Das Bild von einem autoritären Vater war bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts durch die geschlechterspezifische Kategorisierung der Emotionen geprägt – zu männlichen Gefühlen wurden Gefühle der Wut, des Zorns und der Raserei und zu weiblichen der Sanftmut, Liebe und des Mitleids gerechnet; andererseits begann sich die Emotionalität des Mannes seit der Aufklärung zu wandeln, bedingt durch die aus der geschlechterspezifischen Trennung zwischen dem privaten (weiblichen) und öffentlichen (männlichen) Bereich resultierende Erwartung an Männer, ihre Gefühle zu disziplinieren. Dies lag zum einen daran, dass die Position des Individuums gegenüber der Gesellschaft und die Geltungsreichweite der kollektiven Moral von intellektueller Elite zunehmend in Frage gestellt wurde. Aber es lag, wie Edward Shorter in seiner Untersuchung der ehelichen Verhältnisse in Frankreich mit Einbeziehung der Entwicklung in Deutschland zwischen 1750 und 1850 zeigt, auch daran, dass die „emotionale Erstarrung“ nicht nur das Ergebnis der gesellschaftlichen Erwartungen war, sondern dass „die kümmerliche Situation des Handels“ sowie „die Mittelmäßigkeit des privaten Vermögens“ die Vernachlässigung individueller Gefühlswelten bedingten. Die Tatsache, dass „die große Woge des Gefühls [...] zuerst die Städte und den Mittelstand und erst später die Landbevölkerung und die untere Schicht“ ergriffen hatte, weist also darauf hin, dass die zunehmende Verbesserung individueller wirtschaftlicher Verhältnisse, d.h., die Reduzierung der ökonomischen Abhängigkeit ein wichtiger Grund für die Minimierung des Einflusses kollektiver Moralvorstellungen auf das Gefühlsleben der Menschen im Allgemeinen und der Männer im Besonderen war. Dieser Einfluss wirkte sich in Bezug auf den Wahrnehmungs- und Bewusstseinswandel männlicher Emotionalität jedoch nur indirekt und womöglich auch langsamer aus.
Ausgehend von diesen einführenden Bemerkungen zur Abhängigkeit der Präferrierung emotionalen Handelns von wirtschaftlichen Verhältnissen, soll in der vorliegenden Arbeit der Versuch unternommen werden, aufzuzeigen, dass die durch Veränderung ökonomischer Situation in Gang gesetzte Marginalisierung geschlechtspezifischer Gefühlskategorisierung zur Überwindung der klassischen Vaterrolle des pater familias und zur Hervorhebung der bestimmenden Bedeutung der sozialen über die natürliche Vaterschaft führt.
Inhaltsverzeichnis
- 1. Ökonomische Situation und Gefühle
- 2. Der emotionale Zusammenhang zwischen der Männer- und Vaterrolle
- 2.1 Das Bild vom alten Mann und seiner Gefühlswelt
- 2.2 Die Sensibilität des neuen Mannes und deren Einfluss auf die Vaterrolle
- 3. Die Vaterrolle in Regenbogenfamilien
- 4. Ausblick
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Arbeit untersucht die Entwicklung des Vaterrollenverständnisses im Kontext von Veränderungen der männlichen Emotionalität, insbesondere im Zusammenhang mit der wirtschaftlichen Situation und den gesellschaftlichen Erwartungen an die Männerrolle.
- Die Beziehung zwischen ökonomischer Situation und emotionalem Wandel
- Die Veränderung des Bildes vom alten Mann und seiner Gefühlswelt
- Der Einfluss des gesellschaftlichen Wandels auf die Wahrnehmung von Vaterrolle und männlicher Emotionalität
- Die Relevanz der "emotionalen Erstarrung" für das Verständnis der Vaterrolle
- Die Bedeutung der sozialen über die natürliche Vaterschaft
Zusammenfassung der Kapitel
Das erste Kapitel beleuchtet die historische Entwicklung des Vaterrollenverständnisses im Zusammenhang mit der Veränderung der ökonomischen Situation. Der Fokus liegt dabei auf der Abhängigkeit der Präferrierung emotionalen Handelns von wirtschaftlichen Verhältnissen. Das zweite Kapitel widmet sich der Analyse des emotionalen Zusammenhangs zwischen der Männer- und Vaterrolle, indem es das Bild vom alten Mann und seiner Gefühlswelt sowie die Sensibilität des neuen Mannes im Kontext des Vaterrollenverständnisses beleuchtet.
Schlüsselwörter
Die Arbeit behandelt wichtige Themen wie die geschlechterspezifische Kategorisierung von Emotionen, die historische Entwicklung des Vaterrollenverständnisses, die "emotionale Erstarrung" und die Bedeutung der sozialen Vaterschaft im Vergleich zur natürlichen Vaterschaft. Weitere zentrale Begriffe sind die ökonomische Situation, die gesellschaftlichen Erwartungen an die Männerrolle und die Veränderungen in der Wahrnehmung männlicher Emotionalität.
- Arbeit zitieren
- Ernest Mujkic (Autor:in), 2011, Männliche Emotionalität und ihre Auswirkungen auf das Verständnis der Vaterrolle, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/188274