Häufig wird die Hinwendung Emile Durkheims mit dem Erscheinen sei-nes Werkes „Die elementaren Formen des religiösen Lebens“ 1912 zur Religion als „kulturelle Wende“ (Alexander 1988 zit. n. Müller 2003, S. 162) in seinem Werk bezeichnet. Doch bildet diese Abhandlung nur den Gipfel der durkheimschen Religionssoziologie. Ihr sind eine Reihe von Vorlesungen und Veröffentlichungen, wie „Über soziale Arbeitsteilung“ (1893), „Der Selbstmord“ (1897), die „Année sociologique“ und andere voraus gegangen, die sich bereits eingehend mit der Religion als wichtiger Erklärungsgröße beschäftigten (vgl. Müller 2003, S. 170). Somit liegt „vielleicht eine der wichtigsten Leistungen der ganzen Durkheim-Schule auf dem Gebiet der Religi-onssoziologie“ (König 1978, S. 239).
Doch soll es nicht Ziel dieser Arbeit sein, die Errungenschaften und Erkenntnisse der Durkheimschen religionssoziologischen Theorie darzulegen, Vielmehr steht die vielschichtige Kritik die in der Folgezeit seit des Erscheinens von namhaften Gelehrten, die sich mit dieser beschäftigten geübt wurde, im Vordergrund des Erkenntnisinteresses. Das Hauptaugenmerk liegt dabei auf der Frage nach den zentralen Kritikpunkten an den Grundlagen der religionssoziologischen Untersuchung der australischen Stam-meskultur und des Totemismus, nämlich den Ausgangspunkten der Studie. Dies sind zum einen das ethnologischen Datenmaterial und dessen Herkunft und zum anderen die Totemismus-Vorstellung Durkheims. So kritisiert der Ethnologe Josef Franz Thiel (1932-heute) unter anderem die Tatsache, das Durkheim nie selbst vor Ort Feldfor-schung betrieben hat. Der Sozialanthropologe Edward E. Evans-Pritchard (1902-1973) macht in seiner Kritik insbesondere auf die Mängel im ethnographischen Basismaterial aufmerksam und der Ethnologe und Anthropologe Claude Lévi-Strauss (1908-2009) schließlich widerlegt auf Grund von eigenen Studien Durkheims Vorstellung vom Totemismus.
Diese drei zentralen Kritikpunkte an der Basis der Durkheimschen religionssoziologi-schen Studie sollen in dieser Arbeit in ihren Kernargumentationsschritten nachvoll-ziehbar dargestellt und in ihren Auswirkungen auf die Durkheimsche Religionssoziolo-gie erläutert werden. Dabei werden eingangs zunächst kurz die zentralen Erkenntnisse des Durkheimschen Werkes von 1912 dargelegt und anschließend werden die eben genannten drei Kritikrichtungen in ihren Kernaussagen vorgestellt. Vor diesem Hinter-grund werden dann sich aus der Kritik ergebende noch offene Fragen diskutiert.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitende Gedanken
- Die religionssoziologische Studie Durkheims
- Die zentrale Kritik an den Ausgangspunkten der Durkheimschen religionssoziologischen Studie
- Kritik am fehlenden eigenen Feldzugang Durkheims
- Kritik am ethnologischen Basismaterial
- Die Widerlegung der Durkheimschen Totemismus-Vorstellung
- Sich aus der Kritik ergebende offene Fragen
- Abschließende Gedanken
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Dieses Forschungspapier befasst sich mit der zentralen Kritik, die an den Grundlagen der religionssoziologischen Studie Durkheims geäußert wurde. Es untersucht die Kritik an den Ausgangspunkten der Studie, insbesondere am ethnologischen Datenmaterial und der Totemismus-Vorstellung Durkheims.
- Die Kritik am fehlenden eigenen Feldzugang Durkheims
- Die Kritik am ethnologischen Basismaterial
- Die Widerlegung der Durkheimschen Totemismus-Vorstellung
- Die Auswirkungen der Kritik auf die Durkheimsche Religionssoziologie
- Offene Fragen, die sich aus der Kritik ergeben
Zusammenfassung der Kapitel
Einleitende Gedanken
Die Arbeit beleuchtet die vielschichtige Kritik an der religionssoziologischen Studie Durkheims, die sich auf die Frage nach den zentralen Kritikpunkten an den Grundlagen der Untersuchung der australischen Stammeskultur und des Totemismus konzentriert.
Die religionssoziologische Studie Durkheims
Durkheims Werk „Die elementaren Formen des religiösen Lebens“ beschäftigt sich mit der Frage, was eine Gesellschaft zusammenhält und wie eine Gesellschaft ihr Wissen organisiert. Die Theorie baut auf vier zentralen Annahmen auf: die primitive Religion ist ein Clankult, dieser Clankult ist totemistisch, der Gott des Clans ist der spiritualisierte Clan selbst, und der Totemismus ist die ursprünglichste Form der Religion.
Die zentrale Kritik an den Ausgangspunkten der Durkheimschen religionssoziologischen Studie
Diese Sektion behandelt die Kritik am fehlenden eigenen Feldzugang Durkheims, die Kritik am ethnologischen Basismaterial und die Widerlegung der Durkheimschen Totemismus-Vorstellung durch Claude Lévi-Strauss.
Sich aus der Kritik ergebende offene Fragen
Diese Sektion diskutiert offene Fragen, die sich aus der Kritik an Durkheims Studie ergeben.
Schlüsselwörter
Durkheim, Religionssoziologie, Totemismus, Ethnologie, Feldforschung, Kritik, Stammeskultur, Australien, Religion, Gesellschaft, Soziologie, Kultur, Wissen.
- Quote paper
- Bachelor of Arts Julia Erdmann (Author), 2011, Zentrale Kritikpunkte an den Grundlagen der religionssoziologischen Studie Durkheims, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/188051