Leseprobe
Gliederung
1. Einleitung
2. Geschichte der Pro- und Contradebatte
3. Zum Stellenwert der Pro- und Contradebatte
4. Planung einer Pro- und Contradebatte
4.1. Grundlegende Entscheidungen
4.2. Einteilung der Beteiligten in Gruppen
5. Formen der Pro- und Contradebatte
5.1. Erste Form der Debattenführung
5.2. Zweite Form der Debattenführung
5.3. Die Amerikanische Debatte
6. Die Pro- und Contradebatte am Beispiel
7. Fazit
8. Literaturverzeichnis
Einleitung
Das Unterrichtsfach Sozialkunde, beziehungsweise auch Politikunterricht genannt, leistet einen wichtigen Beitrag zum Ausbau der individuellen Leistungsfähigkeit, da die Schüler durch Handlungsorientierung von passivem zu aktivem, gestaltendem Handeln ermutigt werden. So wird hierbei auch der Schwerpunkt auf die Entwicklung von Personal- und Sozialkompetenz gesetzt. Durch diese sollen die Schüler lernen, Konflikte partnerschaftlich und gewaltfrei zu bewältigen.
Im Sozialkundeunterricht wiederholen die Schüler fachspezifische Methoden, lernen neue kennen und wenden sie an um diese Konfliktsituationen lösen zu können. So auch die Methode der Pro- und Contradebatte, die neben anderen handlungsorientierten Unterrichtsmethoden, wie zum Beispiel Projekte, Erkundungen, Fallanalysen und Rollenspiele, eine zentrale Position im Sozialkundeunterricht einnimmt. Die Pro- und Contradebatte setzt den Schwerpunkt des Unterrichts darauf, die subjektiven Interessen der Schüler zu polarisieren und motiviert gleichzeitig zum eigenverantwortlichen und selbstständigen Handeln.
Definitionsgemäß, ist die Pro- und Contradebatte eine hoch formalisierte, an strengen Regeln orientierte Methode für den Politikunterricht, die vor allem einen Beitrag zur rationalen politischen Urteilsbildung leisten soll.[1] Sie unterscheidet sich deutlich von Unterrichtsgesprächen und Diskussionen im Unterricht und ist deshalb von diesen abzugrenzen. Im Unterrichtsgespräch geht es vor allem, um die Beantwortung von Fragen, um die Problematisierung von Sachverhalten und über das vertiefende Nachdenken in Bezug auf ein gegebenes Thema. So sollen die Schüler im Unterrichtsgespräch erst mit dem Thema vertraut gemacht werden. Die Diskussion dagegen setzt diese Vertrautheit schon voraus, denn im Mittelpunkt steht die Auseinandersetzung. Diskussionen sind in der Regel offen und müssen zeitlich nicht begrenzt sein.
Die Pro- und Contradebatte ist hingegen strenger geregelt. Sie ist zeitlich befristet und kann als Streitgespräch auf gehobenem Niveau verstanden werden. Es geht darum, unterschiedliche Positionen klar herauszuarbeiten, gegensätzliche Meinungen zu äußern, zu vertreten und zu begründen, sie vergleichend gegenüberzustellen und durch eine Abstimmung eine formale Entscheidung herbeizuführen.[2]
Zweckgemäß geht es darum, die Mehrheit von den eigenen Vorschlägen, Positionen und letztendlich Argumenten zu überzeugen.
Aus diesem Grund eignet sich die Methode der Pro- und Contradebatte auch in besonderer Weise für politisches Lernen. Insbesondere sollen im Unterricht instrumentell- strategisches Denken und taktische Überlegungen geübt und gefördert werden.[3] Denn obwohl in jeder Debatte durch Abstimmung eine Entscheidung herbeigeführt wird, ist diese nicht das zentrale Element, sondern vielmehr deren Begründung sowie die Analyse der Argumente. Auf diese Weise kann die Pro- und Contradebatte einen Beitrag zur politischen Urteilsbildung leisten. Sinn der Debatte im Politikunterricht ist es, Schüler mit möglichst vielen Begründungen vertraut zu machen um ein Thema von allen Seiten zu beleuchten, damit Urteile gerechtfertigt werden können. Die Schüler lernen hierbei genau zuzuhören, abzuwarten, Aussagen oder Gesprächspartner zu kommentieren und mit stützenden Argumenten diese zu widerlegen. Auf dieser kommunikativen Ebene ist die Pro- und Contradebatte eine gute Übung für die Praxis politischen Redens. Da das offene Austragen gegensätzlicher Meinungen und Interessen Bestandteil jeder Demokratie ist, sollte auch der Politikunterricht das „Streiten lernen“ üben und trainieren.
2. Geschichte der Pro- und Contradebatte
Debatten besitzen besonders im angelsächsischen Kulturraum eine lange Tradition. Der entstandene Liberalismus forderte Werte wie die Presse- und Meinungsfreiheit. Um politisch kommunizieren zu können wurden gegensätzliche Debatten vorausgesetzt welche mit der politisch freien Presse einhergehen. In Großbritannien wird daher die Bedeutung der Debatte auf drei zentralen Feldern verdeutlicht. Erstens durch das englische Parlament, das Unterhaus („House of Commons“) welches auch als Redeparlament bezeichnet wird. Zum Vergleich und Gegensatz hierzu gilt der Deutsche Bundestag als Arbeitsparlament, da wichtige Entscheidungen allein in den Ausschüssen diskutiert werden. In Großbritannien bildeten zwei Parteien, die Conservative Party („Tories“) und die Labour Party, stabile Mehrheiten und wechselten sich in der Regierungsarbeit ab. Dies trug zur Entwicklung einer Debattenkultur bei. Nicht zuletzt da sich im englischen Parlament beide Parteien gegeneinander über sitzen. Zweitens, wird das Recht der individuellen Meinungsfreiheit durch eine Institution vertreten, der so genannten „Speaker’s Corner“ im Hydepark London. In der Form gibt es diese nur in Großbritannien. Dort hat jeder das Recht und die Möglichkeit, seine politische Meinung kundzutun. In Deutschland zählt Speaker’s Corner weitgehend als Touristenattraktion, dennoch beeindruckt die unbegrenzte Meinungsfreiheit. Die einzige Regel gilt die Queen nicht zu beleidigen. Da jeder seine noch so absurde Meinung vortragen kann, kommt es des Öfteren zu angeregten Debatten, da sich das Publikum vielfach zu Widerspruch provoziert fühlt. Genau wie in politischen Debatten trägt jemand seine Forderung vor und es folgt Rede und Gegenrede der jeweiligen Parteien. Das Publikum verfolgt den Austausch der Argumente und kommt zu einer eigenen Meinungs- und Urteilsbildung.
Drittens, werden in den Schulen Großbritanniens und denen der USA Debatten systematisch eingeübt. Es existieren sogar in den Schulen Debattierclubs denen die Schüler beitreten können wenn sie mindestens 13 Jahre alt sind.[4] Diese Clubs unterliegen der Führung eines Lehrers. Geübt werden, wie auch in der Pro- und Contradebatte als Methode im Sozialkundeunterricht, Kreativität und Schlagfertigkeit, Toleranz und Humor. Weiterhin wird das strukturierte Reden trainiert sowie die Schwachstellen des Gegners zu erkennen. Das Wichtigste hierbei ist für die Schüler aber der eigentliche Spaß. Die Inhalte sind zweitrangig, und genau hier besteht der entscheidende Unterschied zur Pro- und Contradebatte im Politikunterricht.
Betrachtet man dagegen die Geschichte der Pro- und Contradebatte in Deutschland, erkennt man dass eine vergleichbare „Streitkultur“ hierzulande noch wenig ausgeprägt ist.[5] Im alten Rom genoss die Rhetorik, auch „Königin der Künste“ genannt, noch hohes Ansehen. Durch die Verbreitung der mathematisch orientierten Wissenschaften verschwand die Rhetorikausbildung an deutschen Lehrstätten fast vollständig bis Ende des 19. Jahrhunderts. Deutlich wurde hierzulande mit der alten Lehrtradition gebrochen, und zwar in einem Ausmaß, welches einmalig war. Erst in den letzten Jahren hielt die Technik der freien Rede wieder Einzug in deutsche Schulen und Universitäten.
Pro- und Contradebatten spielen aber andererseits seit jeher in Deutschland eine große Rolle bei Wahlkämpfen. So werden, beispielsweise, seit 2002 so genannte Fernsehduelle der beiden großen Volksparteien durchgeführt.
3. Zum Stellenwert der Pro- und Contradebatte
Die politische Bildung im Sozialkundeunterricht kann soziale Kompetenzen wie Flexibilität, Teamfähigkeit und Prozessdenken vermitteln, da diese nicht nur beruflich nützlich, sondern auch für gesellschaftliches und politisches Handeln bedeutsam sind. Das bedeutet für die politische Bildung, dass sie eine Verknüpfung zwischen selbstständigem Denken und Handeln, sowie individueller Wissensaneignung herstellen muss. Nicht nur die Vermittlung von Wissen, sondern insbesondere die Schulung von Wahrnehmungs-, Orientierungs-, und Kommunikationsfähigkeiten fördert die Persönlichkeitsentwicklung der Schüler.[6] Die Unterrichtsmethode der Pro- und Contradebatte kann hierzu einen wesentlichen Teil beitragen. Jedoch wird sie erst mit der Thematisierung von politischer Urteilsbildung im Politikunterricht auch als eigenständige Methode gesehen.
Der Stellenwert innerhalb der Methoden ist allerdings nicht eindeutig. So wird die Pro- und Contradebatte einerseits als Form der Darbietung und Aneignung politischen Wissens, andererseits als bloße Gesprächsform der Kommunikationstechnik oder aber auch nur als Arbeitsweise gesehen.[7]
In jedem Fall fördert die Pro- und Contradebatte als spezifische Makromethode die Ziele des Faches Politik. Daher sollten die Schüler während ihrer Schulzeit mehrere Pro-Contradebatten durchgeführt haben. Das bedeutet, dass in der Halbjahresplanung für das Fach in einzelnen Unterrichtseinheiten der Einsatz dieser Methode vorgesehen werden sollte. Allein schon aus dem Grund, da die Pro- und Contradebatte einen problemorientierten Unterricht ermöglicht, der von den Schülern Perspektiven- und Rollenwechsel erfordert. Die Schüler müssen sich bei dieser Form der Interaktion im Unterricht mit einem Problem und dessen Auseinandersetzung befassen. Folglich ist somit eine Urteilsfällung und Meinungsbildung verbunden, die ebenso die Auseinandersetzung mit der Meinung der Gegenseite fordert.
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[1] Massing, Peter: Pro-Contra-Debatte. In: Mickel, Wolfgang W. (Hg.): Handbuch zur politischen Bildung. Bundeszentrale für politische Bildung, Schriftenreihe Band 358, Bonn 1999, S.443
[2] Massing, Peter: Pro-Contra-Debatte. In: Mickel, Wolfgang W. (Hg.): Handbuch zur politischen Bildung. Bundeszentrale für politische Bildung, Schriftenreihe Band 358, Bonn 1999, S.443
[3] http://www.bpb.de/methodik/9EAB4S,0,0,5_ProContraDebatte.html, 26.04.2006
[4] Methodentraining I für den Politikunterricht. Bundeszentrale für politische Bildung. Bonn, 2.Auflage, 2006, S. 145
[5] Vgl.: Methodentraining I für den Politikunterricht. Bundeszentrale für politische Bildung. Bonn, 2.Auflage, 2006,S. 146
[6] Vgl.: Mannheim-Runkel, Monika: Spielend lernen: Entfaltung personaler Kompetenzen in Interaktionsspielen als Vorraussetzung politischer Handlungsfähigkeit. In: Sander, Wolfgang (Hrsg.): Handbuch politische Bildung. Reihe Politik und Bildung, Band 11, Wochenschau Verlag Schwalbach/Ts., 1997, S. 447
[7] Methodentraining I für den Politikunterricht. Bundeszentrale für politische Bildung. Bonn, 2.Auflage, 2006, S.146