Henrik Brendel geht in seiner forschungsgestützten Masterarbeit der Frage nach, wie sich die Anti-Apartheid-Bewegung in der Bundesrepublik im Kontext des inter- bzw. transnationalen Kampfes gegen das südafrikanische Apartheidsregime formierte, welche Mobilisierungsstrategien sie verfolgte und wie erfolgreich sie dabei war. In der Einleitung führt Brendel konzise in das Thema ein, entfaltet die Fragestellung, ordnet diese in Forschungskontext ein und beschreibt seine Materialbasis und sein Vorgehen. Das zweite Kapitel liefert zunächst einen knappen historischen Abriss der Anti-Apartheid-Bewegung in Südafrika. Besonderes Interesse liegt dabei auf dem Bemühen der AAB um internationale Unterstützung. Das dritte Kapitel konzentriert sich dann auf die Entwicklung der AAB in der Bundesrepublik, bevor das vierte Kapitel die bundesdeutsche AAB Bewegung wiederum in den internationalen Kontext einordnet. Abgerundet wird die Arbeit durch ein Fazit, das die Ergebnisse schlüssig zusammenfasst.
Während die Arbeit im zweiten Kapitel sowohl die gute Literaturkenntnis als auch die Fähigkeit zur Synthese zeigt, gelingt es Brendel im dritten Kapitel auf der Basis von unveröffentlichtem Quellenmaterial einen guten Einblick in das Innenleben der Bewegung und deren Mobilisierungserfolge zu liefern. Ausgehend von zwei aus Südafrika geflohenen Pfarrern erfolgte nach und nach eine erfolgreiche Vernetzung der langsam wachsenden Bewegung auf nationaler und internationaler Ebene. Dabei arbeitet Brendel insbesondere heraus, wie es gelang, die Wirtschafts- und die Kulturbeziehungen der Bundesrepublik zu Südafrika immer mehr zu delegitimieren. Boykottaufrufe gegen südafrikanische Produkte sowie die Kündigung des Kulturabkommens mit Südafrika können in diesem Kontext als die größten Erfolge gelten. Durch die im vierten Kapitel vorgenommene Einbettung der deutschen AAB in den internationalen Kontext gelingt es Brendel schließlich auch, diese Erfolge zu relativieren und zu zeigen, in welchem Maße etwa die Bewegung in den Niederlanden noch erfolgreicher war. Wenn die Frage nach den Gründen dafür in dieser Arbeit offen bleibt, so zeigt dies nur, dass Brendel mit seiner Arbeit ein vergleichsweise neues Forschungsfeld betritt und dabei eine Reihe neuer Perspektiven eröffnet.
Inhaltsverzeichnis
1. EINLEITUNG: FRAGESTELLUNG, QUELLENBASIS UNDAUFBAU DER UNTERSUCHUNG
1.1 VON EINER „ LEISEN UND EINSAMEN S TIMME DES P ROTESTS “ ZUR WELTWEITEN SOLIDARITÄTSBEWEGUNG?
1.2 ANTI-APARTHEID-PROTEST IN DER BUNDESREPUBLIK - SOZIALE BEWEGUNG ALS GESELLSCHAFTLICHER LERNPROZESS?
1.3 FORSCHUNGSSTAND UND QUELLENBASIS
1.4 ANALYTISCHER BEZUGSRAHMEN UNDAUFBAU DER UNTERSUCHUNG
2. VOM PROTEST ZUM WIDERSTAND: DIE ANTI-APARTHEID-BEWEGUNG IN SÜDAFRIKA(1886-1994)
2.1 WURZELN DES WIDERSTANDS: VOM MINENKAPITALISMUS ÜBER DIE ENTSTEHUNG EINES MODERNEN STAATS ZUR ETABLIERUNG DER RASSENTRENNUNG IN SÜDAFRIKA(1886-1940)
2.2 „ AFRICA FOR THE AFRICANS “: VOM ZIVILEN UNGEHORSAM ÜBER DAS MASSAKER VON SHARPEVILLE ZUM BEWAFFNETEN WIDERSTANDSKAMPF (1940-68)
2.3 STILLE VOR DEM STURM: VOM BLACK CONSCIOUSNESS ÜBER DIE RADIKALISIERUNG DER JUGEND ZUR UNITED DEMOCRATIC FRONT (1968-89)
3. DIE MOBILISIERUNG DER ANTI-APARTHEID-BEWEGUNG IN DER BUNDESREPUBLIK DEUTSCHLAND
3.1 „ M IT M ASKE AUF DEM S EIL TANZEND “ - VON DER AUSWEISUNG DEUTSCHER PRIESTER AUS SÜDAFRIKAZUR MOBILISIERUNG ERSTER PROTESTGRUPPEN UNDAKTIONEN IN DEUTSCHLAND
3.2 „ I NSTITUTIONALISIERTER E RFAHRUNGSAUSTAUSCH “ - ORGANISATIONSSTRUKTUREN UND KOMMUNIKATIONSKANÄLE
3.3 „ THANKS GOD , WE STILL HAVE W EST -G ERMANY “ - PROBLEMDEUTUNGEN UND VORANNAHMEN IM PROTEST GEGEN DIE APARTHEID
3.4 „ DAS K ULTURABKOMMEN MIT SÜDAFRIKAMUSS GEKÜNDIGT WERDEN ! “ - ÜBERSETZUNG DER KRITIK IN DIE SPRACHE GESELLSCHAFTLICHER TEILSYSTEME
4. DIE AAB IN DER BRDALS BESTANDTEIL EINER TRANSNATIONALEN ANTI- APARTHEID-BEWEGUNG
4.1 „ WE WIELDADEVASTATING WEAPON “ - ANTI-APARTHEIDALS BEWEGUNG DER BEWEGUNGEN
4.2 „ DEAR COMRADE INGEBORG “ - ZUSAMMENARBEIT MIT DEN BEFREIUNGSBEWEGUNGEN
4.3 „ UNDER THE AUSPICES OF THE UN “ - INTERAKTION MIT DEM UN-CENTRE AGAINST APARTHEID
4.4 „ SUPPORT THE INTERNATIONAL DAY OF ACTION “ - KOORDINIERUNG ZWISCHEN DEN NATIONALEN SOLIDARITÄTSBEWEGUNGEN
5. FAZIT
6. APPENDIX
6.1 QUELLENNACHWEISE
6.1.1 Archivquellen
6.1.2 Quellen aus Editionen
6.1.3 Beiträge aus Printmedien
6.1.4 Über das Internet zugängliche Quellen
6.2 LITERATURNACHWEISE
6.3 ABKÜRZUNGEN
“ There are certain moments that capture the essence of life itself. Today is such a moment for me. For you are the friends from five continents who kept hope alive. You took the plight of our people, our hopes, our dreams and our struggle, to your hearts and made it your own. You refused to let the world ignore the tragedy wreaked by apartheid. ” 1
- Nelson Mandela
1. Einleitung: Fragestellung, Quellenbasis und Aufbau der Untersuchung
1.1 Von einer „ leisen und einsamen Stimme des Protests “ zur weltweiten Solidaritätsbewegung?
Im Februar 1993, also noch etwas mehr als ein Jahr vor den damals ersten freien und demokratischen Wahlen in Südafrika, hielt der African National Congress (ANC) in Johannesburg eine dreitägige „ Internationale Solidarit ä tskonferenz “ mit dem Titel „ From Apartheid to Peace, Democracy and Development “ ab. Geladen waren insge- samt über 900 Teilnehmer, darunter 260 Repräsentanten südafrikanischer Anti- Apartheid-Gruppen sowie etwa 650 Aktivisten, Journalisten, Wissenschaftler und Diplomaten aus aller Welt, die sich für die Überwindung des Apartheidsystems in Südafrika eingesetzt hatten.2
In seiner Eröffnungsrede dankte der damalige Vorsitzende des ANC, Oliver Tambo, ihnen für ihr langjähriges Engagement: „ [Y] ou are here today because by your acti ons you have brought the system of apartheid to its knees. It is not the visas you were issued which enabled you to enter the country. It is your steadfast opposition to racism and racial domination which opened the gates at the frontiers so that you who stand for justice could be here today. ” 3
Begrüßt hatte er die Aktivisten zuvor in seiner Eingangsformel als “ distinguished delegates and special guests from the world anti-apartheid movement “.4 In ihren An- fängen sei diese Weltbewegung gegen Apartheid nur eine leise und einsame Stimme des Protests gewesen, doch durch gewissenhafte Männer und Frauen wie die Dele- gierten der Konferenz sei die Anti-Apartheid-Bewegung stetig gewachsen, „ into perhaps the strongest international solidarity movement of this century, bringing together citizens of all countries, governments and international organisations. This very conference reflects precisely the depth and breadth which this movement at- tained. Among us we have anti-apartheid activists who have worked selflessly for decades. We have trade unionists, cultural workers, professionals, students, civil servants, parliamentarians, representatives of governments and international gov- ernmental and non-governmental organisations. ” 5 Diese breite Bewegung habe der Apartheid einen mächtigen Schlag versetzt, der Befreiungsbewegung enorme Stärke verliehen, ihre Angehörigen im Gefängnis und im Exil gestützt und sie an den Punkt gebracht, an dem der Sieg in Sicht sei, so das Fazit von Oliver Tambo.6
In den internationalen Zeitungen wurden die 650 internationalen Gäste und die an sie gerichteten Dankesworte zumeist nur am Rande erwähnt. In Deutschland ging zum Beispiel Bartholomäus Grill in der Zeit explizit auf das „ Aha-Erlebnis “ und die „ Ge nugtuung “ jener ein, „ die im Ausland unermü dlich für den Boykott des Burenregimes gek ä mpft hatten. “7 Im Vordergrund der Berichterstattung stand aber zumeist eher die in der Schlusserklärung der Konferenz enthaltene Ankündigung des ANC, die Rücknahme der meisten Sanktionen gegen Südafrika zu befürworten, sobald ein definitiver Termin für freie, demokratische Wahlen beschlossen würde. Bis dahin komme es jedoch entscheidend darauf an, die Sanktionen und den internationalen Druck auf die weiße Regierung in Pretoria aufrecht zu halten.8
Viele der wichtigsten Wirtschaftsnationen hatten sich lange Zeit schwer damit getan, überhaupt Sanktionen zu verhängen. Tatsächlich war die schrittweise Durchsetzung umfangreicher Sanktionen gegen das Apartheidregime nur in Einzelfällen auf die Ini- tiative von Regierungen zurückzuführen. Obgleich etwa die Vereinten Nationen die Apartheid immer wieder verurteilt und zum Beispiel das Jahr 1982 zum „ Internationa- len Jahr der Mobilisierung für Sanktionen gegen Sü dafrika “ erkIärt hatten, sperrten sich Regierungschefs wie Ronald Reagan, Margaret Thatcher und andere immer wieder gegen Maßnahmen, die über eine rhetorische Verurteilung hinausgingen.
Stattdessen bevorzugten sie eine Politik des so genannten „ konstruktiven Engage- ments “ und des „ kritischen Dialogs “, durch welche die Apartheid auf dem Wege all- mählicher Reformen langfristig überwunden werden sollte. In der überwiegenden Mehrheit der Fälle wurden Sanktionen deshalb erst in Reaktion auf die Empörung und den anhaltenden Druck von Bürgern beschlossen, die sich öffentlich gegen die Apartheid einsetzten.9
Die Bundesrepublik Deutschland unterhielt sowohl auf politischer als auch auf wirt- schaftlicher Ebene über lange Jahre hinweg nahezu freundschaftliche Beziehungen mit der Regierung in Pretoria, trotz rhetorischer Verurteilung der Rassentrennung. Bis in die sechziger Jahre hinein konnte die Bundesregierung ihre Südafrika-Politik noch weitgehend frei an wirtschaftlichen Interessen orientieren, wie Philipp Rock nachweist.10 So wurde noch 1962 ein Kulturabkommen zwischen beiden Ländern geschlossen, das erst im September 1985 durch die Bundesregierung gekündigt wurde.11 Im Jahr 1974 avancierte die Bundesrepublik gar zum größten Handelspart- ner Südafrikas und ist es über das Ende der Apartheid hinaus ohne Unterbrechung geblieben.12 Unterdessen wuchs in Deutschland aber auch das öffentliche Interesse am Thema Menschenrechte und mit ihm offenbar „der Einfluss von Anti-Apartheid- NROs, die auch immer mehr Einfluss und Anhänger unter den Mitgliedern des Bun- destags […] gewannen und die ihrerseits die Regierungspolitik gegenüber Südafrika kritisch hinterfragten und eine Änderung dieser Politik verlangten.“13
In der Tat waren auch auf der eingangs beschriebenen Konferenz in Johannesburg Vertreter deutscher Solidaritätsgruppen und „Anti-Apartheid-NROs“ anwesend, wie zum Beispiel Eva Militz vom Verein „Anti-Apartheid-Bewegung“ (AAB). Wie kamen diese Leute und Gruppen zu der Ehre, auf offizielle Einladung des ANC hin nach Jo- hannesburg zu reisen? Laut Einschätzung der AAB hatte die Konferenz zwei Haupt- zwecke. Einerseits ging es darum, den Delegierten stellvertretend für das solidari- sche Engagement ihrer Gruppen in den vergangenen Jahrzehnten zu danken. Zum anderen diente sie dazu, finanzielle und materielle Ressourcen für einen bevorste- henden Wahlkampf des ANC vor den in greifbare Nähe gerückten, ersten demokrati- schen Wahlen zu mobilisieren.14 Ein weiterer Zweck der Konferenz allerdings lag sicherlich auch darin begründet, das eigene Prestige im Inland zusätzlich zu stärken, indem man den zukünftigen Wählern aller Hautfarben vor Augen führte, welch hohes Ansehen der ANC weltweit offenbar genoss. Dazu passte auch die Gegenwart eini- ger internationaler Prominenter wie des langjährigen russischen Schachweltmeisters Anatoly Karpov oder des damaligen US-amerikanischen Box-Weltmeisters Riddick Bowe, der siegesgewiss ankündigte: „ If by chance the negotiations don't go well, I am a fighter and a champion and I am prepared to go to the bush with you to make them succeed. ” 15
Obgleich die letzteren beiden Motive angesichts des zwar bevorstehenden, jedoch noch keineswegs erfolgreich vollzogenen Systemwechsels überwogen haben dürften, stellt sich dennoch die Frage nach der Rolle dieser „ weltweiten Anti-Apartheid- Bewegung “ im Widerstand gegen das rassistische System. Hat sie tatsächlich die Welt daran gehindert, „ die Trag ö die der Apartheid zu ignorieren “ und gar dazu beige- tragen, das „ System der Apartheid in die Knie zu zwingen “, wie Mandela bezie- hungsweise Tambo es in ihren Grußworten formulierten? Inwiefern ist es überhaupt zutreffend, von einer Bewegung zu sprechen? Wer waren ihre Angehörigen und was kennzeichnete sie als Aktivisten? Welcher Natur waren ihre Kontakte und Beziehun- gen zu den südafrikanischen Befreiungsbewegungen und Exilanten? Gab es eine transnationale Vernetzung unter den Aktivisten und Gruppen in den verschiedenen Ländern, die ihren weltweiten Kampf gegen die Apartheid miteinander verband? Was entfachte überhaupt ihre Solidarität und befeuerte ihr zum Teil über Jahrzehnte wäh- rendes Engagement?
1.2 Anti-Apartheid-Protest in der Bundesrepublik - Soziale Bewegung als gesellschaftlicher Lernprozess?
Um den aufgeführten Fragen nachzugehen bietet es sich an, auf Ansätze aus der Forschung zu sozialen Bewegungen zurückzugreifen. Dafür spricht zunächst ein äu- ßerst nahe liegender Grund in Form der Selbstwahrnehmung der Beteiligten. Sowohl die eingangs zitierten Äußerungen wie auch der Vereinsname „Anti-Apartheid- Bewegung in der Bundesrepublik Deutschland und West-Berlin“ zeigen, dass sich die Beteiligten selbst als Teil einer Bewegung verstanden. Der Zweck jenes im April 1974 gegründeten Vereins sollte ausdrücklich die „ Ingangsetzung und Organisation einer der englischen vergleichbaren Anti-Apartheidbewegung “ darstellen.16 Ob die- ses Vorhaben gelungen ist, soll in der vorliegenden Arbeit ausgehend von der sozi- alwissenschaftlichen Definition untersucht werden, eine soziale Bewegung sei „ein auf gewisse Dauer gestelltes und durch kollektive Identität abgestütztes Handlungs- system mobilisierter Netzwerke von Gruppen und Organisationen, welche sozialen Wandel mittels öffentlicher Proteste herbeiführen, verhindern oder rückgängig ma- chen wollen.“17
Inwiefern deckte sich also die Realität der „ Ingangsetzung “ einer Anti- Apartheidbewegung in der Bundesrepublik mit den Komponenten dieser Definition? Sofern ihre Mobilisierung gelang, auf welche Dauer war eine solche Bewegung ge- stellt? Wodurch zeichnete sich ihre kollektive Identität aus? Woraus bestand ihr Handlungssystem mobilisierter Netzwerke? Was kennzeichnete den sozialen Wandel, den die AAB herbeiführen wollte? Diese Fragen ergeben sich unmittelbar aus der zitierten Definition. Darüber hinaus soll der Versuch unternommen werden, den Wir- kungsgrad der untersuchten Gruppen und Aktivisten einzuschätzen. Inwieweit konn- ten sie ihre Ziele erreichen? Welche Wirkungen konnten sie entfalten?
Mit der Frage nach den Wirkungen des Anti-Apartheidprotests verbindet sich zudem noch ein weiteres Argument für die Einordnung des Untersuchungsgegenstands in den Kontext der sozialen Bewegungsforschung. Heinrich Ahlemeyer zufolge gehört zu den besonderen Eigenschaften sozialer Bewegungen ihre spezielle Art der Prob- lemwahrnehmung im Unterschied zu den einzelnen gesellschaftlichen Teilsyste- men.18 Als Folge der funktionalen Ausdifferenzierung der Gesellschaft in einzelne Teilsysteme wie etwa der Politik, Wirtschaft oder Wissenschaft beanspruchen diese Teilsysteme die alleinige Autorität für ihren jeweiligen Zuständigkeitsbereich. Im Umkehrschluss ergibt sich daraus eine so genannte „legitime Indifferenz“ gegenüber den anderen Teilsystemen in ihrer gesellschaftlichen Umwelt.19 Ihre Beobachtung von gesellschaftlichen Problemen unterliegt stets den speziellen Codes ihrer jeweiligen Handlungsrationalität, wie zum Beispiel dem Gewinnstreben in der Wirtschaft. Dieses fungiert als „universale Leitdifferenz“, die prinzipiell auf jedes denkbare Phänomen anwendbar ist. Ein Problem wird deshalb in der Wirtschaft erst dann handlungsleitend, sobald es zum Faktor für das Gewinnstreben wird.20
Soziale Bewegungen dagegen besitzen die Fähigkeit, gerade solche Missstände hervorzuheben, welche die Teilsysteme auf Grund ihrer „legitimen Indifferenz“ igno- rieren. Dazu nehmen sie die Verletzung bestimmter Leitwerte wie etwa der Men- schenrechte zum Anlass, ihre eigene Betroffenheit oder (stellvertretend) die Betrof- fenheit fremder Opfer im Rahmen der Mobilisierung öffentlichen Protests zu artikulie- ren. Eine Möglichkeit, sich dabei Gehör innerhalb der Teilsysteme zu verschaffen, ist die Übersetzung dieser Betroffenheit in eine Sprache, „die für die Teilsysteme ver- ständlich ist: etwa als Konsumboykott in der Wirtschaft, durch die Gründung neuer Parteien in der Politik, als Kläger im Rechtssystem, als Erkenntnisdefizit in der For- schung, etc. Auf diese Weise können soziale Protestbewegungen in den Teilsyste- men Anpassungsprozesse auslösen und die Auseinandersetzung mit bestimmten Problemen anregen, die ansonsten unbearbeitet bleiben.“21 Eine wichtige Funktion sozialer Bewegungen ist demnach ihre Fähigkeit, Impulse für gesellschaftliche Lern- prozesse zu liefern. Im Bezug auf den Wirkungsgrad des Anti-Apartheidprotests in Westdeutschland stellt sich also die Frage, ob ihm entsprechende Impulse für Lern- prozesse innerhalb der bundesrepublikanischen Gesellschaft attestiert werden kön- nen.
In einem Satz gefasst soll also untersucht werden, welche Strukturen und Ausmaße die Mobilisierung des Protests gegen die Apartheid annahm, wodurch sich - sofern gegeben - die kollektive Identität einer Anti-Apartheidbewegung auszeichnete und ob sich von ihr ausgehende Impulse für gesellschaftliche Lernprozesse nachweisen lassen. Zur Umsetzung dieses Unternehmens stellt die soziale Bewegungsforschung prinzipiell einen reichhaltigen Fundus an Instrumenten zur Analyse bereit, der es al- lerdings notwendig macht, eine möglichst zweckmäßige Auswahl zu treffen. Diese wird insbesondere von vier Seiten her bestimmt: Erstens durch den Untersuchungs- gegenstand, zweitens durch das spezifische Erkenntnisinteresse, drittens durch den bereits erreichten Stand der Forschung, an den die Untersuchung anknüpft und vier- tens durch die Basis der verfügbaren Quellen. Nachdem die beiden ersten Punkte bereits skizziert worden sind, sollen nun also Forschungsstand und Quellenbasis ei- ne kurze Erläuterung finden, um im Anschluss eine kurze Beschreibung der theoreti- schen und methodischen Grundlage der Untersuchung anzubieten.
1.3 Forschungsstand und Quellenbasis
Die Wahrnehmung des südafrikanischen Apartheidsystems innerhalb der westdeutschen Gesellschaft sowie die Beziehungen der BRD zur Apartheidregierung wurden bislang nur vereinzelt untersucht. Insgesamt vier Titel liegen hierzu bislang vor, die jeweils die Rolle der deutschen Politik, der deutschen Wirtschaft, der Evangelischen Kirche sowie die Protestmobilisierung durch die Gruppe „Anti-Apartheid- Bewegung“ in den Fokus ihrer Betrachtung stellen.
Die erst kürzlich erschienene Dissertation von Philipp Rock wurde bereits erwähnt.22 Es handelt sich dabei um die einzige Arbeit, die vollständig von einem unabhängigen, nicht selbst an den Ereignissen beteiligten Autoren vorgelegt wurde. In seiner Unter- suchung des Einflusses von Menschenrechten und Wirtschaftsinteressen auf die Außenpolitik der BRD in den sechziger und siebziger Jahren stellen die auswärtigen Beziehungen zu Südafrika eines von drei Fallbeispielen dar. Rock zeigt auf, dass die Bundesregierung auf Grund deutscher Wirtschaftsinteressen selbst dann noch „als Gegner einer harten Politik gegenüber Südafrika agierte“, nachdem sie auf der inter- nationalen Bühne durch ihre südafrikafreundliche Politik bereits immer mehr in eine isolierte Position geraten war. Ihrem Interesse an der Begrenzung des sowjetischen Einflusses auf die nunmehr unabhängigen afrikanischen Staaten stand dabei die Skepsis der Bundesregierung gegenüber einer Machtübernahme durch den als kommunistisch eingeschätzten ANC entgegen. Erst die deutlicher werdende Verur- teilung der Apartheid durch die US-Regierung unter Jimmy Carter sowie das Interesse an einer einheitlicheren europäischen Außenpolitik habe die Bundesregierung zu Zugeständnissen gegenüber anderen EG-Staaten veranlasst, indem sie sich zum Beispiel deren Forderungen nach einer Beendigung der Rassendiskriminierung am Arbeitsplatz anschloss.23
Jeweils eine weitere Arbeit liegt vor über „deutsches Kapital am Kap“ sowie zur „Rol- le der Kirche im Südafrikakonflikt“.24 Ausgangspunkt des Buches der beiden Journa- listen Birgit Morgenrath und Gottfried Wellmer ist die im November 2002 von 30.000 Apartheidopfern in den USAeingereichte Schadenersatzklage gegen 22 internatio- nale Konzerne, unter denen sich mit Commerzbank, Daimler Chrysler, Deutsche Bank, Dresdner Bank und Rheinmetall auch fünf deutsche Unternehmen finden. Morgenrath gehörte ab November 1994 dem Vorstand der AAB an, Wellmer hat seit den siebziger Jahren vor allem für die Informationsstelle Südliches Afrika (issa) meh- rere Titel zum Thema Apartheid herausgegeben. In „Deutsches Kapital am Kap“ schildern sie auf der Grundlage von Recherchen in südafrikanischen Archiven, Zeitzeugeninterviews und Presseartikeln das Ausmaß, in dem deutsche Unterneh- men einerseits durch Diskriminierung schwarzer Arbeiter in Südafrika ihre Profite steigern konnten und andererseits zur Aufrechterhaltung der Apartheid durch die Gewährung von Krediten und die Lieferung von Rüstungsgütern beitrugen.
Gunther Hermann stellt fest, dass die Akzeptanz gegenüber der Apartheid in der bundesrepublikanischen Gesellschaft und insbesondere innerhalb der Evangelischen Kirche größer war als in anderen Ländern. Ausgehend von zentralen kirchlichen Resolutionen und Erklärungen zum Thema zeichnet er die Entwicklung der innerkirchlichen Auseinandersetzung mit der Apartheid nach und geht dabei auf die Unterstützung der rassistisch geprägten weißen Kirchen in Südafrika ein.
Zum Protest gegen die Apartheid in der BRD liegt bisher ebenfalls ein einziger Titel vor, nämlich „Kauft keine Früchte aus Südafrika!“, benannt nach der ersten öffent- lichkeitswirksamen Kampagne zum Boykott südafrikanischer Produkte.Die Publikati- on wurde gemeinsam vorgelegt von Dorothée Leidig, die selbst aktives Mitglied der Anti-Apartheid-Bewegung war, und von Jürgen Bacia, dem wissenschaftlichen Leiter des Archivs für alternatives Schrifttum in Duisburg, zu dessen Beständen auch die Sammlung der Anti-Apartheid-Bewegung zählt. Leidig und Bacia erzählen die Geschichte der Gruppe Anti-Apartheid-Bewegung von ihrer Gründung im April 1974 bis zu ihrer Auflösung beziehungsweise ihrer Überführung in die Gruppe Koordination Südliches Afrika (KOSA) im Juli 2001.25
Die Autoren dokumentieren vielfältige Aktivitäten der Gruppe, insbesondere die Or- ganisation einer Reihe von Konferenzen, Kampagnen und Demonstrationen. Im Zu- ge dessen beschreiben sie interne Auseinandersetzungen der AAB über Bündnisse mit anderen Gruppen, das Verhältnis der AAB zu den afrikanischen Befreiungsbe- wegungen sowie Konflikte der AAB mit der Bundesregierung und deutschen Konzer- nen über deren Kooperationen mit Repräsentanten der Apartheid. Es wird geschil- dert, wie die militärisch-nukleare Unterstützung Südafrikas durch die deutsche Politik und Wirtschaft öffentlich von der AAB angeprangert wurde, unter anderem mit dem Ergebnis der wiederholten Verurteilung durch die Vereinten Nationen und die Organization for African Unity (OAU).26 Dabei werden auch die guten Kontakte zu diesen Organisationen deutlich, welche Vertreter der AAB zu Konferenzen einluden und als Referenten vor Untersuchungsausschüssen anhörten.27 Das Werk ist nicht nur für den Einstieg in das Thema „AAB“ und eine erste Orientierung sehr hilfreich, sondern konnte insbesondere auch für Teile der Abschnitte 3.2, 3.3 und 4.2 der vor- liegenden Arbeit aufgegriffen werden.
Neben den vier genannten Werken stützt sich die vorliegende Untersuchung vor al- lem auf Quellen dreierlei Herkunft. Dazu zählen erstens die Quellensammlungen der Anti-Apartheid-Bewegung (AAB), des Mainzer Arbeitskreises Südliches Afrika (MAKSA) und der Informationsstelle Südliches Afrika (issa) im Archiv für alternatives Schrifttum (afas) in Duisburg. Diese Sammlungen umfassen vornehmlich Büroakten, Korrespondenz und Pamphlete, die sich über insgesamt mehr als einhundert Regal- meter erstrecken. Der größte Teil des Materials stammt aus der Geschäftstelle der AAB in Bonn. Dazu gehören die gesammelte Korrespondenz, Ordner zur Pressear- beit, zahlreiche Protokolle von Mitgliederversammlungen, Zusammenkünften von Lokalgruppen, Mitgliederrundbriefe und Lokalgruppenrundbriefe. Einige Ordner wur- den speziell im Zusammenhang mit der Organisation einzelner Veranstaltungen an- gelegt, wie zum Beispiel einem „ Kongre ß gegen Nukleare Zusammenarbeit “ im Jahr 1978. Andere Ordner betreffen die Zusammenarbeit mit AAB-Gruppen im Ausland, den Widerstandsorganisationen ANC, PAC, SWAPO, ZANU, etc. sowie transnationa- len Organisationen wie der UNO und der OAU. Hinzu kommen über hundert Plakate und mehrere hundert Fotos, die von AAB-Mitgliedern im Rahmen ihrer Aktivitäten aufgenommen wurden. Eine gewisse Anzahl Ordner ist außerdem aus den Lokal- gruppen Bonn und Köln vorhanden. Zweitens werden Presseartikel aus Tages- und Wochenzeitungen herangezogen. Drittens werden, wie oben bereits anhand einiger Zitate geschehen, einige Redetexte und Pressemeldungen aus dem Web-Archiv des African National Congress einbezogen.
1.4 Analytischer Bezugsrahmen und Aufbau der Untersuchung
Das Erkenntnisinteresse dieser Arbeit richtet sich, wie bereits ausgeführt, auf den gezielten Versuch der Mobilisierung einer sozialen Bewegung. Insbesondere das Interesse an den neuen sozialen Bewegungen hat in den vergangenen Jahrzehnten zur Entwicklung eines äußerst heterogenen Forschungsfeldes geführt. Dem Aspekt der Mobilisierung kam dabei besonders im amerikanischen Kontext früh eine zentrale Rolle zu. In den siebziger Jahren entwickelt, bedeutete die so genannte Ressour- cenmobilisierungstheorie einen Fortschritt gegenüber der auf den Behaviourismus zurückgehenden Vorstellung von sozialen Bewegungen als weitestgehend irrationale Phänomene, die unmittelbar auf die Betroffenheit von gesellschaftlichen Missständen zurückzuführen seien. Der Ressourcenmobilisierungsansatz betonte demgegenüber die entscheidende Bedeutung der Verfügbarkeit von Ressourcen, ihres strategisch geplanten Einsatzes sowie der zunehmenden Professionalisierung innerhalb eines sich ausdifferenzierenden sozialen Bewegungssektors. Das Augenmerk fiel deshalb insbesondere auf die zentrale Rolle sozialer Bewegungsorganisationen, die in der Folge als nahezu identisch mit der Bewegung aufgefasst wurden, an der sie Teil hat- ten. Bis Mitte der achtziger Jahre besaß die Ressourcenmobilisierungstheorie eine geradezu hegemoniale Position innerhalb der sozialen Bewegungsforschung, bevor die Kritik an ihrer einseitigen Konzentration auf formale Organisationen zu einer Er- weiterung der Forschungsperspektiven führte. Dabei wurde insbesondere die Bedeu- tung von „politischen Gelegenheitsstrukturen“28 und von „Framing-Prozessen“29 für den Mobilisierungserfolg sozialer Bewegungen hervorgehoben. Inzwischen herrscht Konsens über die zentrale Bedeutung aller drei Perspektiven für den Mobilisierungs- erfolg.30
Da hier längst nicht alle Aspekte untersucht werden können, die im Rahmen der Be- wegungsforschung aufgeworfen werden, wird sich die Untersuchung auf einige ele- mentare Faktoren konzentrieren. Zwei Ansätze erweisen sich mit Bezug auf die ver- fügbaren Quellen und das beschriebene Erkenntnisinteresse als geeigneter Analyse- rahmen, nämlich die Ressourcenmobilisierungstheorie nach John D. McCarthy und Bob Edwards einerseits und das Modell der kognitiven Praxis sozialer Bewegungen nach Ron Eyerman und Andrew Jamison zum anderen. Während der erstgenannte Ansatz sich besonders zur Beschreibung der Strukturen eignet, bietet letzterer die Möglichkeit, die Entwicklung einer Bewegungsidentität zu erfassen. Beide Modelle sollen hier kurz vorgestellt werden.31
Der Vorschlag von Edwards und McCarthy einer Typologisierung der Ressourcen, die sozialen Bewegungen grundsätzlich zur Verfügung stehen, bietet eine Richtschnur zur Beschreibung des Umfangs und der Art und Weise der Mobilisierung. Die fünf Ressourcentypen ihres Modells stellen als analytische Kategorien einen geeigneten Filter zur Suche und Auswertung der Quellen dar.32
dieses Modells vier Dimensionen politischer Gelegenheiten, über die Konsens herrscht: 1. Der Grad der Offenheit des institutionalisierten politischen Systems 2. Die Stabilität der Anordnung politischer Eliten in verschiedene politische Lager 3. Die Möglichkeit, Verbündete innerhalb der politischen Elite zu finden 4. Die Fähigkeit und Neigung des Staates zur Repression. Vgl. McAdam, Doug, Conceptual Origins, Current Problems, Future Directions, in: McAdam, Doug; McCarthy, John D.; Zald, Mayer N. (Hg.), Comparative Perspectives on Social Movements. Political Opportunities, Mobilizing Structures, and Cultural Framings, Cambridge 1996, S. 26ff.
Zu den moralischen Ressourcen (1) zählen zum Beispiel Legitimität, Solidarität, Sympathie und Prominenz. Als Beispiel für einen Weg zur Erlangung von Legitimität wird die Nachahmung institutionell legitimierter Eigenschaften angeführt. Moralische Ressourcen können einer Bewegung von außerhalb verliehen und genauso wieder entzogen werden, „through public acts of disavowal, backstage by spreading the word informally to interested parties, or by simple atrophy.“33 Zu den kulturellen Res- sourcen (2) gehören sowohl allgemeine Fertigkeiten als auch spezialisiertes Exper- tenwissen. „These include tacit knowledge about how to accomplish specific tasks like enacting a protest event, holding a news conference, running a meeting, forming an organization, initiating a festival, or surfing the web.“ Ferner zählen dazu kulturelle Erzeugnisse wie Broschüren, Bücher, Filme, Poster, Musik, etc., welche die Fähig- keit zu kollektivem Handeln steigern und der Bewegung zur Mobilisierung neuer An- hänger verhelfen.34
Zu den sozial-organisatorischen Ressourcen (3) gehören die Infrastrukturen, sozia- len Netzwerke und Organisationen, die einer Bewegung für das Erreichen ihrer Ziele zur Verfügung stehen. Dabei kann es sich um bereits bestehende Strukturen handeln, von denen eine Bewegung profitiert, als auch um Organisationsformen, die extra zur Beförderung der Bewegungsziele geschaffen werden.35 Menschliche Ressourcen (4) bezeichnen die Individuen, die Bewegungen mit individueller Arbeitskraft, Erfahrung, Fertigkeiten, Expertise und Führungsqualitäten versorgen. Die gesonderte Auffüh- rung der Kategorie verweist auf den Umstand, dass kulturelle Ressourcen zwar prin- zipiell übertragbar sind, jedoch von verschiedenen Individuen nicht in gleicher Weise gehandhabt werden können. „For example, a prominent physician may have little more to offer than a high-school intern if an SMO needs someone to evaluate the methodology of an environmental equity impact assessment, and the high-school intern may be the best choice to recruit six volunteers to distribute fliers.” Die Katego- rie materieller Ressourcen (5) schließlich umfasst das gesamte verfügbare physische und finanzielle Kapital in Form von Geld, Räumlichkeiten und Ausrüstung.36
Eine entscheidende Voraussetzung dafür, dass eine Mobilisierung überhaupt statt- findet, ist allerdings das Vorhandensein einer kollektiven Identität, die einen tragfähi- gen Bezugsrahmen für das kollektive Handeln der Anhänger einer Bewegung bietet.
Denn jede soziale Interaktion basiert auf unhinterfragten Grundannahmen, an denen sich die beteiligten Akteure orientieren, um eine Situation zu interpretieren und ent- sprechend zu handeln. Informiert wird die kollektive Identität durch spezifische Ideen, Ideale und Werte, die das gemeinsame Handeln motivieren und ihm eine Zielrichtung vorgeben. Die Herausbildung dieser Identität lässt sich ferner als Prozess verstehen, in dessen Verlauf soziale Bewegungen grundlegende Widersprüche und Spannun- gen der sie umgebenden Gesellschaft konzeptionell erfassen und zur Sprache brin- gen.37
Eyerman und Jamison deuten soziale Bewegungen als Träger neuer Ideen, als Pro- duzenten temporärer öffentlicher Räume zur Artikulation neuer Ideen, Ideale und Identitäten innerhalb der Gesellschaft.38 Als solche besitzen sie eine vermittelnde Funktion, indem sie ihr kollektives Handeln in symbolische Herausforderungen über- setzen, „that upset the dominant cultural codes and reveal their irrationality and partiality by acting at the levels […] at which the new forms of technocratic power al- so operate.“ Dabei stellen sie einerseits herrschende Strukturen in Frage und produ- zieren darüber hinaus neues Wissen im Zuge ihrer kognitiven Praxis.39 Die kognitive Praxis einer Bewegung verkörpert die Artikulation ihrer kollektiven Identität. Dieser Vorgang stellt einen gesellschaftlichen Lernprozess dar, dessen Strukturen von Be- wegungsorganisationen bereitgestellt werden, die den beteiligten Individuen einen Raum zur kreativen Interaktion bieten. Diese Interaktion erhält eine neue Dimension, sobald mehrere Organisationen in den Prozess eintreten und ihn so in einen größe- ren, gesellschaftlichen Zusammenhang stellen.40
Das Konzept der kognitiven Praxis setzt sich zusammen aus drei komplementären Komponenten, welche die weltanschaulichen Vorannahmen, die Artikulation von Kri- tik sowie die Organisation des Protests umfassen.41 Die Autoren wenden dabei Jür- gen Habermas transzendentale Kategorie der Erkenntnisinteressen auf den histori- schen Kontext sozialer Bewegungen an, so dass sie sich empirisch in Archiven auf- spüren lässt, indem sie in Protokollen, Broschüren, Briefen, etc. „lesbar“ wird. Die weltanschauliche Dimension umfasst die Grundannahmen, aus denen sich kollekti- ves Handeln ableitet, also zum Beispiel die Einstellungen zur Apartheid, zur bundes- republikanischen Gesellschaft und zur Beziehung zwischen beiden. Dazu gehören Vorstellungen, welche die betreffende Bewegung nicht notwendig selbst entwickelt haben muss, die sie aber in die Öffentlichkeit trägt. Methodisch bedeutet dies, nach den Paradigmen, Werten und Ideen Ausschau zu halten, die in soziale Aktivitäten übersetzt und im Aktionsrepertoire, in Veröffentlichungen und internen Dokumenten der Akteure artikuliert werden. Welche Ideale werden dabei vorausgesetzt und in welchen Phrasen, Symbolen und Bildern kommen sie zum Ausdruck? In welcher Weise werden die Sichtweisen von außen attackiert und was bedeutet dies für die strategische Ausrichtung der Bewegung, etwa im Bezug auf ihre Einstellung zum Kommunismus oder ihr Verhältnis zu politischen und wirtschaftlichen Akteuren?42
Während die weltanschauliche Dimension also den theoretischen Hintergrund aus- macht, umfasst die zweite Dimension deren praktische Anwendung. Sie bezeichnet die konkrete Kritik an Missständen, wie sie durch die praktische Anwendung der weltanschaulichen Konzepte auf die soziale Realität identifiziert werden. Wogegen also wird protestiert und in welcher Form? Welche Problemlösungen werden vorge- schlagen beziehungsweise gefordert? Wie und wo wird dies artikuliert? Als dritte Komponente schließlich identifizieren Eyerman und Jamison die organisatorische Dimension. Wie wurde die Verbreitung der Kritik und des Protests organisiert? Über welche Kanäle wurde kommuniziert? Was kennzeichnete die Organisationsstruktu- ren der Bewegung?43
Der Aufbau der Arbeit orientiert sich im dritten Abschnitt grob an den Komponenten der kognitiven Praxis. Zunächst jedoch soll im zweiten Abschnitt der historische Hin- tergrund des Anti-Apartheid-Kampfes in Südafrika selbst skizziert werden, unter be- sonderer Berücksichtigung der Bemühungen südafrikanischer Gruppen um internati- onale Solidarität und Unterstützung. Welche konkreten Appelle, Kontakte und Koope- rationen sind bekannt? Das dritte Kapitel widmet sich zuerst den Hintergründen, die den Versuch der Bewegungsmobilisierung in der BRD überhaupt veranlassten. An- hand des Archivmaterials wird deutlich, dass die Ausweisungspolitik der Apartheid- regierung eine entscheidende Rolle spielte. Im Abschnitt 3.2 geht es um die organi- satorische Dimension der kognitiven Praxis. Hier werden die Strukturen und Kanäle beschrieben, die die Verbreitung der Kritik leiteten. Dazu gehören insbesondere der organisatorische Aufbau der Bewegung sowie ihre Kommunikationswege. Anschlie- ßend wird der Versuch unternommen, anhand der Archivquellen einige zentrale Vor- annahmen auszumachen, die sich für die Aktivitäten der Bewegung als handlungslei- tend erwiesen. Der Abschnitt 3.4 untersucht die Protestpraxis im Hinblick auf das gesellschaftliche Teilsystem der Politik, indem er sich mit dem Protest gegen das Kulturabkommen zwischen der BRD und Südafrika ein konkretes Beispiel heraus- greift. Was ist der Gegenstand der Kritik und wie wird die Kritik artikuliert?
Der vierte Abschnitt schließlich widmet sich der transnationalen Dimension des Pro- tests. Die Entwicklung von Anti-Apartheid-Bewegungen etwa in Großbritannien, den Niederlanden, Schweden, Neuseeland, Australien oder den USAist in anderen For- schungsarbeiten bereits untersucht worden. Welche Kontakte und Interaktionen las- sen sich also zwischen den Aktivisten in der BRD und in anderen Ländern feststellen? Gab es einen Transfer von Ideen? Werden Gemeinsamkeiten und Unterschiede au- genfällig? Wie ausgeprägt war außerdem die Zusammenarbeit mit transnationalen Organisationen wie der UNO und der OAU sowie mit den südafrikanischen Be- freiungsbewegungen?
2. Vom Protest zum Widerstand: Die Anti-Apartheid- Bewegung in Südafrika (1886-1989)
“ From 1886 the story of South Africa is the story of gold. ” 44
- Cornelis W. De Kiewiet
“ AModern History of South Africa must begin in 1952, the year of the Tercen- tenary and the Nationalist Victory. As we look back from this distance of time we see that year standing out as a kind of watershed in the story of the coun- try, the greatest turning point since its settlement by white men three hundred years before. ” 45
- Arthur M. Keppel-Jones
2.1 Wurzeln des Widerstands: Vom Minenkapitalismus über die Entstehung eines modernen Staats zur Etablierung der Rassentrennung in Südafrika (1886-1940)
Der Begriff “Apartheid” tritt im allgemeinen Sprachgebrauch geradezu als Synonym für Rassentrennung auf und wird bisweilen auch auf andere Fälle als den histori- schen Kontext Südafrikas übertragen, dem er entstammt. Bezüglich der südafrikani- schen Geschichte wird er oftmals auf die gesamte Entwicklung der Rassentrennung ausgedehnt. Dabei gerät aus dem Blick, dass es sich bei der Apartheid um eine spe- zifische rassistische Ideologie und die aus ihr abgeleitete Form der Gesellschafts- ordnung handelte, die von der Politik in Südafrika vor dem Sieg der Nasionale Party in den Wahlen von 1948 zu unterscheiden sind.46 Die Ideologie der Apartheid wurde seit den 1930er Jahren von burischen Intellektuellen ausformuliert und über Zeit- schriften, Bücher und innerhalb von Studentenverbindungen auf nationaler Ebene verbreitet.47
Gleichwohl reichen sowohl die Wurzeln der Apartheid als auch des Widerstands ge- gen dieses Gesellschaftsmodell zurück bis zur Entdeckung der immensen Goldvorrä- te am Witwatersrand im Jahr 1886 und der sich anschließenden Modernisierung des Landes.48 Der Bau von Eisenbahnen und die Etablierung moderner staatlicher Infra- strukturen ermöglichten die landesweite Integration der Wirtschaft und die systemati- sche Rekrutierung großer Zahlen von Arbeitskräften, wie sie für die Minen und die um sie herum entstehende Wirtschaft benötigt wurden. Zugleich führten die riesigen Mineralienvorkommen zu einer Verschärfung der Interessenskonflikte zwischen Bu- ren und Briten, deren Eskalation schließlich den Zweiten Burenkrieg (1899-1902) nach sich zog.49
Nach ihrem Sieg verfolgten die Briten in Südafrika zwei zentrale Ziele in Form der Modernisierung der Wirtschaft und der Anglisierung der Bevölkerung der im Entste- hen begriffenen südafrikanischen Nation.50 So entstand im Jahr 1910 auf dem Ho- heitsgebiet des heutigen Südafrika zum ersten Mal ein einheitlicher Flächenstaat, indem die beiden britischen Gebiete der Kapkolonie und der Provinz Natal sowie die beiden Burenrepubliken des Oranje-Freistaats und der Südafrikanischen Republik offiziell zur Südafrikanischen Union zusammengeführt wurden. Deren gesamte Be- völkerung wurde in diesem Zuge zu Untertanen der britischen Krone. Erst die Ent- wicklung dieses Staates und der damit einhergehende Aufbau einer landesweiten Bürokratie ermöglichten einen umfassenden Zugriff auf die gesamte Bevölkerung Südafrikas.51
Bereits während der Phase des Wiederaufbaus nach dem Krieg hatte die Regierung unter dem britischen Hochkommissar Lord Alfred Milner gezielt einen Modernisie- rungsprozess in Gang gesetzt, in dessen Verlauf das durch kleinbäuerliche Landwirt- schaft geprägte Südafrika zu einem kapitalistischen Industriestaat nach liberalen Vorstellungen geformt wurde. Die Subsistenzwirtschaft wurde zurückgedrängt und weite Teile der ländlichen Bevölkerung afrikanischer und burischer Abstammung pro- letarisiert, indem erstmals flächendeckend private Ansprüche auf Landbesitz definiert und durchgesetzt wurden. Je mehr die Möglichkeiten zur freien und gemeinschaftli- chen Bewirtschaftung des Landes schwanden, desto mehr erhöhte sich der Druck zur Lohnarbeit. Durch den Einsatz lokaler Behörden zur Durchsetzung von Kopf- und Hüttensteuern wurde der Zwang zur Arbeit in den Minen zusätzlich gesteigert.52
Erst das Aufbrechen der kleinbäuerlichen Strukturen ermöglichte die maximale Aus- beutung der Rohstoffe und somit die Maximierung der Profite aus der Minenwirt- Wirtschaftspolitik der Regierung unter Paul Krüger, die zum Beispiel durch die Vergabe von Monopolen auf Dynamit, Wasser und Eisenbahnlinien die Kosten der britischen Konsortien zur Erschließung der Minen erheblich in die Höhe trieb. Vgl. Yudelman, David, The Emergence of Modern South Africa. State, Capital, and the Incorporation of Organized Labor on the South African Gold Fields, 1902-1939, Westport (Connecticut) 1983, S. 19ff. Louw, S. 1-17. S. 22. Davenport, S. 213-22. Ross, Robert, AConcise History of South Africa, Cambridge (United Kingdom) 1999, S. 54-72. Grundlingh, Albert M., Prelude to the Anglo-Boer War, 1881-1899, in: Cameron, Trewhella, ANew Illustrated History of South Africa, Johannesburg 1986, S. 183-99.
schaft, wie Lord Milner hervorhob: „ The Transvaal possesses an amount of mineral wealth [ … ], which properly developed, should make it a rich country, humanly speaking, for ever. [ … ] No doubt it is not economic measures alone which will achieve that result. Asocial change is also necessary, [ … ] to reinforce the Boer population, who have been too few, and far too easy-going, to do even the remotest justice to the vast natural capabilities of the soil, on which, for the most part, they have done little more than squat. ” 53
Um Südafrika mit seinen Bodenschätzen als Bestandteil des Empires zu sichern soll- te die gesamte, besonders jedoch die burische Bevölkerung anglisiert werden, indem gezielt die Einwanderung weiterer britischer Siedler befördert und englisch zur einzi- gen Amts- und Verkehrssprache erklärt wurde: „ Dutch should only be used to teach English, and English to teach everything else “ , so Milner.54 In Reaktion auf diese Po- litik entstanden jedoch ab 1904 zweihundert so genannte Christelik-Nasionale Onderwys55 -Schulen, in denen in holländischer Sprache unterrichtet wurde. Darüber hinaus wurden die Schüler in den CNO-Schulen mit der Vorstellung vertraut gemacht, dass jedes Volk eigens von Gott erschaffen worden sei und somit ein Recht auf die Entfaltung seiner eigenen Sprache und Gebräuche hätte. Zudem änderte auch die Einwanderung weiterer europäischer Siedler nicht viel an den Mehrheitsverhältnissen im Land.56 Da die Buren nach wie vor über 60% der wahlberechtigten Bevölkerung stellten, konnten die Briten ihren Einfluss nur durch eine Bündnispolitik mit ihnen wa- ren. Als eine Konsequenz hieraus wurde in der Verfassung der Südafrikanischen Union nicht das von Milner favorisierte, nach Besitzstand und Lesefähigkeit qualifi- zierte Wahlrecht der Kapkolonie übernommen, sondern Afrikaner von den Wahlen in den übrigen Provinzen grundsätzlich ausgeschlossen.57
Obwohl zu den 135.168 Wählern, die im Jahr 1903 in der Kapkolonie registriert wa- ren 18.279 Afrikaner zählten, wurden ihre Interessen im Parlament kaum berücksich- tigt, da sie keine eigenen Vertreter zur Wahl stellen konnten. Lediglich zum Zweck ihrer Beschwichtigung wurden zum Beispiel 1889 die Beschränkungen durch ein Ge- setz über die Pflicht zum Tragen von Pässen leicht gemildert, nachdem eine Gruppe afrikanischer Intellektueller unter Führung des Herausgebers der Zeitung Isigidimi Sama Xosa58, John Tengo Jabavu, persönlich bei Parlamentariern in Kapstadt pro- testiert hatte. Derartige Teilerfolge bestärkten die beteiligten Afrikaner zunächst in dem Glauben, in Form solcher Deputationen ein geeignetes Mittel zur Wahrung ihrer Interessen gefunden zu haben. Als zwanzig Jahre später über das Wahlrecht in der Union bestimmt wurde, griffen sie ebenfalls darauf zurück.59
Die Veröffentlichung des Verfassungsentwurfs der Südafrikanischen Union Anfang 1909 rief Empörung unter Afrikanern in ganz Südafrika hervor, nachdem viele von ihnen im „ White Men ’ s War “ auf Seiten der Briten in den Kampf gezogen waren. Ihre Hoffnung auf die Ausweitung des Wahlrechts der Kapkolonie auf die gesamte Union wurde nun enttäuscht. Als Gegenstück zur South African National Convention wurde deshalb am 24. März 1909 in Bloemfontein mit der South African Natives Convention zum ersten Mal eine Versammlung einberufen, die afrikanische Delegierte aller Volksgruppen und Regionen Südafrikas vereinte. Diese Convention wählte acht Ver- treter, die gemeinsam mit dem ehemaligen Premierminister der Kapkolonie W.P. Schreiner nach London reisten und dort bei Abgeordneten des House of Commons Protest gegen die diskriminierenden Wahlrechtsvorkehrungen des Verfassungsent- wurfs einlegten. Ihre Mission blieb jedoch erfolglos, da das britische Parlament die Verfassung billigte und durch die Verabschiedung des South Africa Act die Gründung der Südafrikanischen Union als eigenständigen neuen Staat besiegelte.60
Ihre mehrwöchige Reise bot den Delegierten allerdings Gelegenheit, die Notwendig- keit einer nationalen Organisation zur Vertretung der gemeinsamen Interessen aller Natives in Südafrika zu erörtern. Ihre eigenen Bestrebungen, die South African Nati- ves Convention als dauerhaften Zusammenschluss fortzuführen scheiterten letztlich, inspirierten aber südafrikanische Studenten, mit denen sie während ihres Aufenthal- tes in England zu Diskussionen zusammentrafen, selbst entsprechende Überlegun- gen anzustellen. Zwei Jahre nach seinem Treffen mit der Delegation in London als Student kehrte Pixley ka Isaka Seme, der Jura in Oxford und an der Columbia Uni- versity in New York studiert hatte, als Anwalt zurück nach Südafrika.61
Gemeinsam mit einigen weiteren jungen schwarzen Anwälten, die ebenfalls in Über- see studiert hatten, veröffentlichte er einen Appell in mehreren Zeitungen, in dem er die Einheit aller schwarzen Südafrikaner beschwor und zur Gründung eines „ South African Native Congress “ aufrief: „ The demon of racialism, the aberrations of the Xhosa-Mfengu feud, the animosity that exists between the Zulus and the Tsongas, between Basutos and every other Native must be buried and forgotten; it has shed among us sufficient blood! We are one people. These divisions, these jealousies, are the cause of all our woes and of all our backwardness and ignorance today. ” 62
In einem Rundbrief an alle Stammesoberhäupter und alle Führer bereits existieren- der afrikanischer Organisationen der Union luden Seme und seine Mitstreiter dazu ein, sich auf einer Konferenz an der Gründung der Organisation zu beteiligen. Etwa 60 Vertreter, vornehmlich Häuptlinge, Anwälte, Geistliche, Lehrer, Angestellte und Journalisten, folgten dem Aufruf, um am 8. Januar 1912 in Bloemfontein den South African Native National Congress (SANNC) zu gründen. Erst im Jahr 1923 sollte der SANNC seinen Namen schließlich abkürzen um fortan unter der Bezeichnung zu firmieren, unter der er Südafrika gut siebzig Jahre später erstmals regieren sollte: Afri can National Congress (ANC).63
Die federführende Rolle von Anwälten bei der Gründung des ANC war insofern be- zeichnend für die politischen Aktivitäten schwarzer Südafrikaner vor dem Zweiten Weltkrieg insgesamt, als diese im Wesentlichen auf den kleinen Kreis einer urbani- sierten und christianisierten Bildungselite beschränkt blieben. Bis zum Jahr 1909 hat- ten 170.000 afrikanische Kinder eine Grundschulbildung durch britische und ameri- kanische Missionare erhalten. Einige hundert dieser Schüler genossen darüber hin- aus eine individuelle Förderung durch einzelne Missionare, die ihnen ein Studium in Übersee finanzierten. Zu dieser Elite zählte auch Pixley ka Isaka Seme, dessen För- derer Pfarrer Stephen C. Pixley zugleich auch sein Namenspate war.64 Weder dem ANC noch einer anderen Organisation gelang es vor dem Zweiten Weltkrieg, nach- haltigen Widerstand gegen rassistische Gesetze zu mobilisieren. Im Gegenteil ver- traute die schwarze Bildungselite darauf, dass ihr Vortrag vernünftiger Argumente bei Parlamentariern entscheidende Zugeständnisse zeitigen würde. So empfahl der ers- te Präsident des SANNC, John Dube, den Ausspruch des römischen Kaisers Augus- tus, „ festina lente “ ( „ Eile mit Weile “ ), als Motto für seine Organisation, „ in hopeful reliance in the sense of common justice and love of freedom so innate in the British character. “ 65
Neben diesem bald enttäuschten Vertrauen in die Einsichtigkeit der Weißen standen dem Entstehen einer Bewegung auf nationaler Ebene zunächst drei Trennlinien im Wege. Erstens war keine breitere Bevölkerungsbasis vorhanden, die wie von Seme beschworen, die Unterschiede zwischen den diversen Volksgruppen zugunsten einer (schwarzen) nationalen Identität hinter sich lassen wollte. Zweitens hatten sich die politischen Führer der Zeit zwischen den Weltkriegen durch ihre christlich- missionarische Bildung und ihr Studium in Übersee von ihren traditionellen Wurzeln stark entfernt und strebten nach Assimilation in die europäische Kultur. „ Onward! Upward! Into the higher places of civilization and Christianity - not backwards into the slump of darkness nor downward into the abyss of antiquated tribal systems “ , forderte John Dube auf der Gründungskonferenz des SANNC. 66
Drittens waren die Anwälte, Journalisten und Geistlichen vom Großteil der schwar- zen Bevölkerung schon allein räumlich getrennt, denn laut amtlichem Zensus des Jahres 1936 lebten nur ca. 17% von ihnen in Städten.67 Selbst in Johannesburg, der Stadt mit den meisten schwarzen Einwohnern, stellten die Weißen noch die Mehrheit der Bevölkerung. Passgesetze behinderten zudem den Zugang schwarzer Landbe- wohner in die städtischen Bastionen der Weißen, welche nach damals vorherrschen- den Theorien über den Fortschritt unterschiedlicher Rassen keine „passende“ Um- gebung für Afrikaner darstellten.68
Seit den 1930er Jahren verstetigte sich jedoch die Urbanisierung unter schwarzen Südafrikanern. Kamen sie vormals nur saisonal als Wanderarbeiter in die „ mining compounds “ am Rande der Städte, etablierten sie sich dort nun dauerhaft mit ihren Frauen und Kindern. Die ihnen zugewiesenen Reservate erwiesen sich als zu klein und die dortigen Äcker und Weiden als unzureichend, um die Lebensgrundlage für alle Bewohner zu gewährleisten. Zugleich entstanden in den Städten immer mehr Arbeitsplätze in der verarbeitenden Industrie, die zunehmend mit Afrikanern besetzt wurden. Damit vergrößerte sich sowohl die Basis zur Mobilisierung von öffentlichem Widerstand gegen rassistische Unterdrückung als auch das Gefühl der Bedrohung unter den Weißen, das der britisch-stämmige Parlamentarier Heaton Nichols 1937 wie folgt auf den Punkt brachte: „ [T]he towns constitute the front trenches of our posi- tion in South Africa. It is in the towns that seige is being made against our civilized standards. ”69
2.2 „ Africa for the Africans “: Vom zivilen Ungehorsam über das Massaker von Sharpeville zum bewaffneten Widerstandskampf (1940-68)
In Südafrikas Städten kam es nun immer häufiger zu Kontakten zwischen Angehöri- gen verschiedener Volksgruppen, die zuvor räumlich getrennt gelebt hatten. Erstmals arbeiteten mehr Afrikaner in der verarbeitenden Industrie in den Städten als in den Minenkomplexen au ß erhalb der Städte. Während die soziodemografische Entwick- lung das Potenzial des ANC zur Mobilisierung einer urbanen Anhängerschaft deutlich vergrößerte, kam es auf der Führungsebene der Organisation zu einem Generati- onswechsel, der mit der Wahl des Chirurgen Alfred Xuma zum Präsidenten des ANC im Dezember 1940 eingeläutet wurde. Er reformierte die Organisation, indem er erstmals einen Buchhalter einstellte und zentrale Mitgliedskarten sowie feste Mitglie- derbeiträge einführte. Während seiner Amtszeit bis Ende 1949 stieg die Zahl der Mit- glieder des ANC von unter 1000 auf fast 7000. Sein ambitioniertes Ziel, den ANC zu einer Massenbewegung mit einer Million formeller Mitglieder zu machen, wurde somit zwar entsprechend deutlich verfehlt, doch die vormals mit 15 Schillingen so gut wie leere Kasse enthielt im Dezember 1949 insgesamt 491 Pfund.70
Vor allem jedoch reagierte Xuma auf die Erklärung des Selbstbestimmungsrechts der Völker in der Atlantik-Charta vom 14. August 1941. Dazu berief er eine Kommission aus 28 afrikanischen Intellektuellen, welche die Bedeutung der acht Punkte der Char- ta einzeln für den südafrikanischen Kontext analysierten und kommentierten sowie einen umfassenden Forderungskatalog unter dem Titel „ Bill of Rights “ entwarfen. Beide Teile zusammen wurden am 16. Dezember 1943 von der Generalversamm- lung des ANC unter dem Titel „ Africans ’ Claims in South Africa “ als Grundsatzdoku- ment verabschiedet. Das Dokument verkörpert den ersten Schritt weg von der Form höflicher und bescheidener Petitionen und hin zu umfangreichen Forderungen nach gleichen Rechten in Verbindung mit einer selbstbewussten Einschätzung der Situati- on in Südafrika und weltweit. In seinem Vorwort zur Veröffentlichung des Dokuments bezeichnet Xuma den ANC erstmals und dafür gleich mehrfach als „ mass liberation movement “.71
Auf den Weg zur Mobilisierung einer Massenbewegung begab sich der ANC jedoch erst ganz allmählich, nachdem die Anführer der 1942 ins Leben gerufenen ANC- Jugendliga ANCYL die Organisation auf Konfrontationskurs zu Staat und Regierung brachten. Zu den maßgeblichen Akteuren gehörten dabei Nelson Mandela, Oliver Tambo und Walter Sisulu, die nicht länger Alfred Xumas Überzeugung akzeptierten, dass zunächst weitere organisatorische Reformen und eine drastische Erhöhung der Mitgliederzahlen nötig waren, bevor die Mobilisierung von Massenprotesten möglich sein würden. Bereits 1944 hatten sie in einem eigenen Manifest zum Ausdruck ge- bracht, dass sie die bisherige Politik der Verhandlungen als gescheitert ansahen. Der ANC habe bisher gar kein eigenes Programm verfolgt, sondern immer nur auf Ent- scheidungen von weißen Politikern reagiert, statt selbst die Initiative zu ergreifen. Am 17. Dezember 1949 schließlich bestätigte die Generalversammlung das „ Programme of Action “ der ANCYL als offizielles Programm des ANC.72
Darin wurden die Verbreitung eines afrikanischen Nationalbewusstseins und die Überwindung der Spaltungen in einzelne Stämme zum Ziel ausgegeben. An die Stel- le von John Dubes Motto „ Festina lente “ traten nun Slogans wie „ Afrika mayibuye “ ( “ Afrika, komm zurü ck zu uns “ ), „ Amandla “ ( „ Macht “ ), „ Africa for the Africans “ und “ Freedom in our lifetime “. Die Legitimität der rassendiskriminierenden Institutionen des Staates wurde nicht länger hingenommen und ihr aktiver Boykott empfohlen. Über Massenproteste und Streiks sollten die Afrikaner ihr Recht auf Selbstbestimmung erkämpfen. Weißen, Indern und „ Coloureds “ wurde nun offiziell die Mitgliedschaft im ANC verweigert, um die Selbständigkeit der Schwarzen zu untermauern und jedes Anzeichen einer Abhängigkeit von der Unterstützung vermeintlich höher entwickelter „Rassen“ auszuschließen. Auch die Zusammenarbeit mit liberalen weißen Südafrikanern wurde nunmehr als hinderlich für die Bündelung der eigenen Kräfte gewertet und deshalb abgelehnt.
[...]
1 Mandela, Nelson, Address to the International Solidarity Conference, Johannesburg, 19. Februar 1993. http://www.anc.org.za/show.php?include=docs/sp/1993/sp0219.html (zuletzt abgerufen am 23.09.2010)
2 Informationsdienst 2 (1993), S. 39.
3 Tambo, Oliver, Opening Speech at the International Solidarity Conference, on the theme "From Apartheid to Peace, Democracy and Development", Johannesburg, 19. Februar 1993. http://www.anc.org.za/show.php?include=docs/sp/1993/sp0219a.html (zuletzt abgerufen am 23.09.2010)
4 Ebd.
5 Ebd.
6 Ebd.
7 Grill, Bartholomäus, Ein Aha-Erlebnis, in: Die Zeit 9 (26. Februar 1993).
8 ANC Press Briefing, Monday 22 February, 1993. http://www.anc.org.za/showdnb.php?include=docs/misc/2010/anndnb2i.html (zuletzt abgerufen am 24.09.2010) Die ersten demokratischen Wahlen in Südafrika fanden statt vom 26. bis zum 29. April 1994. Zum Zeitpunkt der Konferenz waren sie allerdings noch nicht beschlossen und standen lediglich als Forderung im Raum.
9 Orkin, Mark (Hg.), Sanctions against Apartheid, Cape Town 1989, S. 15-19. Rock, Philipp, Macht, Märkte und Moral. Zur Rolle der Menschenrechte in der Außenpolitik der Bundesrepublik Deutschland in den sechziger und siebziger Jahren, Frankfurt am Main 2010 (zugl. Diss. Berlin 2009), S. 169 f.
10 Ausnahmen von der Regel bildeten laut Rock lediglich die weitgehende Befolgung des Waffenembargos der UNO, eine Zurückhaltung im diplomatischen Verkehr und die rhetorische Verurteilung der Apartheid. Vgl. Rock, S. 137; S. 180 f.
11 Zahlreiche Prominente (u.a. Heinrich Böll, Udo Lindenberg, Margarete von Trotta) hatten 1983 ein „Komitee für die Kündigung des Kulturabkommens Bundesrepublik Deutschland - Südafrika“ gebildet. Der im Rahmen des Abkommens geregelte Austausch hielt zum Teil auch nach seiner offiziellen Kün- digung weiter an. Dazu zählten zum Beispiel Kooperationen der Deutschen Welle mit dem staatlichen Rundfunk in Südafrika. Vgl. Meldung „Prominente protestieren“, in: Die Zeit 41 (07.10.1983); Brief von AAB-Lokalgruppe Köln an Die Grünen im Bundestag, z.Hd. Frau Uschi Eid vom 19.11.1987, in: AAB.LG.5000K.
12 Morgenrath, Birgit; Wellmer, Gottfried, Deutsches Kapital am Kap. Kollaboration mit dem Apartheidregime, Hamburg 2003.
13 Rock, S. 180.
14 Bacia, Jürgen; Leidig, Dorothée, „Kauft keine Früchte aus Südafrika“. Geschichte der AntiApartheid-Bewegung, Frankfurt am Main 2008, S. 271.
15 Carlin, John, ANC Dons Gloves for Poll Fight, in: The Independent (20.02.1993).
16 Der Mainzer Arbeitskreis Südliches Afrika (MAKSA) stellt sich vor, in: Dritte Welt Information, Frankfurt am Main, ohne Jahr.
17 Rucht, Dieter, Öffentlichkeit als Mobilisierungsfaktor für Soziale Bewegungen, in: Neidhardt, Friedhelm (Hg.), Öffentlichkeit, öffentliche Meinung, soziale Bewegungen. Sonderheft der Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpyschologie 34 (1994), S. 338 f.
18 Ahlemeyer, Heinrich, Soziale Bewegung als Kommunikationssystem. Einheit, Umweltverhältnis und Funktion eines sozialen Systems, Opladen 1995, S. 219-229.
19 Tyrell, Hartmann, Anfragen an eine Theorie funktionaler Differenzierung, in: Zeitschrift für Soziologie 7,2 (1978), S. 175-93.
20 Kern, Thomas, Soziale Bewegungen. Ursachen, Wirkungen, Mechanismen, Wiesbaden 2008, S. 177. Luhmann, Niklas, Ökologische Kommunikation. Kann die moderne Gesellschaft sich auf ökologische Gefährdungen einstellen? Wiesbaden 2008.
21 Kern, S. 183f.
22 Rock, Philipp, Macht, Märkte und Moral. Zur Rolle der Menschenrechte in der Außenpolitik der Bundesrepublik Deutschland in den sechziger und siebziger Jahren, Frankfurt am Main 2010 (zugl. Diss. Berlin 2009). Vergleiche auch S. 3 sowie Fußnoten 9 und 10.
23 Rock S. 127, S. 173 f., S. 180 f.
24 Morgenrath, Birgit; Wellmer, Gottfried, Deutsches Kapital am Kap. Kollaboration mit dem Apartheidregime, Hamburg 2003; Hermann, Gunther J., Apartheid als ökumenische Herausforderung. Die Rolle der Kirche im Südafrikakonflikt, Frankfurt am Main 2006.
25 Bacia, Jürgen; Leidig, Dorothée, „Kauft keine Früchte aus Südafrika“. Geschichte der AntiApartheid-Bewegung, Frankfurt am Main 2008.
26 Die bis 2002 bestehende OAU war die Vorläuferorganisation der Afrikanischen Union (AU).
27 Vgl. Bacia, S. 62 ff.; S. 72 ff.
28 Eine einheitliche Definition politischer Gelegenheitsstrukturen, der alle Anhänger dieser heteroge- nen Forschungsperspektive zustimmen würden, gibt es nicht. Doug McAdam immerhin identifiziert in seinem Versuch einer Synthese der maßgeblichen europäischen und amerikanischen Exponenten
29 Dieser Ansatz betont die Funktion sozialer Bewegungen als Produzenten von Bedeutungen und Interpretationen gesellschaftlicher Wirklichkeit. Die spezielle Funktion des Framings liegt dabei in der Inspiration und Legitimation der Mobilisierung und der Aktivitäten sozialer Bewegungen durch eine Deutung gesellschaftlicher Problemlagen in Form von Problemdiagnosen, Lösungsvorschlägen sowie Motivationsstrategien zur Mobilisierung potenzieller Anhänger und Sympathisanten. Vgl. Kern, S. 142ff; Snow, David A.; Benford, Robert D., Framing Processes and Social Movements: An Overview and Assessment, in: Annual Review of Sociology 26 (2000), S. 611-39.
30 McAdam, Doug; McCarthy, John D.; Zald, Mayer N., Introduction: Opportunities, Mobilizing Structures, and Framing Processes - Toward a Synthetic Comparative Perspective on Social Movements, in: McAdam, Doug; McCarthy, John D.; Zald, Mayer N. (Hg.), Comparative Perspectives on Social Movements. Political Opportunities, Mobilizing Structures, and Cultural Framings, Cambridge 1996, S. 2ff. Für einen ansatzweisen Überblick über die Heterogenität der Bewegungsforschung siehe Snow, David A.; Soule, Sarah A.; Kriesi, Hanspeter, Mapping the Terrain, in: Dies., The Blackwell Companion to Social Movements, Oxford et al. 2004, S. 3-16.
31 Edwards, Bob; McCarthy, John D., Resources and Social Movement Mobilization, in: Snow, David A.; Soule, Sarah A.; Kriesi, Hanspeter, The Blackwell Companion to Social Movements, Oxford et al. 2004, S. 116-51; Eyerman, Ron; Jamison, Andrew, Social Movements. ACognitive Approach, Oxford 1991.
32 Edwards; McCarthy, S. 125. Die Autoren nennen an dieser Stelle Pierre Bourdieus Modell des ökonomischen, kulturellen und sozialen Kapitals zur Erklärung der Struktur und Dynamik differenzierter Gesellschaften als Inspirationsquelle für ihre Typologie.
33 Ebd., S. 126.
34 Ebd.
35 Ebd., S. 127
36 Ebd., S. 128.
37 Eyerman, Ron; Jamison, Andrew, Social Movements. ACognitive Approach, Oxford 1991, S. 56. Kern, S. 145.
38 Ebd., S. 3f.
39 Ebd., S. 48. Die Autoren zitieren hier Melucci, Alberto, Social Movements and the Democratization of Everyday Life, in: Keane, John (Hg.), Civil Society and the State, London 1988, S. 249.
40 Eyerman & Jamison, S. 55.
41 Ihre Unterteilung in eine „kosmologische“, eine „technologische“ und eine „organisatorische“ Dimen- sionen geht zurück auf den Kontext der Umweltbewegung, in dem Eyerman und Jamison ihr Konzept ursprünglich erarbeitet haben. Statt diese Bezeichnungen zu übernehmen wird hier im Weiteren schlicht von kognitiver Praxis beziehungsweise ihren jeweiligen Komponenten die Rede sein.
42 Ebd., S. 61f; S. 68, S. 70ff. Habermas, Jürgen, Erkenntnis und Interesse, Frankfurt am Main 1968.
43 Ebd., S. 75ff.
44 De Kiewiet, Cornelis W., AHistory of South Africa Social and Economic, London 1972, S. 114.
45 Keppel-Jones, Arthur M., When Smuts goes. Ahistory of South Africa from 1952 to 2010, first pub- lished in 2015, London 1947. Mit seiner dystopischen „Geschichte“ warnte der südafrikanische Histo- riker Arthur Keppel-Jones vor den möglichen Folgen eines Wahlsiegs der Nasionale Party, den der Autor für das Jahr 1952 prognostizierte. Keppel-Jones beschreibt eine Jahrzehnte lang währende Gewaltherrschaft, die schließlich in einen Bürgerkrieg mit tausenden Todesopfern mündet und mit dem militärischen Eingreifen der Vereinten Nationen endet. Tatsächlich sollte die Nasionale Party bereits ein Jahr nach Veröffentlichung des Buchs, in den Wahlen 1948, die Regierungsmacht erringen. Keppel-Jones behielt allerdings Recht damit, dass die Nationalisten Südafrika auf Jahrzehnte hinaus regieren, international isolieren und die große Mehrheit der Bevölkerung unterdrücken würden.
46 Vgl. zum Beispiel den deutschsprachigen Eintrag zu „Apartheid“ in der Internet-Enzyklopädie Wikipedia, wo die gesamte Politik der südafrikanischen Rassendiskriminierung im 20. Jahrhundert unter dem Begriff Apartheid subsumiert wird. Lediglich en passant findet sich der einschränkende Hinweis, dass die Zeit vor 1948 „im engeren Sinne“ nicht zur Periode der Apartheid zählt. http://de.wikipedia.org/wiki/Apartheid. Abgerufen am 24.03.2011. Die Nasionale Party regierte Südaf- rika durchgehend bis zum Wahlsieg des ANC im April 1994.
47 Louw, P. Eric, The Rise, Fall, and Legacy of Apartheid, Westport 2004, S. 28f. Louw bietet einen prägnanten Überblick zu Ideologie und Praxis der Apartheid.
48 Allein 1898, ein Jahr vor Ausbruch des Zweiten Burenkriegs und zwölf Jahre nach dem ersten Fund, wurden am Witwatersrand fast 120 Tonnen Gold gefördert. Dies entsprach mehr als einem Viertel der weltweiten Produktion. Vgl. Ross, S. 65.
49 Der unvorhergesehene Reichtum der Buren erwuchs in den Augen der Briten zu einer ernsthaften Bedrohung ihrer eigenen Hegemonialansprüche über das südliche Afrika sowie für die Vision des Premierministers der Kapkolonie, Cecil John Rhodes, eines durchgehend britischen Territoriums „ vom Kap bis Kairo “. Wichtigster Streitpunkt in der öffentlichen Debatte zwischen den Konfliktparteien war die Verwährung des Wahlrechts für Ausländer, die zu Kriegsbeginn zwei Drittel der Bevölkerung in der (burischen) Südafrikanischen Republik stellten. Ein weiterer wesentlicher Kriegsgrund bestand in der
50 Louw, S. 11.
51 Im Juni 1900 hatten die Briten die Eroberung des gesamten Territoriums der beiden Burenrepubliken erreicht. Der sich anschließende Guerillakrieg endete am 31. Mai 1902 mit dem Frie- densschluss von Vereeniging. Mehr als 22.000 Briten wurden im Zweiten Burenkrieg getötet. Auf Sei- ten der Buren starben mehr als 30.000 Menschen, etwa ein Zehntel der damaligen burischen Bevölke- rung Südafrikas, Vgl. Thompson, Leonard, AHistory of South Africa, Yale 1990, S. 137; 146. Ross, S. 72; S. 79ff; S. 86f. Davenport, S. 223-34. Ein Beispiel für den Zugriff des neuen Staates auf seine Bevölkerung ist die erstmalige Erhebung eines Zensus in Südafrika im Jahr 1911. Vgl. Ross, S. 87.
52 Louw, S. 1-26. Davenport, S. 213-22. Yudelman, S. 131f.
53 Zitiert nach Louw, S. 14f.
54 Zitiert nach Louw, S. 18.
55 „ christlich-nationale Bildung “
56 Ungefähr 350.000 Europäer kamen zwischen 1904 und 1936 nach Südafrika. Vgl. Louw, S. 21. Ross, S. 81ff.
57 Louw, S. 17ff. Grobler, Jackie, ADecisive Clash? AShort History of Black Protest Politics in South Africa, 1875-1976, Pretoria 1988, S. 26-34.
58 Isigidimi Sama Xosa ( „ Der Xhosa-Botschafter “ ) war die erste, 1876 von Afrikanern gegründete Zei- tung, die komplett auf xhosa eschien. Zuvor hatten christliche Missionare an verschiedenen Orten in Südafrika einige Druckerpressen eingerichtet, so dass mit Umshumayeli Wendaba ( „ Verkü nder der Nachrichten “ ) bereits ab 1837 zum ersten Mal eine Zeitung komplett in xhosa erschien. Vgl. Grobler, S.
59 Grobler, S. 7-10; S. 20.
60 Vgl. Grobler, S. 26ff.
61 Ebd., S. 35ff. Davenport, S. 273. Couzens, Tim; Rive, Richard, Seme. Founder of the African National Congress, Johannesburg 1991, S. 22f.
62 Seme, Pixley ka Isaka, Native Union (1911), in: Asmal, Kader, Legacy of Freedom. The ANC’s Human Rights Tradition, Johannesburg 2005, S. 43f.
63 Asmal, S. 42-44; Grobler, S. 35ff. Holland, Heidi, ANC. Nelson Mandela und die Geschichte des African National Congress, Braunschweig 1990 (Übers. Aus d. Engl.: Andrea Galler u. Helmut Dierlamm), S. 41ff.
64 Ihre Motivation begründete sich wesentlich in ihrer Missionstätigkeit. Semes Förderer Reverend Pixley etwa hoffte, “ that he may be fitted to be a teacher of a high type of piety - and ultimately a missionary to the Zulu people. ” Zitiert nach Couzens, S. 13. Vgl. Benson, Mary, The African Patriots. The Story of the African National Congress of South Africa, London 1963, S. 25ff. Hodgkin, Thomas, Nationalism in Colonial Africa, London 19624, S. 140. Grobler, S. 35; S. 41-75.
65 Zitiert nach Walshe, Peter, The Rise of African Nationalism in South Africa. The African National Congress, 1912-1952, Berkeley 1971, S. 37f.
66 Zitiert nach Walshe, S. 38. Vgl. Grobler, S. 38f.
67 Unter weißen Südafrikanern betrug der Anteil der Städter 1936 zwei Drittel. Vgl. Thompson 1990, S. 166.
68 Beinart, William, Twentieth Century South Africa, Oxford und New York 2001², S. 122-36. Dubow, Saul, The Elaboration of Segregationist Ideology, in: Beinart, William; Dubow, Saul (Hg.), Segregation and Apartheid in Twentieth Century South Africa, London und New York 1995, S. 154ff. Louw, S 105- 10. Thompson 1990, S. 163-77.
69 Zitiert nach Welsh, David, The Growth of Towns, in: Thompson, Leonard; Wilson, Monica (Hg.), The Oxford History of South Africa, Bd. 2, 1870-1966, Oxford 19754, S. 188. Vgl. Houghton, D. Hobart, Economic Development, 1865-1965, in: Thompson 1975, S. 32-38; Welsh, S. 172-202; 242f; Kuper, Leo, African Nationalism in South Africa, 1910-1964, in: Thompson 1975, S 451-59.
70 Davenport, S. 361ff; Walshe, S. 300ff, 389-98; Louw, S. 110f; Mandela, Nelson, Der lange Weg zur Freiheit (Übers. aus dem Engl. von Günter Panske), Hamburg 2006, S. 130; Holland, S., 53; Asmal, S. 1-33.
71 Ebd.
72 Walshe, S. 399-405; Gerhart, Gail M., Black Power in South Africa. The Evolution of an Ideology, Berkeley u.a. 1978, S. 82ff. Das „ ANC Youth League Manifesto “ aus dem Jahr 1944 ist abrufbar unter http://www.anc.org.za/show.php?id=4439 (zuletzt abgerufen am 06.06.2011). Zum ANC-Präsidenten wurde James Moroka gewählt anstelle von Alfred Xuma, der die radikalere Strategie-Linie der ANCYL nicht hatte unterstützen wollen.
- Arbeit zitieren
- Henrik Brendel (Autor:in), 2011, Die transnationale Anti-Apartheid-Bewegung und ihre Mobilisierung in der Bundesrepublik Deutschland, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/188803
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