Konzeption und Durchführung einer Lehreinheit zum Thema „Herz“

In Kooperation mit der Rollenden Patientenuniversität der Medizinischen Hochschule Hannover


Bachelor Thesis, 2011

121 Pages, Grade: 1,3


Excerpt


Inhaltsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

Einleitung

1 Jugend und Gesundheit im gesellschaftlichen Kontext
1.1 Lebensphase Jugend
1.1.1 Die Lebensphase im Lebenslauf
1.1.2 Entwicklungsaufgaben im Jugendalter
1.1.3 Exemplarische Lebensbereiche Jugendlicher und deren Sozialisationsfunktionen
1.2 Jugend und Gesundheit
1.2.1 Gesundheitliche Lage
1.2.2 Gesundheitsrelevante Verhaltensweisen
1.2.3 Soziale Ungleichheit und Gesundheit im Jugendalter

2 Ein gesundheitspädagogisches Handlungsfeld im Rahmen der Rollenden Patientenuniversität
2.1 Rahmenbedingungen
2.1.1 Die Rollende Patenuniversität
2.1.2 Das Setting Berufsschule
2.2 Konzeption
2.2.1 Bedingungsanalyse
2.2.2 Sachanalyse
2.2.3 Didaktische Überlegungen
2.2.4 Zielsetzungen
2.2.5 Methodische Überlegungen und Entscheidungen
2.3 Durchführung
2.4 Evaluation
2.4.1 Evaluationsergebnisse der Beobachtungsprotokolle
2.4.2 Evaluationsergebnisse der Feedbackrunde
2.4.3 Evaluationsergebnisse des Evaluationsbogens
2.4.4 Persönliche Einschätzungen

3 Fazit

Quellenverzeichnis
Literaturverzeichnis
Verzeichnis der Internetquellen

Erklärung gem. § 14, Abs. 11 StO/PO v. 2.11.2009

A Anhang
A.1 Vortrag (Powerpointpräsentation, Notizen)
A.2 Tabellarische Abläufe der Lernstationen
A.3 Lernstation: Körperliche Bewegung und Herztätigkeit
A.4 Beobachtungsprotokoll
A.5 Evaluationsbogen der Rollenden Patientenuniversität ...

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1-1: Strukturierung der Lebensphasen zu drei Zeitpunkten

Abbildung 1-2: Prozentualer Anteil der Raucher und Raucherinnen bei 12- bis 25- jährigen nach Schulform, Ausbildung bzw. derzeitiger Tätigkeit

Abbildung 2-1: Gruppierter Mittelwertvergleich der Vortrag Items

Tabellenverzeichnis

Tabelle 2-1: Sinus-Milieustudie U27: Vergleich der Jugendmilieus Konsum- materialisten und Hedonisten

Tabelle 2-2: Trainingszonen nach Herzfrequenzen

Tabelle 2-3: Feinlehrziele

Tabelle 2-4: Geplanter tabellarischer Verlauf

Tabelle 2-5: Gesamtbewertungen Vortrag/ Lernstationen/

Einleitung

Die Bildungschancen in Deutschland sind nach einem Ländervergleich der Pisa-Studie in geringstem Maße gleich verteilt. Demnach sind Kinder und Jugendliche aus unterprivilegierten Familien, nicht selten mit Migrationshin- tergrund, am stärksten in ihren Möglichkeiten benachteiligt. Häufig beenden sie ihre Schulzeit ohne Abschluss oder mit Ergebnissen, welche einen Über- gang ins Berufsleben selten bzw. sehr schwer ermöglichen. Auf Grund dieser Tatsache wurden von den Ländern im Jahr 2003 neue Bildungsgänge ge- schaffen. Die Berufsvorbereitungsmaßnahmen sind meist an berufsbildenden Schulen angesiedelt und sollen den Jugendlichen zur schulischen Mindest- qualifikation und nötigen Reife verhelfen. Diese sehr weit gefasste Gruppie- rung Jugendlicher weist neben der Überforderung anstehende Entwicklungs- aufgaben erfolgreich zu lösen auch häufig Beeinträchtigungen in ihrer psy- chischen und körperlichen Entwicklung auf, was beispielsweise Folgen ge- sundheitsschädigender Verhaltensweisen sind. Beispielsweise belegen die Ergebnisse der „Fit-fürs-Leben“-Studie, dass gesundheitlich ungünstige Le- bensstile, wie Tabakkonsum oder Sportabstinenz, im Laufe der Lebensphase Jugend an Dynamik gewinnen. Diese Sachverhalte begründen die Notwen- digkeit, gesundheitsbezogene Maßnahmen im Setting berufsbildende Schule durchzuführen und Jugendliche und junge Erwachsene explizit als Zielgrup- pe wahrzunehmen und zu handeln (STAB N. & HACKER W. 2008).

Die Medizinische Hochschule Hannover hat diese Bedarfe erkannt und entwickelte 2009 das Konzept der „rollenden“ Patientenuniversität. Der Zielgruppe werden meist im Rahmen von Gesundheitstagen humanbiologische Themen vermittelt, um deren Gesundheitskompetenz zu erhöhen und gesundheitsförderliche Verhaltensweisen zu stärken.

Mit dieser Arbeit wird das umschriebene Handlungsfeld im Rahmen der Rol- lenden Patientenuniversität um die Gesundheitspädagogik erweitert. Die Ge- sundheitspädagogik ist im Prozess, sich als pädagogische Teildisziplin zu konstituieren. Die unterschiedlichen Konzepte wie Gesundheitserziehung, - bildung oder -förderung legitimieren jedoch die Platzzuschreibung der Ge- sundheitspädagogik auf der Anwendungsebene, was folgerichtig auch die Anbindung an die Bezugssysteme Gesundheitswissenschaft und Medizin Jugend und Gesundheit im gesellschaftlichen Kontextt bedeuten würde (UNTERHASLBERGER M. 2008; ZWICK E. 2004). Als pädagogische Fach- richtung lässt sich die Gesundheitspädagogik als „die Analyse von Rahmen- und Strukturelementen der menschlichen Lebensgestaltung durch die Eruie- rung von Bedingungen und Möglichkeiten [beschreiben,] sowohl auf individu- eller als auch auf konstitutioneller Ebene zur Intervention im Hinblick auf Op- timierung der Lebensmöglichkeiten“ (UNTERHASLBERGER M. 2008: 50).

Diese Erläuterungen begründen das Vorgehen meiner Arbeit, welche sich im Hauptteil in zwei Bereiche strukturiert. Im ersten wird ein gesellschafts- theoretischer Überblick gegeben, folgende Elemente werden bearbeitet: Ein- führend erfolgt eine Betrachtung verschiedener Definitionen von Gesundheit. Die Bestimmung aus gesundheitspädagogischer Sicht unterstreicht erneut diese Perspektive der Arbeit. Nachfolgend werden die Lebensphase Jugend, der Gesundheitszustand Jugendlicher und das Themengebiet soziale Un- gleichheit mit Auswirkungen auf die Gesundheit beleuchtet. Der erste thema- tische Schwerpunkt wird die Einordnung der Jugendphase in den heutigen Lebenslauf sein. Es werden zentrale Entwicklungsaufgaben Jugendlicher aufgezeigt, welche in exemplarische Lebensbereiche eingebunden werden. Ebenso wird auf Sozialisationsfunktionen der Lebenswelten „formale Bil- dungseinrichtungen“, „Familie“ und „Gleichaltrigengruppen“ eingegangen. Der zweite Themenbereich widmet sich zum einen der gesundheitlichen La- ge Jugendlicher und zum anderen gesundheitsrelevanter Verhaltenweisen. Hierzu werden aktuelle Studien herangezogen, welche Ergebnisse zu Kin- dern und Jugendlichen bzw. Jugendlichen und jungen Erwachsenen liefern. Der letzte theoretische Inhaltspunkt beschäftigt sich mit der eingangs aufge- zeigten Thematik der sozialen Ungleichheit im Bezug auf die Gesundheit und deren Bedeutung für den nachfolgenden konzeptionellen Teil.

Diese theoretischen Hinführungen beschreiben die Relevanz des zweiten Bereiches, der Konzeption einer Lehreinheit zum Thema „Herz“ im Rahmen der Rollenden Patientenuniversität. Die Struktur orientiert sich stark an der Beschreibung der Gesundheitspädagogik als Teildisziplin der Pädagogik. Zunächst werden über die Vorstellung der Rollenden Patientenuniversität die Rahmenbedingungen sowie konzeptionelle Vorgaben aufgezeigt. Als weite- res grundlegendes Element für die Entwicklung der Lehreinheit, ist die Be- leuchtung des Settings berufsbildender Schulen mit einer Zielgruppenanaly- se anzusehen. Diese Betrachtungen ermöglichen den anschließenden Kon- zeptentwurf zur Lehreinheit „Herz“ an der Axel-Bruns-Schule in Celle. Der Entwurf gliedert sich wiederum in eine einführende Bedingungsanalyse und eine ausführliche Betrachtung der biologischen Inhalte. Darauf folgt die di- daktische Konstruktion, welche die Inhalte unter anderem strukturiert und re- duziert sowie zur Ableitung von Lehrzielen dient. Dem nachgestellt sind die methodischen Überlegungen und Entscheidungen, sie stellen den konkreten Umsetzungsrahmen in der Praxis dar und geben detaillierte Auskünfte über Arbeits- und Sozialformen. Auf Grund der Tatsache, dass die eigens konzi- pierte Lehreinheit real durchgeführt wurde, erfolgen anschließend Anmer- kungen zur Umsetzung bevor der abschließende Bereich der Evaluation folgt. Diese Aus- und Bewertung erfolgt über unterschiedliche Evaluations- tools auf mehreren Ebenen. Letztendlich folgt der Schlussteil, in dem neben einem abschließenden Resümee ein kurzer Ausblick gezogen wird.

1 Jugend und Gesundheit im gesellschaftlichen Kontext

Ein allgemeingültiges, objektives und wertneutrales Verständnis von Ge- sundheit zu erlangen, stellt sich als diffizile Problematik dar. Zahlreiche Ver- suche einer Definition können der Wissenschaft entnommen werden, welche auf Grund der unterschiedlichen Perspektiven der jeweiligen Bezugssysteme jedoch keinen allseitigen Konsens ergeben. Beispielsweise fällt die Definition der naturwissenschaftlich geprägten Medizin sehr pathogenetisch aus und wird als Komplementärzustand zur Krankheit beschrieben. Als wohl bekann- teste Bestimmung von Gesundheit gilt die Definition der WHO (1946): „Ge- sundheit ist der Zustand des völligen körperlichen, geistigen und sozialen Wohlbefindens“ (WHO 1998: 1). Zu ergänzen ist eine Erweiterung der berück- sichtigten Dimensionen um das Soziale und Geistige, jedoch werden auch ein statischer Zustand und eine utopische Zielgröße durch den Ansatz der WHO vermittelt. Für die weitere Arbeit ist eine Klärung der gesundheitspäda- gogischen Sicht auf die Gesundheit unerlässlich. In der Einleitung wurde be- reits der Versuch einer Explikation des Gegenstandbereiches der Gesund- heitspädagogik unternommen, darauf aufbauend erfolgt ein zweiter Ansatz einer Definition. Zwick (2004) hielt an der Bestimmung von Hurrelmann (1991) und am Ansatz Schipperges (1990) fest und kam zu folgender Defini- tion von Gesundheit aus gesundheitspädagogischer Sicht: „Gesundheit als das rechte Verhältnis von Bedürfnis und Möglichkeit“ (ZWICK E. 2004: 31). Aus dem bereits aufgeführten gesundheitspädagogischen Kontext erweist sich diese Definition als vorteilhaft. Durch die Bestimmung des „Bedürfnis“ als kleinste analytische Einheit, kann auf der individuellen und der gesellschaftli- chen Ebene angesetzt werden. Daher bleibt diese Definition für verschiedene Perspektiven offen. Ebenso erfolgt keine Verengung der Gesundheitspäda- gogik auf gewisse Bezugssysteme (ZWICK E. 2004; UNTERHASLBERGER M. 2008).

Diese Abgrenzungen und zugleich Definitionsklärungen dienen der nachfolgenden Arbeit als Perspektive und Handlungsgrundlage.

Unterschiedliche Lebensabschnitte stellen meist ungleiche Anforderungen oder zeigen die verschiedensten Möglichkeiten auf. Die Lebensphase Ju- gend stellt eine sehr komplexe, vielseitige und teils widersprüchliche Lebens- situation dar. Zum einen sind neue Freiheiten und Entfaltungsmöglichkeiten wesentliche Elemente, zum anderen auch gestiegene Verantwortung, Leis- tungsdruck, mediale Überstimulierung und Entscheidungszwänge. Die Kapa- zität, diese Einflüsse zu bewältigen, sowie die eigenen Ressourcen, reichen bei manchen Jugendlichen nicht aus, worauf spezifische Gesundheitsprob- leme folgen können. Das folgende Kapitel greift diese Problematiken auf.

1.1 Lebensphase Jugend

„Die Persönlichkeitsentwicklung eines Menschen wird in jedem Lebensabschnitt durch eine ´produktive` Auseinandersetzung mit den äußeren, sozialen und physischen Umweltbedingungen und zugleich den inneren, psychischen und körperlichen Vorgaben beeinflusst“ (HURRELMANN K. 2007: 7).

Dieser Grundgedanke der Sozialisationstheorie soll im Folgenden auf die Lebensphase Jugend mit dem Schwerpunkt der gesundheitlichen Lebensfüh- rung übertragen werden. Einführend wird die Lebensphase Jugend im Le- benslauf eingeordnet, parallel erfolgt eine kurze Betrachtung anderer Le- bensabschnitte und deren Entwicklungen über das letzte Jahrhundert hin- weg. Daraufhin werden Anforderungen dieser Phase und Entwicklungsauf- gaben an die Jugendlichen aufgezeigt. Weiterführend soll auf die Frage ein- gegangen werden, in welchen Lebenswelten sich Jugendliche aufhalten, welche Einflüsse diese auf die Gesundheit bzw. das gesundheitsrelevante Verhalten haben und mit welchen Ressourcen sie den Ansprüchen entgegen treten.

1.1.1 Die Lebensphase im Lebenslauf

Die Profilierung einer Lebensphase erfolgt nach Hurrelmann (2007) und Richter (2005) nicht rein durch biologische Faktoren, viel entscheidender sind generationsbezogene, kulturelle und wirtschaftliche Einflüsse, die ein biogra- fisches Stadium im Lebenslauf charakterisieren. Um die Jugendphase des derzeitigen Zeitalters angemessen erfassen zu können, wird in einem kur- zem Abriss auf die demografischen Entwicklungen und ökonomischen, kultu- rellen und sozialen Änderungen der gesamten Lebensphasen eingegangen.

Politische und gesellschaftliche Prozesse, wie die Industrialisierung oder die Einführung des allgemeinen Schulsystems, führten in Deutschland und ande- ren europäischen Ländern zu erheblichen Strukturänderungen des Lebens- laufes sowie zum augenblicklichen Bevölkerungsaufbau. Zum einen war auf Grund eines Rückgangs der Geburten ein Schwinden des Anteils der Ju- gendlichen fest zu machen. Zum anderen verlängerte sich die durchschnittli- che Lebenserwartung von Beginn des 20. Jahrhunderts von rund 58 Jahren auf heute 75 Jahre bei Männern und 81 Jahre bei Frauen. Die Bevölke- rungspyramide änderte sich mit einem Überhang der älteren im Vergleich zur jüngeren Bevölkerung. Auch die Lebensphasen erfuhren im letzten Jahrhun- dert in Formation und Gestaltung erhebliche Veränderungen (HURRELMANN K. 2007: 13FF; RICHTER M. 2005: 56). Die folgende Abbildung verdeutlicht das Heraus- kristallisieren sowie die Neubildung einzelner Lebensabschnitte zum Lebens- lauf und veranschaulicht die zeitliche Einteilung nach dem Lebensalter:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1-1: Strukturierung der Lebensphasen zu drei Zeitpunk- ten

Quelle: Eigene Darstellung nach HURRELMANN K. 2007: 17

Im Vergleich zur gegenwärtigen Struktur des Lebenslaufes war die vom Jahr 1900 recht einfach und bestand aus zwei Lebensphasen: dem Kindheits- und dem Erwachsenenalter. Der Lebenslauf im Jahr 1950 wurde um zwei Phasen ergänzt: die des Jugend- und des Seniorenalters. Neben dieser Ausdifferen- zierung ist ein Anstieg der durchschnittlichen Lebenserwartung fest zu stel- len. Bis ins Jahr 2000 folgte eine Ausdehnung des Jugend- und Seniorenal- ters und somit eine Reduzierung der Kindheits- und Erwachsenenphase. Der Beginn der Jugendphase wurde in Anbetracht der beschleunigten psycholo- gischen und biologischen Entfaltungen stets vor verlagert. Das durchschnitt- liche Eintrittsalter liegt mit dem Beginn der Geschlechtsreife bei den weibli- chen bei elf bis 12 Jahren und bei den männlichen Jugendlichen bei 12 bis 13 Jahren. Fraglich ist ob diese Phase durch die Verkürzung der Ausbil- dungszeit im Zuge des „G8“ und des Bologna-Prozesses, mit dem Eintritt in das Arbeitsleben verfrüht endet oder im Erwerbsleben weiterhin besteht. Ge- genwärtig umfasst das Jugendalter eine zeitliche Spanne von elf bis 18 Jah- ren, bis der Übergang ins Erwachsenenalter ansteht. Diese chronologische Rundung führt zu einer Relativierung des Begriffes „Jugend“ (RICHTER M. 2005: 56FF; SHELL JUGENDSTUDIE 2010: 38). Würden diese Prozesse fortgeschrieben werden, würde nach Hurrelmann (2007) rein spekulativ im Jahre 2050 das Kindheits- und Erwachsenenalter eine erneute Verkürzung im Lebenslauf erfahren, Ju- gend- und Seniorenalter könnten sich dagegen wiederholt ausdehnen und der Lebenslauf würde um die Phase des Hohen Alters ergänzt werden. Durchschnittliche würden die Menschen in dieser Phase ein Alter von knapp 90 Jahren erreichen (HURRELMANN K. 2007: 16F; RICHTER M. 2005: 55FF).

Auf diese Einführung in den demographischen Wandel wird nachfolgend auf die sozialen Erwartungen und psychischen Anforderungen in der Jugendphase eingegangen.

1.1.2 Entwicklungsaufgaben im Jugendalter

Unter dem Begriff „Entwicklungsaufgaben“, der aus der Entwicklungspsycho- logie stammt, „werden die psychisch und sozial vorgegebenen Erwartungen und Anforderungen verstanden, die an die Person in einem bestimmten Le- bensabschnitt gestellt werden“ (HURRELMANN K. 2007: 27). Die notwendigen Bewäl- tigungsschritte der inneren und äußeren Forderungen lassen sich in jeder Lebensphase erkennen und müssen individuell erarbeitet werden. Dieser Prozess der Verarbeitung erfolgt in der Lebensphase Jugend meistens mit erhöhter Intensität und Turbulenz, da die gesellschaftlichen und persönlichen Entwicklungen in diesem Lebensabschnitt eine enorme Komplexität und Dichte aufweisen. Einige Anforderungen und Aufgaben ergänzen sich, bauen aufeinander auf oder gehen ineinander über. Für die Jugendphase können folgende Bereiche als zentrale Entwicklungsfelder benannt und kurz aufge- zeigt werden.

- Körper und Sexualität

Zentrale Themen sind die Auseinandersetzung mit der sich verändernden körperlichen Erscheinung und Akzeptanz des eigenen Aussehens sowie die Aufnahme sexueller Beziehungen zum eigenen oder anderen Geschlecht.

- Zukunft

In einem selbstverantwortlichen Prozess werden schulische Anforderungen gegenüber Freizeitbeschäftigungen abgewogen. Zudem werden Interes- sensgebiete für die berufliche Erwerbstätigkeit gesucht, um mit Vorstellungen über weitere Schritte in den nächsten Lebensabschnitt überzugehen.

- Rolle

Neben der Verinnerlichung von gesellschaftlichen Rollen und Verhaltensmustern wird ein Selbstkonzept entwickelt. Unterstützend kann hierbei das Bewusstsein über eine eigene Weltanschauung, Werte, Normen und politisches Interesse sein. Durch die Ablösung von den Eltern müssen der individuelle Umgang mit Freizeit, Alltag, Konsummaterial erlernt und Sozialkontakte zu Gleichaltrigen aufgebaut werden.

(HURRELMANN K. 2007: 7, 27F; RKI 2008: 143; SHELL JUGENDSTUDIE 2010: 38).

Viele rasante Wandlungen und Prozesse im Bereich der Ökonomie, Kon- sumwelt und Identitätsbewegungen sowie die eigenen Ressourcen beein- flussen die Jugendlichen in ihren persönlichen Bewältigungsstrategien dieser Anforderungen. Gerade die sehr pragmatischen und individuellen Reaktionen führen heute zu einem Wahrnehmungsmangel einer gemeinsamen Genera- tion. Die gegenwärtige Jugend muss, verglichen zu vorherigen Generationen, vielerlei Informationen verarbeiten und Entscheidungen treffen können, wozu der Besitz unterschiedlicher Kompetenzen, unter anderem auch Selbstbe- wusstsein, erwartet wird (SHELL JUGENDSTUDIE 2010: 39F).

Die eben aufgezeigten zentralen Entwicklungsfelder werden nun in drei für Jugendliche soziale Umwelten gefestigt. Diese Lebensbereiche stellen wesentliche Handlungsfelder dar, in welchen die Heranwachsenden die meiste Zeit der Jugendphase verbringen.

1.1.3 Exemplarische Lebensbereiche Jugendlicher und deren Sozia- lisationsfunktionen

Die im vorangestellten Kapitel erläuterten Entwicklungsaufgaben sind Teil des Transitionsprozesses und in verschiedenen phasenspezifischen Le- benswelten verankert. Als besonders bedeutsam, auch im Bezug auf die Le- bensstile und somit auf das Gesundheitsverhalten, haben sich die Lebensbe- reiche „formale Bildungseinrichtungen“, „Familie“ und „Gleichaltrigengruppen“ erwiesen. Diesen Lebenswelten treten Jugendliche mit ihren persönlichen Ressourcen gegenüber, um die multifaktoriellen Anforderungen möglichst produktiv zu bewältigen (HACKAUF H. & OHLBRECHT H. 2010; HURRELMANN K. 2007: 81).

Der Lebensbereich „formale Bildungseinrichtungen“

Gerade in der Jugendphase nehmen soziale Umwelten außerhalb der Fami- lie an Bedeutsamkeit zu. Unter formalen Bildungseinrichtungen sind Schulen, Ausbildungseinrichtungen und Hochschulen zu verstehen, welche wichtige Funktionen bei der Integration in gesellschaftliche Strukturen übernehmen. Über erbrachte Leistungen der Lernenden und das Benotungsverfahren er- langen sie die „Berechtigung[,] den Gesellschaftsmitgliedern ihre Stellung im beruflichen Positionssystem zu [zuweisen]“ (OERTEL L. 2010: 179). Die 16. Shell Jugendstudie (2010) spricht auf Grund der regional teilweise sehr ange- spannten Situation die auf dem Ausbildungsmarkt vorgefunden wird und der dadurch resultierenden Unsicherheit selbst mit guter (Aus-)Bildung keinen Arbeitsplatz zu finden, von einer Lebensphase Jugend, die „zu einem Ab- schnitt der strukturellen Unsicherheit und Zukunftsungewissheit geworden [ist]“ (SHELL JUGENDSTUDIE 2010: 38). Somit nimmt dieser Lebensbereich zweifelsfrei eine zentrale Rolle im Leben Jugendlicher ein, da über Erfolg und Versagen des weiteren Lebensweges folgeschwer entschieden wird. Neben den kogni- tiven Anforderungen werden Kompetenzen in Bezug auf die Klassengemein- schaft, den Umgang mit der Lehrerschaft und die Anpassung an die zeitliche Schulorganisation verlangt. All diese Faktoren stellen Herausforderungen dar, welche gegebenenfalls zu psychischen Belastungen führen können. Da- gegenzusetzen sind Ressourcen welche die Jugendlichen in ihren Bewälti- gungsprozessen unterstützen. Diese können beispielsweise gute Leistungen sein, Hilfestellungen durch Eltern und den Freundeskreis, Rückzugmöglich- keiten in der Schule, Partizipationsmöglichkeiten als Schüler oder Schülerin oder ein gutes Schul- und Klassenklima. Es ist augenscheinlich, dass sich die verschiedenen Lebensbereiche gegenseitig beeinflussen (HURRELMANN K. 2007: 81F; OERTEL L. 2010). In den folgenden Abschnitten werden diese Bezie- hungsgefüge in weiteren Lebensbereichen betrachtet.

Der Lebensbereich „Familie“

Die Herkunftsfamilie ist primär der soziale Schutz- aber auch Risikofaktor und der entscheidende Rahmen für Sozialisationserfahrungen von Jugendli- chen. Die Familie trägt entscheidend zu gesundheitsrelevanten Einstellungen und Verhaltensweisen bei. Einflussfaktoren auf die momentane gesundheitli- che Lage werden von den Eltern dargelegt, welche die eigene Gesundheits- dynamik im Lebenslauf prägen. Die Ausbildung eines eigenen Lebensstils mit Risiko- und Schutzverhalten kann durch die Familie, besonders durch die Erziehungsberechtigten, im positiven wie im negativen Sinne beeinflusst werden. Das Erleben von Nähe, Liebe und Akzeptanz, das Erfahren des ei- genen Körpers, Familienkommunikation, -zusammenhalt und die Unterstüt- zung in unterschiedlichen Lebenslagen, stellen Ressourcen für einen Ju- gendliche dar, die als zentrale Schutzfaktoren vor physischen und psychi- schen gesundheitlichen Beeinflussungen angesehen werden können. Patho- gene Auswirkungen können durch Gewalt, (sexuelle) Misshandlung, Ver- nachlässigung, einen unkontrollierten Umgang mit Drogen oder durch be- stimmte Kommunikationsformen hervorgerufen werden. Folgen könnten im körperlichen und psychischen Bereich liegen, sowie im Missbrauch von Ta- bak und Alkohol (ERHART M. & RAVENS-SIEBERER U. 2008; SHELL JUGENDSTUDIE 2010: 53FF; OHL- BRECHT H. 2010). Zusammenfassend ist fest zu halten, dass „letztendlich [..] die familiale Sozialisation lebenslang entscheidend dafür [bleibt], welche Bedeu- tung der Gesundheit in der alltäglichen Lebensführung eingeräumt wird“ (OHL- BRECHT H. 2010: 140).

Wie im vorangegangenen Kapitel bereits erwähnt, hat der Lebensbereich Familie ebenso einen entscheidenden Einfluss auf den Bereich der Bil- dungseinrichtungen. Denn obwohl formalrechtlich in Deutschland gleiche Bil- dungschancen existieren, bestehen nach der gegenwärtigen Shell Jugend- studie enge Zusammenhänge zwischen den angestrebten Schulabschlüssen der Jugendlichen und jener der Eltern. Somit streben Jugendliche, deren Vä- ter keinen oder einen einfachen Abschluss haben, nur selten die Fachhoch- schulreife oder das Abitur an (26 %), dagegen sind es 77 % der befragten Jugendlichen mit bildungsnäheren Erziehungsberechtigten. Ebenso sind es nur 4 % der Jugendlichen, deren Väter einen höheren Abschluss vorweisen können, die einen Hauptschulabschluss anstreben. Den Untersuchungen OECD 2007 und 2008 zu Folge, ist in Deutschland der schulische Erfolg am stärksten vom sozialen Status der Eltern abhängig (SHELL JUGENDSTUDIE 2010: 72). In Deutschland erfolgt eine frühe Aufteilung der Schüler und Schülerinnen, je nach erreichtem Leistungsstand in unterschiedliche Bildungsinstitutionen. „Alle vorliegenden Untersuchungen bestätigen, dass […] das Ziel einer mög- lichst geringen Ungleichheit von Bildungsergebnissen nach sozialer Herkunft nicht erreicht werden kann“ (SHELL JUGENDSTUDIE 2010: 73). Diese ersten Berührun- gen mit sozialer Ungleichheit werden im Punkt 1.2.3 tiefer gehend betrachtet. Neben diesen Aspekten der Bindung an die Eltern und Abhängigkeit der Ju- gendlichen von den Eltern ist ein weiteres zentrales Merkmal dieser Lebens- welt zu erwähnen: die Ablösung und Distanzierung von den Eltern. Die Inter- aktionsbeziehung erfährt einen symmetrischen Charakter und die Jugendli- chen vertreten verstärkt ihre individuellen Standpunkte. Die Beziehung er- fährt weniger Veränderungen in der emotionalen Verbundenheit als durch aufkommende Problembereiche. Typischerweise ist dieser Prozess mit der Hinwendung zu Gleichaltrigengruppen und mit dem Eingehen einer eigenen Partnerschaft verbunden, worauf im folgenden Kapitel näher eingegangen wird (OHLBRECHT H. 2010; SHELL JUGENDSTUDIE 2010: 46).

Der Lebensbereich „Gleichaltrigengruppen“

Die Eltern bleiben den Jugendlichen als Ratgeber wichtig, jedoch häufig auf schulische oder berufliche Fragen reduziert. Freundschaften haben eine we- sentliche Bedeutung für die Entwicklung von Kontakten, die auf Vertrauen und gemeinschaftlichem Erleben von Gefühlen basieren. Den Lebensmittel- punkt bilden nicht mehr die Eltern sondern die Freunde und Freundinnen und Cliquen. Die Beziehung zu Gleichaltrigen nimmt maßgebend Einfluss auf das Freizeit- und Konsumverhalten. Haltungen und Verhaltensweisen werden von den Jugendlichen erprobt und zur Abgrenzung von den Eltern und zur Selbstdarstellung genutzt. Hierbei stehen für Jugendliche situationsbedingte Vorteile und direkte Erlebnismöglichkeiten im Vordergrund ihres Handelns. Den Ergebnissen der Studie Health Behaviour in School-aged Children (HBSC) zufolge erhöht sich das gesundheitsschädigende Verhalten eines Schülers, je mehr Zeit dieser mit Freunden verbringt. Ein Substanzgebrauch in Cliquen, vorwiegend von Alkohol und Tabak, kann mehrere Gründe haben, beispielsweise als Bewältigungsverhalten von Entwicklungsaufgaben, aus Gruppenzwängen oder als Anpassungsverhalten.

Neben der besten Freundin bzw. dem besten Freund sind die Beziehungen meist geschlechtshomogen und darüber hinaus bestehen häufig Vertrauens- beziehungen zu Gleichaltrigengruppen. Die Konstitutionen innerhalb dieser Gruppierungen sind im Gegensatz zu familiären Strukturen nicht hierarchisch angelegt, können jedoch Spannungspotenziale mit sich bringen, welche zu- gleich Handlungskompetenzen der Jugendlichen entwickeln (HURRELMANN K. 2007: 126 FF; OHLBRECHT H. 2010). Die Entfaltung sozialer Kompetenzen kann durch das meist natürliche und somit teilweise rücksichtlose Reaktionsverhalten der Ju- gendlichen gestärkt werden. Durch Freiwilligkeit und Gleichberechtigung wird die Kooperations- und Verhandlungsfähigkeit gestärkt, was ebenso Konflikt- lösungsansätze verlangt. Auch mit Zurückdrängung und Grenzüberschrei- tungen werden Erfahrungen gemacht, wobei die Jugendlichen wiederum Ent- täuschungsfestigkeit und Widerstand in zwischenmenschlichen Interaktionen entwickeln können. Diese Handlungskompetenzen können auch als Res- sourcen beschrieben werden, wovon einige auch als gesundheitliche Schutz- faktoren dienen. Jedoch kann die Beziehung zu Gleichaltrigen gleichwohl sehr problematisch sein. Circa zehn Prozent aller Jugendlichen sind Opfer von Stigmatisierungen oder Aggressionen in der eigenen Gruppe. Diese Demütigung kann weit reichende Folgen für die Entwicklung sowie das psy- chische Wohlbefinden haben und somit auch als gesundheitlicher Risikofak- tor angesehen werden (HURRELMANN K. 2007: 128FF; SHELL JUGENDSTUDIE 2010: 82; OHLBRECHT H. 2010). Wie in der Familie können in Gleichaltrigengruppen sowohl positive als auch negative gesundheitsrelevante Verhaltensweisen gefördert werden. Die erläuterten persönlichen Ressourcen nehmen dabei Einfluss auf das Ausmaß und die Richtung der Effekte (KLOCKE A. & BECKER U. 2003: 235; OHLBRECHT H. 2010; RKI 2008: 144F).

Das vorangegangene Kapitel hat die Fülle der phasenspezifischen Entwicklungsaufgaben und unterstützenden Ressourcen aufgezeigt. Auf die gesundheitlichen Belastungen und die allgemeine gesundheitliche Situation der Jugendlichen wird im Folgenden eingegangen.

1.2 Jugend und Gesundheit

Vor einigen Jahrzehnten wurden biomedizinische Risikofaktoren, wie bei- spielsweise Bluthochdruck, oder die Bereitstellung medizinischer Versor- gungsleistungen als ausdrucksstarke Indikatoren für die Bestimmung von Gesundheit angesehen. Heutzutage werden auch Determinanten herange- zogen, welche als mögliche Ursachen beschrieben werden können, wie Ü- bergewicht oder Drogenkonsum. In den Mittelpunkt der Betrachtung der Ge- sundheit von Jugendlichen sind ebenso soziale Einflussgrößen wie Bildung oder materielle Lebensbedingungen gerückt. Zwar wird jede Lebensphase von sozialen Faktoren beeinflusst, doch wie bereits in Kapitel 1.1.3 aufge- zeigt, häufen sich in der Jugendphase die Einflüsse aus vielen, sehr unter- schiedlichen Lebenswelten. Diese schnellen Veränderungen der Lebenssitu- ationen ergeben Spannungsfelder, in denen sich Jugendliche mit häufig zu wenigen Ressourcen orientieren, woraus psychosoziale Belastungen und gesundheitliche Schäden folgen können (RICHTER M. 2008). Erfahrungen, Belas- tungen oder Einflüsse aus der Kindheit und Jugend, sind als „langfristige Implikationen für die Gesundheit [zu betrachten]“ (RICHTER M. 2008: 17) und stellen somit die Weichen für die gesundheitliche Lage in der Erwachsenenphase (RICHTER M. 2005: 63; 2008).

Um den Gesundheitszustand Jugendlicher umfassend darstellen zu können, sind aktuelle und vergleichbare Gesundheitssurveys zu betrachten. In den letzten Jahren wurden hierzu nationale und internationale Studien durchge- führt. Jugendliche im Übergang zur Erwachsenenphase stehen derzeit nicht im Mittelpunkt der Gesundheitsforschung, weshalb für die Gruppe der 16- bis 25-jährigen nur eine Untersuchung, die „Fit-fürs-Leben“-Studie (2008) der deutschen Sporthochschule Köln herangezogen werden kann. Daher werden im weiteren Verlauf zusätzlich die Ergebnisse des Kinder- und Jugendge- sundheitssurvey (KIGGS) des Robert-Koch-Instituts aus den Jahren 2003- 2006 (2008) und zum anderen des Jugendgesundheitssurvey im Rahmen der „Health Behaviour in School-aged Children“ (HBSC) -Studie der WHO von 2005/2006 (2008) verwendet. KIGGS stellt Daten von 0- bis 17-jährigen zur Verfügung, welche in drei Altersgruppen aufgeteilt sind. Die HBSC-Studie legt Ergebnisse von 11-, 13- und 15-jährigen vor.

1.2.1 Gesundheitliche Lage

Um eine umfassende Darstellung der gesundheitlichen Lage Jugendlicher zu erhalten, ist eine vielseitige Betrachtung unterschiedlicher Komponenten nötig. Wesentliche Betrachtungsbereiche sind Aussagen zum körperlichen und psychischen Zustand sowie die subjektiven Einschätzungen von Gesundheit und Lebensqualität. Die nachstehenden Gliederungspunkte dienen einer Einteilung der Studiendaten und -ergebnisse (RKI 2008: 41).

Mortalität

In der frühen Jugendphase ist die Mortalitätsrate im Vergleich zu anderen Lebensphasen am niedrigsten. Ab dem 15. bis zum 25. Lebensjahr erfährt die Rate jedoch einen deutlichen Anstieg. Nach der Unfallentwicklung auf deutschen Straßen (2008) ist die Verkehrteilnehmergruppe der 18- bis 24- jährigen immer noch die meist gefährdete (STAT. BUNDESAMT 2009A). „Mit 130 Ge- töteten je eine Million Einwohner dieser Altersgruppe im Jahr 2008 haben die jungen Erwachsenen jedoch ein zweifach höheres Sterberisiko als die Ju- gendlichen und Senioren, die gemessen an der Einwohnerzahl das zweit- höchste Risiko im Straßenverkehr haben“ (STAT. BUNDESAMT 2009A). Somit sind die Sterbefälle in dieser Altersgruppe vorrangig nicht auf Krankheiten zurück zu führen (RKI 2008: 145).

Morbidität

Die Häufigkeit der Erkrankungen im Jugendalter im Vergleich zum Kindesal- ter nimmt geringfügig ab, auffallend ist jedoch, dass Erkältungen und grippale Infekte die meist verbreiteten Erkrankungen darstellen. Auch die Magen- Darm-Infektion stellt einen vielfach nachgewiesenen Erkrankungsgrund dar. Herpes und Blasenentzündung sind die einzigen Erkrankungen die im Ver- lauf der 11- bis 17-jährigen zunehmen. Geschlechtsspezifische Betrachtun- gen verweisen auf höhere Infektionsraten bei Mädchen im Vergleich zu Jun- gen. Bei ansteckenden Kinderkrankheiten ist die Lebenszeitprävalenz erwar- tungsgemäß hoch. Mit der Ausnahme der Lebenszeitprävalenz von Windpo- cken, die bei den 14- bis 17-jährigen bei 85,8 % liegt, sind Keuchhusten, Ma- sern, Mumps, Röteln und Scharlach zu nennen, die je eine Lebenszeitpräva- lenz von circa elf bis 29 % aufweisen. Allergien stellen im Kindes- und Ju- gendalter die häufigsten chronischen Krankheiten dar. Chronische Erkran- kungen sind in diesem Alter von besonderer Bedeutung, da sie enorme fort- währende Entwicklungsstörungen hervorrufen können. Heuschnupfen ist die am stärksten verbreitete allergische Erkrankung. Allergische Kontaktekzeme, Neurodermitis und Asthma sind ebenfalls beständig diagnostizierte chroni- sche Erkrankungen (RKI 2008: 151FF).

Die Verbreitung von Übergewicht und Adipositas soll ebenfalls noch aufge- führt werden. KIGGS und die HBSC-Studie liefern diesbezüglich teilweise unterschiedliche Ergebnisse: In der Pubertätsphase von elf bis 13 Jahren ist Übergewicht (einschließlich Adipositas) am meisten verbreitet, was somit jeden und jede Fünfte/n dieser Altersgruppe betrifft. Ein Anstieg adipöser Ju- gendlicher ist von den 11- bis 13-jährigen zu den 14- bis 17-jährigen zu beo- bachten. Keine signifikanten Unterschiede sind zwischen den Geschlechtern fest zu stellen (RKI: 2008: 154F). Die HBSC-Studie geht von den Jugendlichen selbst berichteten Größen- und Gewichtswerten aus und kommt auf folgende Ergebnisse: Circa elf Prozent der Befragten sind übergewichtig und weitere zwei Prozent adipös. Altersbedingte Unterschiede sind nicht zu vermerken, jedoch aber eine erhöhte Prävalenz bei Mädchen als bei Jungen (RAVENS- SIEBERER U. & ERHART M. 2008). Bei den Teilnehmenden der Fit-fürs-Leben-Studie sind 32 % der männlichen und 24 % der weiblichen Übergewichtig. Bei den Männern kann ein signifikanter Anstieg der Wahrscheinlichkeit mit steigen- dem Alter festgestellt werden, bei den Frauen schwankt die Überge- wichtsprävalenz in diesem Lebensabschnitt zwischen 18 % und 28 % und kann nicht mit dem Alter in Verbindung gebracht werden.

Subjektive Gesundheit

Die KIGGS-Erhebungen sind in diesem Bereich auf zwei Befragungen zurück zu führen. Neben den Jugendlichen selbst wurden auch die Eltern zum all- gemeinen Gesundheitszustand der Kinder befragt. Mit ansteigendem Alter verlagert sich die Fremdeinschätzung auf der Werteskala von „sehr gut“ nach „gut“. Geschlechtsspezifische Unterschiede sind Folgende festzuhalten: Bis zum 13. Lebensjahr bewerteten die Eltern den gesundheitlichen Zustand ih- rer Töchter besser als den der Söhne, in der darauf folgenden Altersgruppe wird dies genau umgekehrt bewertet. Zudem wurden die Eltern zur gesund- heitsbezogenen Lebensqualität befragt, die sich auf sechs Inhaltsbereiche fokussiert (Körper, Psyche, Selbstwert, Familie, Freunde, Schule). Die Be- wertung des Gesamtwertes fiel durch die Eltern meistens positiv aus, mit zu- nehmendem Alter der Kinder verschlechtert sie sich jedoch. Die eigenen An- gaben der Jugendlichen bezüglich der Lebensqualität verweisen auf ein an- deres Bild: Die Jungen berichten tendenziell über eine höhere Lebensquali- tät, ausgenommen im Bereich Schule. Im Verlauf der Adoleszenz weisen die Aussagen der Jugendlichen auf eine Abnahme der Lebensqualität in fünf der abgefragten Bereiche hin. Im Bereich Selbstwert ist ein Anstieg zu vermer- ken (RKI 2008: 165FF). Die Ergebnisse der HBSC-Studie verweisen auf ähnliche geschlechts- und altersspezifische Unterschiede. Dies bedeutet, dass elf Prozent der 11-jährigen Mädchen und Jungen die persönliche Gesundheit als schlecht oder mäßig beschreiben. Mit 13 bzw. 15 Jahren verändert sich diese Zahl bei den Mädchen auf 17 % bzw. 20 %. Bei den männlichen 13- jährigen Jugendlichen steigt die Prozentzahl auf 12 %, eine weitere Verände- rung der Einschätzung bleibt vorerst bei den männlichen Jugendlichen aus (RICHTER M., KRUSE C. & STECKLING N. 2010).

Die aktuelle Shell Jugendstudie (2010) befragte die Jugendlichen nach der allgemeinen Lebenszufriedenheit. 74 % der Befragten sind mit ihrem Leben zufrieden. Den Trend zur prozentualen Abnahme mit zunehmendem Alter legen auch diese Ergebnisse dar. Bezüglich der Schulform liegt der prozen- tuale Anteil der Auszubildenden, die sich positiv über die Lebenszufrieden- heit äußern, zwischen dem der Hauptschüler und der Gymnasiasten, mit 74 % bzw. 65 % bzw. 84 % (SHELL JUGENDSTUDIE 2010: 122FF).

Psychische Gesundheit

Jugendliche werden mit psychischen Belastungen konfrontiert, welche sie über Verhaltensprobleme, prosoziales Verhalten, Hyperaktivitätsprobleme, emotionale Probleme oder Verhaltensauffälligkeiten äußern. Der KIGGS er- fragte die Eltern der Kinder und Jugendlichen nach diesen Formen der Be- lastungsäußerung. Die HBSC-Studie deren Ergebnisse wiederum über Selbsteinschätzungen ermittelt wurden, fragte nach psychischen Auseinan- dersetzungen in den letzten 12 Monaten. Beide Studien kamen zu den Er- gebnissen, dass mit einem Anstieg des Alters eine Verringerung der psychi- schen Belastungen einhergeht. Jungen sind im Vergleich zu Mädchen we- sentlich häufiger auffällig, außer im Bereich der emotionalen Probleme (RA- VENS-SIEBERER U. & ERHART M. 2008; RKI 2008: 157F).

1.2.2 Gesundheitsrelevante Verhaltensweisen

Wie im Lebensbereich „Gleichaltrigengruppen“ einführend hingewiesen, bie- tet der Umgang mit Gleichaltrigen ein enormes Experimentierfeld, um eigene Lebensstile, Werte und Verhaltensweisen zu entwickeln und zu erproben. Dass die Jugendlichen hierbei sowohl positiven als auch negativen Einflüs- sen ausgesetzt sind, ist nachzuvollziehen. Die starke emotionale Abhängig- keit von der Gleichaltrigengruppe und ein Missverhältnis zwischen situati- onsbedingten Aufgabenstellungen und eigenen Handlungskompetenzen können als Gefährdungspotenziale für die eigene Entwicklung und den weite- ren Lebensweg angesehen werden. Somit können über Gleichaltrigengrup- pen und deren gruppendynamische Prozesse nicht-konforme Werte übermit- telt werden, welche häufig eine gesundheitsschädigende Wirkung mit sich bringen können. Die eher problematischen Einflüsse sind jedoch durch eine gestörte Beziehung zwischen Kindern und Eltern verstärkt wahrzunehmen (PALENTIEN C. & HARRING M. 2010).

Ganz allgemein berichtet die 16. Shell Jugendstudie (2010) von einem An- stieg der Bedeutung des gesundheitsbewussten Lebens im Vergleich zum Jahr 2002. Vermutungen über ein Bedürfnis nach körperlicher Aktivität und Widersprüche im Bezug auf den Drogenmissbrauch werden angestellt (SHELL JUGENDSTUDIE 2010: 202F).

Im Folgenden wird auf gesundheitsrelevante Verhaltensweisen im Bezug auf Drogen, Ernährung und körperliche Bewegung eingegangen.

Drogenkonsum

Drogen sind Substanzen, welche „über das Zentralnervensystem die subjek- tive Befindlichkeit eines Konsumenten direkt oder indirekt beeinflussen“ (PA- LENTIEN C. & HARRING M. 2010: 370). Hierzu zählen Alkohol, Tabak und illegale Dro- gen. Der Konsum gehört zu einer Problembewältigungsstrategie, die nach innen gerichtet ist und gleichwohl auch als Ausdrucksform durch nach außen gerichtetes, demonstratives Verhalten. Diese Verarbeitungsformen können schnell zu einer Form der Lebensbewältigung werden, die ursprünglich nicht von den Jugendlichen suggeriert war (PALENTIEN C. & HARRING M. 2010).

Nikotin

Für vermeidbare Krankheiten stellt Rauchen den für die Gesundheit bedeutendsten Risikofaktor dar. Vor allem für kardiovaskuläre Erkrankungen ist der Konsum von Tabak eine wesentliche Urasche.

Nach der jüngsten deutschlandweiten Repräsentativbefragung der Bundes- zentrale für gesundheitliche Aufklärung (2010) haben 31,9 % der befragten Jugendlichen zwischen 12 und 17 Jahren mindestens einmal geraucht. Bei der Altersgruppe der 18- bis 25-jährigen ist die Lebenszeitprävalenz folglich höher bei 71,1 %. Nach der europäischen Schülerstudie (ESPAD 2007) liegt die Lebenszeitprävalenz bei Schülern der neunten und zehnten Klasse bei 72 %.

Die erste Raucherfahrung liegt im Durchschnitt bei 14 Jahren. Im Lebenslauf von 12 bis 25 Jahren steigen die Quoten der Raucher sowie die Intensität und die Regelmäßigkeit des Rauchens stets an (BZGA 2011A: 11F). Dies bestäti- gen auch die Ergebnisse des KIGGS. Demzufolge rauchen nur 2 % der elf bis 12-jährigen, ab dem 13. Lebensjahr erhöht sich diese Zahl deutlich und geht bei den 17-jährigen von einem Wert von 42,6 % aus (RKI 2008: 169F).

Werden die Anteile der Raucher aus unterschiedlichen Schulformen oder Ausbildungsgängen über der Sekundarstufe I verglichen, ergibt sich folgen- des Bild:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1-2: Prozentualer Anteil der Raucher und Raucherinnen bei 12- bis 25-jährigen nach Schulform, Ausbildung bzw.

derzeitiger Tätigkeit

Quelle: Eigene Darstellung nach BZGA 2011A: 23

Auszubildende, Erwerbstätige und Arbeitslose sind die Gruppen mit den meisten Rauchenden (zwischen 43,6 % und 45,4 %) im Vergleich zu Gym- nasiasten der Sekundarstufe II und Studierenden (zwischen 22,6 % und 27,2 %). Berufsschüler und Zivil-/Wehrdienstleistende nehmen eine Mittelposition mit 30,8 % und 39,4 % ein.

Der Kinder- und Jugendgesundheitssurvey belegt weiterführend die Tatsa- che, dass Jugendliche jene Gleichaltrigengruppen favorisieren, welche kom- patible Rauchgewohnheiten haben, womit deshalb eine Stärkung des eige- nen Rauchverhaltens durch die Clique hervorgeht. 43,9 % der 14- bis 17- jährigen befragten Jugendlichen, halten sich in Gruppen auf, deren Mitglieder regelmäßig rauchen und greifen selbst häufig zur Zigarette. Dagegen liegen die Raucherquoten in „Nichtrauchercliquen“ bei 9,7 % (PALENTIEN C. & HARRING M. 2010).

Betrachtet man Entwicklungen von 1979, 2001 und 2010 können rückläufige Zahlen rauchender Jugendlicher erfasst werden. Waren es im Jahr 1979 noch 30,2 % und 2001 noch 27,5 % Rauchende zwischen 12 und 17 Jahren, waren es 2010 nur mehr 12,9 % der Jugendlichen. Die HBSC-Studie ver- weist noch auf signifikante Unterschiede zwischen den Geschlechtern. Ab dem 15. Lebensjahr ist ein deutlich höherer Anteil weiblicher Raucher zu ver- zeichnen als männlicher (NICKEL J., RAVENS-SIEBERER U., RICHTER M. & SETTERTOBULTE W. 2008). Die 16. Shell Jugendstudie (2010) dagegen, verweist in der Altersgrup- pe der 12- bis 25-jährigen auf mehr männliche als weibliche Raucher (SHELL JUGENDSTUDIE 2010: 93F). Bei der höheren Altersgruppe, der 18- bis 25-jährigen, konnten ab dem Jahr 2008 ebenso Rückläufe verzeichnet werden: Rauchten 2008 noch 44,8 % bzw. 43,8 % der Männer bzw. Frauen, hat sich der Anteil im Jahr 2010 auf 40,8 % bzw. 35,5 % reduziert (BZGA 2011A: 24F). Generell ist festzuhalten, dass der Tabakkonsum bzw. der Anteil der regelmäßig Konsu- mierenden im Alter zunimmt, dies unterstreichen auch die Ergebnisse der Fit- fürs-Leben-Studie. Unter den 16-jährigen gaben circa 30 % an regelmäßig Tabak zu konsumieren, bei den 25-jährigen erhöhte sich der Wert auf 60 %. Signifikante Geschlechterunterschiede existierten nicht (LEYK, D. & LÖLLGEN H. 2008).

Die Jugendphase stellt nach Richter (2005) den risikoreichsten Abschnitt im Lebenslauf dar, wovon die große Mehrheit das Rauchverhalten im Erwach- senenalter beibehält. Mittlerweile machen sich schon bei Jugendlichen kurz- fristig einschränkende gesundheitliche Effekte im Bereich der Lungenfunktion und der körperlichen Fitness bemerkbar (BZGA 2011A: 30; RICHTER M. 2005: 93; SHELL JUGENDSTUDIE 2010: 93).

Alkohol

Ein Blick auf die langfristigen Entwicklungen des regelmäßigen Alkoholkon- sums bei den Altersgruppen der 12- bis 17-jährigen bzw. 18- bis 25-jährigen ergibt Folgendes: Beide Altersgruppen erreichen seit 1979 bzw. 1973 im Jahr 2010 den niedrigsten Anteil der regelmäßigen Alkoholkonsumenten mit 12,9 % bzw. 34,5 %. Im Rückblick der Jahre 2004 bis 2010 ist ebenfalls ein Rück- gang in der 30-Tage-Prävalenz des Binge-Trinkens zu beobachten (BZGA 2011B: 7F, 23F).

Im Bezug auf Geschlecht und Alter werden folgende Konsumverhaltensände- rungen festgestellt: Die männlichen Befragten trinken häufiger regelmäßig Alkohol als die Weiblichen. Ab dem 16. Lebensjahr ist dieser Unterschied am stärksten ausgeprägt. Im Verlauf nimmt der Anteil der regelmäßigen Konsu- menten deutlich zu. Die Altersgruppen der 12- bis 15-jährigen und die der 16- bis 17-jährigen unterscheiden sich am deutlichsten (BZGA 2011B: 8F). Die HBSC- Studie stellt den Trend zum Anstieg im Lebenslauf bei den 11-, 13- und 15- jährigen (1,4 %, 4,7 % und 19,8 %), sowie die Geschlechterunterschiede e- benfalls fest (NICKEL J. ET AL. 2008). Auch die Studie EsKiMo, als Nachfolgemodul des KIGGS, zeigt signifikante Einflüsse dieser Variablen auf den Alkoholkon- sum (KOHLER S., RICHTER A., LAMPERT T. & MENSINK G.B.M. 2009).

Im Bezug auf das Konsumverhalten unterschiedlicher Schulformen über die Sekundarstufe I hinaus, sind diese Ergebnisse festzuhalten: Im Vergleich zu den Schülern der Oberstufe des Gymnasiums ist die 30-Tage-Prävalenz des Alkoholkonsums der Auszubildenden, Berufsschüler und Arbeitslosen niedri- ger. EsKiMo stellt diese Ergebnisse auch für die 14- bis 15-jährigen Schüler der Sekundarstufe I fest. Hauptschüler unabhängig vom Geschlecht trinken in diesem Alter weniger als die Schüler des Gymnasiums. In der Altersgrup- pe der 16- bis 17-jährigen konsumieren jedoch Hauptschüler die größte Al- koholmenge. Hinsichtlich des Binge-Trinkens zeigen sich keine signifikanten Merkmale zwischen den Schulformen (BZGA 2011B: 29F; KOHLER S. ET AL. 2009).

Trotz dieser rückläufigen Zahlen, ist bei 8,5 % der 16- bzw. 17-jährigen ein Konsumverhalten zu beobachten, welches sich selbst bei Erwachsenen gesundheitsschädigend auswirken würde.

Illegale Drogen

Zu den illegalen Drogen zählen Cannabis, Ecstasy, Kokain, LSD, Crack, Amphetamine oder Heroin. Die Drogenaffinitätsstudie (DAS) der BZgA (2008) stellte bei den 12- bis 25-jährigen eine Lebenszeitprävalenz von 28,9 % fest, 2004 waren es noch 32 %. Die meist verbreitete Droge in dieser Al- tersgruppe ist Cannabis, die anderen Substanzen werden nur zu einem sehr viel geringeren Anteil der Jugendlichen konsumiert. Der Anteil der cannabis- konsumierenden Jugendlichen lag 2004 bzw. 2008 bei 31 % bzw. 28,3 %. Die HBSC-Studie liefert hinsichtlich der 15-jährigen eine Lebenszeitprävalenz für Cannabis von 24 % (2002) und 18,2 % (2006) (NICKEL J. ET AL. 2008).

Die Ergebnisse der Early Developmental Stages of Psychopathology (EDPS, 2003) bzw. die DAS (2004) geben folgende Lebenszeitprävalenzwerte für die anderen illegalen Drogen, beispielsweise Ecstasy 4,4 % bzw. 4 %, Kokain 2,8 % bzw. 2 % (PALENTIEN C. & HARRING M. 2010; BZGA 2010: 8).

Die Drogenaffinitätsstudie stellt zum ersten Mal seit 20 Jahren bei den 12- bis 17-jährigen, seit dem letzten Erhebungsjahr (2004), einen Rückgang des Anteils der Jugendlichen fest, die Erfahrung im illegalen Drogenkonsum ha- ben. In der Altersgruppe der 18- bis 25-jährigen stagnierte der Anteil erstma- lig. Weiter konnte die DAS (2008) einen wesentlichen Zusammenhang vom Konsum legaler und illegaler Drogen herausstellen. Eine Korrelation zwi- schen Schulform und Konsumverhalten kann jedoch in der Sekundarstufe I nicht dargelegt werden.

Ernährungsverhalten

Für das Wachstum, die intellektuelle Entwicklung und den Gesundheitsstatus kommt dem Ernährungsverhalten von Kindern und Jugendlichen eine enor- me Bedeutung zu. Der erhöhte Bedarf an Energie- und Nährstoffen ist durch das Wachstum und die körperlichen Veränderungen bedingt. Können diese Bedarfswerte nicht erreicht werden, kommt es zu einer Fehl- oder Mangeler- nährung, was Störungen im Wachstum und in der sexuellen Reifung zur Fol- ge haben kann. Ebenso können Knochenerkrankungen, Allergien, Zahnka- ries oder Stoffwechselstörungen auftreten, welche das Risiko erhöhen, spä- ter an chronisch-degenerativen Erkrankungen wie Arteriosklerose, Herzin- farkt und Diabetes zu erleiden (RAITHEL J. 2002; RICHTER M. 2005: 99; RICHTER M. ET AL. 2010).

Die KIGGS-Daten liefern grobe Einschätzungen zum Lebensmittelverzehr: In der Gruppe der 11- bis 17-jährigen sinkt mit steigendem Alter der Anteil der Jugendlichen, die die Verzehrempfehlungen für Gemüse, Milch und Obst er- reichen. 23 % erreichen den empfohlenen Wert von Obst und nur neun Pro- zent den Wert von Gemüse. Dagegen verzehren 89 % der Jugendlichen eine Süßigkeitenmenge über dem empfohlenen Wert. Positiv fällt der Getränke- konsum auf, 62 % trinken gemäß den Empfehlungen. Insgesamt ist bei Mäd- chen ein günstigeres Ernährungsverhalten festzustellen als bei Jungen (RKI 2008: 167FF). Im Altersbereich der 16- bis 25-jährigen sind der Fit-fürs-Leben- Studie ebenfalls signifikante Unterschiede im Vergleich der Geschlechter zu entnehmen. Weibliche Teilnehmerinnen gaben vermehrter an „eher häufig“ Süßigkeiten zu verzehren als Männer (46 % bzw. 35 %). Dagegen ist bei den männlichen Teilnehmern häufigerer Konsum von Softdrinks (62 %) und Fast- food (38 %) festzustellen als bei den Frauen (49 % bzw. 24 %). Zur bereits angesprochenen Süßigkeitenmenge gibt diese Studie die Auskunft, dass die Menge an verzehrten kalorienreichen Nahrungsmitteln mit steigendem Alter rückläufig ist (LEYK, D. & LÖLLGEN H. 2008).

Eine Studie von Raithel (2002) untersuchte das Bestehen eines Zusammen- hanges von Ernährungsverhalten und Gesundheitsverhalten. Erst einmal un- terstreichen diese Befunde die geschlechtsspezifischen Unterschiede der Daten des KIGGS und fügen hinzu, dass Mädchen mit zunehmendem Alter hochwertige Nahrungsprodukte (im Gegensatz zu Ungünstigen) vorziehen. Weiter stellt Raithel einen positiven Zusammenhang zwischen der Häufigkeit der Mahlzeiten, die mit den Eltern eingenommen werden und dem Verzehr hochwertiger Produkte dar. Ebenso besteht zwischen einer eher ungünstigen Ernährung und einem Bewegungsmangel eine positive Korrelation. Positive Beziehungen sind auch zwischen dem Verzehr ungünstiger Lebensmittel und dem Ausüben gesundheitsriskanter Verhaltensweisen zu vermerken. Ein Verbrauch ungünstiger Nahrungsprodukte korreliert mit dem Alkohol- und Zigarettenkonsum statistisch signifikant. Auch häufiges Ausgesetzt sein von lauter Musik kann mit einem ungünstigen Essverhalten in Verbindung ge- bracht werden (RAITHEL J. 2002).

Diese Befunde verweisen auf einen „verhaltensübergreifende[n] Zusammen- hang von einerseits gesundheitsförderlichen Verhaltensweisen inklusive hochwertiger Ernährung und andererseits von gesundheitsabträglichen bzw. riskanten Praktiken samt nährstoffbezogen ungünstiger Ernährung“ (RAITHEL J. 2002: 67).

Körperliche Aktivitäten

Neben den bisher erläuterten gesundheitsrelevanten Verhaltensweisen, wird nun die körperliche Aktivität beschrieben. Nach Richter (2005) ist körperliche Inaktivität ein wesentlicher Risikofaktor für kardiovaskuläre Erkrankungen und ein beeinträchtigender Faktor in Bezug auf Mortalität und Morbidität der Erwachsenengruppe (RICHTER M. 2005: 97). Ein Forschungsüberblick zu „Jugend- sport und Jugendgesundheit“ der Universität Bayreuth (2005) verweist dage- gen auf Studien, welche übereinstimmend deutlich machen, „dass weniger die sportliche Aktivität an sich als viel mehr die motorische Leistungsfähigkeit das kardiovaskuläre und metabolische Risikoprofil beeinfluss[en]“ (SYGUSCH R. 2005: 867). Diese Einflüsse zeigen ihre Wirkung im Körperfettanteil und in ver- schiedenen Lipidparametern. Übergewicht kann schon im Kindes- und Ju- gendalter als ein dringliches Gesundheitsproblem bezüglich späterer Herz- Kreislauf-Erkrankungen eingestuft werden (SYGUSCH R. 2005).

Dem KIGGS zur Folge sind 89,9 % der Jungen und 78,5 % der Mädchen zwischen elf und 17 Jahren einmal pro Woche sportlich aktiv. Weniger als einmal in der Woche sind 10,1 % bzw. 21,5 % der Jungen bzw. Mädchen ak- tiv. Deutlich werden hier die geschlechtsspezifischen Abweichungen zu Un- gunsten der weiblichen Jugendlichen. Auffallend ist ebenso, dass der Anteil der körperlich-sportlich Aktiven, die mindestens dreimal pro Woche trainie- ren, im Laufe der Adoleszenz abnimmt. Der Anteil derer die 1- bis 2-mal in der Woche aktiv sind, nimmt geschlechtsübergreifend zu (RKI 2008: 172F). Nach der Fit-fürs-Leben-Studie treiben ein Viertel der Befragten nie/selten Sport, sie unterstreicht daher die Ergebnisse des KIGGS. Zudem steigt der Anteil der sportlich inaktiven mit zunehmendem Alter. Dieser Sachverhalt verdeut- licht auch das Antwortschema bezüglich einer aktiven Mitgliedschaft im Sportverein: Während im Alter von 16 Jahren noch rund 41 % der weiblichen und 53 % der männlichen Jugendlichen im Sportverein aktiv waren, sind es unter den 25-jährigen nur noch 19 % bzw. 30 % (LEYK, D. & LÖLLGEN H. 2008).

Die Universität Bayreuth veröffentlichte dazu folgende Daten: Systematische Studien, die zeitliche Trends zum Bewegungsumfang Jugendlicher angeben, liegen nicht vor. Festzuhalten ist jedoch, dass körperlich-sportliche Aktivitä- ten im Verein oder der Freizeit, einen hohen Stellenwert erlangen und in ei- nem relativ konstanten Ausmaß betrieben werden. Dreiviertel der Jugendli- chen betreiben in ihrer Freizeit mindest einmal in der Woche Sport, nahezu jeder Zweite ist im Verein aktiv. Auch hier können mehr Jungen als Mädchen und eher jüngere als ältere, sowie gesamt Jugendliche mit einer höheren Schulbildung verzeichnet werden (SYGUSCH R. 2005: 864). Im Bezug auf Korrelati- onen zu anderen gesundheitsrelevanten Verhaltensweisen sind folgende Er- gebnisse bedeutend: Eine intensive Mediennutzung hat keinen Einfluss auf das Sportverhalten (BURRMANN U. & BAUR J. 2003). Das Bewegungsverhalten geht statistisch signifikant positiv mit einem hochwertigen Lebensmittelkonsum einher. Eine signifikant negative Korrelation besteht zu risikoreichem Verhal- ten und Nikotinkonsum (RAITHEL J. 2002). Alkohol wird dagegen von Sportlern und nicht Aktiven in gleichem Maße konsumiert (SYGUSCH R. 2005).

Schlussfolgernd ist festzuhalten, dass ungünstige Lebensgewohnheiten häu- fig schon in der Schulzeit gefestigt werden und wie in der Fit-fürs-Leben- Studie aufgezeigt, nach dem 18. Lebensjahr eine erhebliche Dynamik ent- steht. „Die multivariaten Analysen belegen, dass vor allem übergewichtige Jugendliche mit einem geringen Bildungsniveau und Bewegungsmangel Ge- fahr laufen, bereits im jungen Erwachsenenalter kardiovaskuläre Risikofakto- ren zu erwerben“ (LEYK, D. & LÖLLGEN H. 2008). Lediglich ein Viertel aller Fit-fürs- Leben-Teilnehmenden weist keinen der geprüften kardiovaskulären Risiko- faktoren auf.

[...]

Excerpt out of 121 pages

Details

Title
Konzeption und Durchführung einer Lehreinheit zum Thema „Herz“
Subtitle
In Kooperation mit der Rollenden Patientenuniversität der Medizinischen Hochschule Hannover
College
University of Education Freiburg im Breisgau
Grade
1,3
Authors
Year
2011
Pages
121
Catalog Number
V188549
ISBN (eBook)
9783656121589
ISBN (Book)
9783656122609
File size
2623 KB
Language
German
Keywords
konzeption, durchführung, lehreinheit, thema, herz, kooperation, rollenden, patientenuniversität, medizinischen, hochschule, hannover
Quote paper
Carolin Langer (Author)Marie-Luise Dierks (Series editor)Gabriele Seidel (Series editor), 2011, Konzeption und Durchführung einer Lehreinheit zum Thema „Herz“, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/188549

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Title: Konzeption und Durchführung einer Lehreinheit  zum Thema „Herz“



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