Die Bundesregierung veröffentlichte am 15.12.2010 ihren jährlich erscheinenden Bericht über die Rüstungsexportpolitik für das Berichtsjahr 2009. Nach den Politischen Grundsätzen für den Export von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern ist sie verpflichtet, diesen dem Deutschen Bundestag vorzulegen. Dies hat zum Ziel, ein hinreichendes Maß an Transparenz im Hinblick auf die rüstungsexportpolitischen Entscheidungen der Bundesregierung zu gewährleisten.
Die darin nachgeiesenen rüstungsexportpolitischen Entscheidungen werden im Anschluss an die Veröffentlichung regelmäßig zum Gegenstand von Debatten im Deutschen Bundestag: Eine eindeutige Position vertritt in diesen Debatten die Linkspartei, welche „es grundsätzlich falsch [findet], dass Deutschland überhaupt Geld damit verdient, Waffen in alle Welt zu exportieren“, Rüstungsexporte also ohne Einschränkungen ablehnt. Die SPD hingegen argumentiert zurückhaltender, möglicherweise auch im Bewusstsein um ihre Beteiligung an der Mehrheit der 2009 erteilten Exportgenehmigungen, kann jedoch „bei der derzeitigen Bundesregierung (…) Aufweichungstendenzen bei der konsequenten Durchsetzung einer restriktiven Rüstungsexportpolitik“ erkennen.Ein gemeinsames Merkmal aller dieser Debatten um rüstungsexportpolitische Entscheidungen ist, dass der Bundesregierung von Seiten der Opposition in jedem Fall bescheinigt wird, mit ihrer Rüstungsexportpolitik „moralisch am Ende“ zu sein. Bundesregierung und Regierungsparteien verweisen hingegen regelmäßig darauf, insbesondere mit Blick auf außen- und sicherheitspolitische Interessen, eine „verantwortungsvolle Rüstungsexportpolitik“ zu betreiben. Gerade das hohe Maß an Abweichung zwischen diesen beiden Einschätzungen lässt die Vermutung aufkommen, dass kein Konsens dahingehend besteht, welchen Verantwortlichkeiten die Bundesregierung im Rahmen ihrer Rüstungsexportpolitik gerecht zu werden hat, und dass Regierung und Opposition vor diesem Hintergrund auf Grundlage unterschiedlicher Beurteilungsmaßstäbe zu ihren Einschätzungen kommen. Dies lässt es geboten sein, im Rahmen dieser Arbeit zunächst zu prüfen, welchen Verantwortlichkeiten die Bundesregierung im Rahmen ihrer rüstungsexportpolitischen Entscheidungen grundsätzlich gerecht zu werden hat, um darauf aufbauend zu analysieren, ob das deutsche Rüstungsexportkontrollregime geeignet ist diesen Verantwortlichen in einem hinreichenden Maße gerecht zu werden.
Inhaltsverzeichnis
1. EINLEITUNG UND HINFÜHRUNG ZUM THEMA
Ein Annäherungsversuch
Erkenntnisinteresse und Fragestellung
Vorgehensweise im Rahmen der Untersuchung
2. KENNZEICHEN EINER VERANTWORTUNGSVOLLEN RÜSTUNGSEXPORTPOLITIK
2.1. Verantwortung aus Perspektive des grundgesetzlichen Friedensgebots
2.2. Verfassungsgebot einer wirksamen militärischen Landesverteidigung
3. VON DEN ANFÄNGEN DER RÜSTUNGSEXPORTKONTROLLE BIS ZUM GEGENWÄRTIGEN KONTROLLREGIME
3.1. Die Entwicklungen bis zum Inkrafttreten des Kriegswaffen- kontrollgesetzes 1961
3.2. Rüstungsexportkontrolle bis zur Beendigung des Kalten Krieges
3.2.1. Kriegswaffenkontroll- und Außenwirtschaftsgesetz
3.2.1.1. Das Kriegswaffenkontrollgesetz von 1961
3.2.1.2. Das Außenwirtschaftsgesetz von 1961
3.2.1.3. Das Genehmigungsverfahren für Rüstungsexporte nach AWG/KWKG
3.2.2. Die Politischen Grundsätze der Bundesregierung
3.2.2.1. Die Rüstungsexportpolitik in den 60er Jahren
3.2.2.2. Die Politischen Grundsätze von
3.2.2.3. Die Rüstungsexportpolitik in den 70er Jahren
3.2.2.4. Die Politischen Grundsätze von
3.2.2.5. Weichenstellungen im Rüstungsexportkontrollregime und die Rüstungsexportpolitik in den 80er Jahren
3.2.3. Internationale Einbettung des Rüstungsexportkontrollregimes
3.3. Das „Window of Opportunity“ nach dem Zweiten Golfkrieg 1990/1991
3.3.1. Reaktionen auf internationaler Ebene
3.3.2. Erste Ansätze einer Europäisierung der Rüstungsexportkontrolle
3.3.3. „Anpassungen“ des Rüstungsexportkontrollregimes auf nationaler Ebene
3.3.4. Die Rüstungsexportpolitik in den 90er Jahren
4. DAS GEGENWÄRTIGE RÜSTUNGSEXPORTKONTROLLREGIME
4.1. Überblick
4.2. Die Neufassung der Politischen Grundsätze 2000
4.3. Rahmenabkommen zur europäischen Rüstungszusammenarbeit
4.4. Die Europäisierung der Rüstungsexportpolitik
4.4.1. Defence Package
4.4.2. Der Gemeinsame Standpunkt 2008/944/GASP
4.5. Zusammenfassende Bewertung
5. DIE DEUTSCHE RÜSTUNGSEXPORTPOLITIK - EINE VERANTWORTUNGSVOLLE RÜSTUNGSEXPORTPOLITIK?39
5.1. Vorbemerkung
5.2. Die Rüstungsexportpolitik im Überblick
5.2.1. Gesamtgenehmigungsvolumen
5.2.1.1. Darstellung
5.2.1.2. Bewertung
5.2.2. Hauptexportgüter
5.2.2.1. Darstellung
5.2.2.2. Bewertung
5.3. Rüstungsexporte in Nato/EU-Mitgliedsstaaten
5.3.1. Vorbemerkung
5.3.2. Hauptempfänger in Nato/EU-Mitgliedsstaaten
5.3.3. Kooperationsprojekte
5.3.4. Rüstungsexporte in die Türkei
5.3.4.1. Überblick und Vorbemerkung
5.3.4.2. Einschränkungen im Bereich des Friedensgebots?
5.3.4.3. Rechtfertigung
5.4. Rüstungsexporte in Drittstaaten
5.4.1. Vorbemerkung
5.4.2. Hauptempfänger in Drittstaaten
5.4.3. Rüstungsexporte nach Saudi-Arabien
5.4.3.1. Überblick und Vorbemerkung
5.4.3.2. Einschränkungen im Bereich des Friedensgebots?
5.4.3.3. Rechtfertigung
6. ABSCHLIESSENDE BEWERTUNG79
Anhang
A. Abkürzungsverzeichnis
B. Literaturverzeichnis
C. Gesetze
D. Erklärung zur Masterarbeit
1. EINLEITUNG UND HINFÜHRUNG ZUM THEMA
Übersicht 1[1]:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Ein Annäherungsversuch
Die Bundesregierung veröffentlichte am 15.12.2010 ihren jährlich erscheinenden Bericht[2] über die Rüstungsexportpolitik für das Berichtsjahr 2009. Nach den Politischen Grundsätzen für den Export von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern[3] ist sie verpflichtet, diesen dem Deutschen Bundestag vorzulegen. Dies hat zum Ziel, ein hinreichendes Maß an Transparenz im Hinblick auf die rüstungsexportpolitischen Entscheidungen der Bundesregierung zu gewährleisten.
Dass diese Transparenz zwingend notwendig ist, zeigt sich bei näherer Betrachtung der oben angeführten Übersicht. Entscheidend ist hierbei, dass es sich bei den in der rechten Spalte aufgeführten Rüstungsgütern nicht etwa um Ausrüstungsgegenstände für einen Militäreinsatz unter UN-Mandat handelt, welcher zum Ziel hat, die in der linken Spalte beschriebene Situation zu beenden. Vielmehr hat die für die negative Menschenrechtssituation verantwortliche saudische Regierung 2009 diese Rüstungsgüter im Rahmen deutscher Rüstungsexporte erhalten.
Vor dem Hintergrund derartiger Rüstungsexporte ist nachvollziehbar, dass rüstungsexportpolitische Entscheidungen regelmäßig zum Gegenstand von Debatten im Deutschen Bundestag werden: Eine eindeutige Position vertritt in diesen Debatten die Linkspartei, welche „es grundsätzlich falsch [findet], dass Deutschland überhaupt Geld damit verdient, Waffen in alle Welt zu exportieren“[4], Rüstungsexporte also ohne Einschränkungen ablehnt. Die SPD hingegen argumentiert zurückhaltender, möglicherweise auch im Bewusstsein um ihre Beteiligung an der Mehrheit der 2009 erteilten Exportgenehmigungen, kann jedoch „bei der derzeitigen Bundesregierung (…) Aufweichungstendenzen bei der konsequenten Durchsetzung einer restriktiven Rüstungsexportpolitik“[5] erkennen.
Ein gemeinsames Merkmal aller dieser Debatten um rüstungsexportpolitische Entscheidungen ist, dass der Bundesregierung von Seiten der Opposition in jedem Fall bescheinigt wird, mit ihrer Rüstungsexportpolitik „moralisch am Ende“[6] zu sein. Bundesregierung und Regierungsparteien verweisen hingegen regelmäßig darauf, insbesondere mit Blick auf außen- und sicherheitspolitische Interessen, eine „verantwortungsvolle Rüstungsexportpolitik“[7] zu betreiben.
Gerade das hohe Maß an Abweichung zwischen diesen beiden Einschätzungen lässt die Vermutung aufkommen, dass kein Konsens dahingehend besteht, welchen Verantwortlichkeiten die Bundesregierung im Rahmen ihrer Rüstungsexportpolitik gerecht zu werden hat, und dass Regierung und Opposition vor diesem Hintergrund auf Grundlage unterschiedlicher Beurteilungsmaßstäbe zu ihren Einschätzungen kommen. Dies lässt es geboten sein, im Folgenden zunächst näher zu prüfen, welchen Verantwortlichkeiten die Bundesregierung im Rahmen ihrer rüstungsexportpolitischen Entscheidungen grundsätzlich gerecht zu werden hat.
Erkenntnisinteresse und Fragestellung
Deutschland hat im Jahr 2009 Waren im Wert von 803 Milliarden Euro ausgeführt.[8] Daran haben Rüstungsexporte[9] einen Anteil von lediglich 0,5%. Dass diese Thematik mit Art. 26 Abs. 2 dennoch explizit ihre Berücksichtigung im Grundgesetz[10] gefunden hat, führt vor Augen, dass es sich bei Kriegswaffen keineswegs um gewöhnliche Handelsware handelt. Es verdeutlicht vielmehr, dass im Rahmen der Ausarbeitung und Annahme des Grundgesetzes, dem gesamten Umgang mit Kriegswaffen, von der Herstellung bis zu einem möglichen Export, eine grundsätzliche Bedeutung beigemessen wurde.[11] Dieser durch die Normierung im Rahmen des Art. 26 Abs. 2 GG zum Ausdruck gebrachte besondere Stellenwert legt es nahe, sich bei der Bewertung rüstungsexportpolitischer Entscheidungen an der Werteordnung des Grundgesetzes zu orientieren.
In diesem ist mit dem Friedensgebot in der Präambel verankert, dass im Rahmen des außenpolitischen Handelns grundsätzlich auch die Pflicht zu einer aktiven Friedenspolitik bzw. Berücksichtigung des Friedensgebots besteht.[12] Dem in der Präambel enthaltenen Friedensgebot fehlt es allerdings an einer eigenständigen inhaltlichen Komponente. Es kann „sich inhaltlich erst in Zusammenhang mit den anderen Normen des Grundgesetzes, die den internationalen Frieden zum Gegenstand haben“[13], entfalten. Dies ist zum einen die Normierung des strafbewehrten Verbots friedensstörender Handlungen in Art. 26 Abs. 1 GG, welcher insbesondere das völkerrechtliche Gewaltverbot nach Art. 2 Abs. 4 der Charta der Vereinten Nationen[14] in das Grundgesetz aufnimmt und Zuwiderhandlungen im Sinne von potentiell friedensstörenden Handlungen[15] unter Strafe stellt[16] ; zum anderen das sich aus einer Zusammenschau des Friedensgebots der Präambel und Art. 1 Abs. 2 GG ergebende Gebot, im Rahmen des außenpolitischen Handelns umfassend menschenrechtlichen Aspekten Rechnung zu tragen.[17] Abgerundet wird dies durch eine grundsätzliche Offenheit des Grundgesetzes gegenüber allen Formen internationaler Kooperation, insofern diese aus Perspektive des Friedensgebots positiv zu bewerten sind (Präambel i.V.m. Art. 24 GG).[18]
Gerade aus rüstungs- bzw. rüstungsexportkritischer Perspektive wäre es sicherlich zu begrüßen, wenn ausschließlich die Vereinbarkeit mit dem Friedensgebot entscheidend für die Erteilung oder auch Verweigerung einer Exportgenehmigung wäre. Dies ist allerdings nicht der Fall. Rüstungsexportpolitische Entscheidungen sind vielmehr häufig in einem Spannungsverhältnis[19] zwischen der Berücksichtigung des Friedensgebots und der mit Art. 87a Abs. 1 S. 1 ebenfalls im Grundgesetz verankerten Verpflichtung zum Aufbau und Unterhalt einer wirksamen militärischen Landesverteidigung zu treffen.[20] Hierbei ist zu berücksichtigen, dass der Gesetzgeber hinsichtlich der zur Gewährleistung einer wirksamen militärischen Landesverteidigung notwendigen Maßnahmen grundsätzlich über einen weiten Ermessensspielraum verfügt[21], welcher aus Gründen der außenpolitischen Handlungsfähigkeit auch auf die Exekutive übertragbar ist.[22] Dies darf allerdings keineswegs zur Folge haben, dass den Verpflichtungen aus dem Friedensgebot im Rahmen der rüstungsexportpolitischen Entscheidungen der Bundesregierung nur eine untergeordnete Bedeutung zukommt. Es besteht vielmehr weiterhin „ein Berücksichtigungsgebot bei Abwägungsvorgängen“[23] mit anderen Staatszielen, wobei die Gestaltung dieser Abwägungsvorgänge bzw. die Auflösung dieses Spannungsverhältnisses zwischen den Verpflichtungen aus dem Friedensgebot und den Notwendigkeiten im Rahmen der Sicherstellung der Verteidigungsfähigkeit die gesamte in Beziehung auf Rüstungsexporte einschlägige Gesetzeslage kennzeichnet.
Vor diesem Hintergrund ist es das Ziel im Rahmen dieser Arbeit zu untersuchen, ob das gegenwärtige Kontrollregime[24] für Rüstungsexporte aus Deutschland einen geeigneten Rahmen bietet, um in diesem Spannungsverhältnis beiden partiell konfligierenden Verantwortlichkeiten im Sinne einer „verantwortungsvollen Rüstungsexportpolitik“ in einem hinreichenden Maße gerecht zu werden .
Diese wäre zu bejahen, wenn sich in der folgenden Arbeit bestätigen lassen würde, dass das Rüstungsexportkontrollregime geeignet ist, rüstungsexportpolitische Entscheidungen, welche Einschränkungen im Hinblick auf die Berücksichtigung des Friedensgebots mit sich bringen, auf das Mindestmaß, das heißt ausschließlich zur Gewährleistung einer wirksamen militärischen Landesverteidigung erforderliche Rüstungsexporte, zu beschränken.
Vorgehensweise im Rahmen der Untersuchung
Insbesondere für die Analyse konkreter rüstungsexportpolitischer Entscheidungen aus Perspektive einer verantwortungsvollen Rüstungsexportpolitik (Abschnitt 5) ist es von entscheidender Bedeutung, dass einerseits eine hinreichende Messbarkeit im Hinblick auf Einschränkungen bei der Berücksichtigung des Friedensgebots gewährleistet ist, andererseits aber auch konkretisiert wird, in welchen Fällen grundsätzlich eine Möglichkeit besteht, diese Einschränkungen mit grundlegenden Erfordernissen im Rahmen der Gewährleistung einer wirksamen militärischen Landesverteidigung zu rechtfertigen (Abschnitt 2).
Nachdem durch die Operationalisierung (Abschnitt 2) eine hinreichende Sensibilität bezüglich des Spannungsverhältnisses zwischen beiden Verantwortlichkeiten gegeben ist, werden in einem zweiten Schritt sowohl die Entwicklungsschritte zu (Abschnitt 3) als auch das gegenwärtige Rüstungsexportkontrollregime (Abschnitt 4) selbst dargestellt. Hierbei findet der Einfluss außen- und sicherheitspolitischer Entwicklungen auf die konkrete Ausgestaltung des Rüstungsexportkontrollregimes besondere Berücksichtigung.
Aufbauend auf diesen Erkenntnissen kann im Rahmen einer zusammenfassenden Bewertung eine erste Einschätzung bezüglich der Eignung des gegenwärtigen Rüstungsexportkontrollregimes zur Gewährleistung einer verantwortungsvollen Rüstungsexportpolitik getroffen werden (Abschnitt 4.5).
Da diese Einschätzung im Wesentlichen auf Grundlage einer Bewertung der rechtlichen Rahmenbedingungen sowie der Erfahrungswerte im Hinblick auf die Vorgängerregelungen erfolgt, kommt dieser der Charakter einer Prognoseentscheidung zu. Diese gilt es im Rahmen des 5. Abschnitts durch eine Analyse der konkreten rüstungsexportpolitischen Entscheidungen der Bundesregierung mittels des in Abschnitt 2 erarbeiteten Analyseinstrumentariums zu bestätigen oder gegebenenfalls auch zu falsifizieren. Dabei liegt der Schwerpunkt der Analyse auf den rüstungsexportpolitischen Entscheidungen im Zeitraum 2007-2009[25].
Die Untersuchungsergebnisse aus der Analyse der rechtlichen Rahmenbedingungen sowie der Genehmigungspraxis der Bundesregierung gilt es in Abschnitt 6 im Rahmen einer abschließenden Bewertung zusammenzuführen, um so ein theoretisch wie auch praktisch fundiertes Untersuchungsergebnis zu ermöglichen.
2. KENNZEICHEN EINER VERANTWORTUNGSVOLLEN RÜSTUNGSEXPORTPOLITIK
2.1. Verantwortung aus Perspektive des grundgesetzlichen Friedensgebots
Im Folgenden ist zunächst näher zu bestimmen, in welchen Fällen bei rüstungsexportpolitischen Entscheidungen grundsätzlich von Einschränkungen im Bereich des Friedensgebots auszugehen ist. Ohne den weiteren Verlauf der Untersuchung bzw. die Untersuchungsergebnisse vorweg nehmen zu wollen, ist bereits an dieser Stelle anzumerken, dass im Rahmen des gegenwärtigen Rüstungsexportkontrollregimes eine Vielzahl an ermessensleitenden Kriterien gegeben sind, welche bei entsprechender Berücksichtigung durchaus die umfassende Verwirklichung des Friedensgebots in der Genehmigungspraxis ermöglichen könnten.
Insbesondere der für Rüstungsexporte in Nicht-EU-Mitgliedsstaaten maßgebliche Gemeinsame Standpunkt 2008/944/GASP[26] enthält ausschließlich Kriterien, die wie die Verpflichtungen aus dem grundgesetzlichen Friedensgebot darauf ausgerichtet sind, gerade Rüstungsexporte mit negativen Auswirkungen auf die Menschenrechtssituation, aber auch inner- und zwischenstaatliche Konflikte im Bereich des potentiellen Empfängerlandes zu verhindern. Dies macht es für die weitere Untersuchung möglich, für Rüstungsexporte, welche nicht mit den im Folgenden aufgeführten ermessensleitenden Kriterien nach Art. 2 des GemSP 2008/944/GASP vereinbar sind, gleichzeitig auch eine Einschränkung im Hinblick auf die Berücksichtigung des Friedensgebots in der Genehmigungspraxis festzustellen:
Internationale Verpflichtungen des Lieferlandes[27]
Es ist im Rahmen der rüstungsexportpolitischen Entscheidungen die strikte Einhaltung der durch den UN-Sicherheitsrat, die EU im Rahmen der GSVP aber auch die OSZE verhängten Waffenembargos sicherzustellen. Des Weiteren sind völkerrechtlich bindende internationale Verträge wie der Nichtverbreitungsvertrag über Atomwaffen oder das Ottawa-Abkommen wirksam umzusetzen.[28] Dies bleibt allerdings nicht auf völkerrechtlich bindende Abkommen beschränkt. Rüstungsexportentscheidungen müssen auch mit den Verpflichtungen aus den völkerrechtlich nicht bindenden Gentlemen’s agreements wie dem Wassernaar-Arrangement oder der Nuclear Suppliers Group vereinbar sein.
Auswirkungen auf die Menschenrechtssituation des Empfängerlandes[29]
Rüstungsexporte dürfen nicht erfolgen, insofern ein hinreichendes Risiko besteht, dass sich diese insbesondere über die Verwendung im Rahmen schwerer Menschenrechtsverletzungen negativ auf die Menschenrechtssituation im Empfängerland auswirken.[30] Hierbei sind neben der grundsätzlichen Menschenrechtssituation im Empfängerland auch die Art der Rüstungsgüter sowie die als Endverwender vorgesehene Institution zu berücksichtigen. Auf Grundlage dieser Informationen ist jeweils im Einzelfall das Gefährdungspotential der Rüstungsexporte zu beurteilen.[31] Eine grundsätzliche Verweigerung von Ausfuhrgenehmigungen aufgrund einzelner Verstöße gegen die Menschenrechte oder das humanitäre Völkerrecht ist nicht vorgesehen.
Auswirkungen auf die innere Lage des Empfängerlandes[32]
Im Rahmen dieses Kriteriums ist zu prüfen, ob in Abhängigkeit von der Art der auszuführenden Rüstungsgüter sowie der als Endverwender vorgesehenen Institution negative Auswirkungen auf die Entwicklung der inneren Lage des Empfängerstaates zu erwarten sind. Insbesondere sind Rüstungsexporte nicht zu genehmigen, bei denen eine hinreichende Wahrscheinlichkeit besteht, dass diese einen Beitrag zur gewaltsamen Eskalation oder auch Verlängerung von Spannungen und Konflikten im Empfängerland leisten.[33]
Frieden, Sicherheit und Stabilität in der Region des Empfängerlandes[34]
Eine Genehmigung ist zu verweigern, wenn eine hinreichende Wahrscheinlichkeit besteht, dass durch die Rüstungsexporte „Konflikte oder Spannungen in der Region des vorgesehenen Empfängerlandes gefördert, verschärft, ausgelöst oder verlängert werden.“[35] Obligatorisch wird die Verweigerung der Ausfuhrgenehmigung, sobald eine hinreichende Wahrscheinlichkeit gegeben ist, dass die Exporte im Rahmen eines Angriffskrieges bzw. zur gewaltsamen Durchsetzung von Gebietsansprüchen Verwendung finden.[36]
Risiko der Abzweigung oder Wiederausfuhr unter unerwünschten Bedingungen[37]
Gegen eine Genehmigung spricht auch, wenn eine hinreichende Wahrscheinlichkeit gegeben ist, dass die exportierten Rüstungsgüter im Empfängerland einer anderen als der ursprünglich vorgesehenen Institution zugeführt werden könnten, oder das Risiko besteht, dass eine Wiederausfuhr ohne Genehmigung durch das Lieferland erfolgt.[38]
Wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Empfängerlandes[39]
Eine Ausfuhrgenehmigung ist ebenfalls nicht zu erteilen, wenn davon auszugehen ist, dass die für den Erwerb der Rüstungsgüter erforderlichen finanziellen Aufwendungen die Entwicklung des Empfängerstaates in grundlegenden Bereichen wie Bildung und Gesundheit beeinträchtigen könnten. Vor diesem Hintergrund sind insbesondere bei Staaten mit ausgeprägten Entwicklungsdefiziten hohe Genehmigungsvolumen zu vermeiden.[40]
2.2. Verfassungsgebot einer wirksamen militärischen Landesverteidigung
Rüstungsexporte, welche Einschränkungen im Bereich des Friedensgebots zur Folge haben, lassen sich im Rahmen einer verantwortungsvollen Rüstungsexportpolitik nur rechtfertigen, wenn sie geeignet sind, einen Beitrag zu einer wirksamen militärischen Landesverteidigung zu leisten und sich dieser Beitrag zusätzlich durch ein hinreichendes Maß an Erforderlichkeit auszeichnet. Dies umfasst insbesondere Rüstungsexporte, welche „die Fähigkeit der Mitgliedstaaten zur Wahrung ihrer territorialen Integrität, zum Schutz ihrer Bevölkerung und zum Schutz ihrer nationalen Sicherheitsinteressen sowie der Ressourcen und Versorgungsgüter, die sie für die Verteidigung ihrer Existenz und Unabhängigkeit gegen alle möglichen Bedrohungen und Angriffe für notwendig erachten,“[41] erhöhen. In Anlehnung an diese im Rahmen der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik einschlägige Definition bestehen insbesondere für Rüstungsexporte Rechtfertigungsmöglichkeiten, welche sich positiv auf die im Folgenden aufgeführten Bereiche auswirken:
Bündnis- und Verteidigungsfähigkeit
Die Verteidigungsfähigkeit der Bundesrepublik beruht auf der Mitgliedschaft in der Nato sowie der zunehmenden Integration der militärischen Fähigkeiten im Rahmen der EU.[42] Die Funktionsfähigkeit dieser Institutionen erfordert von Seiten der Mitgliedstaaten einerseits die Bereitschaft, Verpflichtungen im Rahmen der Aufgabenerfüllung der Bündnisse zu übernehmen, was die Verfügbarkeit entsprechender militärischer Fähigkeiten oder auch die Bereitstellung militärischer Ausrüstung für andere Mitgliedsstaaten erforderlich sein lässt. Andererseits ist in kollektiven Verteidigungsbündnissen die Verteidigungsfähigkeit als Summe der militärischen Fähigkeiten aller Mitgliedsstaaten zu betrachten. Vor diesem Hintergrund hat sich die Bundesrepublik nach Art. 3 des Nordatlantikvertrages[43] verpflichtet, im Rahmen der Bündnissolidarität wirtschaftlich oder auch technologisch schwächere Mitgliedsstaaten beim Ausbau ihrer Fähigkeiten, „einem bewaffneten Angriff Widerstand zu leisten“, zu unterstützen, was insbesondere Rüstungsexporte umfasst.
Ausstattung der Bundeswehr und Erhalt der Rüstungsindustrie
Von Seiten der Bundeswehr besteht vor dem Hintergrund der fortschreitenden technologischen Entwicklung und der sich im steten Wandel begriffenen Sicherheitsbedrohungen ein unveränderter Bedarf an moderner, auftragsgerechter aber auch finanzierbarer Ausrüstung. Der über den inländischen Bedarf hinausgehende Absatz von Rüstungsgütern durch Exporte ermöglicht zum einen die Absenkung der Beschaffungskosten für inländische Bedarfsträger wie die Bundeswehr.[44] Zum anderen kann dadurch ein entscheidender Beitrag zum Erhalt der Rüstungsindustrie in Deutschland geleistet und die Einflussnahme ausländischer Investoren vermieden werden. Dies sichert gerade im Bereich der wehrtechnischen Kernfähigkeiten[45] den Zugang zu hochwertigen Rüstungsgütern, unabhängig von den Interessenlagen externer Akteure.[46]
Kooperationsfähigkeit
Aufgrund des seit zwei Jahrzehnten real sinkenden Wehretats der Bundesrepublik lässt sich ein „umfassendes Angebot an Spitzenprodukten heute nicht mehr aus dem Verteidigungshaushalt (…) finanzieren.“[47] Durch Kooperationsprojekte können Doppelungen im Bereich der Forschungs- und Entwicklungsarbeit vermieden werden. Des Weiteren ermöglichen die höheren Abnahmemengen eine Absenkung der Stückkosten. Vor diesem Hintergrund ist die uneingeschränkte Fähigkeit zur Mitwirkung an Kooperationsprojekten, was insbesondere Rüstungsexporte in die Partnerländer einschließt, mittlerweile von grundlegender Bedeutung für eine aufgabengerechte und finanzierbare Ausstattung der mit der Gewährleistung einer wirksamen militärischen Landesverteidigung befassten Institutionen.[48]
Zugang zu natürlichen Ressourcen und Energieversorgungssicherheit
Die Aufrechterhaltung der Verteidigungsfähigkeit erfordert für die Bundesrepublik die Verfügbarkeit der zur Herstellung wie auch des Betriebes der Ausrüstung notwendigen natürlichen Ressourcen. Hierfür sind sowohl die wenigen Lieferstaaten für Metalle und seltene Erden als auch die Hauptlieferländer für Betriebsstoffe wie Öl von besonderer Bedeutung.[49]
Besondere außen- und sicherheitspolitische Interessen
Eine Rechtfertigung von Einschränkungen kommt auch in Betracht, sofern besondere außen- und sicherheitspolitische Interessen betroffen sind. Diese zeichnen sich dadurch aus, dass sie nicht direkt in den Bereich der Bündnis- und Verteidigungsfähigkeit einzuordnen sind, allerdings in einem hinreichenden Zusammenhang zu den Erfordernissen im Rahmen der Gewährleistung einer wirksamen militärischen Landesverteidigung stehen.
3. VON DEN ANFÄNGEN DER RÜSTUNGSEXPORTKONTROLLE BIS ZUM GEGENWÄRTIGEN KONTROLLREGIME
3.1. Die Entwicklungen bis zum Inkrafttreten des Kriegswaffenkontrollgesetzes 1961
Es wird häufig die Meinung vertreten, es handele sich bei den Beschränkungen des Handels mit Rüstungsgütern um eine vergleichsweise junge Rechtsmaterie, welche erst aufgrund der zunehmenden Technisierung des Krieges im 19. und 20. Jahrhundert entstanden ist.[50] Richtig ist, dass durch die in Folge der Technisierung deutlich gestiegenen Zerstörungen und Opferzahlen Beschränkungen dringlicher geworden sind. Gegeben hat es solche einschränkenden Vorgaben allerdings bereits im Mittelalter. Schon im Rahmen des Vierten Laterankonzils unter Papst Innozenz III. war 1215 der Beschluss getroffen worden, keine Waffen mehr an muslimisch geprägte Staaten zu verkaufen um diese mit Blick auf geplante Kreuzzüge zu schwächen.[51] Auch spätere Handelsbeschränkungen im 19. und frühen 20. Jahrhundert waren keineswegs vom Gedanken einer Friedenssicherung durch gleichberechtigte Rüstungsbeschränkungen getragen. Vielmehr wurden den in bewaffneten Konflikten unterlegenen Parteien einseitig Rüstungsobergrenzen sowie Ein- und Ausfuhrverbote auferlegt. Die jeweiligen Siegermächte unterlagen hingegen keinerlei Beschränkungen und konnten dadurch ihre Machtposition festigen bzw. weiter ausbauen. Auch das Deutsche Reich war nach der Niederlage im I. Weltkrieg von derartigen Einschränkungen betroffen.[52] Die Wirksamkeit des im Rahmen der Versailler Verträge verhängten Ein- und Ausfuhrverbots für Rüstungsgüter konnte allerdings aufgrund der schwachen Sanktions- und Verifikationsmechanismen unterlaufen werden.[53] Die Siegermächte hatten die Umsetzung der Beschränkungen in der Genehmigungspraxis weitgehend in der Zuständigkeit des Deutschen Reichs belassen, welches naturgemäß kein Interesse an einer wirksamen Umsetzung der Beschränkungen hatte.
Erstmals tatsächlich vom Gedanken einer umfassenden Friedenssicherung über gleichberechtigte Rüstungsbeschränkungen getragen waren die Abrüstungsbemühungen im Rahmen des Völkerbundes.[54] Diese scheiterten letztendlich auch daran, dass die Siegermächte des I. Weltkriegs nur eine sehr geringe Bereitschaft zeigten, Rüstungsbeschränkungen mitzutragen.[55] Die gescheiterte Universalisierung wurde durch das ab 1933 unter nationalsozialistischer Herrschaft stehende Deutschland als Vorwand genutzt, den Umgang mit Kriegswaffen grundsätzlich straffrei zu stellen und das Totalverbot im Hinblick auf die Ein- und Ausfuhr durch einen wenig restriktiven Genehmigungsvorbehalt zu ersetzen.[56]
Diese Regelung wurde nach Ende des II. Weltkrieges durch ein generelles Umgangs- und auch Forschungsverbot für alle Kriegswaffen abgelöst[57], welches 1950 noch um Beschränkungen im Hinblick auf zur Herstellung von Kriegswaffen geeignete Produktionsanlagen erweitert wurde.[58] Ziel dieses Totalverbots, welches durch die umfassende Strafbewehrung[59] auch eine hohe Bindungswirkung aufweisen konnte, war es über eine tiefgreifende Demilitarisierung dauerhaft die Entwicklung jedes Gefährdungspotentials für den Weltfrieden von Seiten der Bundesrepublik zu verhindern.
Parallel zu dieser weiteren Verschärfung der Rüstungsbeschränkungen war es für Deutschland jedoch möglich, ab November 1949 als Gründungsmitglied am Coordinating Committee on Multilateral Export Controls zu partizipieren. Durch die USA initiiert, sah dieses Gentlemen’s agreement ein Embargo für als strategisch eingestufte Güter, darunter alle Kategorien von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern, gegenüber den damaligen Ostblock-Staaten vor. Der Bundesrepublik wurde durch die Teilnahme an internationalen Vereinbarungen wie der COCOM kurz nach Kriegsende, bereits unerwartet früh die Möglichkeit geboten, sich auch vor dem Hintergrund der an Intensität gewinnenden Ost-West-Konfrontation ein Mindestmaß an Vertrauen zurück zu erarbeiten.[60] Ohne die Teilnahme an der COCOM aber insbesondere auch den 1954 erfolgten Beitritt zur Westeuropäischen Union[61] wäre die Aufhebung des alliierten Besatzungsrechts[62] 1955 unwahrscheinlich gewesen. Deutschland erlangte über die Integrationsbereitschaft zumindest partiell die Entscheidungshoheit über seine Rüstungspolitik zurück. Dieser waren allerdings durch die Unterwerfung unter die umfassenden Rüstungsbeschränkungen und effektiven Verifikationsmechanismen im Rahmen der WEU enge Grenzen gesetzt.[63]
Aufgrund des in dieser Phase noch bestehenden Mangels an Entwicklungs- aber auch Produktionskapazitäten[64] war die Bundesrepublik bis Anfang der 60er Jahre selbst von Rüstungsimporten aus anderen Nato-Mitgliedsstaaten abhängig. Aus diesem Grund, aber auch vor dem Hintergrund der Auslastung der bestehenden Kapazitäten im Rahmen der Aufstellung der Bundeswehr, war in dieser Phase nicht an umfassende Rüstungsexportaktivitäten zu denken.[65]
Die geringe Bedeutung des Umgangs mit Kriegswaffen im Rahmen des Außenhandels war mit ursächlich dafür, dass die Bundesregierung dem Verfassungsauftrag zur Erarbeitung eines Ausführungsgesetzes zu Art. 26 Abs. 2 GG in den 50er Jahren nicht nachgekommen ist. Der gesamte Umgang mit Kriegswaffen, einschließlich der begrenzten Exportaktivitäten, wurde in dieser Phase auf Grundlage einer 1957 verabschiedeten vorläufigen Regelung durchgeführt.[66] In dieser wurden lediglich die Zuständigkeiten sowie die im Rahmen des Genehmigungsverfahrens erforderlichen Angaben konkretisiert. Genehmigungskriterien bzw. ermessensleitende Normen, welche eine hinreichende Berücksichtigung des grundgesetzlichen Friedensgebots gewährleisten sollten, waren nicht enthalten. Die Exekutive verfügte im Rahmen dieses vorläufigen Genehmigungsverfahrens über einen uneingeschränkten Ermessensspielraum. Dieser wurde auch durch die mit den Römischen Verträgen von 1957 forcierte Entwicklung hin zu einem Gemeinsamen Markt nicht eingeengt.[67]
3.2. Rüstungsexportkontrolle bis zur Beendigung des Kalten Krieges
3.2.1. Kriegswaffenkontroll- und Außenwirtschaftsgesetz
3.2.1.1. Das Kriegswaffenkontrollgesetz von 1961
Die schnelle Integration der Bundesrepublik in Nato, WEU und COCOM und insbesondere die Übernahme umfassender Rüstungsbeschränkungen sind als entscheidender Schritt auf dem Weg zur Wiedererlangung der Souveränität über die Ermöglichung einer Wiederbewaffnung zu betrachten. Von essentieller Bedeutung für die Bundesrepublik war hierbei von Anfang an die Glaubwürdigkeit bei der Umsetzung bzw. Einhaltung dieser Beschränkungen, insbesondere in Beziehung auf Massenvernichtungswaffen.
Vor diesem Hintergrund, aber auch aufgrund des mit der vorläufigen Regelung aus dem Jahr 1957 nicht hinreichend erfüllten Verfassungsauftrags aus Art. 26 Abs. 2 GG trat 1961 das Kriegswaffenkontrollgesetz[68] als Ausführungsgesetz zu Art. 26 Abs. 2 GG in Kraft. Der Geltungsbereich des KWKG erstreckt sich auf den gesamten Umgang mit Kriegswaffen, einschließlich Import- wie auch Exportaktivitäten. Die wichtigste Zielsetzung dieses Gesetzes ergibt sich aus dessen Eigenschaft als Ausführungsgesetz zu Art. 26 Abs. 2 GG, welcher Art. 26 Abs. 1 GG ergänzt: Priorität hat die Friedenssicherung und Kriegsverhinderung, ergänzt um die grundsätzliche Vermeidung friedensstörender Handlungen.[69] Im Sinne einer umfassenden Gefahrenabwehr durch eine restriktive Regelung des gesamten Umgangs mit Kriegswaffen konkretisiert das KWKG das repressive Verbot mit Befreiungsvorbehalt aus Art. 26 Abs. 2 S. 1 GG und stellt die Herstellung sowie jeglichen Beförderungsvorgang - einschließlich aller Ein- und Ausfuhraktivitäten - unter einen Genehmigungsvorbehalt.[70] Der Umgang mit atomaren, biologischen und chemischen Waffen wird gesondert durch ein repressives Verbot ohne Befreiungsmöglichkeit erfasst (§§ 16-18 KWKG), was mit einem Totalverbot gleichzusetzen ist.[71]
3.2.1.2. Das Außenwirtschaftsgesetz von 1961
Zentraler Unterschied zu dem ebenfalls 1961 in Kraft getretenen Außenwirtschaftsgesetz[72] ist, dass nach § 6 Abs. 1 KWKG grundsätzlich kein Anspruch auf eine Genehmigung besteht, selbst wenn für die Kriegswaffen keiner der fakultativen (§ 6 Abs. 2 KWKG) bzw. obligatorischen Versagensgründe (§ 6 Abs. 3 KWKG) einschlägig ist. Dies kommt im Hinblick auf Ein- und Ausfuhraktivitäten einer Durchbrechung des in § 1 Abs. 1 AWG normierten Grundsatzes der Außenwirtschaftsfreiheit gleich, wobei eine derartig tiefgreifende Einschränkung nur für Kriegswaffen gilt.[73] Alle sonstigen Rüstungsgüter ohne Kriegswaffeneigenschaft[74] fallen ausschließlich in den Anwendungsbereich des Außenwirtschaftsgesetzes. Für diese besteht nach § 3 Abs. 1 AWG grundsätzlich ein Anspruch auf Genehmigungserteilung zur Ausfuhr, sofern bestimmte Schutzgüter wie beispielsweise das friedliche Zusammenleben der Völker (§ 7 Abs. 1 Nr. 2 AWG) nicht oder nur unwesentlich gefährdet sind. Diese Regelung hat im Gegensatz zu der nach dem Kriegswaffenkontrollgesetz zentralen Gefahrenabwehr zum Ziel, das Spannungsverhältnis zwischen den Kontrollbedürfnissen des Staates und dem Autonomiestreben der Wirtschaft zum Ausgleich zu bringen.[75]
3.2.1.3. Das Genehmigungsverfahren für Rüstungsexporte nach AWG/KWKG
Beiden Gesetzen ist zum einen gemeinsam, dass sie über die Beschränkungsmöglichkeiten für Rüstungsexporte nach § 6 Abs. 2-3 KWKG und § 7 Abs. 1-3 AWG, weitreichende Eingriffe in die unter einfachgesetzlichem Vorbehalt stehenden Freiheitsrechte ermöglichen. Zum anderen lag es allein aufgrund der Überschneidungen in den Genehmigungsverfahren[76] für Kriegswaffen nahe, für sonstige Rüstungsgüter wie auch Kriegswaffen die gleichen Genehmigungsbehörden vorzusehen. Genehmigungsbehörde für beide Güterkategorien war nach dem Inkrafttreten der beiden Gesetze für den Bereich der Ein- und Ausfuhr zunächst das Bundeswirtschaftsministerium.[77] Dies ermöglichte verschiedene Verfahrenserleichterungen wie beispielsweise die Einführung von Komplementärgenehmigungen, wodurch nach Erteilung der Ausfuhrgenehmigung nach § 3 Abs. 3 KWKG ohne weitere Prüfung die Genehmigung nach § 8 AWG erteilt werden konnte. Weitreichende Verfahrenserleichterungen[78] wie diese können sowohl im Bereich des AWG wie auch des KWKG durch das zuständige Ministerium im Verordnungswege erlassen werden.[79]
Handelt es sich bei Genehmigungsverfahren nicht um Routinefälle bzw. besteht Abstimmungsbedarf mit anderen Ministerien, ist ein interministerielles Umlaufverfahren vorgesehen. Erst für den Fall, dass bestehende Kontroversen im Rahmen dieses Verfahrens nicht ausgeräumt werden können oder der Genehmigungsentscheidung eine besondere außenpolitische Bedeutung zukommt, erfolgt eine Befassung des Bundessicherheitsrates.[80] Dieser Kabinettsausschuss tagt geheim und entscheidet abschließend. Des Weiteren ist bei Genehmigungsentscheidungen im Rahmen des KWKG/AWG auch keinerlei Parlamentsbeteiligung über die Unterrichtung eines Ausschusses, vergleichbar mit dem Parlamentarischen Kontrollgremium für die Kontrolle der Nachrichtendienste des Bundes, vorgesehen.[81]
Da im Rahmen der Genehmigungsverfahren von Beginn an keinerlei parlamentarische Beteiligung vorgesehen war und auch die gerichtliche Überprüfbarkeit[82] der Entscheidungen auf die Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes beschränkt ist, kann unter Berücksichtigung der Vielzahl an unbestimmten Rechtsbegriffen in Art. 7 Abs. 1 AWG wie auch § 6 Abs. 1-2 KWKG festgestellt werden, dass der Exekutive für den gesamten Umgang mit Rüstungsgütern ein breites Ermessen eingeräumt wurde. Lediglich die obligatorischen Versagensgründe aus § 6 Abs. 3 KWKG begrenzten dieses Ermessen. Eine gesetzliche Verpflichtung zur Verweigerung einer Ausfuhrgenehmigung bestand mit der Einführung der beiden Gesetze nur für den Fall, dass die Gefahr eines Einsatzes der Kriegswaffen bei friedensstörenden Handlungen, insbesondere im Rahmen eines Angriffskrieges, gegeben war. Mit diesem Verbot wurde der Gesetzgeber seinen Verpflichtungen aus Art. 26 Abs. 1 GG gerecht.
Dieser breite Ermessensspielraum wurde der Exekutive in der Phase zwischen dem Inkrafttreten der beiden Gesetze 1961 und dem Zweiten Golfkrieg 1990 keineswegs durch die Aufnahme weiterer Versagensgründe eingeengt.[83] Begrenzte Veränderungen[84] gab es nur im Bereich des Strafrahmens für Verstöße wie beispielsweise die Ausfuhr von Kriegswaffen ohne Genehmigung nach § 22a Abs. 1 Nr. 4 KWKG. Dieser wurde von maximal einem auf bis zu fünf Jahre Freiheitsstrafe angehoben. Damit kommt vorsätzlichen Handlungen gegen das KWKG nach § 12 Abs. 1 StGB zwangsweise Verbrechensqualität zu.
3.2.2. Die Politischen Grundsätze der Bundesregierung
3.2.2.1. Die Rüstungsexportpolitik in den 60er Jahren
Betrachtet man die Entwicklung der Rüstungsexportpolitik der Bundesregierung in den 60er Jahren, so ist festzustellen, dass die rüstungsexportpolitischen Entscheidungen in dieser Phase vor allem durch die Ost-West-Konfrontation geprägt waren, aber auch eine stetige Intensivierung der Exportaktivitäten erfolgte.[85] Diese Intensivierung ist insbesondere auf die fast abgeschlossene Erholung der Industrie von den Kriegsfolgen zurückzuführen. Hauptempfängerländer waren im Rahmen der Auflegung von Militärhilfeprogrammen[86] vor allem wirtschaftlich schwächere Nato-Mitgliedsstaaten wie Griechenland, die Türkei und Portugal.[87] Vor dem Hintergrund der Ausweitung bzw. Intensivierung der Blockkonfrontation auf dem afrikanischen Kontinent wurden allerdings auch afrikanische Staaten in die Militärhilfeprogramme einbezogen und erhielten deutsche Rüstungsexporte.[88] Die Kritik an der Rüstungsexportpolitik der Bundesregierung konzentrierte sich in dieser Phase auf die Exporte nach Afrika. Zeichneten sich die Empfängerstaaten in dieser Region doch vor allem durch menschenrechtliche Defizite, aber auch eine Vielzahl an inner- wie auch zwischenstaatlichen Konflikten aus.[89]
3.2.2.2. Die Politischen Grundsätze von 1971
Vor dem Hintergrund dieser, aus Perspektive der sich bis Oktober 1969 in der Opposition befindlichen SPD verantwortungslosen Rüstungsexportpolitik[90], strebte die SPD nach der Regierungsübernahme 1969 ein Totalverbot für Rüstungsexporte in Staaten außerhalb des Nato-Bündnisses an, konnte sich mit dieser Forderung allerdings nicht gegenüber ihrem Koalitionspartner, der FDP, durchsetzen.[91]
Anstelle des Totalverbots entschied sich die Bundesregierung mit der Einführung der Politischen Grundsätze für den Export von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern[92] 1971 erstmals dafür, den umfassenden Ermessensspielraum der Genehmigungsbehörden einzuschränken. Bereits in der Präambel der vorgenannten Politischen Grundsätze wird deutlich, dass die wesentliche Zielsetzung darin besteht, die Ermessensausübung der Genehmigungsbehörden dahingehend zu lenken, dass sich deren Entscheidungen einerseits „am Sicherheitsbedürfnis und außenpolitischen Interesse der der Bundesrepublik Deutschland orientieren [und andererseits] durch Begrenzung und Kontrolle einen Beitrag zur Sicherung des Friedens in der Welt“[93] leisten. Das hier zum Ausdruck gebrachte Spannungsverhältnis zwischen dem grundgesetzlichen Friedensgebot und dem Verfassungsauftrag einer wirksamen militärischen Landesverteidigung findet in den Politischen Grundsätzen in zweierlei Hinsicht Berücksichtigung: Zum einen wird im Hinblick auf den Ermessensspielraum der Genehmigungsbehörden zwischen Nato-Mitgliedsstaaten und Nicht-Mitgliedsstaaten[94] differenziert (Ziff. I. u. II. PGs 1971). Der Export von Rüstungsgütern in Nato-Mitgliedsstaaten ist dabei aufgrund der Gleichsetzung der Verteidigungskraft des Bündnisses mit dem Verteidigungsinteresse der Bundesrepublik nicht zu beschränken. Im Gegensatz dazu sollte „als ein weiterer Beitrag zur Sicherung des Friedens in der Welt (…) der Export von Kriegswaffen in Länder außerhalb des atlantischen Bündnisses grundsätzlich unterbleiben“[95].
Zum anderen wird im Rahmen der Exporte in Drittstaaten zusätzlich noch zwischen sonstigen Rüstungsgütern und Kriegswaffen unterschieden (Ziff. II. 1-3 PGs 1971). Im Gegensatz zur restriktiven Regelung für Kriegswaffen sind für die nicht von der Kriegswaffenliste erfassten sonstigen Rüstungsgüter auch durch die Politischen Grundsätze keine Beschränkungsmöglichkeiten über die Schutzzwecke des Außenwirtschaftsgesetzes hinaus vorgesehen.
Gerade die zunächst restriktiv erscheinenden Bestimmungen im Hinblick auf Kriegswaffenexporte in Drittstaaten wären aus Perspektive des Friedensgebots sicherlich positiv zu beurteilen gewesen. In der Genehmigungspraxis wurde die Wirkung allerdings durch der Möglichkeit zur Festlegung von „Ausnahmen allgemeiner Art“ und aufgrund „besonderer politischer Erwägungen“ (Ziff. II. 3 PGs 1971) weitgehend aufgehoben.
Die Politischen Grundsätze aus dem Jahr 1971 sind dennoch keineswegs ausschließlich kritisch zu beurteilen. Zweifelsohne bestehen an entscheidender Stelle Lücken wie die weiten Ausnahmetatbestände im Hinblick auf Rüstungsexporte in Drittstaaten oder der Verzicht auf eine wirksame Endverbleibsregelung.[96] Nichtsdestotrotz können diese, in ihrer Rechtsnatur als Verwaltungsvorschriften ohne Außenwirkung zu beurteilenden Normen[97] als ein erster Schritt zu einer Einschränkung des Ermessensspielraums der Genehmigungsbehörden im Sinne einer stärkeren Wertorientierung betrachtet werden.
3.2.2.3. Die Rüstungsexportpolitik in den 70er Jahren
Trotz einer SPD-geführten Bundesregierung und der angestrebten Ermessenslenkung durch die Politischen Grundsätze ist festzustellen, dass „the 1970s, in particular, were a boom period for weapon exports from the FRG, largely as a result of increased demand, particularly from oil-exporting countries.“ [98] Unter den Hauptempfängerstaaten deutscher Rüstungsexporte waren in diesem Zeitraum unter anderem der Iran, Nigeria, Brunei, Sudan und Tansania.[99] Berücksichtigt man zusätzlich noch die prozentuale Verteilung der Rüstungsexporte auf Nato-Mitgliedsstaaten (30%) und Nicht-Mitgliedsstaaten (70%)[100] stellt sich die Frage, ob die Politischen Grundsätze nicht möglicherweise einen gegenteiligen als den ursprünglich beabsichtigten Effekt hatten.
Im Rahmen des Anstiegs der Rüstungsexportaktivitäten dominierten allerdings keineswegs Kriegswaffen, sondern die Exporte sonstiger Rüstungsgüter und Zulieferungen bzw. Herstellungsausrüstungen zur Lizenzfertigung. Der hohe Anteil der sonstigen Rüstungsgüter[101] ist insbesondere darauf zurückzuführen, dass für die zuständigen Behörden im Rahmen des Genehmigungsverfahrens ein im Vergleich zu Kriegswaffenexporten deutlich größerer Ermessenspielraum bestand.
3.2.2.4. Die Politischen Grundsätze von 1982
Noch vor dem Wechsel zu einer CDU/CSU-geführten Regierung erfolgte 1982 eine Neufassung der Politischen Grundsätze.[102] Dabei wurde die mit den Politischen Grundsätzen 1971 eingeführte Unterscheidung zwischen Mitgliedern der Nato und Drittstaaten sowie Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern beibehalten. Gleichzeitig wurden für beide Kategorien von Empfängerstaaten auch Veränderungen vorgenommen: Für Drittstaaten war vor dem Hintergrund der U-Boot-Lieferungen an die chilenische Militärdiktatur[103] nicht mehr die Lage in einem „Spannungsgebiet“ (Ziff. II. 2 PGs 1971) obligatorischer Verweigerungsgrund für eine Ausfuhrgenehmigung. Im Rahmen der Neufassung wurde vielmehr die „innere Lage“ des Empfängerstaates als Kriterium eingeführt (Ziff. II. 12 PGs 1982). Dies ermöglichte erstmals auch die umfassende Berücksichtigung menschenrechtlicher Aspekte.[104] Ergänzend wurde aufgrund der negativen Erfahrungen mit der Vergabe von Produktionslizenzen an Drittstaaten[105] aufgenommen, dass Rüstungsexporte in diese Staaten nicht zum Aufbau zusätzlicher exportspezifischer Kapazitäten führen dürfen (Ziff. II. 8 PGs 1982).
Im Hinblick auf Rüstungsexporte in Nato-Mitgliedsstaaten hielt man einerseits unverändert an der Gleichsetzung der Verteidigungskraft des Bündnisses mit dem Verteidigungsinteresse Deutschlands fest (Ziff. I. 1 PGs 1982). Aus diesem Grund waren Rüstungsexporte in diese auch weiterhin nicht zu beschränken. Andererseits verschärfte man die Bestimmungen, welche sicherstellen sollten, dass die in andere Nato-Mitgliedsstaaten exportierten Rüstungsgüter auch in diesen verbleiben (Ziff. I. 2 PGs 1982). Diese Maßnahme ist insbesondere im Zusammenhang mit der im Vergleich zu anderen europäischen Staaten wie Großbritannien und Frankreich restriktiven deutschen Rüstungsexportpolitik zu sehen.[106]
Erstmalig berücksichtigt wurden in den neugefassten Politischen Grundsätzen die zunehmend an Relevanz gewinnenden Kooperationsprojekte bzw. die Rolle der deutschen Rüstungsindustrie als gefragter Zulieferer von hochwertigen technologischen Komponenten (Ziff. I. 4-7 PGs 1982). Bei neu abzuschließenden Kooperationsvereinbarungen war grundsätzlich ein Konsultationsverfahren vorzusehen, welches es der Bundesregierung ermöglichen sollte, Vorbehalte gegenüber Exporten durch die beteiligten Partnerländer geltend zu machen (Ziff. I. 6 PGs 1982). Zu berücksichtigen ist allerdings, dass Konsultationsverfahren in keinem Fall mit einer Veto-Möglichkeit gleichzusetzen sind, sondern es lediglich ermöglichen im Rahmen eines institutionalisierten Verfahrens Einwände bezüglich Exportvorhaben der Kooperationspartner vorzubringen. Der in Ziff. I. 3 der Politischen Grundsätze festgeschriebene Vorrang der Kooperationsfähigkeit im Konfliktfall mit anderen Bestimmungen der Politischen Grundsätze verdeutlicht, dass die Kooperationsfähigkeit höher bewertet wurde als negative Auswirkungen - beispielsweise auf die Menschenrechtssituation - durch Exportvorhaben der Kooperationspartner.
3.2.2.5. Weichenstellungen im Rüstungsexportkontrollregime und die Rüstungsexportpolitik in den 80er Jahren
Diese klare Priorisierung blieb in der Genehmigungspraxis nicht folgenlos, wobei sicherlich auch der 1982 erfolgte Wechsel zu einer im Hinblick auf Rüstungsexporte liberaleren Bundesregierung mit ursächlich dafür ist, dass zwischen 1982 und 1990 “the balance between the desire to control partners’ export behaviour and the need to work together in joint ventures had clearly shifted in favour of the latter.”[107] In diese Liberalisierungstendenzen fügt sich ein, dass zum einen die ASEAN-Mitgliedsstaaten[108] durch ihre Gleichstellung mit den Mitgliedsstaaten der Nato ab 1983 ebenfalls weitgehend von allen Exportbeschränkungen ausgenommen wurden. Zum anderen durch kleine Veränderungen wie die Streichung von Helikoptern von der Kriegswaffenliste[109], schrittweise und weitgehend der öffentlichen Wahrnehmung entzogen, Restriktionen für den deutschen Rüstungsexport abgebaut wurden.
Zusätzlich begünstigt wurden die Liberalisierungstendenzen dadurch, dass Personal- und Ressourcenausstattung der im Rahmen des Genehmigungsverfahrens, aber auch für die Verfolgung von Verstößen gegen das AWG/KWKG zuständigen Behörden, nicht an das stetige Wachstum des Außenhandelsvolumens angepasst wurden. Das für alle Ermittlungen im Zusammenhang mit illegalen Exportaktivitäten zuständige Zollkriminalamt verfügte 1988 beispielsweise über lediglich 94 Planstellen.[110] Dies hatte zur Folge, dass man zum einen vermehrt auf vereinfachte Genehmigungsverfahren zurückgriff, was zwangsweise zu einer liberaleren Genehmigungspraxis führte. Zum anderen nahm das Entdeckungsrisiko bei Verstößen gegen bestehende Exportbeschränkungen stetig ab.
3.2.3. Internationale Einbettung des Rüstungsexportkontrollregimes
Die Bundesrepublik setzte auch in der Phase zwischen 1961 und der deutschen Wiedervereinigung konsequent ihren integrationsfreundlichen Kurs[111] fort und unterstützte Initiativen mit dem Ziel einer Internationalisierung der Rüstungsexportkontrolle, aber auch der Begrenzung der Verbreitung von Massenvernichtungswaffen. Den Schwerpunkt in diesem Bereich bildeten völkerrechtliche Verträge wie der 1968 in Kraft getretene Nichtverbreitungsvertrag für Atomwaffen[112] und das Biotoxinwaffen-Übereinkommen[113] aus dem Jahr 1972. Da man sich vor dem Hintergrund des Kalten Krieges nicht auf verbindliche Verifikations- bzw. Überwachungsmechanismen einigen konnte, wurde vor allem der Regelungsbereich des NVV noch durch verschiedene völkerrechtlich unverbindliche Regelungen bzw. Mechanismen ergänzt.[114] Die Bereitschaft zur umfassenden Förderung der Nichtverbreitung von Massenvernichtungswaffen hatte neben der Friedensorientierung auch zur Ursache, dass die Bundesrepublik über die WEU selbst umfassenden Beschränkungen im Hinblick auf diese Waffensysteme unterlag. Des Weiteren war der Verzicht auf die Herstellung und den Besitz von atomaren, biologischen und chemischen Waffen auch eine der Voraussetzungen für die völkerrechtliche Besiegelung der deutschen Wiedervereinigung im Rahmen des Zwei-plus-Vier-Vertrages[115] 1990. Dieses bis in die Gegenwart fortgeltende Verbot verdeutlicht, weshalb Genehmigungsentscheidungen bezüglich derartiger Waffensysteme für die deutsche Rüstungsexportpolitik bis 1990 keine Bedeutung hatten.
Im Gegensatz dazu war die internationale Einbettung im Hinblick auf den Export konventioneller Rüstungsgüter von hoher Bedeutung. Deutschland partizipierte bis 1990 im Rahmen der COCOM am Embargo gegen die Ostblock-Staaten, was auch Eingang in die Politischen Grundsätze fand (Ziff. II. 1 PGs 1971/ Ziff. III. PGs 1982). Zusätzlich unterlag man von Seiten der WEU Beschränkungen im Hinblick auf die Produktion und damit auch den Export von konventionellen Rüstungsgütern, welche erst 1985 vollständig aufgehoben wurden.[116] Mit der Aufhebung dieser Beschränkungen bestanden für Deutschland ab 1985 keine völkerrechtlich verbindlichen Exportbeschränkungen bezüglich konventioneller Rüstungsgüter. Neben der nationalen Exportgesetzgebung und durch die Bundesrepublik einseitig ausgesprochenen Waffenembargos kamen in dieser Phase nur noch durch den UN-Sicherheitsrat verhängte Waffenembargos als verbindliche Exportbeschränkungen in Betracht.[117]
Diese weiten nationalstaatlichen Kompetenzen mögen verwunderlich erscheinen angesichts der Fortschritte, welche die Realisierung eines Gemeinsamen Marktes mit der Verwirklichung der Zollunion und der Einheitlichen Europäischen Akte[118] im gleichen Zeitraum gemacht hat. Entscheidend ist hierbei, dass die Sicherheitsausnahme aus Art. 223 Abs. 1b) EWG alle Entwicklungsschritte hin zu einem Europäischen Binnenmarkt überdauert hatte und so im Hinblick auf Rüstungsgüter weiterhin ihre Wirkung im Sinne einer unterschwellig fortwirkenden primärrechtlichen Garantie nationalstaatlicher (Rest-)Kompetenzen entfalten konnte.[119] Die sogenannten Dual-Use-Güter fielen allerdings bereits zum damaligen Zeitpunkt in den Bereich der Gemeinschaftskompetenz.[120]
3.3. Das„Window of Opportunity“nach dem Zweiten Golfkrieg 1990/1991
3.3.1. Reaktionen auf internationaler Ebene
Die treffendste Umschreibung für die Phase unmittelbar nach Beendigung des Kalten Krieges ist sicherlich der Begriff „Window of opportunity“. Zum einen schien das Ende der Ost-West-Konfrontation zunächst die Chance für eine Vielzahl von Veränderungen auf internationaler Ebene zu bieten, welche über Jahrzehnte aus machtpolitischen bzw. ideologischen Gründen blockiert waren. Zum anderen waren durch den Zweiten Golfkrieg und die Aufdeckung des libyschen Chemiewaffenprogramms deutliche Defizite im Bereich der Kontrolle des Handels mit konventionellen Rüstungs- aber auch den zur Herstellung von Massenvernichtungswaffen notwendigen Dual-Use-Gütern offensichtlich geworden.[121]
[...]
[1] Übersicht 1 erstellt aus Daten von: AI, 2010: Todesstrafenstatistik 2009; BReg., 2011: Rüstungsexportbericht
2009; Trittin, 2011: Beitrag die Grünen in Bundestagsdebatte v. 06.07.2011, veröffentlicht in: BT, 2011:
Plenarprotokoll v. 06.07.2011, S.13822; Freedom House, 2010: Worst of the Worse 2010, S.4.
[2] BReg., 2011: Rüstungsexportbericht 2009.
[3] Politische Grundsätze der Bundesregierung für den Export von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern
v. 19.01.2000 (PGs 2000) (BAnz. Nr. 19 v. 28.01.2000, S.1299).
[4] v. Aken, 2011: Beitrag die Linke in Bundestagsdebatte v. 10.02.2011, veröffentlicht in: BT, 2011:
Plenarprotokoll v. 10.02.2011, S.10192.
[5] Hempelmann, 2011: Beitrag SPD in Bundestagsdebatte v. 10.02.2011, veröffentlicht in: BT, 2011:
Plenarprotokoll v. 10.02.2011, S.10228.
[6] v. Aken, 2011: Beitrag die Linke in Bundestagsdebatte v. 06.07.2011, veröffentlicht in: BT, 2011:
Plenarprotokoll v. 06.07.2011, S.13832.
[7] BReg., 2010: BT-DS 17/2686, S.4.
[8] Statistisches Bundesamt, 2010: Außenhandelsbilanz 2009.
[9] Die Bundesregierung bzw. die zuständigen Behörden erteilen ausschließlich Ausfuhrgenehmigungen für den Export „konventioneller Rüstungsgüter“. Unter den Begriff der „konventionellen Rüstungsgüter“ fallen alle in Teil I Abschnitt A der Ausfuhrliste abschließend aufgeführten Güter (Veröffentlicht als Anlage zur Außenwirtschaftsverordnung v. 22.11.1993(AWV), BGBl. 1993 I, S.2493). Die in der Ausfuhrliste aufgeführten Rüstungsgüter sind, insofern sie ergänzend noch durch die Kriegswaffenliste (Veröffentlicht als Anlage zum Kriegswaffenkontrollgesetz v. 20.04.1961 (KWKG) (BGBl. 1961 I, S.444) erfasst werden, als „Kriegswaffen“ zu bezeichnen. Werden Güter nur von Teil I Abschnitt A der Ausfuhrliste erfasst, so sind sie als „sonstige Rüstungsgüter“ zu bezeichnen. Im Rahmen dieser Arbeit werden „Kriegswaffen“ und „sonstige Rüstungsgüter“ regelmäßig unter dem Begriff „Rüstungsgüter“ zusammengefasst.
[10] Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland v. 23.05.1949 (GG) (BGBl. 1949 I, S.1, zuletzt geändert durch Art. 1 Gesetz v. 21.07.2010 (BGBl. 2010 I, S.944)).
[11] Pernice in: Dreier (Hrsg.), 2008: GG-Kommentar, Art. 26 Rn 3f.
[12] Dreier in: Ders. (Hrsg.), 2008: GG-Kommentar, Präambel Rn 32; siehe auch Tomuschat in: Isensee/Kirchhoff (Hrsg.), 1992: Handbuch des Staatsrechts, § 172 Rn 4; kritisch hierzu Doehring in: Isensee/Kirchhoff (Hrsg.), 1992: Handbuch des Staatsrechts, § 178 Rn 18.
[13] Schiedermair, 2006: Der internationale Frieden und das Grundgesetz, S.88.
[14] Charta der Vereinten Nationen v. 26.07.1945 (VN-Charta) (in der Fassung der Bekanntmachung v. 28.08.1980, BGBl. 1980 II, S.1252).
[15] Bothe in: Dolzer/Kahl/Waldhoff (Hrsg.), 2011: GG-Kommentar, Art. 26 Rn 23.
[16] Art. 26 Abs. 1 GG i.V.m. §§ 80, 80a Strafgesetzbuch (in der Fassung der Bekanntmachung v.13.11.1998, BGBl. 1998 I, S.3322, zuletzt geändert durch Art. 1 Gesetz v. 28.04.2011 (BGBl. 2011 I, S.676).
[17] Schiedermair, 2006: Der internationale Frieden und das Grundgesetz, S.89.
[18] Schiedermair, 2006: Der internationale Frieden und das Grundgesetz, S.91.
[19] Bothe in: Dolzer/Kahl/Waldhoff (Hrsg.), 2011: GG-Kommentar, Art. 26 Rn 18.
[20] BVerfGE 48, 127 (159).
[21] BVerfGE 48, 127 (160).
[22] BVerfGE 77, 170 (232); BVerfGE 68, 1 (89).
[23] Bothe in: Dolzer/Kahl/Waldhoff (Hrsg.), 2011: GG-Kommentar, Art. 26 Rn 42.
[24] Der Begriff des „Rüstungsexportkontrollregimes“ umfasst sowohl die im Rahmen der gesamten Rüstungsexporttätigkeit maßgeblichen rechtlichen Normen als auch die für das Genehmigungsverfahren aber auch die Verfolgung exportrechtlicher Verstöße zuständigen staatlichen Institutionen.
[25] Für eine Untersuchung der rüstungsexportpolitischen Entscheidungen der Bundesregierung im Zeitraum 2010/2011 lag vor dem Hintergrund der jeweils mit deutlichem zeitlichen Abstand zum Berichtsjahr er- folgenden Veröffentlichung der Rüstungsexportberichte, zum Zeitpunkt der Erstellung dieser Arbeit (01.04.2011-31.08.2011) kein hinreichend umfassendes, aber auch zuverlässiges statistisches Material vor. Aus diesen Gründen wird gerade bei den Überblicksdarstellungen in Abschnitt 5.2 auf statistisches Material bis einschließlich 2009 zurückgegriffen. Insofern zuverlässige Quellen im Hinblick auf einzelne nach 2009 bzw. aktuell erfolgte Genehmigungsentscheidungen vorliegen, finden diese im Bereich der länderspezifi- schen Untersuchung (ab Abschnitt 5.3) Berücksichtigung.
[26] Gemeinsamer Standpunkt 2008/944/GASP des Rates betreffend Gemeinsame Regeln für die Kontrolle der Ausfuhr von Militärtechnologie und Militärgütern v. 08.12.2008 (GemSP 2008/944/GASP) (AblEU Nr. L 335/99 v. 13.12.2008).
[27] Art. 2 Abs. 1 GemSP 2008/944/GASP.
[28] EU, 2009: Leitfaden zur Anwendung des GemSP 2008/944/GASP, S.30ff.
[29] Art. 2 Abs. 2 GemSP 2008/944/GASP.
[30] Dies schließt nach Art. 2 Abs. 2 GemSP 2008/944/GASP insbesondere „Folter sowie andere grausame, unmenschliche und erniedrigende Behandlung oder Bestrafung, willkürliche oder Schnell-Hinrichtungen, das Verschwindenlassen von Personen, willkürliche Verhaftungen und andere schwere Verletzungen der Menschenrechte und Grundfreiheiten“ ein.
[31] EU, 2009: Leitfaden zur Anwendung des GemSP 2008/944/GASP, S.38ff.
[32] Art. 2 Abs. 3 GemSP 2008/944/GASP.
[33] EU, 2009: Leitfaden zur Anwendung des GemSP 2008/944/GASP, S.55ff.
[34] Art. 2 Abs. 4 GemSP 2008/944/GASP.
[35] EU, 2009: Leitfaden zur Anwendung des GemSP 2008/944/GASP, S.60.
[36] EU, 2009: Leitfaden zur Anwendung des GemSP 2008/944/GASP, S.62.
[37] Art. 2 Abs. 7 GemSP 2008/944/GASP.
[38] EU, 2009: Leitfaden zur Anwendung des GemSP 2008/944/GASP, S.87ff.
[39] Art. 2 Abs. 8 GemSP 2008/944/GASP.
[40] EU, 2009: Leitfaden zur Anwendung des GemSP 2008/944/GASP, S.94ff.
[41] EU, 2009: Leitfaden zur Anwendung des GemSP 2008/944/GASP, S.68.
[42] BReg., 2011: Verteidigungspolitische Richtlinien, S.5-9.
[43] Nordatlantikvertrag v. 04.04.1949 (BGBl. 1955 II, S.630).
[44] Moltmann, 2011: Im Dunkeln ist gut munkeln, S.2.
[45] Zu wehrtechnischen Kernfähigkeiten siehe auch BReg., 2010: BT-DS 17/2686, S.4f.
[46] EP, 2007: Protection of the European Defence Technological and Industrial Base, S.7.
[47] KOM, 2007: Strategie für europäische Verteidigungsindustrie, S.4.
[48] Brune/Dickow/Linnenkamp/Mölling, 2010: Die Bundeswehr in Zeiten der Finanzkrise, S.4f.
[49] BReg., 2011: Verteidigungspolitische Richtlinien, S.1/4.
[50] Pottmeyer in: Pottmeyer (Hrsg.),1994: Kriegswaffenkontrollgesetz-Kommentar, Abschnitt A Rn 1.
[51] § 71- Feldzug zur Rückgewinnung des Heiligen Landes des Vierten Laterankonzils von 1215, abgedruckt in:
Wohlmuth (Hrsg.), 2000: Dekrete der ökumenischen Konzilien, S.269f.
[52] Art. 168-172 des Friedensvertrages zwischen Deutschland und den alliierten und assoziierten Mächten v. 28.06.1919 (RGBl. 1919 I, S.687).
[53] § 24 Abs. 1-3 Ausführungsgesetz zum Friedensvertrag v. 31.08.1919 (RGBl. 1919 I, S.1530); diese sahen als Höchststrafe für Verstöße gegen das Herstellungs- sowie Ein- und Ausfuhrverbot lediglich sechs Monate Haft vor.
[54] Art. 8 Friedensvertrag von Versailles v. 28.06. 1919 (RGBl. 1919, S.717).
[55] Wintzer, 2006: Deutschland und der Völkerbund, S.112f.
[56] § 1 Gesetz über Ein- und Ausfuhr von Kriegsgerät v. 06.11.1935 (RGBl. 1935 I, S.1337).
[57] Kontollratsgesetz Nr. 43 bezüglich des Verbots der Herstellung, der Einfuhr, der Ausfuhr und der Lagerung von Kriegsmaterial v. 20.12.1946 (AmtsBl. der Militärregierung Deutschlands 1946, S.399).
[58] AHK-Gesetz Nr. 24 v. 30.03.1950 (AmtsBl. AHK 1950, S.251).
[59] Art. 6 Abs. 1 Kontrollratsgesetz Nr. 43 sah als Höchststrafe in besonders schweren Fällen lebenslängliche Haft oder die Todesstrafe vor.
[60] Roeser, 1988: Völkerrechtliche Aspekte des internat. Handels mit konventionellen Waffen, S.45f.
[61] Art. 1 des Protokolls I zur Änderung und Ergänzung des Brüsseler Vertrags v. 23.10.1954(BGBl. 1955 II, S.258).
[62] § 2 AHK-Gesetz Nr. A-38 v. 05.05.1955 über die Beseitigung der Wirksamkeit und Aufhebung bestimmter Rechtsvorschriften auf den Gebieten der Abrüstung und Entmilitarisierung (AmtsBl. AHK 1955, S.3271; BAnz. Nr. 92 v. 13.05.1955, S.3).
[63] Deutschland verpflichtete sich, auf die eigenständige Herstellung von ABC-Waffen zu verzichten. Des Weiteren waren umfassende Beschränkungen im Hinblick auf Herstellung und Besitz von Offensivwaffen vorgesehen. Die Einhaltung dieser Beschränkungen wurde mit dem Amt der Westeuropäischen Union für Rüstungskontrolle, durch einen eigenständigen Überwachungsmechanismus gewährleistet (Prot. III-IV zur Änderung und Ergänzung des Brüsseler Vertrags v. 23.10.1954, BGBl. 1955 II, S.258).
[64] Davis, 2002: The Regulation of Arms and Dual-Use Exports, S.155.
[65] Pearson, 1986: Perspectives on West German Arms Transfers, S.526.
[66] Bekanntmachung des Bundesministers für Wirtschaft über das vorläufige Kriegswaffen-Genehmigungs- verfahren nach Art. 26 Abs. 2 GG v. 28.11.1957 (BAnz. Nr. 233 v. 04.12.1957, S.11).
[67] Art. 223 Abs. 1b) der Römischen Verträge über die Errichtung einer Wirtschaftsgemeinschaft v. 25.03.1957 (EWG) (BGBl. 1957 II, S.766.) sieht vor, dass die Mitgliedsstaaten in Beziehung auf die Erzeugung wie auch den Handel mit Rüstungsgütern, unabhängig von der Entwicklung eines Gemeinsamen Marktes, weiterhin alle ihres Erachtens zur Wahrung ihrer wesentlichen Sicherheitsinteressen erforderlichen Maß- nahmen treffen können (Sicherheitsausnahme).
[68] Bezüglich Kriegswaffenkontrollgesetz siehe Fn 9.
[69] Pottmeyer in: Wolffgang/Simonsen (Hrsg.), 2011: AWR-Kommentar, Einleitung KWKG Rn 7.
[70] Pernice in: Dreier (Hrsg.), 2008: GG-Kommentar, Art. 26 Rn 20ff.
[71] Pottmeyer in: Wolffgang/Simonsen (Hrsg.), 2011: AWR-Kommentar, § 17 KWKG Rn 1.
[72] Außenwirtschaftsgesetz v. 28.04.1961 (AWG) (BGBl. 1961 I, S.481).
[73] Simonsen in: Wolffgang/Simonsen (Hrsg.), 2011: AWR-Kommentar, § 1 AWG Rn 1.
[74] Grundsätzlich unterliegen Rüstungsgüter in jedem Fall dem Genehmigungsverfahren für die Ausfuhr kon- ventioneller Rüstungsgüter nach dem AWG/AVO. Eine Teilmenge der konventionellen Rüstungsgüter un- terliegt aufgrund der Kriegswaffeneigenschaft neben den Genehmigungspflichten aus AWG/AVO, zusätz- lich den besonderen Genehmigungspflichten nach dem KWKG (siehe hierzu ergänzend Fn 9).
[75] v. Bogdandy, 1992: Die außenwirtschaftliche Genehmigung, S.54.
[76] Siehe hierzu auch Fn 74.
[77] Vgl. 1. Durchführungsverordnung zum Kriegswaffenkontrollgesetz v. 01.06.1961 (BGBl. 1961 I, S.649).
[78] Durch Rechtsverordnungen können des Weiteren auch Güter vom Anwendungsbereich des KWKG ausgenommen werden. Damit fallen diese nicht mehr unter die im Vergleich zum AWG strikteren Be- schränkungen des KWKG.
[79] § 27 AWG sowie § 11 KWKG.
[80] Der Bundessicherheitsrat ist als Kabinettsausschuss das Kontroll- und Koordinationsgremium für die bundesdeutsche Sicherheitspolitik. In ihm vertreten waren bis 1998 acht Mitglieder (Bundeskanzler, Chef des Bundeskanzleramtes sowie die Bundesminister des Äußeren, des Inneren, der Justiz, der Finanzen, der Verteidigung und für Wirtschaft); der Chef des Bundeskanzleramtes ist dabei ohne Stimmrecht. Nach 1998 kam noch der Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung hinzu.
[81] Zähle, 2005: Der Bundessicherheitsrat, S.462 ff.
[82] Zur grundsätzlichen Zurückhaltung des Bundesverfassungsgerichts in Beziehung auf außenpolitische Ent- scheidungen: BVerfGE 48, 127 (159f.); bezüglich konkreter Genehmigungsentscheidungen erfolgt eine Beschränkung der Prüfung auf das Vorliegen einer willkürlichen Entscheidung unter Berücksichtigung sachfremder Kriterien (siehe hierzu VG Frankfurt am Main, Urteil v. 08.05.2003, (1 E 3273)).
[83] Zu den geringen Veränderungen bzw. Anpassungen des AWG und des KWKG in dieser Phase siehe auch
Pietsch in: Hohmann/John (Hrsg.), 2002: Ausfuhrrecht-Kommentar, KWKG-Einführung Rn 13.
[84] Änderungsgesetz zum Kriegswaffenkontrollgesetz v. 31.05.1998 (BGBl. 1998 I, S.641).
[85] Davis, 2002: The Regulation of Arms and Dual-Use Exports, S.156.
[86] Militärhilfeprogramme umfassen die Belieferung verbündeter bzw. befreundeter Staaten mit Rüstungsgütern ohne oder zumindest nur mit einer geringen finanziellen Gegenleistung. Ziel hierbei ist die Stärkung der Bündnispartner oder auch die politische Einflussnahme über die Bereitstellung der Rüstungsgüter (Brzoska, 2007: Rüstungsexportpolitik, S.655).
[87] Georgi, 1975: Rüstungshilfe an Griechenland und die Türkei, S.1-3.
[88] Brzoska, 2007: Rüstungsexportpolitik, S.655.
[89] Davis, 2002: The Regulation of Arms and Dual-Use Exports, S.160.
[90] Davis, 2002: The Regulation of Arms and Dual-Use Exports, S.160.
[91] Die Möglichkeit zu einem die zuständigen Genehmigungsbehörden bindenden Verbot hätte sich beispiels- weise über die Aufnahme einer derartigen Regelung in die obligatorischen Versagensgründe für Ausfuhr- genehmigungen nach § 6 Abs. 3 KWKG geboten.
[92] Politische Grundsätze der Bundesregierung für den Export von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern v. 16.06.1971 (PGs 1971) (Presse- und Informationsamt der BReg., Bulletin Nr. 3 (1975), S.1).
[93] Präambel PGs 1971.
[94] Im Folgenden werden Staaten die weder Mitglieder der Nato noch diesen gleichgestellt (Australien, Japan, Neuseeland, Schweiz; ab 1982 zusätzlich die ASEAN-Mitgliedsstaaten) sind, als Drittstaaten bezeichnet.
[95] Ziff. II. PGs 1971.
[96] Ziff. I. PGs 1971 enthält im Hinblick auf die Sicherstellung des Endverbleibs der in andere Nato- Mitgliedsstaaten exportierten Rüstungsgüter lediglich eine Bemühensklausel. Dies birgt im Gegensatz zu einer wirksamen Regelung wie der verpflichtenden Aufnahme eines Weiterexportverbots mit Erlaubnisvor- behalt in die Lieferverträge das Risiko in sich, dass eine Wiederausfuhr in problematische Staaten erfolgt. Die Bemühensklausel ist zudem ausschließlich auf fertige Fabrikate beschränkt, wodurch Zulieferungen im Rahmen der zunehmenden Kooperationsprojekte auf Nato- und Europäischer Ebene nicht erfasst wurden.
[97] Pietsch in: Hohmann/John (Hrsg.), 2002: Kommentar-Ausfuhrrecht, Grundsätze Rüstungsexport Rn 2.
[98] Davis, 2002: The Regulation of Arms and Dual-Use Exports, S.181.
[99] Davis, 2002: The Regulation of Arms and Dual-Use Exports, S.181.
[100] Pearson, 1986: Perspectives on West German Arms Transfers, S.529.
[101] Brzoska, 2007: Rüstungsexportpolitik, S.650.
[102] Politische Grundsätze der Bundesregierung für den Export von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern v. 28.04.1982 (PGs 1982) (BAnz. Nr. 38 v. 05.05.1982, S.309); ursächlich für diese Neufassung war insbesondere der öffentliche Druck nach Bekanntwerden eines positiven Genehmigungsbescheids für die Ausfuhr von zwei U-Booten nach Chile. Dieses Land wurde zum damaligen Zeitpunkt durch eine Militärdiktatur regiert, welcher schwere Menschenrechtsverletzungen zur Last gelegt wurden (Brzoska, 2007: Rüstungsexportpolitik, S.657).
[103] Brzoska, 2007: Rüstungsexportpolitik, S.653
[104] Pietsch in: Hohmann/John (Hrsg.), 2002: Kommentar-Ausfuhrrecht, Grundsätze Rüstungsexport Rn 5.
[105] Die Einführung dieser Regelung ist insbesondere vor dem Hintergrund der Vergabe von Produktions- lizenzen für Kleinwaffen wie das G3 zu betrachten. Diese wurden zwischen 1970 und 1988 an insgesamt 15 Staaten, darunter den Iran, Saudi-Arabien oder auch Myanmar vergeben. Durch Gentlemen’sagreements hatten sich diese Staaten zuvor verpflichtet, den Endverbleib der Waffen in ihrem Staatsgebiet sicherzustellen und nicht zu einer Weiterverbreitung beizutragen. Die Wirksamkeit dieser Vereinbarungen hat sich jedoch als gering erwiesen. Der Iran aber auch Myanmar produzieren und exportieren trotz Auslau- fen der nur für einen begrenzten Zeitraum gewährten Lizenz, bis heute Sturmgewehre vom Typ G3 (John, 2002: Werkzeuge für Menschenrechtsverletzungen, S.86).
[106] Dembinski/Schumacher, 2005: Wie Europa dem Rüstungsexport Schranken setzt, S.16.
[107] Davis, 2002, The Regulation of Arms and Dual-Use Exports, S.171; ergänzend ist hinzuzufügen, dass neben den Kooperationsprogrammen weitere im Zusammenhang mit der Verteidigungskraft des Nato-Bündnisses stehende Aktivitäten wie die Militärhilfeprogramme für die Türkei, Griechenland und Portugal fortgeführt wurden.
[108] Ziff. II. 9 PGs 1982 ermöglicht vor dem Hintergrund „besonderer politischer Erwägungen“ die Festlegung von „Ausnahmen allgemeiner Art“ bezüglich der Empfängerstaaten von Rüstungsgütern. Neben den damaligen ASEAN-Mitgliedsstaaten (Indonesien, Malaysia, Singapur, Philippinen, Thailand) wurden die Schweiz, Australien und Neuseeland über diese Regelung Nato-Mitgliedsstaaten gleichgestellt.
[109] Verordnung zur Änderung kriegswaffenrechtlicher Vorschriften v. 03.10.1986 (BGBl. 1986 I, S.1625).
[110] Davis, 2002: The Regulation of Arms and Dual-Use Exports, S.179.
[111] Beutel in: Wolffgang/Simonsen (Hrsg.), 2011: AWR-Kommentar, Internationale Regime und Verträge Rn 1-5.
[112] Vertrag über die Nichtverbreitung von Kernwaffen v. 01.07.1968 (NVV) (BGBl. 1974 II, S.785).
[113] Übereinkommen über das Verbot der Entwicklung, Herstellung und Lagerung bakteriologischer (biologischer) Waffen und von Toxinwaffen sowie über die Vernichtung solcher Waffen v. 10.04.1972 (BGBl. 1976 II, S.552).
[114] Hierbei ist besonders die 1974 gegründete Nuclear Suppliers Group (NSG) von Bedeutung. In diesem Zusammenschluss der Kernmaterial-Lieferländer einigte man sich in Reaktion auf den indischen Nuklear- test von 1974 darauf die Lieferung von Kernmaterial sowie mit dem Betrieb eines Brennstoffkreislaufs im Zusammenhang stehenden Ausrüstungsgegenständen an Nicht-Kernwaffenstaaten von der Erfüllung be- stimmter Voraussetzungen abhängig zu machen. Eine der wichtigsten Voraussetzungen war der Abschluss eines Sicherungsabkommens mit der IAEO, welches die Abzweigung von Kernmaterial aus dem Brenn- stoffkreislauf zur militärischen Verwendung verhindern sollte (NSG, 2011:History of the NSG).
[115] Art. 3 Abs. 1 des Vertrages über die abschließende Regelung in Beziehung auf Deutschland v. 12.04. 1990(Zwei-plus-Vier-Vertrag) (BGBl. 1990 II, S.1318) verpflichtet Deutschland am Verzicht auf ABC-Waffen festzuhalten.
[116] Beschluss des Rates der WEU v. 23.01.1985 (BGBl. 1986 II, S.1129).
[117] Roeser, 1988: Völkerrechtliche Aspekte des internat. Handels mit konventionellen Waffen, S.75.
[118] Einheitliche Europäische Akte v. 28.02.1986 (ABl. L 169/1 v. 29.6.1987).
[119] Wegener in: Calliess/Ruffert (Hrsg.), 2011: EUV/AEUV-Kommentar, Art. 346 AEUV Rn 6; nach anderer Meinung (Lorenzmeier/Vedder in: Grabitz/Hilf/Nettesheim (Hrsg.), 2011: Kommentar- Europarecht, Art. 133 EGV Rn 17) ist auch eine andere Interpretation als Schutzklausel plausibel, die lediglich im begründeten Einzelfall, insofern wesentliche Sicherheitsinteressen der Mitgliedsstaaten betroffen sind, das Abweichen von EG-Recht ermöglichen soll.
[120] Hierbei handelt es sich nach Art. 2 Abs. 1 VO (EG) Nr. 428/2009 (AblEU Nr. L 134/1 v. 29.05.2009) um sog. Dual-Use-Güter. Als Beispiel sind Herstellungsausrüstungen bzw. die Grundstoffe für Pestizide zu benennen. Diese können nach entsprechenden Modifikationen auch zur Produktion von chemischen Waffen eingesetzt werden.
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Dieser Abschnitt behandelt die Entwicklungen von den Anfängen bis zum Inkrafttreten des Kriegswaffenkontrollgesetzes 1961, die Rüstungsexportkontrolle bis zum Ende des Kalten Krieges und das "Window of Opportunity" nach dem Zweiten Golfkrieg 1990/1991.
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Das gegenwärtige Rüstungsexportkontrollregime umfasst einen Überblick, die Neufassung der Politischen Grundsätze 2000, Rahmenabkommen zur europäischen Rüstungszusammenarbeit und die Europäisierung der Rüstungsexportpolitik.
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Die Bewertung umfasst einen Überblick über die Rüstungsexportpolitik, Rüstungsexporte in NATO/EU-Mitgliedsstaaten und Rüstungsexporte in Drittstaaten, wobei besondere Beispiele wie die Türkei und Saudi-Arabien hervorgehoben werden.
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Die Anhänge umfassen ein Abkürzungsverzeichnis, ein Literaturverzeichnis, Gesetze und eine Erklärung zur Masterarbeit.
Was sind die Politischen Grundsätze der Bundesregierung?
Die Politischen Grundsätze sind Richtlinien, die die Bundesregierung für den Export von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern festlegt. Sie wurden im Laufe der Zeit mehrfach überarbeitet und dienen der Einschränkung des Ermessensspielraums der Genehmigungsbehörden.
Was ist das Kriegswaffenkontrollgesetz (KWKG)?
Das Kriegswaffenkontrollgesetz ist ein deutsches Gesetz, das den Umgang mit Kriegswaffen regelt, einschließlich Herstellung, Handel und Export. Es dient der Friedenssicherung und Kriegsverhinderung.
Was ist das Außenwirtschaftsgesetz (AWG)?
Das Außenwirtschaftsgesetz regelt den Außenhandel in Deutschland. Es enthält Bestimmungen zur Genehmigung von Exporten, einschließlich Rüstungsgütern, und zielt darauf ab, ein Gleichgewicht zwischen staatlichen Kontrollbedürfnissen und wirtschaftlicher Freiheit herzustellen.
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- Johannes Wild (Author), 2011, Die deutsche Rüstungsexportpolitik unter besonderer Berücksichtigung der exportrechtlichen Rahmenbedingungen, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/187908