Überraschungseffekt im Spiel, das "Gesehene" und "Nicht Gesehene", werden als essentiell für das Verständnis von Wahrnehmung beschrieben. Er zieht Parallelen zu Phänomenen wie der Epilepsie und Pyknolepsie, um die Unterbrechungen und das Verschwinden und Wiederauftauchen der Realität zu illustrieren, die sowohl im Spiel als auch im erwachsenen Leben vorkommen.
Welche Rolle spielt die Geschwindigkeit in Virilios Argumentation?
Geschwindigkeit ist ein zentraler Aspekt. Virilio untersucht, wie die zunehmende Geschwindigkeit, beispielsweise im Automobil und im Film, die Wahrnehmung und die Ästhetik verändert. Die rasante Entwicklung der Technologie, insbesondere im Film und in der Automobilindustrie, wird als ein Faktor betrachtet, der unsere Erfahrung von Raum und Zeit beeinflusst und zu neuen Formen der Wahrnehmung führt.
Wie beeinflusst die Geschwindigkeit die Filmwelt laut Virilio?
Virilio analysiert die Auswirkungen der Geschwindigkeit auf die Filmproduktion und -rezeption. Die Entwicklung schneller Schnitte, die Verwendung von Spezialeffekten und die Integration der Landschaft in die filmische Erzählung werden als Folge der sich verändernden Wahrnehmung durch Geschwindigkeit betrachtet. Der Film wird als Metapher für die beschleunigte Lebensweise interpretiert.
Welche Parallelen zieht Virilio zwischen Autofahren und Kino?
Virilio vergleicht das Autofahren mit dem Kinoerlebnis. Beide werden als Erfahrungen beschrieben, die durch Licht- und Tonsignale geprägt sind und konditionierte Reflexe auslösen. Die Geschwindigkeit des Autofahrens ähnelt der schnellen Abfolge von Bildern im Film, wobei beide als Formen der "visuellen Prothese" betrachtet werden, die die Wahrnehmung der Realität verändern.
Wie wirkt sich die Beschleunigung der Welt auf die Ästhetik der Städte aus?
Die zunehmende Geschwindigkeit verändert die städtische Ästhetik. Virilio beschreibt, wie Städte in Filmen durch Spezialeffekte und die Überflutung durch Verkehrs- und Kommunikationsmaschinen charakterisiert werden, wodurch die traditionelle Kunst im grellen Licht der Werbung und Scheinwerfer verschwindet. Die „Supercities“ werden als Orte beschrieben, in denen die traditionelle Ästhetik im Verschwinden begriffen ist.
Welche Schlussfolgerung zieht Virilio aus seinen Beobachtungen?
Virilio zeigt auf, dass die zunehmende Geschwindigkeit und die damit verbundenen technologischen Entwicklungen tiefgreifende Auswirkungen auf unsere Wahrnehmung, Kommunikation und Ästhetik haben. Die Beschleunigung der Welt führt zu neuen Formen der Wahrnehmung und verändert unser Verhältnis zu Raum, Zeit und Realität. Die positiven und negativen Folgen dieser Beschleunigung werden in seinem Werk analysiert.
Welche Beispiele nennt Virilio zur Illustration seiner Thesen?
Virilio nutzt zahlreiche Beispiele, um seine Thesen zu illustrieren: das Spielverhalten von Kindern, die Entwicklung des Films, die Automobilindustrie, die Ästhetik von Städten in Filmen, das Leben von Howard Hughes als Beispiel für den Konflikt zwischen individuellem Wunsch und gesellschaftlichen Erwartungen und die technischen Herausforderungen des Fernsehens bei der Verarbeitung von schnellen Bild- und Toneffekten.
Paul Virilio - Ästhetik des Verschwindens (1980)
Zusammenfassung
Paul Virilio sieht den Zuwachs von Geschwindigkeit und Hektik in einer schnell wachsenden Welt als ein Zeitkritisches Problem, welches sich sowohl auf die Filmentwicklung, die Sexualität als auch das Reisen und auch das Kriegsspiel der Nationen auswirkt. Ästhetik des Verschwindes ist ein Zeitkritisches Werk im Kontext von Wahrnehmung, Kommunikation und Ästhetik.
Im ersten Kaptiel vergleicht Virilio unsere Wahrnehmbarkeit mit Kinderspielen. Wenn das Kind etwas verschüttet oder den Augenkontakt zu Erwachsenen meidet, kommt das sowohl der Tolpatschig gleich, als auch der Scham vor etwas. Die Ungewissheit des Spiels hat etwas fremdes, etwas verwerfliches und zugleich etwas überraschendes.
Um in späteren Jahren jugendliche Haltung zu bewahren, vermag es den Trieb nach dem Spiel, aufrecht zu erhalten.
Natürlich stellen physikalische Eigenschaften und die Suche nach technischen Hilfsmittel eine Grenze dar, jedoch sollte der Drang nach dem eigentlichen Spiel, welches durch Regeln und Vorstellungen beim Kind Vergnügen und Leidenschaft auslöst, auch im höheren Alter nicht erloschen werden.
Es geht um das „Gesehene“ und „Nicht Gesehene“, welches das Spiel eines Kindes erst interessant macht und es durch die Einmütigkeit (Einklang, Übereinstimmung) Regeln akzeptieren lässt. Dies geht soweit, dass es vergleichbar mit der Forschung der Epilepsie einhergeht. Dabei meint Virilio dass jeder von uns durch die ungeachtete Umgebung als auch von uns nicht bemerkten Objekten selbst schon einmal zum Pyknoleptiker geworden ist.
Mit schnellen aufeinanderfolgenden Bildern, welche verschiedene Bilder und Positionen wiedergeben und darstellen und mit schneller Geschwindigkeit im Raum mit anderen Lebewesen bewegen kann man das Spiel der Kinder vergleichen.
Weiters verändert sich das Spiel und die Wahrnehmungen eines Kindes mit dem Eintritt in die Pubertät. Das Verhältnis zu den Dimensionen, zu Raum und Zeit etc. ändert sich und von technischen Hilfsmitteln wird gebrauch gemacht. (Radio, Motorrad, Fotoapparat etc.). Das Ungewisse kommt ebenfalls beim Übertritt vom Kind zum Manne in den Vorschein.
Gewisse Rhythmen kommen und gehen immer wieder, in Verbindung mit starken oder schwachen Zeiten in Bezug auf erlebte Dinge. Das vergleicht Virilio wiederum mit pyknoleptischen Aussetzer, welche meistens überraschend und unbestimmt oft kommen.
Dabei handelt es sich nicht mehr um Spannung oder Aufmerksamkeit, sondern um einfache Unterbrechungen - um Verschwinden und Wiederauftauchen des Wirklichen, um Löslösung von der Dauer.
Man träumt von Ruhm und Ehre und überraschend kommen dadurch aber ganz andere Facetten und Eigenschaften im Menschen auf, welche genau das Gegenteil bewirken (Vgl. Hughes Schicksal). Hughes war ein reicher begehrter Mann, jedoch am Höhepunkt seiner Karriere vereinsamter er absichtlich und koppelte sich von der Gesellschaft ab.
Vielleicht war aber Hughes nur ein Opfer der schneller werdenden Welt und seinen eigenen Vorstellungen von Ruhm, Macht und Ehre. Diese waren vielleicht anders als die Vorstellungen, welche die Gesellschaft an ihn hatte.
Hughes wollte der Gegenwart entfliehen. Somit befand er sich zwischen Wahnsinn und Torheit.
Sowohl in der Politik als auch auf den Gebieten von Elektronik und Informatik wird die Geschwindigkeit ein immer wichtigerer Faktor. Hier zählt außerdem nicht mehr die Speicherung sondern die Anzeige der Informationen, welche entscheidend ist.
Mit dem Auftauchen des Motors änderte sich damals sowohl die Eigenschaft von Geschwindigkeit in Hinblick auf die wissenschaftlichen Forschung als auch in Hinblick auf kinematographische Bilder (Bewegte Bilder) welche nun, dank doppelter Projektoren, zugleich verarbeitet werden konnten.
Schon Alexander der Große fürchtete schon damals nur, durch seinen Eroberungsdrang und der Geschwindigkeit mit der er seinen Kampf anführte, eines Tages an eine Grenze zu stoßen. Ähnlich ist hier der Blick auf die Tachonadel eines Rennfahrers, welcher mehr oder weniger lebenswichtig für ihn ist. Hier ist ein schwindelerregender Ablauf der Zeit zu erkennen, welcher durch die Geschwindigkeit des Angriffs entstand.
In den 30er Jahren erkannten Filmproduzenten in Amerika, dass die Technik des Films sie aus der damaligen Flaute retten konnte. Menschen stürmten damals die Kinosäle um den tristen und trostlosen Alltag zu entfliehen.
Zum Zusammenspiel von Auge und Motor kam nun die Eigenschaft hinzu, die visuelle Prothese mit den Transportprothesen von Körpern verschmelzen zu lassen. Um nun die Gedanken der Schauspieler einzufangen, wurden Großaufnahmen dessen Gesichter gezeigt in Kombination mit Schlachtfeldern, Meer und Himmel, Straßen usw.
Diese Optik ähnelte nun dem Reisen, dem Hinausschauen aus dem Zugfenster und die vorbeiziehende Landschaft. Diese Technik wirkt sich auch auf die Kameraeinstellungen aus. So soll die Landschaft und deren Hintergrund mehr und mehr in die Handlung bzw. in das vorhandene Bild miteinbezogen werden.
Vergleichbar auch mit den Eigenschaften eines leidenschaftlichen Autofahrers: Die Geschwindigkeit macht das Sehen zum Rohstoff, mit zunehmender Beschleunigung wird das Reisen zum Filmen“oder auch umgekehrt.
In seinem Wagen nimmt der reisende Voyeur das Verhalten eines notorischen Kinogängers an.
Weiters verändert sich auch die Ästhetik und Eigenschaften von Städten in Filmen. Diese verschwinden in den special effects der Kommunikations- und Verkehrsmaschinen, welche in diesen „Supercities“ herrschen. Die Kunst verschwindet mehr und mehr im grellen Licht der Anzeigentafeln und Scheinwerfer (Vgl. „Batman“ - Gotham City oder „M-Die Stadt sucht einen Mörder).
Mit diesen Eigenheiten kann man nun das Kino vergleichen: Dunkle Vorführräume werden nur durch Projektorstrahlen behellt, welche die Sonne ersetzen und nicht mehr das Theater ist Stadtkern, sondern das Lichtspiel der Stadtbeleuchtung.
Jedoch müssen sich neue Errungenschaften nicht immer positiv auswirken. So tut sich die Fernsehwelt noch etwas schwer die immer häufigeren Bild- und Toneffekte zu verarbeiten weil es technisch noch nicht ganz möglich ist. Durch die aufkommende Autoindustrie, neue Diskotheken mit deren Lichtspielen und Walt Diseny Wordl’s sank das Interesse am Kino.
Das heißt zwar dass die Zuseher die Kinosäle verlassen hatten, sich aber dennoch der restlichen Künstlichen Welt aussetzten.
(Vgl. Menschen beklagen sich über ihre Einsamkeit, scheuen aber den Kontakt zu anderen)
Immer wieder vergleicht Virilio das Autofahren mit dem Kino bzw. mit Licht-Ton Spiele. So erwerben Führerscheinneulinge ähnliche Gewohnheiten wie im Kino, das heißt mit konditionierten Reflexen auf entsprechende Stimuli zu reagieren. Die Aufmerksamkeit wird durch Licht- und Tonsignale geweckt bzw. stimuliert. Überhaupt sind wir mehr oder weniger in vielen Stationen unseres Lebens von Licht und Tonsignalen abhängig. Man vergleiche die Ungeborgenheit, Angst und Verunsicherung bei einem Stromausfall.
- Arbeit zitieren
- Jürgen Eppinger (Autor:in), 2012, Über Paul Virilio - "Ästhetik des Verschwindens" (1980) , München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/187865