Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
I. Einleitung
II. Textabschnitt 1, „Die Deutung der Phänomene“
III. Textabschnitt 2, „Die naturgemäßen Grenzen des Lebens“
IV. Textabschnitt 3, „Die Natur überreden“
V. Textabschnitt 4, „Die Lust“
VI. Textabschnitt 5, „Die letzte Instanz, das Denken“
VII. Textabschnitt 6, „Das natürliche Ziel menschlichen Strebens“
VIII. Ergebnisse
I. Einleitung
Epikur wurde 341 v. Chr. auf der Insel Samos in Griechenland geboren. Er war Schüler bei Philosophen wie dem weniger bekannten Platoniker Pamphilos und später bei dem Demokriteer Nausiphanes von Teos.
Ab seinem einunddreißigsten Lebensjahr unterrichtete Epikur selbständig Philosophie. Zuerst kurze Zeit in Mytilene auf Lesbos, dann in Lampsakos am Hellespont. Dort fand er einige Anhänger mit denen er im Jahre 306 v. Chr. nach Athen zog. Epikur kaufte in jener Stadt einen Garten und gründete dort seine Schule mit dem Namen „Epikurs Garten“, der den Epikureern die Bezeichnung „Gartenphilosophen“ verlieh.
In dieser Schule wurde nicht nur die Philosophie als solche verehrt, sondern auch der „Meister“ selbst, Epikur. Diese Verehrung und die Freundschaft unter den Epikureern begründete ihr selbstloses und harmonisches Zusammenleben. Alle Anhänger des Epikureismus nahmen Anteil am Schicksal ihrer „Brüder“. Sie waren bereit, für diese bei finanziellen oder auch politischen Schwierigkeiten einzugreifen. Selbst Kritiker und Außenstehende waren angetan von dieser Art des Zusammenlebens.
Durch die fast schon religiöse Verehrung Epikurs könnte man annehmen, dass der Epikureismus mehr eine Sekte als eine Philosophie darstellte, diese Meinung zerschlägt sich allerdings, wenn man beachtet, dass er seine Anhänger nicht durch persönlichen Einfluss und Überredung, sondern durch Argumente zu überzeugen versuchte.
Epikurs Philosophie war einfach und somit für jedermann verständlich. Außerdem sollte das „glückliche Leben“, das Epikur vermitteln wollte, für jedermann zugänglich sein, daher wurden in die Gartenschule auch Frauen und Sklaven aufgenommen.
Nach der Maxime „Lebe im Verborgenen“ führten die Epikureer ein nach außen hin völlig unauffälliges Leben. Auch politisch betätigten sie sich nicht, da der Grundsatz „Befreien muss man sich aus dem Gefängnis des Alltagslebens und der Politik“[1] zur Philosophie Epikurs gehörte. Zudem wollte Epikur seine Anhänger durch sein Werk von Aberglaube und Todesfurcht befreien.
Der Text beschäftigt sich mit der Erkenntnislehre Epikurs, welche auf die sinnliche Wahrnehmung verschiedener natürlicher Phänomene zurückzuführen ist, die von der Naturwissenschaft unterschiedlich interpretiert werden müssen, sowie der Erlangung der Lust, beziehungsweise der Vermeidung der Unlust. Außerdem soll er die Grenzen des Menschen gegenüber der Natur aufzeigen.
Des weiteren widerlegt der Text die verbreitete Annahme Epikur sei ein Hedonist.
Im folgenden soll dieser Text ausführlich interpretiert und erläutert werden. Dazu erscheint es ratsam die einzelnen Fragmente nacheinander zu bearbeiten.
II. Textabschnitt 1: Die Deutung der Phänomene
Der erste Abschnitt des zu bearbeitenden Textes erläutert die Abhängigkeit der Naturwissenschaft von unterschiedlichen Phänomenen in der Natur, die beobachtbar sind und ohne die die Natur selbst nicht verstanden werden könnte:[2] „Denn man soll nicht Naturwissenschaft treiben auf Grund leerer Behauptungen und Verfügungen, sondern so wie es die Phänomene fordern.“[3]
Alle Wahrnehmungen in der Natur auftretender Phänomene sollen beachtet werden um jene verstehen und deuten zu können; „Wenn man aber das eine festhält und das andere verwirft, das doch genau so gut mit den Phänomenen übereinstimmt, dann ist es klar, dass man überhaupt den Bereich naturwissenschaftlicher Forschung verlässt und dem Mythos verfällt.“[4]
Demzufolge müssen unterschiedliche Wahrnehmungen unterschiedliche Erklärungen zulassen.
Platon und Aristoteles hatten den Anspruch, über das Wesen der Natur wahre Aussagen treffen zu können. Epikur dagegen zweifelte mit seiner Philosophie sämtliche damaligen naturwissenschaftlichen Theorien an, da diese eher mythologisch als wissenschaftlich kompetent für ihn waren.
Nach Epikur gelten alle Wahrnehmungen eines Naturphänomenes als Kriterien für die Wahrheit. Dies erläutert er dadurch, dass man Wahrnehmungen eines Sinnes nicht durch einen anderen Sinn widerlegen kann, da sich jeder Sinn auf einen verschiedenen Bereich bezieht. Ebenso kann man keine frühere Wahrnehmung durch eine spätere widerlegen. Nicht einmal der Verstand ist dazu imstande, da auch dieser selbst seine Begriffe aus Wahrnehmungen beziehen muss.
Auch eine Wahrnehmung eines Beobachters A lässt sich nicht durch die eines Beobachters B revidieren. Dies kann man anhand eines Beispieles erklären. Wenn der Wind für Beobachter A kalt erscheint, für Beobachter B aber warm, ist dies kein Widerspruch.[5] Es lässt sich nicht feststellen, welche Wahrnehmung die richtige ist. Keine der Wahrnehmungen kann ausgeschlossen und keine als definitiv wahr angenommen werden.
Demzufolge meint Epikur, dass man alle Wahrnehmungen eines Phänomens als wahr akzeptieren muss. Die Wahrheit eines Naturvorkommnisses liegt also in der Beachtung aller Wahrnehmungen, auch wenn diese scheinbar widersprüchlich sind. Wenn nicht alle Wahrnehmungen berücksichtigt werden, die zu einem in der Natur auftretenden Phänomen zählen, verfällt der Naturwissenschaftler dem Mythos, da die Wahrheit eines Naturvorkommnisses nur auf Grund der Betrachtung aller Sinneswahrnehmungen ausfindig gemacht werden kann. Und eben diese Wahrheit kann keine definitive Aussage sein, da die Wahrnehmungen unterschiedlich sind und deshalb unterschiedliche Deutungen zulassen müssen.
Gegensätzlich dazu folgerte die philosophische Lehre der Skeptiker, welche zur selben Zeit entstand, aus denselben Überlegungen, dass man ganz auf die Erkenntnis durch Wahrnehmung verzichten muss.
Eine Entscheidung aus mehreren möglichen Wahrnehmungen erfolgt für Epikur aus rein praktischen Überlegungen: „Denn unser Leben bedarf nicht der Unvernunft und des leeren Meinens, sondern dass wird ohne Störung leben.“[6] Das heißt, dass der Mensch sich für die zur Lebensführung geeignetste Wahrnehmung oder Annahme entscheidet, um ohne Störung leben zu können. Also ergibt sich für die Epikureer aus der Naturerkenntnis eine praktische Lebensform.
III. Textabschnitt 2: Die naturgemäßen Grenzen des Lebens
„Wenn wir nicht beunruhigt würden durch den Verdacht, es möchten uns die Himmelserscheinungen und der Tod irgend etwas angehen, ...“.[7]
Epikur wollte den Menschen die Angst vor dem Tod und der Mythologie, also den Göttern nehmen.
Er deutete scheinbar die Angst vor dem Tod als eine Angst vor Schmerzen: „Der Tod bedeutet uns nichts, denn was aufgelöst ist, hat keine Empfindung, was aber empfindungslos ist, das bedeutet uns nichts.“[8] Epikur vertrat demnach die Meinung, wenn der Mensch tot ist, existiert er nicht mehr und kann so keine Schmerzen mehr empfinden. Der Körper ist also ein Atomgebilde, das sich in seine Atome auflöst, wenn der Tod eintritt. Jene Atome aber können keine Empfindungen haben, daher ist der tote, in Atome aufgelöste Körper empfindungslos. Empfindungen gibt es also nur, solange der Mensch am Leben ist.
[...]
[1] Röd „Der Weg der Philosophie“, S.193.
[2] Mayer-Tasch: „Natur denken“ S. 84.
[3] Mayer-Tasch: „Natur denken“ S. 85 Punkt 1.
[4] Mayer-Tasch: „Natur denken“ S. 85 Punkt 1.
[5] Ottfried Höffe: „Klassiker der Philosophie“ S. 100.
[6] Mayer-Tasch: „Natur denken“ S. 85 Punkt 1.
[7] Mayer-Tasch: „Natur denken“ S. 85 Punkt 2.
[8] Epikur, „Hauptlehre (2)“,zitiert nach Ottfried Höffe: Klassiker der Philosophie S. 111.