Auf der Spur des Meisters der 'Auferstehung Christi'


Hausarbeit, 2002

27 Seiten, Note: gut


Leseprobe


GLIEDERUNG

I. Einführung

II. Auf der Suche nach dem Meister der „Auferstehung Christi“
1. Werkbeschreibung der einzelnen Flügel des Altarstücks unter besonderer Berücksichtigung der sich Städel befindlichen „Auferstehung Christi“
1.1 Außenseite des linken Flügels: „Die Fußwaschung“
1.2 Außenseite des rechten Flügels: „Das Abendmahl“
1.3 Rechter Standflügel: „Christus vor Kaiphas“
1.4 Innenseite des linken Flügels: „Ecce Homo“
1.5 Mitteltafel: „Kreuzigung“
1.6 Innenseite des rechten Flügels: „Die Auferstehung Christi“
2. Analyse des Altarstücks unter Berücksichtigung der im Städel befindlichen „Auferstehung Christi“
3. Zur Herkunft, Fertigung und Geschichte des Altarstücks
3.1 Herkunft des Meisters des Speyerer Altars und weitere Beispiele seines Könnens
3.2 Vergleich des Speyerer Altars und des Gothaer Liebespaares
3.3 Vergleich des Meisters des Amsterdamer Kabinetts und des Gothaer Liebespaares
3.4 Ein kurzer Vergleich des Meisters des sog. mittelalterlichen Hausbuches, des Meisters des Speyerer Altars und des Meisters des Amsterdamer Kabinetts

III. Schlußbetrachtung – Der Meister der „Auferstehung Christi“, seine Werkstatt und ihr zeitgenössischer Kontext

LITERATURVERZEICHNIS

ABBILDUNGSVERZEICHNIS

I. Einführung

Die Frage nach der Identität und der Herkunft des Meisters der „Auferstehung Christi“ aus dem Städelschen Kunstinstitut in Frankfurt am Main beschäftigt die Kunstgeschichte seit dem 18. und insbesondere seit dem 19. Jahrhundert. Mit vielen neuen Namenschöpfungen (Hausbuchmeister, Meister des Amsterdamer Kabinetts etc.) hat man versucht Brücken zwischen den vielen zeitgenössischen Tafelbildern, Stichen, Zeichnungen und der Glaskunst zu schlagen[1], hat aber wohl eher letztendlich das Gegenteil erreicht und Verwirrung gestiftet - die bis in die heutige Forschung reicht. Gerade in der letzten Zeit wurde - mit großen Ausstellungen in Frankfurt und Amsterdam 1985 - diese Frage wieder in den Mittelpunkt des Interesses gerückt. Mit dieser Arbeit soll versucht werden das Altarretabel bzw. den im Städel befindlichen Flügel zu analysieren und in einen künstlerischen und zeitgenössischen Gesamtkontext zu stellen, um somit auch etwas über den Meister und seine Werkstatt herauszufinden, sowie weitere Arbeiten als die seinen identifizieren zu können.

Der Altarflügel „Die Auferstehung Christi“ (vgl. Abb. 1) des mehrteiligen sog. Speyerer Flügelaltars wurde in Mischtechnik auf Tannenholz gefertigt, besitzt die Maße 131,7 x 76,6 cm und stammt vermutlich aus den Jahren 1470-1500. Der Altar bestand ursprünglich vermutlich aus sechs Flügeln und einer Mitteltafel. Das Städel erwarb 1928 „Die Auferstehung Christi“ aus der Sammlung Hohemzollern-Sigmaringen, welche die Innenseite des rechten Flügels des Altarbildes darstellt. Der linke Innenflügel „Ecce homo“ (130,5 x 76,6 cm) wird im Augustinermuseum in Freiburg aufbewahrt, die Außenseiten links „Die Fußwaschung“ und rechts „Das Abendmahl“ (je 130, 5 x 75,6 cm) befinden sich heute in der Gemäldegalerie der Staatlichen Museen in Berlin. Der andere, rechte Flügel „Christus vor Kaiphas“ (130, 5 x 75,6 cm) wird ebenfalls im Augustinermuseum verwahrt. Der weitere, linke Flügel gilt heute als verloren (vgl. Abb. 2, A-E). Nach heutiger Forschung ist davon auszugehen, daß „Die Fußwaschung“ und „“Ecce Homo“ die Innen- und die Außenseite des linken Flügels bilden, während rechts auf der Innenseite „Die Auferstehung Christi“ und „Das Abendmahl“ auf der Außenseite zu sehen war. Die Meinung von Hans-Joachim Ziemke, Daniel Hess u.a.[2], daß es sich bei den Flügeln „Christus vor Kaiphas“ und dem weiteren, verlorenen Flügel um den rechten bzw. linken Standflügel handelt, muß hinsichtlich der Seltenheit dieser Konstruktion und des gleichen Formats aller Flügel (beim anderen Standflügelkonstruktionen waren diese zumeist kleiner) in Frage gestellt werden.

Die im Städel befindliche „Auferstehung“ soll mit Hilfe dieser Arbeit zuerst technisch und inhaltlich untersucht werden (s. II.1. und II.2.). Dabei soll die Identität des/der Meister dargelegt (s. II.3.1) und mit weiteren zeitgenössischen Werken verglichen werden. Weiterhin gilt es zu klären, ob der/die Meister und der Meister des Gothaer Liebespaares (s. II.3.2), des Amsterdamer Kabinetts (s. II.3.3) bzw. des sog. mittelalterlichen Hausbuches (s. II.3.4) wirklich ein und dieselbe Person sind, wie dies in der Kunstgeschichte oftmals behauptet wurde. Von besonderer Bedeutung für die Untersuchung waren hierbei die Forschungsergebnisse von Daniel Hess und Jan Piet Filedt Kok, deren neuere Forschungsergebnisse zur „Hausbuchmeisterfrage“ zum großen Teil zur Grundlage für diese Arbeit geworden sind.

II. Auf der Suche nach dem Meister der „Auferstehung Christi“

1. Werkbeschreibung der einzelnen Flügel des Altarstücks unter besonderer Berücksichtigung der im Städel befindlichen „Auferstehung Christi“

Das ursprünglich aus sechs Flügeln und einer Mitteltafel bestehende Altarwerk wurde in Mischtechnik auf Nadelholz gefertigt. Die hochformatigen Tafeln weisen hierbei ein gemeinsames Standardformat von ca. 131 x 77 cm auf. Zum Mittelbild, der „Kreuzigung“, gehören zwei Tafeln, die die Innenseiten der Flügel gewesen sind. Die Darstellung des „Ecce homo“ muß vor der Kreuzigung, also links, und die „Auferstehung“ nach der Kreuzigung, also rechts, angebracht gewesen sein. Von diesen beiden Seiten sind wahrscheinlich schon im 19. Jahrhundert die Rückseiten abgespalten worden, sie wurden 1930 für das Berliner Museum erworben. Die „Fußwaschung“ bildete die Rückseite des Freiburger „Ecce homo“ Bildes und das „Abendmahl“ war als Rückseite für die Frankfurter „Auferstehung“ bestimmt. Das geht auch aus dem Verlauf der Jahresringe an den Schnittkanten und der Übereinstimmung von Astlöchern hervor[3]. Bei zusammengeklappten Flügeln stand links die Fußwaschung und rechts das Abendmahl. Die Freiburger Vorführung „Christi vor Kaiphas“ und die „Verleugnung Petri“ im mondbeschienenen Palast kann somit der weitere rechte Flügel gewesen sein. Der linke ist verloren, er könnte nach herrschender Meinung und aus chronologischen Gründen eine Szene vom Anfang der Passion dargestellt haben - am ehesten wohl den „Einzug Christi in Jerusalem“ gezeigt haben[4].

Für eine genauere Werkbeschreibung der einzelnen Flügel läßt sich folgendes feststellen:

1.1 Außenseite des linken Flügels (vgl. Abb. 2, A): Die Fußwaschung

Die „Fußwaschung“ war an Außenseite des linken Flügels angebracht und befindet sich heute in der Gemäldegalerie in Berlin. Gezeigt wird Jesus im Kreise seiner 12 Apostel, wie er Petrus die Füße wäscht. Die Szenerie spielt in einem zeitgenössischen Interieur. Die Figuren sind halbkreisförmig um den Christus angeordnet und haben ihre Hände allesamt, bis auf Judas, zum Beten gefaltet. Der Maler versucht durch die individuelle Gestaltung der Personen, den Detailreichtum im Interieur und die Raumtiefe ein möglich lebendiges und realistisches Bild der Szenerie zu schaffen. Einzig der Nimbus, der bei Christus die traditionelle Form des Kreuzes in sich trägt, deutet bei den Figuren auf heilige Gestalten.

1.2 Außenseite des rechten Flügels (vgl. Abb. 2, B): Das Abendmahl

Auch das Abendmahl Christi im Kreise seiner Jünger auf dem rechten Außenflügel findet in einem zeitgenössischen Festsaal statt. Der Maler versucht die Ähnlichkeit der Physiognomie der betenden Personen und ihrer Gewänder im Vergleich mit den anderen Tafeln hervorzuheben, sie individualistisch zu charakterisieren und miteinander in lebendiger Konversation zu halten. Der quadratische Tisch mit den typischen Symbolen der Passion (Wein /Blut) und Brot (Leib) befindet sich im Zentrum des Geschehens. Im Sinne der Bedeutungsperspektive ist Christus in der Mitte angeordnet und zugleich die größte Figur des Geschehens, obwohl er nicht, wie beispielsweise Judas, im Vordergrund angeordnet ist.

1.3 Weiterer, rechter Flügel (vgl. Abb. 2, C) : Christus vor Kaiphas

Auf dem weiteren, rechten Flügel ist Christus im Vordergrund zu sehen, wie er vor Kaiphas gebracht wird, während seine Jünger vor dem Feuer draußen auf das Ergebnis der Anklage warten. Auch diesen Teil der „Passionsgeschichte“ hat der Meister bis ins Detail ausgeführt. Sogar der Hahn, welcher dreimal kräht, während Petrus Christus drei Mal verleugnen wird, ist zu sehen. Hierbei zeigt er eine, wie auch in den weiteren Flügeln, gelungene Verbindung von Innen- und Außenwelt. Die Raumsituation und ihr Ausblick werden ständig variiert. Die Fußbodendekoration gerade in diesem Bild dient zur Schaffung von Perspektive. Überraschend ist die Lichtführung in der Szene der Verleugnung Petri. Fahles Mondlicht und genaues Studium der Schatten, ist in der deutschen Malerei des 15. Jhds. ein seltenes Motiv, wenngleich die Innenräume durch das traditionelle „indifferente Leuchtlicht“[5] erhellt bleiben. Der Maler ist außerdem in der Lage zwischen den Heiligenfiguren, welche zarter und vertrieben gemalt sind und ihren Peinigern, mit teilweise tierähnlicher Physiognomie, zu differenzieren.

1.4 Innenseite des linken Flügels (vgl. Abb. 2, D): Ecce homo

Die Präsentation Christi vor dem jüdischen Volk, das „Ecce homo“, ist ebenfalls sehr bewegt und realistisch auf der Innenseite des linken Flügels dargestellt. Es erinnert in der thematischen Auffassung an das gleichnamige, ebenfalls im Städel befindliche, Bild von Hieronymus Bosch, welches einige Jahre später entstand (s. Abb. 3). Zugleich wird aber auch deutlich, daß der Niederländer in der detaillierten Beobachtung der Perspektive und Hintergrundgestaltung, sich grundlegend von der Goldgrundmalerei des Speyerers Altars unterscheidet. Seine Figuren und ihre Gewänder wirken jedoch phantastischer im Gegensatz zur naturalistischen Malerei des Meisters, der in Dramatik, Gestik und detailgenauer Ausführung des Geschehens der Malerei Bosch in nichts nach steht. Wir sehen den blutüberströmten Christus, wie er dem Volk zum Tausch gegen dem im Kerker wartenden Barabas dargeboten wird. Das Volk zeigt eine aufgewühlte Stimmung, die voller gestischer Brutalität das Leben des vom Leid gezeichneten Christus fordert.

1.5 Mitteltafel (vgl. Abb. 2, E): Kreuzigung

Die Kreuzigung ist ein, seit dem 14. Jhd. verbreiteter, Bildtypus und ist auch im sog. Speyerer Altar auf der Mitteltafel mit den Maßen 270 x 75,6 cm zu finden. Im Zentrum des Geschehens, welches inmitten einer Menschenmenge stattfindet, ist Christus zwischen zwei Schächern, alle ans Kreuz genagelt, dargestellt. Maria, die zwei Marien, Maria Magdalena und Johannes beten erschüttert vor der Kreuzigungsszenerie im Mittelpunkt des Werkes. Durch Ausblicke auf eine Hügellandschaft und die Staffelung bzw. Überschneidungen in dieser gefüllten Szene gelingt es dem Meister, die Raumillusion der anderen Flügel auch hier, im Freien, aufrecht zu erhalten. Im Vordergrund, links und rechts von der Kreuzigung ist ein kniendes Stifterpaar dargestellt, welches sich bis heute nicht identifizieren läßt. Die gesamte Bildkomposition ist achsensymetrisch zum Kreuz aufgebaut. Um die zeichenhafte Wirkung dieses Kreuzes noch zu betonen, ist der Horizont hinter der Kreuzgruppe tiefer gelegt und die Hügellandschaft nur angedeutet. Das fast „stürmisch verwehte“ Lendentuch Christi (s. Abb. 6) zeugt von dem dramatischen Ereignis der Kreuzigung und scheint dabei ein flatterndes Eigenleben zu führen. Somit dient es wohl nicht nur im mittelalterlichen Sinn, um Bewegung in der regungslosen Figur darzustellen, wie dies von Daniel Hess behauptet wird,[6] sondern dient vielmehr der Untermalung der inneren Bewegtheit der Szenerie.

1.6 Innenseite des rechten Flügels (vgl. Abb. 1): Die Auferstehung Christi

Das im Städel befindliche Bild „Die Auferstehung Christi“ zeigt eine nur von einem rotem Mantel und weißem Lendentuch teilweise bedeckte Christusgestalt groß und zentral im hochformatigen Bild. Der Kreuzstab in der zur Segnungsgeste gehobenen Rechten, die Stigmata und der Kreuznymbus weisen auf den Himmelskönig, wie er am dritten Tag aus dem geschlossenen Grab aufersteht. Die Überraschung der Wächter wird durch die teilweise noch schlafenden Personen, die um die Christusfigur angeordnet sind, veranschaulicht. Die Gestalt links hinter Christus scheint durch den göttlichen Glanz sogar geblendet und hält sich die Hände vor Augen. Der Flügel erinnert in dieser Komposition sehr stark an einen wohl verbreiteten Typus der Auferstehungsszenerie. In der „Auferstehung Christi“ auf dem in der Münchener Alten Pinakothek befindlichen Flügel vom Hofer Altar von Hans Pleydenwurff aus dem Jahre 1465 (s. Abb. 4) ist eine ebenso zentrale und übergroße Christusgestalt im Vordergrund zu sehen, die vor den Augen der geblendeten Schächer mit Stigmata und Segnungsgestus (hier, im Gegensatz zum Städelbild, auf den Betrachter direkt gerichtet), aus dem geöffneten (!) Grab entweicht. Der Engel im Hintergrund zeugt von einen weiteren Teil der Auferstehungsgeschichte, indem er den Marien die Auferstehung Christi aus dem Grab verkündet. Um die Szenerie im sog. Speyerer Altar einerseits naturalistisch zu gestalten und andererseits auch auf das religiöse Wunder hinzuweisen, versucht der Maler die religiösen Symbole mit dem Ausblick auf eine diesseitige, einsame Landschaft zu verbinden, die jedoch nicht so naturalistisch ausgeführt ist, wie dies im Hofer Altarbild geschehen ist (s. Abb. 4). Gemäß der biblischen Erzählung ist im sog. Speyerer Altar die Felsgrotte im Sinne einer felsigen Landschaft wiedergegeben. Auf dem Goldgrund, der die gesamte Himmelsfläche einnimmt, ist links die Engelsfigur zu sehen. Maria, eine weitere Maria und Maria Magdalena sind in der Ferne, perspektivisch klein gemalt und auf dem Weg, der zum Grab im Vordergrund führt.

2. Analyse des Altarstücks unter Berücksichtigung der im Städel befindlichen „Auferstehung Christi“

Für den sog. Speyerer Altar wird angenommen, daß er sich vermutlich einst aus sechs Flügeln und einer Mitteltafel zusammensetzte (s.o), die in der äußeren Gestaltung ein gemeinsames Format und Ähnlichkeit in der Gestaltung der Figuren bzw. der Farbwahl aufwiesen. Sicher ist jedoch aufgrund des Verlaufs der Jahresringe an den Schnittkanten und der Übereinstimmung der Astlöcher (s.o.)[7] nur, daß die „Fußwaschung“ und das „Ecce homo“ Bildes bzw. das „Abendmahl“ und die Frankfurter „Auferstehung“ zu einem Altarbild gehörten, die anderen Flügel könnten aufgrund des Standardformats auch Teil eines anderen Altarretabels gewesen sein. Da man jedoch davon ausgeht, daß und rechts und links jeweils als Vorder- bzw. Rückseite gelten und aufgrund der bereits erwähnten ähnlichen Gestaltung der Figuren bzw. der Farbwahl auf allen Flügeln (vgl. 1, A-) ist zu vermuten, daß es sich bei allen Flügeln um ein Gesamtwerk handelt.[8]

Der Bildträger, das Tannenholz, weist nach heutiger Forschung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auf eine Produktion des Retabels außerhalb der Niederlande, da man dort bevorzugt baltische Eiche verwendete. Währenddessen kamen in deutschen Regionen oftmals die Nadelgehölze zum Einsatz.

Die Flügel weisen aber nicht nur viele Gemeinsamkeiten in der technischen Gestaltung auf, sondern besitzen neben gemeinsamen, auch eigenständige und unterschiedliche Details, die allesamt Fragen bezüglich des Auftraggebers, des Bestimmungsortes und des Bildtypus aufwerfen.

Auf den ersten Blick wird deutlich, daß alle Bestandteile des Werkes auch Gemeinsamkeiten in der inhaltlichen Gestaltung aufweisen. Der Maler versucht - durch die Gestaltung der Physiognomie und Haltung - den Figuren auf allen Bildern wiederkehrend einen eindeutigen Charakter zu verleihen. Es wird offensichtlich, daß der Künstler in der Gestaltung der Figuren die Bedeutungsperspektive bei der Hervorhebung Christi auf allen Tafeln verwendet. Die Marien-, Christus- und Heiligenfiguren zeichnen sich gegenüber den grob wirkenden Schächern feingliedriger und durch ein helleres Inkarnat aus (s. Abb. 7, 10, 12). Diese Wirkung erreichte der Maler, indem er – wie beispielsweise beim fein gemalten Christuskopf der „Kreuzigung“ - Schicht für Schicht zartliegende Pinselstriche aufeinanderlegte und zum Abschluß Glanzlichter aufsetzte (s. Abb. 5). Bei den anderen Partien hingegen - wie beispielsweise dem Lendenschurz - wurde die Farbe wohl direkt und pastos auf die Grundierung aufgetragen (s. Abb. 6).

Die Stifterfiguren auf der Mitteltafel, der „Kreuzigung“, zeugen ebenfalls von dieser feingliedrigen Malweise, die zugleich auf die Bedeutsamkeit dieser Kunden hinweisen mag – sie wurden jedoch bis heute nicht identifiziert. Einen anderen möglichen Hinweis auf den Auftraggeber könnte sich aus der Anordnung der Figuren vor dem Kreuz ergeben, da die Frauenfigur rechts vom Kreuz - also dort, wo normalerweise die Männerfigur angeordnet wird - gemalt wurde. Ob daher möglicherweise ein Frauenkloster oder eine weibliche Privatperson als Auftraggeber in Frage kommen könnte, bleibt ungeklärt.

Weiterhin bedeutsam ist die achsensymetrisch angelegte Komposition, insbesondere in der „Kreuzigung“ (s.o.), die im weiteren Vergleich mit anderen Werken möglicherweise einen Aufschluß über die Identität des Künstlers und seiner Gestaltungsweise geben könnte. Auch die Innenflügel mit ihrer komplizierten Raumarchitektur fügen sich harmonisch mit der Mitteltafel zu einem sinnigen Ensemble zusammen. Besonderes Augenmerk richtet der Maler auf die illusionistische Raumgestaltung. Die Muster in den Böden, Wänden und Decken, sowie Verkürzungen (vgl. die kniende Personengruppe vor dem Kreuz) verhelfen den Räumen zu mehr Perspektive. Der Künstler scheint außerdem bevorzugt Gruppen zu bilden, indem er die Figuren stark überschneidet.

In der Maltechnik ist allen Bildern die Vorliebe zum Detail, zur Außen- und Innengestaltung und der minutiöse Gebrauch von Blattgold für Gewänder, Waffen, Gefäße und Kerzenständer gemein, so daß wegen der verbreiteten Standardmaße von ca. 131 x 77 cm bei den einzeln verstreuten Flügeln wirklich mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit von einem Meister/ bzw. einer Werkstatt ausgegangen werden kann (s.o.). Insbesondere die detaillierten Brokatgewänder machen deutlich, wie raffiniert die Werkstatt in der Verzierung war. Zunächst wurden die Brokatgewänder vollständig mit Polimentgold unterlegt, bevor die Granatapfelmuster unter Berücksichtung des Faltenwurfes aufgetragen wurden. Dann imitierte der Maler die Stoffstruktur mittels einer Höhung durch feine, weißgelbe Striche und kratzte aus der noch feuchten, roten Lasurfarbe weitere Details mit dem Pinselstiel heraus (Sgraffitotechnik). Diese Differenzierungen macht sich auch gerade in den Mänteln und Kopfbedeckungen bemerkbar, die durch feinste Härchen strukturiert sind (s. Abb. 7).[9] Die Maltechnik selbst ist ebenfalls einzigartig. Der Maler hat Partien in einer Art Primamalerei (Naß-in-Naß-Technik) vermalt und vermischt und daher wohl ein nicht sofort trocknendes Bindemittel aus einem Harz/Ölgemisch eingesetzt. Zugleich hat er aber auch die Strichelmanier der Temperamalerei angewendet[10]. In der Unterzeichnung wird außerdem deutlich, daß die mehrstufigen Parallel- und Kreuzschraffuren, die sich in Schattenpartien verdichten, wohl zur Festhaltung der Tonwerte und nicht als Motivstruktur dienten[11] (s. Abb. 8). Bei der roten Lasur des Mantels der Christusgestalt in der „Auferstehung“ lassen sich heute in den Schattenpartien Schraffursysteme feststellen, die mit dem Pinsel über die bereits fertigen Mantel gelegt worden sind. Diese Lasurschraffuren übernehmen damit die Aufgabe, die normalerweise der Unterzeichnung zukäme, wenn sie nach Ansicht des Künstlers durch die Lasuren hätte sichtbar sein sollen.[12] Von einer „transparenten“ Gestaltung der Farbflächen kann beim Meister des sog. Speyerer Altars somit nicht ausgegangen werden.

Bei der farblichen Gestaltung der Flügel, die Qualitätsunterschiede aufweisen, hat Jan Piet Kok 1985 festgestellt, daß die Flügel der „Fußwaschung“ (s. Abb. 8, A) und des „Abendmahls“ wohl durch Mitarbeiter ausgeführt worden sein müssen, da die Oberflächenbehandlung bei den Gesichtern und Haaren von der Mitteltafel abweicht. Auch bei den Flügeln „Ecce Homo“ (Abb. 8, B) und „Christus vor Kaiphas“ ist eine solche Abweichung in den dumpfen Farben zu sehen. Nach Daniel Hess[13] beschränkte sich die Beteiligung der Mitarbeiter im sog. Speyerer Altar wohl auf die Mitarbeit an der farblichen Ausgestaltung, die Planung und Unterzeichnung aller Tafeln hat sich der Meister aber noch selbst vorbehalten. Dies läßt sich nach seiner Sicht an der Schraffur der Unterzeichnungen erkennen (vgl. Abb. 8, A u. B/ 6). Fraglich bleibt, ob die Mitarbeiter nicht dazu befähigt waren, die Schraffuren des Meisters nachzuahmen. Hinsichtlich der unterschiedlichen farblichen Gestaltung bei Meister und Mitarbeitern, hätte eine solche Nachahmung möglicherweise ebenfalls nicht zum selben Ergebnis geführt. Es kann daher davon ausgegangen werden, daß es sich bei der Ausführung der Unterzeichnungen wohl um einen Meister handelt.

3. Zur Herkunft, Fertigung und Geschichte des Altarstücks

Der Altar wirft seit der genaueren Untersuchung, die vor ca. 100 Jahren begann, viele Fragen auf, die es nacheinander zu klären gibt. Insbesondere die vielen Altarbilder, Stiche und Glasbilder die zur Zeit des Altars am Mittelrhein entstanden und gerne demselben Meister zugeordnet werden (vgl. u.a. Eduard Flechsig, M.J. Friedländer[14]), müssen genauer untersucht, miteinander verglichen und voneinander unterschieden werden:

[...]


[1] vgl. u.a. H.Th. Musper, Altdeutsche Tafelmalerei, Köln, 1970

[2] vgl. u.a. Daniel Hess, Meister um das mittelalterliche Hausbuch, Mainz, 1994

[3] Hans-Joachim Ziemke, Altdeutsche Tafelmalerei im Städel, Frankfurt, 1985, S.55

[4] Hans-Joachim Ziemke, Altdeutsche Tafelmalerei im Städel, Frankfurt, 1985, S. 55 f.

[5] vgl. Wolfgang Schöne, Das Licht in der Malerei, 1994, S. 35 ff.

[6] Daniel Hess, Meister um das mittelalterliche Hausbuch, Mainz, 1994, S. 71 f.

[7] Hans-Joachim Ziemke, Altdeutsche Tafelmalerei im Städel, Frankfurt, 1985, S.55

[8] Daniel Hess, Meister um das mittelalterliche Hausbuch, Mainz, 1994, S. 70 ff.

[9] Daniel Hess, Meister um das mittelalterliche Hausbuch, Mainz, 1994, S. 70 ff.

[10] Daniel Hess, Meister um das mittelalterliche Hausbuch, Mainz, 1994, S. 73 f.

[11] Jan Piet Kok, Vom Leben im späten Mittelalter, Städel Ausst. Frankfurt, 1985

[12] Daniel Hess, Meister um das mittelalterliche Hausbuch, Mainz, 1994, S. 74

[13] Daniel Hess, Meister um das mittelalterliche Hausbuch, Mainz, 1994, S. 74

[14] Eduard Flechsig, Der Meister des Hausbuches als Maler, 1897, S. 8-17, 66-73; Max J. Friedländeder, Zum Meister des Amsterdamer Kabinetts, 1894, S. 270-273

Ende der Leseprobe aus 27 Seiten

Details

Titel
Auf der Spur des Meisters der 'Auferstehung Christi'
Hochschule
Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main  (Kunstgeschichte)
Note
gut
Autor
Jahr
2002
Seiten
27
Katalognummer
V1885
ISBN (eBook)
9783638111539
ISBN (Buch)
9783638637503
Dateigröße
445 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Spur, Meisters, Auferstehung, Christi
Arbeit zitieren
M.A. Martina Merten (Autor:in), 2002, Auf der Spur des Meisters der 'Auferstehung Christi', München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1885

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