Die Geschichte von Flucht und Vertreibung der Deutschen am Ende und nach dem Zweiten Weltkrieg ist seit dem Zeitpunkt ihres Geschehens ein Politikum. Gerade die Erfahrungen derjenigen, die nach dem erzwungenen Verlassen ihrer ostdeutschen Heimat in die SBZ kamen, zeigen dies nachdrücklich: Die ‚Umsiedler’ standen während der vierzig Jahre des Bestehens der DDR in einem vielfach brisanteren politischen Spannungsfeld als die westdeutschen Vertriebenen. Während die Vertriebenen in den Westzonen schon früh nach Kriegsende Teil einer pluralistischen Gesellschaft wurden, in der sie für ihre Rechte eintreten durften, wurden die vier Millionen ‚Umsiedler’ in der SBZ/DDR politisch bald tabuisiert. Nach vielfältigen sozialpolitischen Integrationsbemühungen von 1945-1947 oktroyierte die SED-Führung unter Einfluss der Sowjetischen Militäradministration (SMAD) eine Politik, die die Existenz von ‚Umsiedlern’ in der SBZ negierte.
Das ‚Umsiedlerproblem’ bestand jedoch fort, jedenfalls insofern, als dass die ‚Umsiedler der neuen Maxime von SMAD und SED-Führung buchstäblich Probleme bereiteten. Die ‚Umsiedler’ wehrten sich gegen die umsiedlerpolitische Doktrin, weil diese vor allen Dingen darauf abzielte, die Erinnerung an ihre alte Heimat zu löschen. Doch auf sehr unterschiedliche Weise versuchten die ‚Umsiedler’ trotz Verbot für ihre Heimat einzutreten. Die Wege dazu reichten von verzweifelt klingenden Bittgesuchen über stures Wiederholen der Rückkehrhoffnung hin zu aggressiv-revisionistischen Drohungen. Insofern zeigt sich hier auch die Brisanz des Themas: Nicht alle ‚Umsiedler’ waren zwischen 1948 und 1952 bei ihren Bemühungen um die Heimkehr dennoch um friedlichen Ausgleich mit den neuen Nachbarn bemüht. Einige schreckten auch vor Gewalt als Durchsetzungsmittel nicht zurück, hingen dabei teilweise noch tendenziell nationalsozialistischem Gedankengut nach, so dass ‚Umsiedlerpolitik’ mitunter auch Entnazifizierungspolitik bedeutete.
So muss gerade wegen der politischen Brisanz, die wegen Opferdiskurs und Schulddebatten auf das Thema der 1944/45 ausgewiesenen Deutschen ausstrahlt, eine Diskussion stattfinden. Nur ein differenziertes, facettenreiches und auch menschliches Bild der Geschichte kann die verhärteten Fronten des Politikums „Flucht und Vertreibung“ nach und nach abbauen.
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung
- 2. Zur Vorgeschichte
- 2.1. Vom Vertrag von Lausanne zum Potsdamer Abkommen
- 2.2. Der Vernichtungskrieg in Osteuropa und in der Sowjetunion
- 2.3. Flüchtlinge, Vertriebene, Umsiedler - Wer ist wer?
- 3. Zur Situation der Umsiedler in der SBZ/DDR
- 3.1. Von der Heimat in die Fremde?
- 3.1.1. Was ist Heimat?
- 3.1.2. Kein Heimweh in der neuen Heimat: Die Haltung der SED-Führung zum Heimatgefühl der Umsiedler
- 3.1.3. Das Umsiedlerproblem
- 3.2. Formen der Eigeninitiative von 1947-1949
- 3.2.1. Die Situation in den Flüchtlingslagern
- 3.2.2. Treffen und Versammlungen von Umsiedlern
- 3.2.3. Suchdienste und Umsiedlerorganisationen
- 3.2.4. Flugblätter, Aufrufe, Kettenbriefe
- 3.3. Staatliche Konsolidierung und unlenksame Umsiedler
- 3.3.1. Umsiedlerpolitik nach der Staatsgründung
- 3.3.2. Wortlaut und Wirkung des Görlitzer Abkommens: Stimmungen unter den Umsiedlern nach dem 6. Juli 1950
- 3.3.3. Angekommen in der DDR?
- 4. Schlussbetrachtung
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Arbeit befasst sich mit der Umsiedlerpolitik in der SBZ/DDR von 1948 bis 1952 und analysiert die Maßnahmen und Reaktionen der beteiligten Akteure. Sie untersucht die Lebensbedingungen der Umsiedler, ihre Erfahrungen mit der neuen Heimat und die Herausforderungen, die mit der Integration in die DDR verbunden waren.
- Die Erfahrungen und Lebensbedingungen der Umsiedler in der SBZ/DDR
- Die Rolle der SED-Führung in der Umsiedlerpolitik
- Die Eigeninitiative der Umsiedler in der frühen Nachkriegszeit
- Die staatliche Konsolidierung und die Auswirkungen auf die Umsiedler
- Die Debatte um den Begriff des „Umsiedlers“ im Kontext der Vertriebenenforschung
Zusammenfassung der Kapitel
- Kapitel 1: Einleitung: Die Arbeit stellt den Kontext der Umsiedlerpolitik in der SBZ/DDR dar und beleuchtet die wissenschaftliche Debatte um den Begriff des „Umsiedlers“.
- Kapitel 2: Zur Vorgeschichte: Dieses Kapitel zeichnet die historische Entwicklung der Umsiedlerpolitik nach, von den Anfängen der Vertreibung nach dem Zweiten Weltkrieg bis zur Gründung der SBZ/DDR.
- Kapitel 3: Zur Situation der Umsiedler in der SBZ/DDR: Dieses Kapitel analysiert die Lebensbedingungen der Umsiedler in der SBZ/DDR, ihre Anpassung an die neue Heimat und die Herausforderungen der Integration. Es betrachtet sowohl staatliche Maßnahmen als auch die Eigeninitiative der Umsiedler.
Schlüsselwörter
Umsiedlerpolitik, SBZ/DDR, Vertreibung, Flüchtlinge, Integration, Heimat, SED, Eigeninitiative, staatliche Maßnahmen, Görlitzer Abkommen, Lebensbedingungen, Forschung, wissenschaftliche Debatte, Geschichtswissenschaft
- Quote paper
- Alina Laura Tiews (Author), 2009, 'Umsiedlerpolitik' in der SBZ/DDR 1948-1952: Maßnahmen und Reaktionen, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/189162