Führungsprobleme eines kommunalen Versorgungsunternehmens unter den Bedingungen des öffentlichen Auftrags, der Marktwirtschaft und der Politik


Masterarbeit, 2011

75 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

1 Einleitung

2 Grundlagen
2.1 Historische Entwicklung der Versorgungswirtschaft bis 1998
2.2 Liberalisierung der Energieversorgung seit 1996/1998
2.2.1 Vom EU-Binnenmarktkonzept zu den Binnenmarktrichtlinien Elektrizität und Gas
2.2.2 Die Reform des Energiewirtschaftsrechts 1998
2.2.3 Von den EU-Beschleunigungsrichtlinien zur EnWG-Novelle 2005
2.3 Strukturelle Veränderungen der Versorgungsmärkte seit Beginn der Liberalisierung

3 Führungsprobleme kommunaler Versorgungsunternehmen aufgrund ihres öffentlichen Charakters
3.1 Stadtwerke und der öffentliche Auftrag
3.2 Einschränkungen aufgrund des Örtlichkeitsprinzips im Gemeindewirtschaftsrecht
3.3 Kommunalpolitische vs. marktwirtschaftliche Steuerung
3.4 Zielkonflikte in gemischtwirtschaftlichen Stadtwerken
3.4.1 Gewinnmaximierung vs. Daseinsvorsorge
3.4.2 Effizienzsteigerung vs. Beschäftigungssicherung
3.4.3 Haushaltskonsolidierung vs. Steuerung und Kontrolle

4 Führungsprobleme im Kontext energiepolitischer und regulatorischer Rahmenbedingungen
4.1 Energiewende in Deutschland im Spannungsfeld zwischen Atomausstieg und Klimaschutz und die Rolle der Stadtwerke
4.2 Herausforderungen bei der Investitionen in eigene Erzeugungskapazitäten
4.2.1 Erneuerbare Energien
4.2.2 Kraft-Wärme-Kopplung
4.3 Investitionen in den Verteilnetz-Ausbau vs. Anreizregulierung
4.3.1 Grundprinzip und Funktionsweise der Anreizregulierung
4.3.2 Probleme im Bereich der Anreizregulierung aus Sicht der Stadtwerke

5 Fazit

Literaturverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Elemente der elektrizitätswirtschaftlichen Wertschöpfungskette

Abbildung 2: Elemente der gaswirtschaftlichen Wertschöpfungskette

Abbildung 3: Vertragsstrukturen in der Stromversorgung

Abbildung 4: Regelzonen deutscher Übertragungsnetzbetreiber

Abbildung 5: Emnid-Studie: Stadtwerke im Spiegel der öffentlichen Meinung

Abbildung 6: Rangfolge der Bedingungen für mögliche Stadtwerke-Privatisierungen

Abbildung 7: Anteile der Energieträger an der Netto-Stromerzeugung in Deutschland (in %)

Abbildung 8: Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien in Mrd. kWh

Abbildung 9: Netzentgelte Elektrizität 2006-2010

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1: Privatisierungen von Stadtwerken

Tabelle 2: Rekommunalisierungen von Stadtwerken

Tabelle 3: Die Schrankentrias aus §67 Abs. 1 der Dt. Gemeindeordnung von 1935

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1 Einleitung

In Zeiten der Globalisierung ist wirtschaftliches Handeln von einer Dynamik geprägt, die weit über den bloßen Austausch von Waren und Dienstleistungen, die Errichtung von Produkti- onsstätten im Ausland oder die Kommunikation über das Internet hinausgeht. Unter der al- lerorts zu beobachtenden Betonung eines ÄZusammenwachsens der Märkte“ wird häufig außer Acht gelassen, dass ein in dieser Form nie dagewesener Wettbewerb unter den etab- lierten und aufstrebenden Volkswirtschaften herrscht. Um sich in diesem kompetitiven Um- feld zu behaupten, wurde u.a. die Europäische Union gegründet, deren Grundidee - unab- hängig von ihrer gegenwärtigen Krise - darin besteht, als in sich geschlossener Wirtschafts- raum ein Gegengewicht zu den Mitstreitern auf dem Weltmarkt zu bilden. Das hiermit ver- bundene Ziel der Schaffung eines liberalisierten europäischen Binnenmarkts und intensiven Wettbewerbs hat die Situation historisch gewachsener, über Jahrzehnte praktisch gleichge- bliebener Marktstrukturen grundlegend verändert - ein Wandel, von dem insbesondere die Energiewirtschaft betroffen ist, in der Staat und Kommunen seit weit mehr als 50 Jahren als Monopolisten weitestgehend frei, weil ohne Konkurrenz, agieren konnten. Vor diesem Hin- tergrund rückt die vorliegende Arbeit die Führungsprobleme kommunaler Versorgungsunter- nehmen respektive Stadtwerke1 in einen größeren Kontext. Dabei soll das Spannungsfeld zwischen öffentlichem Auftrag, Marktwirtschaft und Politik, in dem sich diese bewegen, auf- gezeigt und eine Analyse der sich hieraus ableitenden Herausforderungen für das Manage- ment durchgeführt werden.

Inhaltlich ist die - in den Bereich des strategischen Managements einzuordnende - Arbeit in ein Grundlagen- und zwei Hauptkapitel untergliedert. Da die Führungsprobleme von Stadt- werken untrennbar mit den politischen und marktwirtschaftlichen Veränderungen der letzten 13 Jahre verbunden sind, steht im Grundlagenteil zunächst die Liberalisierung der Versor- gungsmärkte im Vordergrund. Den Ausgangspunkt bildet hierbei eine kurze Darstellung der Situation der kommunalen Versorger vor der besagten Liberalisierung (Kapitel 2.1). Deren historischer Verlauf wiederum ist Gegenstand des zweiten Unterkapitels (2.2), wobei im Ein- zelnen der Weg vom EU-Binnenmarktkonzept zu den Binnenmarktrichtlinien Elektrizität und Gas (Kap. 2.2.1), zu dem als Grundstein der Liberalisierung in Deutschland geltenden Ener- giewirtschaftsgesetz von 1998 (Kap. 2.2.2) und im Weiteren zu den EU- Beschleunigungsrichtlinien und Energiewirtschaftsgesetz-Novellen von 2005 und 2008 (Kap. 2.2.3) nachgezeichnet wird. Als Kontrapunkt zu Kapitel 2.1 fungiert schließlich das Kapitel 2.3, in dem die strukturellen Veränderungen der Versorgungsmärkte seit Beginn der Liberali- sierung beleuchtet werden und welches zugleich den Abschluss des Grundlagenteils mar- kiert.

Im ersten Hauptkapitel sollen dann solche Führungsprobleme kommunaler Versorgungsun- ternehmen in einen größeren Kontext gerückt werden, die einen speziellen Bezug zu deren öffentlichem Charakter aufweisen. Dabei werden zunächst der sog. öffentliche Auftrag und das unmittelbar daraus resultierende inhärente Führungsproblem von Stadtwerken behandelt (Kap. 3.1). Die in diesem Abschnitt reflektierten Aspekte schaffen die Voraussetzung dafür, in Kapitel. 3.2 die Einschränkungen gemeindewirtschaftlicher Betätigungen aufgrund des sog. Örtlichkeitsprinzips näher zu betrachten. In Kapitel 3.3 sollen, unter dem Titel Äkommu- nalpolitische vs. marktwirtschaftliche Steuerung“, das Spannungsfeld aufgezeigt werden, das dadurch entsteht, dass Stadtwerke einerseits kommunale, öffentlichen Aufgaben verpflichte- te Eigentümer haben, aber andererseits heutzutage zu wirtschaftlichem Handeln gezwungen sind. Wie sehr sich die Führungsprobleme wiederum ausweiten und welche Zielkonflikte sich ergeben können, wenn nicht nur die Kommune, sondern auch ein privater Kooperationspart- ner Eigentümer ist, wird in Kapitel 3.4 beleuchtet. Konkret sind darin die Zielkonflikte Ge- winnmaximierung vs. Daseinsvorsorge (3.4.1), Effizienzsteigerung vs. Beschäftigungs- sicherung (3.4.2) und Haushaltskonsolidierung vs. Steuerung und Kontrolle (3.4.3) Gegen- stand der Betrachtung.

Das zweite Hauptkapitel lenkt den Fokus von den persistierenden kommunalspezifisch- organisatorischen Fragestellungen hin zu Führungsproblemen, die in unmittelbarem Zu- sammenhang zu energiepolitischen und regulatorischen Aspekten stehen, präsentiert also einen Teilausschnitt jener Bereiche, die von einer besonderen Dynamik und nahezu tägli- chen Veränderungen gekennzeichnet sind. Kapitel 4.1 beinhaltet eine Darstellung des Span- nungsfelds zwischen der Generationenaufgabe Klimaschutz einerseits und dem nach dem Erdbeben und Reaktorunfall von Fukushima beschlossenen Atomausstieg andererseits. Es zeigt desweiteren auf, wie die jüngsten Ereignisse die Zeit für den Umbau des Energiesys- tems verkürzt haben und welche Rolle die Stadtwerke dabei einnehmen. Da in diesem Zu- sammenhang die Investition in eigene Energieerzeugungskapazitäten ein zentraler Baustein ist, wird selbigem Thema mit Abschnitt 4.2 ein eigenes Unterkapitel gewidmet, das sich zum einen mit dem Ausbaubedarf bei erneuerbaren Energien (4.2.1) und Kraft-Wärme-Kopplung (4.2.2) befasst und dabei zum anderen auch die wachsende Bedeutung strategischer Koope- rationen zur Finanzierung solcher Investitionsprojekte in den Blick nimmt. Der energiewirt- schaftlichen Wertschöpfungskette von der Erzeugung zum Netzbetrieb folgend, behandelt Kapitel 4.3 den unmittelbar aus dem Aus- und Umbau der Energieerzeugung resultierenden Investitionsbedarf im Netzbereich, wobei der Handlungsspielraum der Stadtwerke insbeson- dere durch die sog. Anreizregulierung stark eingeschränkt ist. Dieses Konzept soll zunächst hinsichtlich seines Grundprinzips erläutert (4.3.1) werden, bevor es zu einer Analyse der da- durch hervorgerufenen Führungsprobleme kommt (4.3.2). Den Abschluss der Arbeitet bildet schließlich ein Fazit, das der Zusammenfassung und Abrundung der aufgeworfenen Themen dienen soll.

Ziel der Arbeit insgesamt ist es, die behandelten Themenkreise mit einem angemessenen Detaillierungsgrad darzustellen. Um diesem Anspruch gerecht zu werden, soll - auch angesichts des begrenzten Seitenumfangs - zu Gunsten einer eingehenderen Darstellung der Probleme auf Versorgungsebene (insbes. die 2 Hauptfunktionen Strom-, Gasversorgung) der ebenfalls von den Stadtwerken abgedeckte Bereich der Entsorgungsleistungen (Hausmüll, Abwasser) ausgeklammert werden. Auch der Wasserversorgung soll kein eigenes Kapitel gewidmet werden, wenngleich die darin stattfindenden Veränderungen im Verlaufe der Arbeit punktuell Erwähnung finden werden. Teil dieses Ausschnitts kommunaler Führungsprobleme respektive der konzeptionellen Ausrichtung der Arbeit ist ferner die Verdeutlichung der behandelten Probleme anhand zahlreicher Praxisbeispiele.

2 Grundlagen

Um die Führungsprobleme kommunaler Versorgungsunternehmen begreifbar machen zu können, ist ein Grundverständnis für die Entwicklung des Versorgungssektors in der Gegen- wart sowie in seiner jüngeren und älteren Vergangenheit unabdingbar. Ausgehend von einer Darstellung der Historie von Energie- und Wasserversorgung, sollen in diesem Kapitel die (bisherigen) Etappen der vor allem für die Stadtwerke so einschneidenden Liberalisierung nebst daraus resultierenden Veränderungen der Marktstrukturen näher beleuchtet werden.

2.1 Historische Entwicklung der Versorgungswirtschaft bis 1998

Die Geschichte der deutschen Versorgungswirtschaft geht auf das 19. Jahrhundert zurück. Betrachtet man die historische Entwicklung, so fällt auf, dass sich der Staat respektive die Kommunen bei der Versorgung Äihrer“ Bürger mit Energie und Wasser zunächst weitestgehend zurückhielten. Vielmehr waren es privatwirtschaftliche Unternehmen, die in den Anfangsjahren auf diese neuen Märkte drängten.

Im Bereich der Wasserversorgung setzte die Entwicklung Mitte des 19. Jahrhunderts ein. Die ersten Wasserversorgungsanlagen befanden sich in der Hand privater, mitunter gar aus- ländischer Unternehmen.2 Gleichwohl erwies sich eine Betätigung auf diesem Feld aus ihrer Sicht schnell als ambivalente Angelegenheit: Während der Versorgungsbereich durchaus wirtschaftlich rentabel war, stellte die Entsorgung in erster Linie ein Verlustgeschäft dar. Um eine Vernachlässigung der Abwasserbeseitigung unter der Ä..Privatisierung der Gewinne und einer Sozialisierung der Verluste..“3 zu vermeiden, unterwarfen die Kommunen Unterneh- men, die nicht auf Ver- und Entsorgungsebene gleichzeitig tätig waren, zunächst einer ge- werblichen Steuerpflicht - ein Aspekt, der auf der einen Seite nicht unwesentlich dazu beige- tragen haben dürfte, dass eine weitere Expansion im Wassersektor für die privaten Unter- nehmen zunehmend unattraktiv wurde. Auf der anderen Seite zeigten sich schon zu dieser Zeit die fundamentalen, im späteren Verlauf dieser Arbeit eingehender behandelten Gegen- sätze zwischen der als kommunale Pflicht aufgefassten Versorgung aller Bevölkerungs- schichten und dem privatwirtschaftlichem Rentabilitätskalkül.4 Letzteres schlug sich vor al- lem in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts in überhöhten Preisen, veralteten Anlagen, der Nichterschließung einzelner Stadtteile und einem zunehmendem Ausschluss der ärme- ren Bevölkerung von den lebensnotwendigen Grundleistungen nieder.5 Mithin nahmen sich im Zuge der Herausbildung leitungsgebundener Infrastrukturen in der Folge die Kommunen der Wasserversorgung an, sodass diese Aufgabe um die Jahrhundertwende vorwiegend von den allerorts gegründeten Stadtwerken wahrgenommen wurde - eine Entwicklung, die sich in ganz ähnlicher Weise im Bereich der Gasversorgung vollzog. Auch hier traten - bereits in den 1830er Jahren - die privaten Unternehmen als Marktpioniere hervor und kam es aus sozialpolitischen Gründen respektive zur Gewährleistung der Versorgungssicherheit insbe- sondere in den 1860er und 1890er Jahren zu einer weitreichenden Kommunalisierung.6 Im vergleichsweise jungen Elektrizitätssektor gehen die Anfänge in Deutschland auf das En- de der 80er und 90er Jahre des 19. Jahrhunderts zurück. Bereits 1882 hatte Thomas Alva Edison in New York das erste, eine öffentliche Stromversorgung ermöglichende Elektrizi- tätswerk eingeweiht. Hierzulande beschränkte man sich zu dieser Zeit noch auf private Er- zeugungsanlagen, die beispielsweise in Hamburg Warenhäuser, Restaurants oder Hotels mit Strom versorgten. hber sog. ÄBlockstationen“, die ganze Häuserreihen mit elektrischer Ener- gie beliefern konnten, dauerte es bis Ende der 1890er Jahre, bis der technische Fortschritt die Stromproduktion in größeren Kraftwerken nebst leitungsgebundener Verteilung ermög- lichte.7 Erst mit Gründung der Rheinisch-Westfälischen Elektrizitätswerks AG (RWE) setzte dann die Entwicklung der Energieversorgung zu einem eigenständigen Wirtschaftszweig ein, der zunächst wiederum vorwiegend privatwirtschaftlich organisiert war.8 Der Stromverbrauch stieg in dieser Periode stark an, sodass immer mehr, auch öffentlich-wirtschaftliche Anbieter in den Markt drängten. Allein bis 1911 entstanden 557 als AG oder GmbH firmierte, 703 kommunale, 171 genossenschaftliche und 22 Versorgungsunternehmen von Kommunalver- bänden sowie 967 Überlandzentralen.9 In den 1910er und 1920er Jahren wurde mit dem flächenden deckenden Bau von Hochspannungsleitungen vor allem auf kommunaler Ebene der Wandel hin zu einer überregionalen Elektrizitätsversorgung stark vorangetrieben. Über exklusive Wegenutzerechte, sog. Konzessionen, sicherten sich die Städte und Gemeinden eine weit reichende Monopolstellung und teilten die Versorgungsgebiete mithilfe von Demar- kationsverträgen untereinander auf. Demgegenüber setzte auf der vorgelagerten Erzeu- gungsstufe bereits zu diesem Zeitpunkt ein weit reichender Konzentrationsprozess ein, bei dem - und dies hat sich, wie später gezeigt werden wird, bis heute zu einem festen Ist- Zustand entwickelt - der kommunale Anteil zugunsten der überörtlich agierenden privaten Großerzeuger zunehmend zurückging. Mehr noch: unter dem Druck der Wirtschaftskrise und der hohen kommunalen Verschuldung waren viele Stadtwerke zum Verkauf ihrer Anlagen an private Unternehmen gezwungen - ebenfalls ein bis heute weit verbreitetes Phänomen. Un- ter der NS-Herrschaft, die mit der Einführung der Deutschen Gemeindeordnung zwecks Etablierung einer zentralistischen Struktur die unternehmerischen Freiheiten der Stadtwerke stark einschränkte (Vgl. hierzu Kapitel 3.2), wurde deren Position weiter geschwächt. Mit der Einführung des Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG) im Jahre 1935 wurde den Energieunter- nehmen z.B. erstmals eine Anzeige- und Genehmigungspflicht für den Bau, die Erneuerung, Erweiterung oder Stilllegung von Energieanlagen belegt.10

Dessen ungeachtet, profitierten die Stadtwerke spätestens seit dem 1957 eingeführten Ge- setz der Wettbewerbsbeschränkung (GWB) und der damit verbundenen Freistellung von den Einschränkungen des Kartellrechts von einer über mehr als 50 Jahre unangetasteten Mono- polstellung. Als umso einschneidender sollte sich indes die Liberalisierung der Versor gungsmärkte in den Jahren 1996 bzw. 1998 erweisen. Diese ist Gegenstand des nachfolgenden Unterkapitels.

2.2 Liberalisierung der Energieversorgung seit 1996/1998

Die sog. Liberalisierung der Versorgungsmärkte impliziert die Öffnung für den Wettbewerb unter Auflösung der staatlichen Monopole. Sie erreichte bspw. neben der Post oder der Te- lekommunikation Mitte der 90er Jahre des 21. Jahrhunderts auch den Bereich der Energie- versorgung.11 Dabei bestand die Grundintention im Wesentlichen in zwei Aspekten: 1.) der Überzeugung, dass Monopole prinzipiell mit überhöhten Preisen für den Verbraucher bzw. Wohlfahrtsverlusten einhergehen sowie 2.) dem weit verbreiteten Dogma einer aus dem mangelnden Wettbewerb und der fehlenden Substitutionsmöglichkeit für den Kunden resul- tierenden Ineffizienz. Letzterer Punkt, so die Argumentation, trifft vor allem auf öffentliche Unternehmen zu, die im Gegensatz zu privatwirtschaftlichen Firmen i.d.R. kein klares Ge- winnziel verfolgen und daher als geradezu prädestiniert für ineffizientes Handeln gesehen werden.12

2.2.1 Vom EU-Binnenmarktkonzept zu den Binnenmarktrichtlinien Elektrizität und Gas

Der Anstoß für die Liberalisierung des deutschen Energiemarkts erfolgte bereits Ende der 80er Jahre des vergangenen Jahrhunderts - und zwar auf europäischer Ebene. Als Aus- gangspunkt ist hierbei das Ziel der Schaffung eines auf Wettbewerb und Marktwirtschaft ba- sierenden europäischen Binnenmarkts zu betrachten.13 Bereits In der Einheitlichen Europäi- schen Akte (EEA) von 1987 wurde dieses Ziel erstmals festgeschrieben und der Binnen- markt unter Änderung des Gründungsvertrages der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) von 1957 und Weiterführung der darin zumindest formell eingeführten vier Grundfrei- heiten definiert als ÄRaum ohne Binnengrenzen, in dem der freie Verkehr von Waren, Per- sonen, Dienstleistungen und Kapital gemäß den Bestimmungen dieses Vertrags gewährleis- tet ist"14. Im darauffolgenden Jahr veröffentlichte die Europäische Kommission das Arbeits- dokument ÄBinnenmarkt für Energie“ (KOM 1988). Es enthielt eine Bestandsaufnahme der wesentlichen Binnenmarkt- und Wettbewerbshindernisse und schlug entsprechende Maß- nahmen zu deren Beseitigung vor. An dieser Stelle seien die Öffnung öffentlicher Energie- versorger für den Wettbewerb, die Abschaffung nationaler Kohlebeihilfen und die Harmoni- sierung von Umweltschutznormen beispielhaft erwähnt.15 Die Strompreistransparenzrichtlinie von 1990 kann als unmittelbare Folge dieses Arbeitsdokuments betrachtet werden. Sie zwang die Gemeinschaftsstaaten dazu, den Energieversorgungsunternehmen eine Berichts- pflicht hinsichtlich ihrer industriellen Abnehmern in Rechnung gestellten Strom- und Gasprei- se aufzuerlegen.16 Einen weiteren Schritt hin zu mehr Wettbewerb bildeten schließlich die Richtlinien über den Transit von Elektrizität17 und Gas18, die grenzüberschreitende Netz-zu Netz-Durchleitungen innerhalb der EG erleichtern sollten und rückblickend gemeinsam mit der Transparenzrichtlinie die erste Stufe im europäischen Binnenmarktkonzept bildeten19.20 Mit dem Gründungsvertrag von Maastricht von 1992, bei dem das Staatenbündnis in Europä- ische Union (EU) umbenannt wurde, ging die Verantwortung für die Vollendung des Binnen- markts an die Europäische Kommission über.21 Sie wurde damit gewissermaßen zum supra- nationalen Wettbewerbshüter, der verbotene Ä..Vereinbarungen zwischen Unternehmen, Be- schlüsse von Unternehmensvereinigungen und aufeinander abgestimmte Verhaltenswei- sen..“22 sowie die Ämissbräuchliche Ausnutzung einer beherrschenden Stellung auf dem ge- meinsamen Markt“23 kontrollieren und verhindern sollte. Der Forcierung des Wettbewerbs innerhalb der Gemeinschaft liegen m.E., auch der medialen Darstellung zufolge, zwei Pri- märziele zugrunde: die Stärkung der globalen Wettbewerbsfähigkeit der EU einerseits sowie Preissenkungen für die Endverbraucher durch Kosteneinsparungen und Effizienzsteigerun- gen andererseits.

Am 19. Februar 1997 trat, nach fünfjährigen Verhandlungen, auf Initiative der EU- Kommission die Elektrizitätsbinnenmarktrichtlinie (EltRL) in Kraft.24 Sie hatte die Schaffung eines wettbewerbsorientierten Strommarkts zum Ziel und sollte den Grundstein für eine weit- reichende Umstrukturierung des Sektors legen.25 In Art. 2 gibt die Richtlinie dem Leser zu- nächst einen Definitionenkatalog an die Hand, in dem Elemente und Akteure der elektrizi- tätswirtschaftlichen Wertschöpfungskette skizziert werden. Es ist m.E. sowohl im Hinblick auf das bisherige als auch das weitere Verständnis der Arbeit sinnvoll, deren Bestandteile kurz in den Blick zu nehmen. Die nachfolgende Abbildung gibt daher einen kurzen Überblick:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Elemente der elektrizitätswirtschaftlichen Wertschöpfungskette

[Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an: Art. 2 EltRL]

Das Geschäftsmodell der Versorgungsunternehmen basiert, sofern sie nicht als integrierte EVU selbst auf der Erzeugungsebene tätig sind, auf dem Einkauf der Energie bei den Er- zeugern und deren Weiterverkauf an den Endkunden unter Nutzung von Übertragungs- bzw. Versorgungsnetzen. Im Normalfall wird die in sog. Stromlieferverträgen vereinbarte bloße Lieferung der Elektrizität um weitere Dienstleistungen, wie etwa das Ablesen der Zählerstän- de ergänzt.26 Im Zuge der Liberalisierung hat sich zudem inzwischen der - in der Abbildung nicht dargestellte - Stromhandel fest etabliert, der den Einkauf von Elektrizität an der Strom- börse ermöglicht und neben Erzeugung und Transport und als dritte strategische Säule in der Energiewirtschaft immer mehr in den Vordergrund tritt.27 Der Netzbetrieb wiederum ist grundsätzlich als natürliches Monopol ausgestaltet. Eine Klärung dieses Begriffs schließt sich im nachfolgenden Absatz an. Davon unabhängig ist bereits an dieser Stelle herauszu- stellen, dass die Stadtwerke vorwiegend auf der Verteilnetzebene tätig sind, während sich die Übertragungsnetze nach wie vor in der Hand der großen privatwirtschaftlichen Energie- konzerne befinden (Vgl. hierzu Kap. 2.3)

Wie war die Richtlinie nun inhaltlich ausgestaltet? Art. 7 Abs. 1 EltRL legte zunächst fest, dass die Eigentümer der Übertragungsnetze für einen befristeten Zeitraum einen Netzbetrei- ber benennen sollten, dem es gem. Art. 7 Abs. 5 EltRL oblag, neben der eigentlichen Strom- übertragung den Netzunterhalt, dessen Sicherheit, Zuverlässigkeit sowie regelmäßige War- tung sicherzustellen.28 Wichtig ist in diesem Zusammenhang die ökonomische Betrachtung des Netzbetriebs als natürliches Monopol. Ein solches liegt gemeinhin dann vor, wenn ein einziger Anbieter eine Ware oder Dienstleistung zu geringeren Kosten anbieten kann als jede größere Zahl von Anbietern.29 Stromnetze sind als Transportwege unabdingbar dafür, dass das Produkt Strom physisch überhaupt erst zu seinem Kunden gelangen kann. Der enorme Investitionsbedarf bei der Errichtung der Netze geht mit hohen irreversiblen, nicht mehr entscheidungsrelevanten Kosten (sog. ‚sunk costs‘) einher und macht deren Parallel- bau quasi unmöglich. In Verbindung mit den geringen Grenzkosten, also dem Aufwand für den Transport einer zusätzlichen Elektrizitätseinheit, wirkt er als klassische Markteintrittsbar- riere für potentielle Substitute.30

Dass beim Netzbetrieb auch in Zukunft kein Wettbewerb möglich sein würde, wurde von der Richtlinie also gewissermaßen als unvermeidbarer Umstand hingenommen. Demgegenüber stand die historisch einschneidende Konfrontation der Übertragungsnetzbetreiber, fremden Versorgungsunternehmen einen diskriminierungsfreien Zugang zu ihren Transportwegen zu gewährleisten respektive Energiedurchleitungen zu denselben Bedingungen zur Verfügung stellen wie Durchleitungen für den eigenen Bedarf.31 Hinsichtlich deren Ausgestaltung bot die Richtlinie den Mitgliedstaaten eine Wahlmöglichkeit zwischen einem verhandelten Netz zugang, einem geregelten Netzzugang und/oder dem sog. ÄAlleinabnehmer-System. Erste- rer beinhaltete den Abschluss individueller Lieferverträge zwischen Stromerzeuger, Versor- gungsunternehmen und Kunden, wohingegen das System des geregelten Zugangs mit einer Veröffentlichung der Tarife durch den Netzbetreiber einhergehen sollte. Das Alleinabnehmer- System wiederum war durch die Benennung eines einzigen Elektrizitätsabnehmers innerhalb des vom Netzbetreiber abgedeckten Gebiets gekennzeichnet.32 Unabhängig davon wurde den Mitgliedstaaten die Option eingeräumt, Netzbetreiber auf nationaler Gesetzesebene zu einer bevorzugten Inanspruchnahme von Elektrizität aus erneuerbaren Energien (EE) und Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) zu verpflichten.33 Ähnliche Normierungen finden sich in Art. 10 bis 12 EltRL auch für den Betrieb der Verteilnetze. Sie reichen in Art. 10 Abs. 1 EltRL gar bis zu der optionalen Auferlegung einer Versorgungspflicht für ÄKunden in einem bestimmten Gebiet“34.

Darüber hinaus stellte die sog. Entflechtung vertikal integrierter Unternehmen, also solcher Unternehmen, die in mehreren Bereichen der Wertschöpfungskette - namentlich Erzeugung, Übertragung und Verteilung - gleichzeitig tätig sind35, einen Kernpunkt der Richtlinie dar. Diesem, vielfach auch als ÄUnbundling“ bezeichneten Konzept zufolge, sollten Erzeugungs-, Übertragungs- und Verteilungsaktivitäten im Rechnungswesen auf getrennten Konten ge- führt und im Anhang des Jahresabschlusses separat ausgewiesen werden.36 Hintergrund dieser Norm war und ist, dass die integrierten Unternehmen ihre natürliche Monopolstellung beim Netzbetrieb dazu missbrauchen könnten, die übrigen, einem Wettbewerb unterliegen- den Bereiche mit versteckten Quersubventionen zu fördern. Insofern ist das Unbundling als Instrument gegen eine potentielle Verzerrung des Wettbewerbs zu betrachten.37 Überhaupt kann die Grundintention der EU darin gesehen werden, wenn schon im Bereich des Netzbe- triebs keine wirkliche Liberalisierung möglich war, so zumindest die Bereiche Erzeugung und Versorgung einem freien Wettbewerb zu unterwerfen.38 In diesen Kontext sind auch die Normen zum Bau von Erzeugungsanlagen, namentlich die Wahlmöglichkeit zwischen Ge- nehmigungs- und Ausschreibungsverfahren39, sowie die u.a. mit der Entflechtung beabsich- tigte Forcierung des innereuropäischen Stromhandels einzuordnen.40

Hinsichtlich ihrer Umsetzung in nationales Recht überließ die EltRL den Mitgliedstaaten rela- tiv viel Spielraum.41 Die Öffnung ihrer Elektrizitätsmärkte unter Auflösung der geschlossenen Versorgungsgebiete sollte schrittweise erfolgen, wobei Art. 19 Abs. 2 EltRL die graduelle Öffnung über ein Zeitfenster von sechs Jahren ermöglichte.42 Die Umsetzung der Binnen- marktrichtlinie für den Stromsektor war bis Februar 1999 vorgesehen, wobei man den Staa- ten mit Schutzklauseln und Übergangsregelungen entgegenkam. Anzuführen sind in diesem Zusammenhang Art. 8 Abs. 4 sowie Art. 24 EltRL, mit den eine zeitlich begrenzte Bevorzu gung von Elektrizität aus heimischen Primärenergieträgern und die temporäre Aufrechterhal- tung deren staatlicher Förderung zugestanden wurde43 sowie ferner die Möglichkeit einer Verweigerung des Netzzugangs bei nicht ausreichenden Kapazitäten.44 Flexibilität gewährte die EU schließlich auch mit Blick auf die Regulierung im Bereich des Netzzugangs: Die grundsätzliche Notwendigkeit einer Regulierung in diesem, weiter oben als natürliches Mo- nopol klassifizierten Bereich wurde erkannt; jedoch überließ man es den Mitgliedstaaten selbst, für eine entsprechende Umsetzung zu sorgen. In Art. 22 EltRL heißt es hierzu: ÄDie Mitgliedstaaten schaffen geeignete und wirksame Mechanismen für die Regulierung, die Kontrolle und die Sicherstellung von Transparenz, um den Missbrauch von marktbeherr- schenden Stellungen zum Nachteil insbesondere der Verbraucher und Verdrängungsprakti- ken zu verhindern“45.

Am 10. August 1998, also rund anderthalb Jahre später, trat das Pendant zur EltRL in Kraft: die Binnenmarktrichtline Gas (GasRL).46 Sie orientierte sich inhaltlich stark an der EltRL und sollte nun auch auf dem Erdgasmarkt den Grundstein für mehr Wettbewerb legen. Wie die EltRL, so leitet auch die GasRL mit einem Definitionenkatalog ein, der einen guten Überblick über die verschiedenen Akteure respektive Bereiche der gaswirtschaftlichen Wertschöp- fungskette liefert.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2: Elemente der gaswirtschaftlichen Wertschöpfungskette

[Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Art. 2 GasRL]

Anders als Strom ist Erdgas, das zur Strom- und Wärmeerzeugung eingesetzt wird, kein Energieträger, der durch eine Erzeugung als solche entsteht.47 Vielmehr handelt es sich da- bei um ein Nebenprodukt der Erdölförderung, dessen Vorkommen größtenteils außerhalb Deutschlands, etwa in Norwegen, Russland oder auf dem afrikanischen Kontinent liegen.48 Grundsätzlich lassen sich die in der Abbildung illustrierten Elemente der gaswirtschaftlichen Wertschöpfungskette auf vier Stufen zusammenfassen: 1.) die Gewinnung (überwiegend durch ausländische Monopolunternehmen, mitunter aber auch noch aus der Förderung deut- scher Gasvorkommen) bzw. den Import (durch Ferngasgesellschaften, wie z.B. E.ON- Ruhrgas) , 2.) den Transport (durch Ferngasgesellschaften bzw. überregionale Versorger via Hochdrucknetze), 3.) die Weiterverteilung und 4.) den Verkauf (durch überregionale Gasver- sorger an die Endabnehmer bzw. an die nachgelagerten Regional- und Ortsgasgesellschaf- ten respektive Stadtwerke via örtliche oder regionale Leitungsnetze).49 Ein wesentlicher Un- terschied zwischen Elektrizitäts- und Gaswirtschaft besteht ferner darin, dass Gas in sog. Gasometern gespeichert werden kann. Dagegen ist die Speicherung von Strom in großen Mengen bislang (noch) nicht möglich, was das Vorhalten entsprechender Reservekapazitä- ten für Nachfragespitzen erforderlich macht.50

Auch bei der GasRL stand der diskriminierungsfreie Zugang, namentlich zum Fernleitungs- und Verteilungsnetz sowie Flüssiggasanlagen, im Mittelpunkt. Bei dessen Realisierung wur- de eine Wahlmöglichkeit zwischen verhandeltem und staatlich reguliertem Netzzugang ein- geräumt.51 Hervorzuheben ist in diesem Zusammenhang Art. 17 Abs.1 GasRL, der den Erd- gasunternehmen unter der Prämisse einer nicht ausreichenden Leistungskapazität das Recht zusprach, den Netzzugang zu verweigern.52 Abs. 2 derselben Norm schränkte dieses Netzzugangsverweigerungsrecht gleichwohl insofern ein, als dass diese in einem solchen Fall von den Mitgliedstaaten zu einer Erweiterung ihrer Kapazitäten gezwungen werden konnten.53 Grenzüberschreitender Zugang sollte zudem auch für das vorgelagerte Rohrlei- tungsnetz - gemeint sind hier Anlagen zur Gasgewinnung und -speicherung sowie Verflüssi- gung und Wiederverdampfung54 - gewährt werden.55 Darüber hinaus sah die Richtlinie das buchhalterische Unbundling von Fernleitungs-, -Verteilungs- und -Speicherungsaktivitäten vertikal integrierter Erdgasunternehmen vor.56 Hinsichtlich der Öffnung für den Wettbewerb wurde den Mitgliedstaaten erneut ein mehrjähriges stufenweises Verfahren zugestanden.57 Wie gestaltete sich nun die Ähbersetzung“ der europäischen Vorgaben der Binnenmarktricht- linien Strom und Gas in den deutschen Ordnungsrahmen? Dieser Frage soll im weiteren Verlauf auf den Grund gegangen werden.

2.2.2 Die Reform des Energiewirtschaftsrechts 1998

Am 29. April 1998 trat in Deutschland das „Gesetz zur Neuregelung des Energiewirtschafts- rechts“ (EnWinG) in Kraft. Als Artikelgesetz ausgestaltet, sollte es nach über 50 Jahren Mo nopolwirtschaft einen grundlegenden Paradigmenwechsel im Energiesektor einleiten.58 Dies gilt zunächst vor allem im Hinblick auf Art. 1, der die Aufhebung der §§ 103 und 103a des 1957 eingeführten Gesetzes der Wettbewerbsbeschränkung (GWB) zum Inhalt hatte. Die Energieversorger waren hierdurch nicht länger von den Einschränkungen des Kartellrechts befreit, sondern diesem - abgesehen von der Wasserwirtschaft, für die ein Fortbestand der alten GWB-Norm vorgesehen war - nunmehr in vollem Umfang unterworfen. Mithin fiel nun auch die Überwachung des Energiemarkts hinsichtlich eines etwaigen marktmissbräuchli- chen Verhaltens der Akteure in den Zuständigkeitsbereich des Bundeskartellamts bzw. - bei Unternehmen, deren Netz sich nicht über mehrere Bundesländer erstreckte - der Landeskar- tellbehörden.59 Gleichbedeutend damit war die Aufhebung der Demarkationsverträge, mit denen die EVU bis dato Äihre“ Gebiete untereinander aufgeteilt und abgesichert hatten. Auf diese Weise wurde nicht nur ein sehr wesentliches Wettbewerbshindernis abgebaut, es wur- de auch eine partielle Harmonisierung mit dem europäischen Kartellrecht erreicht, das etwa im EG-Vertrag jegliche Form wettbewerbseinschränkender oder -verfälschender Absprachen und Zusammenschlüsse als Ä…mit dem gemeinsamen Markt unvereinbar“60 deklariert und mithin untersagt.61

Neben dem bedeutenden Art. 1 war der eigentliche Schwerpunkt des EnWinG in Art. 2 an- gesiedelt: das tiefgreifend novellierte Energiewirtschaftsgesetz (EnWG). Es ergänzte die Aufhebung des kartellrechtlichen Freistellungstatbestands um die Verpflichtung der Netzbe- treiber, Dritten einen diskriminierungsfreien Netzzugang zu gewähren (ÄThird Party Access“). In §6 Abs. 1 EnWG 1998 heißt es hierzu: ÄBetreiber von Elektrizitätsversorgungsnetzen ha- ben anderen Unternehmen das Versorgungsnetz für Durchleitungen zu Bedingungen zur Verfügung zu stellen, die nicht ungünstiger sind, als sie von ihnen in vergleichbaren Fällen für Leistungen innerhalb ihres Unternehmen“62. Als einziges EU-Land entschied sich dabei Deutschland, unter Ausschluss einer staatlichen Regulierung, für die in EltRL und GasRL angebotene Möglichkeit eines verhandelten Netzzugangs. Unmittelbar verknüpft hiermit war auch die von der EU in beiden Richtlinien eingeräumte Möglichkeit, den Netzzugang vorü- bergehend zu verwehren. §20 Abs. 2 Satz1 EnWG 1998 normierte diese Option, wobei die betriebsbedingte Unmöglichkeit bzw. Unzumutbarkeit einer Durchleitung als Verweigerungs- prämissen genannt wurden.63 Ein derartiger Ausnahmetatbestand fand insbesondere in der sog. ÄBraunkohleschutzklausel“ des Art. 4 §3 EnWinG Anwendung, mit der der aus diesem fossilen Energieträger gewonnene Strom bevorzugt werden sollte. Diese Regelung, mit wel- cher der deutsche Gesetzgeber von der bereits angesprochenen Möglichkeit einer über- gangsweisen Privilegierung der Elektrizität aus heimischen Primärenergieträgern in der EltRL Gebrauch machte, war der Tatsache geschuldet, dass vor allem in den neuen Bundes- ländern die Braunkohleförderung stark ausgeprägt ist.

Eine weitere nicht unerhebliche Neuerung der Reform bestand darin, dass die Aufnahme einer Energieversorgungstätigkeit gem. §3 EnWG 1998 fortan dem Erfordernis einer behörd lichen Genehmigung unterstellt war. Neu war auch die Aufnahme der Umweltverträglichkeit in den Zielkatalog des Gesetzes64. Sie sollte sich gemäß §2 Abs. 4 EnWG 1998 in einem sparsamen und schonenden Umgang mit den Ressourcen widerspiegeln65, wohlgemerkt ohne dabei in einem Widerspruch zu dem angestrebten Mehr an Wettbewerb zu stehen. Vielmehr bestand die Auffassung des Gesetzgebers darin, dass mit der Liberalisierung auch ein verstärkter Anreiz hinsichtlich der Entwicklung klimaschonenderer Energieerzeugungs- formen gesetzt werden könne66 - ein Aspekt, der durchaus als eine Vorstufe des später ein- geführten und im Verlauf dieser Arbeit thematisierten Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) betrachtet werden kann. In denselben Kontext ist denn auch die Tatsache einzuordnen, dass der Gesetzgeber in der EnWG-Novelle die Bedeutung einer Energiegewinnung aus regene- rativen Quellen und durch die sog. Kraft-Wärme-Kopplung als besonders umweltverträglich hervorhebt.67

Insgesamt ist es aber die historisch einschneidende Öffnung der Übertragungs- und Vertei- lungsnetze, die den Mittelpunkt, ja, gewissermaßen das Herzstück der Energierechtsreform von 1998 darstellt; nicht zuletzt, weil der deutsche Gesetzgeber die EU-seitig vorgeschlage- ne stufenweise Marktöffnung überraschenderweise ignorierte und für eine sofortige Umset- zung der Richtlinien optierte.68 Gleiches gilt freilich für den zunächst beschrittenen Weg eines verhandelten Netzzugangs. Mithin überließ es der Gesetzgeber den Verbänden der Energie- branche selbst, zwar nicht das Ob, aber das Wie der Durchleitungen zu regeln. Der Verband der Elektrizitätswirtschaft e.V. (VDEW), der Bundesverband der deutschen Industrie e.V. (BDI), der Verband der Industriellen Energie- und Kraftwirtschaft e.V. (VIK) sowie der Stadt- werkeverband VKU setzten fortan die Rahmenrichtlinien für den Elektrizitätsbereich, wäh- rend der Bundesverband der deutschen Gas- und Wasserwirtschaft (BGW) gemeinsam mit BDI, VIK und VKU die Einzelheiten für den Gassektor bestimmte.69

Im Elektrizitätsbereich bildete die ÄVerbändevereinbarung über Kriterien zur Bestimmung von Durchleitungsentgelten“ (VV Strom I) vom 22.5.1998 den Ausgangspunkt. Sie sah neben der Forderung einer grundsätzlichen Diskriminierungsfreiheit70 ein transaktionsabhängiges Durchleitungsmodell vor, bei dem jede Durchleitung auf individuellen Verträgen mit dem Netzbetreiber basieren sollte.71 Als Grundlage für die Berechnung der Netznutzungsentgelte, konkret: der für die Lieferung der bestellten Durchleitungsleistung benötigten Spannungs- ebenen (Hoch-, Mittel-, Niederspannung) nebst Umspannungen, sollte die Luftlinienentfer- nung zwischen Einspeise- und Entnahmepunkt herangezogen werden.72 Insgesamt wies diese erste Verbändevereinbarung eine ganze Reihe von Defiziten auf. Abgesehen von der für den Massenmarkt und den von der EU beabsichtigten Strom-Börsenhandel untauglichen Einzelfallbezogenheit war dabei insbesondere die sog. Entfernungskomponente umstritten. Für über 100km hinausgehende Distanzen sollten die Netzbetreiber zusätzliche Entgeltauf schläge verlangen dürfen73, was nicht nur ein Wettbewerbshindernis darstellte74, sondern auch vom Bundeskartellamt beanstandet wurde.75

Logische Konsequenz war die Entwicklung einer neuen, überarbeiteten Verbändevereinba- rung, der VV Strom II vom 13.12.1999. An die Stelle des einzelfallbezogenen und entfer- nungsabhängigen Durchleitungsmodells trat mit dem transaktionsunabhängigen Punktmodell nunmehr ein System, das durch ein pauschaliertes Abonnement-ähnliches Jahresentgelt gekennzeichnet war76. In unmittelbarem Zusammenhang hierzu hatte die Rahmenrichtlinie die konsequente Trennung von Netznutzung auf der einen und Stromlieferung auf der ande- ren Seite zum Inhalt: Neben dem Stromliefervertrag waren getrennte Netzanschluss- und Netznutzungsverträge mit jedem Kunden abzuschließen77 - Grundvoraussetzung nicht nur für den anonymen Handel an Strombörsen, sondern auch dafür, dass die Endverbraucher Äihren“ gewünschten Stromanbieter überhaupt frei wählen und ggf. wechseln konnten.78 Ei- nen Überblick über das mit der VV Strom II eingeführte Vertragsmodell liefert die nachfol- gende Abbildung.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 3: Vertragsstrukturen in der Stromversorgung

[Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an: Koch/Baier (2003), S. 49)]

Netzanschlussverhältnisse haben den Anschluss von Stromerzeugern und Abnehmern an das Verteilnetz und damit einhergehende Vereinbarungen mit den Verteilnetzbetreibern zum Gegenstand. Der Netznutzungsvertrag hingegen regelt die Inanspruchnahme des Netzes durch den Stromlieferanten. Wenngleich eine Nutzung der Übertragungswege freilich auch durch den Stromerzeuger erfolgt, sind es ausschließlich die Abnehmer, denen diese, na- mentlich von Netzen in der Höchstspannungsebene, in Rechnung gestellt wird. Sie zahlen bis zu dem Punkt, ab dem mit dem Strom gehandelt, er also weiterverkauft und im Verbund mit anderen Höchstspannungsnetzen geteilt wird.79 Von der VV II war vorgesehen, dass so- wohl Stromlieferant als auch Kleinverbraucher einen solchen Vertrag mit dem Verteilnetzbet reiber abschließen. Von diesem unabhängig existiert in jedem Falle ein Stromliefervertrag zwischen Endkunde und Lieferant. Er stellt eine wesentliche Voraussetzung für die kunden- seitige Flexibilität bei der Anbieter- und Produktwahl dar und kann daher durchaus als eine der großen Errungenschaften der zweiten Verbändevereinbarung betrachtet werden.80 Vereinfacht wurde die Belieferung von Haushaltskunden zudem durch die Einführung sog. (Standard-)Lastprofile.81 Vom VDEW erarbeitet, illustrieren und kategorisieren sie das Ver- brauchsverhalten verschiedener Kundentypen differenziert nach Jahres- und Wochenzeit (Werktag vs. Wochenende). Die ungleich aufwändigere, für industrielle Kunden mit einem Jahresverbrauch von mehr als 100.000 kWh erforderliche, viertelstündige Messung der Ver- brauchswerte wurde damit für den klassischen Haushaltskunden obsolet. Ferner wurde in dem Bestreben, die Preistransparenz für Energieversorger und Endverbraucher zu erhöhen, den Netzbetreibern die Pflicht auferlegt, ihre Netznutzungsentgelte zeitnah zu veröffentli- chen.82 Kritisiert wurde die zweite Verbändevereinbarung vor allem mit Blick auf einen ande- ren Punkt: Gemäß Abschnitt 2.2.4 VV Strom II sollten die deutschen Übertragungsnetze - je nach den vom jeweiligen Netzbetreiber abgedeckten Regionen - in zwei Handelszonen ÄNord“ (VEAG, PreussenElektraNetz GmbH & Co.KG, VEW Energie AG, HWG AG, Bewag AG) bzw. ÄSüd“ (EnBW Transportnetze AG, RWE Energie AG, Bayernwerk- Hochspannungsnetz GmbH) eingeteilt werden. Im Falle grenzüberschreitender Lieferungen von der einen in die andere Handelszone sollte ein zusätzliches Transportentgelt, die sog. T- Komponente, gezahlt werden.83 Trotz grundsätzlicher Anerkennung des Netzbetriebs als natürliches Monopol wurde dieses Konzept unter wettbewerblichen Gesichtspunkten, u.a. von Seiten des Bundeskartellamts, strikt abgelehnt und schließlich zum 1.7.2000 ausge- setzt.84

Auf den Tag genau zwei Jahre nach der VV Strom II, namentlich am 13.12.2001, trat mit der VV Strom II plus eine erneute Weiterentwicklung der Verbändevereinbarung in Kraft. Sie hatte im Wesentlichen eine ÄEntbürokratisierung“ des Anbieterwechsels für den Haushalts- kunden zum Ziel. War bis dato in einem solchen, von der EU ja ausdrücklich gewünschten, Fall - wie oben bereits erwähnt (Vgl. hierzu nochmals Abbildung 3) - stets der umständliche Abschluss eines Netznutzungsvertrages sowohl zwischen Netzbetreiber und abnehmendem Versorgungsunternehmen als auch zwischen Netzbetreiber und jedem einzelnen Haushalts- kunden erforderlich, so wurde dieses Doppelvertragsmodell mit der VV Strom II plus aufge- löst.85 In Abschnitt 1.1 der überarbeiteten Verbändevereinbarung heißt es hierzu: ÄBei Vorla- ge eines All-Inclusive-Vertrages zur Stromversorgung eines Einzelkunden hat der Stromliefe- rant Anspruch auf den zeitnahen Abschluss eines Netznutzungsvertrages mit dem Netzbe- treiber. In diesem Fall entfällt der Abschluss eines Netznutzungsvertrages zwischen Netzbe- treiber und Einzelkunden.“86

Neu war desweiteren die Realisierung des, formell bereits in der VV Strom II eingeführten, sog. Vergleichsmarktkonzepts, das eine Gegenüberstellung der Netznutzentgelte verschie dener Betreiber und deren Prüfung auf ihre Angemessenheit zum Inhalt hatte. Auf dem gleichnamigen kartellrechtlichen Ansatz aus §19 Abs. 4 Nr. 2 basierend, sollte durch einen solchen Vergleich ein ÄAls-Ob-Wettbewerb“ geschaffen werden, der auf Seiten der Netzbe- treiber Anreize für eine effiziente Unternehmensführung schafft. Man ging dabei von der An- nahme aus, ein Vergleich der nationalen Netzbetreiber sei möglich anhand von strukturellen Unterschieden. Diese wurden an den drei Kriterien Einwohnerdichte“ (EW/km2 ) bzw. Ab- nahmedichte (MWh/km2 ), Verkabelungsgrad sowie der geografischen Lage des Netzes fest- gemacht. Jedem dieser Strukturmerkmale wiederum wurden verschiedene Ausprägungen zugeordnet und entsprechende Strukturklassen gebildet. Für die Einwohnerdichte beispiels- weise wurde eine Unterteilung in die Bereiche hoch/mittel/niedrig vorgenommen und mit den Werten Ä<2500 EW/ km2 “, Ä2500 bis 3500 EW/km2 “ bzw. Ä>3500 EW/km2 “ verknüpft. Am En- de standen 18 bzw. - nach Zuordnung zu den Spannungsebenen Nieder-, Mittel- und Hoch- spannung - 54 Strukturvarianten, anhand derer für 12 charakteristische Abnahmefälle eine dem VDN zu meldende Einsortierung der Netzbetreiber erfolgte.87 Der VDN sollte sodann für jede Strukturklasse den Durchschnitt der gemeldeten Netznutzungsentgelte ermitteln und veröffentlichen. Diejenigen Netzbetreiber, deren Entgelte im Bereich der oberen 30% aller innerhalb einer Strukturklasse gemeldeten Entgelte (Streubreite) angesiedelt waren, hatten gemäß VV Strom II plus ihre Kalkulation dem VDN darzulegen und zu legitimieren. Hierzu sollte es jedoch zu keiner Zeit kommen88 ; möglicherweise auch, weil dem Strukturklassen- system von den Verbänden schon von vornherein lediglich der Charakter eines ÄTestlaufs“ respektive eines Hilfsmittels für das Bundeskartellamt zugeschrieben wurde, dem weiterhin das im GWB kodifizierte Recht auf Individualprüfungen der Preise vorbehalten bleiben soll- te.89 Nicht zuletzt erwies sich die Idee eines Vergleichs natürlicher Monopole für das Auffin- den wettbewerbsnaher Entgelte als äußerst fragwürdig, sodass insgesamt von einem Schei- tern des als Instrument für mehr Wettbewerb angedachten Strukturklassensystems gespro- chen werden kann.90

Die Entscheidung des deutschen Gesetzgebers für einen verhandelten Netzzugang blieb, wie weiter oben bereits kurz angedeutet, nicht einzig auf den Strombereich beschränkt: auch für den Gasmarkt wurden - wenn auch mit zweijährigem Zeitverzug - entsprechende Ver- bändevereinbarungen getroffen. Die Entwicklung liest sich hier in vielerlei Hinsicht erstaun- lich parallel. Wie die VV Strom I, so setze man auch in der am 4.7.2000 in Kraft getretenen VV Gas zunächst auf ein transaktionsabhängiges Modell mit individuellen Verhandlungen für jede Durchleitung, um später zu einem transaktionsbasierten Modell überzugehen, das im späteren Verlauf weiterentwickelt wurde. Aufgrund der gegenüber dem Stromsektor ver- gleichbaren Entwicklung soll an dieser Stelle jedoch auf weitere Ausführungen verzichtet und - der chronologischen Reihenfolge der Liberalisierungsetappen folgend - im Weiteren auf die EU-Beschleunigungsrichtlinien und die wichtige Reform des EnWG im Jahr 2005 eingegangen werden.

2.2.3 Von den EU-Beschleunigungsrichtlinien zur EnWG-Novelle 2005

Das Zwischenfazit nach der 1996/1998 angestoßenen Marktöffnung fiel ernüchternd aus. Kritik kam vor allem von Seiten der Europäischen Kommission, die 2001 in ihrem ersten Benchmarkingbericht gleich eine ganze Reihe von Wettbewerbshindernissen identifizierte: Netzbetreiber verhinderten mit überhöhten Netznutzungsentgelten den Markteintritt neuer Versorger und die starke, mitunter gar zunehmende, vertikale Verflechtung zwischen Ener- gieerzeugung, -übertragung, -verteilung und -versorgung brachte verschleiernde, diskriminie- rende Gebührenstrukturen und die Gefahr einer Quersubventionierung mit sich. Erschwe- rend kam hinzu, dass die Betreiber - den rechtlich unverbindlichen Charakter der Verbände- vereinbarungen betonend - weder Äoffiziell“ dazu verpflichtet waren, ihre Entgelte vorab zu veröffentlichen noch einer Prüfung derselben unterzogen wurden. Auf Erzeugerseite fand eine Konzentration der bestehenden Unternehmen statt, während am gegenüberliegenden Teil der Wertschöpfungskette, bei den endverbrauchenden Privathaushalten, die Anbieter- wechselraten mit unter 5% unbefriedigend gering ausfielen.91 Die in Deutschland eingeführte ÄSelbstregulierung“ wies nicht nur - wie weiter oben bereits angesprochen - strukturelle De- fizite und einen Mangel an Transparenz auf, sie führten auch dazu, dass das Wie des Netz- zugangs der ausschließlichen Willkür der etablierten Verbände im Energiesektor oblag. An- gesichts von Entgeltdifferenzen von mehr als 100% trotz Anwendung derselben Kalkulati- onsmethoden kam vielfach der Vorwurf des Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stel- lung auf.92 Zahlreiche Neuanbieter, die unmittelbar nach der Marktöffnung gegründet worden waren, gaben auch aus diesem Grunde ihre Tätigkeit wenig später wieder auf93 und trugen mit dazu bei, dass sich die wettbewerbsinduzierten Preissenkungen der ersten Jahre nach der Liberalisierung nicht fortsetzten94.

Die aus EU-Sicht unbefriedigende Zwischenbilanz machte deutlich, dass man mit der Dere- gulierung einen Schritt zu weit gegangen war und den Mitgliedstaaten zu viele Freiheiten bei der Gestaltung der Durchleitungen eingeräumt hatte. Zwar hatte man durch das Aufbrechen der geschlossenen Versorgungsgebiete einen wichtigen Grundstein gelegt; solange sich die Leitungsnetze jedoch weiterhin im Eigentum der ehemaligen Gebietsmonopolisten befanden, würde auf der bisherigen Gesetzesgrundlage kein Wettbewerb möglich sein, denn diese hat- ten schlichtweg kein Interesse daran, ihre hbertragungswege als ÄMarktplätze“ für potentielle Neukonkurrenten zu öffnen.95 Mit den am 26.6.2003 abgeschlossenen Beschleunigungsricht- linien Elektrizität (2003/54/EG) und Gas (2003/55/EG) ging man daher zu einer partiellen Re- Regulierung über. Die Möglichkeit eines verhandelten Netzzugangs wurde weitgehend ab- geschafft und durch ein geregeltes System ersetzt. Zentral war in diesem Zusammenhang die Verpflichtung der Mitgliedsstaaten, von etwaigen Eigeninteressen unabhängige Regulie- rungsbehörden einrichten.96

[...]


1 Die Begriffe Äkommunales Versorgungsunternehmen“ und ÄStadtwerk“ werden im Weiteren synonym verwendet.

2 Vgl. Ambrosius (1987), S. 126.

3 Ambrosius (1987), S. 127.

4 Vgl. Ambrosius 1987, S. 127.

5 Vgl. Krabbe (1979), S. 265.

6 Vgl. Ambrosius (1987), S. 127.

7 Vgl. Teuteberg, S. 374.

8 Vgl. Schönberger (2008), S. 9.

9 Vgl. Zängl (1989), S. 58.

10 Vgl. §§4f. EnWG.

11 Vgl. Nill-Theobald/Theobald (2008), S. 17-18.

12 Vgl. Haucap (2007), S. 714.

13 Vgl. Krisp (2007), S. 35.

14 Art. 13 EEA zur Einführung eines neuen Art. 8a in den EWG-Vertrag.

15 Vgl. Europäische Kommission: Arbeitsdokument ÄBinnenmarkt für Energie“ - KOM (88) 238.

16 Vgl. Europäischer Rat: 90/377/EWG.

17 Vgl. Europäischer Rat: 90/547/EWG.

18 Vgl. Europäischer Rat: 91/296/EWG.

19 Vgl. Nill-Theobald/Theobald (2008), S. 48-49.

20 Die Transitrichtlinien wurden gem. Art. 29 EltRL bzw. Art. 32 GasRL zum 1.7.2004 aufgehoben.

21 Vgl. EUV Artikel 80-81

22 Ebenda Art. 81 Abs. 1

23 Ebenda Art. 82

24 Vgl. Europäisches Parlament/Europäischer Rat: 96/92/EG (EltRL)

26 Vgl. Brunekreeft/Keller (2000), S. 131.

27 Vgl. BNetzA (2011), S. 163.

28 Vgl. Art. 7 EltRL.

29 Vgl. Krakowski/Gröner (1988), S. 27.

30 Vgl. Knieps, S. 297ff.

31 Vgl. Art. 7 Abs. 5 EltRL.

32 Vgl. Art. 16-18 EltRL.

33 Vgl. ebenda Art. 8 Abs. 3.

34 Ebenda Art. 10 Abs. 1.

35 Vgl. ebenda Art 2 Nr. 18.

36 Vgl. ebenda 14 Abs. 3.

37 Nill-Theobald/Theobald (2008), S. 298.

38 Vgl. Helle (1999), S. 105.

39 Vgl. Art. 4-6 EltRL.

40 Vgl. Nill-Theobald/Theobald (2008), S. 51.

41 Vgl. Krisp (2007), S. 39.

42 Vgl. Art. 19 Abs. 2 EltRL.

43 Vgl. ebenda Art. 8 Abs. 4, Art. 24.

44 Vgl. ebenda Art. 17 Abs. 5.

45 Ebenda Art. 22 EltRL.

46 Europäisches Parlament/Europäischer Rat: 98/30/EG (GasRL).

47 Nill-Theobald/Theobald (2008), S. 77.

48 Vgl. BMWi (2010), S. 16-17.

49 Vgl. Nill-Theobald/Theobald (2008), S. 77, 79.

50 Vgl. Krisp (2007), S. 30.

51 Vgl. Art. 14-16 GasRL.

52 Vgl. ebenda Art. 17 Abs. 1.

53 Vgl. ebenda Art. 17 Abs. 2.

54 Vgl. Nill-Theobald/Theobald (2008), S. 54.

55 Vgl. Art. 23 GasRL.

56 Vgl. ebenda Art. 13 Abs. 3.

57 Vgl. ebenda Art. 18.

58 Vgl. Krisp (2007), S. 130.

59 Vgl. Krisp (2007), S. 113.

60 Art. 81 Abs. 1 EGV.

61 Vgl. Nill-Theobald/Theobald (2008), S. 54.

62 §6 Abs. 1 EnWG 1998.

63 Vgl. §20 Abs. 2 Satz1 EnWG 1998.

64 Vgl. §1 EnWG 1998.

65 Vgl. §2 Abs. 4 EnWG.

66 Vgl. BT-Drucks. 13/7274, Begründung S. 10.

67 Vgl. §2 Abs. 5 EnWG 1998.

68 Vgl. Seeliger (2000), S. 662.

69 Vgl. Nill-Theobald/Theobald (2008), S. 86.

70 Vgl. VV Strom I, Abschnitt 1.1.

71 Vgl. Kleest/Reuter (2002), S. 46.

72 Vgl. VV Strom I, Abschnitt 2.2.

73 Vgl. VV Strom I.

74 Vgl. Reh (1999), S. 521.

75 Vgl. Krisp (2007), S. 122.

76 Vgl. VV Strom II Abschnitt 2.2.1.

77 Vgl. ebenda Abschnitt 1.1.

78 Vgl. Nill-Theobald/Theobald (2008), S. 87.

79 Vgl. Koch/Baier (2003), S. 48-49.

80 Vgl. Koch/Baier (2003), S. 51.

81 Vgl. VV Strom II, Abschnitt 4.1.

82 Vgl. ebenda Abschnitt 1.7.

83 Vgl. ebenda Abschnitt 2.2.4.

84 Vgl. Seeliger (2000), S. 663.

85 Vgl. Krisp (2007), S. 124.

86 VV Strom II plus Abschnitt 1.1.

87 Vgl. VV Strom II plus Anlage 3.

88 Vgl. Krisp (2007), S. 124.

89 Vgl. VV Strom II plus Anlage 3.

90 Vgl. Pfaffenberger/Gabriel (2004), S. 24-25.

91 Vgl. Europäische Kommission (2001), S. o.S.

92 Vgl. Busche et al. (2003), S. 8.

93 Vgl. BMWi (2003), S. 13.

94 Vgl. BMWi (2003), S. 17-20.

95 Vgl. Busche et al. (2003), S. 3.

96 Vgl. Art. 23 Abs. 1 EltRL (2003/54/EG)/Art. 25 Abs. 1 GasRL (2003/55/EG)

Ende der Leseprobe aus 75 Seiten

Details

Titel
Führungsprobleme eines kommunalen Versorgungsunternehmens unter den Bedingungen des öffentlichen Auftrags, der Marktwirtschaft und der Politik
Hochschule
Georg-August-Universität Göttingen  (Professur für Produktion und Logistik)
Note
1,3
Autor
Jahr
2011
Seiten
75
Katalognummer
V188115
ISBN (eBook)
9783656170228
ISBN (Buch)
9783656170266
Dateigröße
1258 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
führungsprobleme, versorgungsunternehmens, bedingungen, auftrags, marktwirtschaft, politik
Arbeit zitieren
Jens-Patrick Cillwik (Autor:in), 2011, Führungsprobleme eines kommunalen Versorgungsunternehmens unter den Bedingungen des öffentlichen Auftrags, der Marktwirtschaft und der Politik, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/188115

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