Als der Umzug des Bundeskriminalamtes von Wiesbaden nach Berlin im Januar dieses Jahres der Öffentlichkeit bekannt gegeben wurde, musste sich Bundesinnenminister Otto Schily heftige Kritik anhören. Der Umzug sei ein Dekret von oben gewesen. „Sie wandeln auf den Spuren Machiavellis“, lautete die Kritik des FDP-Abgeordneten Max Stadler.1 Das ist nur eines von vielen Beispielen aus dem täglichen Leben, die zeigen, womit die Person und Philosophie Niccolò Machiavellis in unserer heutigen Zeit assoziiert werden. Machiavelli ist zum Symbol für eigensinniges und kompromissloses Handeln geworden. Unter Machiavellismus versteht man laut Wörterbuch eine „Politik, die Zweckmäßigkeit und Machtstreben über Moral stellt.“2 Zu Recht wird darauf verwiesen, dass diese Formulierung, die sich heute im allgemeinen Sprachgebrauch durchgesetzt hat, von den Gegnern Machiavellis stammt. Dieses Deutungsverständnis wird der politischen Philosophie Machiavellis nicht gerecht, was schon daran erkennbar wird, dass es sich vornehmlich auf Den Fürsten (‚Il Principe‘) beruft, der zwar herausragende Bedeutung innerhalb Machiavellis Werk besitzt, auf den sich Machiavelli aber keineswegs reduzieren lässt. Sein zweites großes Hauptwerk, die Discorsi, stellt Überlegungen zum Aufbau und Erhalt einer Republik in den Vordergrund. Es ist also festzuhalten, dass sich der Principe mit der Alleinherrschaft, die Discorsi mit der Republik auseinandersetzen. Wobei ein Irrtum darin besteht, Il Principe und Discorsi konträr gegenüber zu stellen. Genauso wäre es ein Fehler, Machiavelli Widersprüchlichkeit vorzuwerfen, denn eine „Gegenüberstellung der ‚republikanischen‘ Discorsi und des ‚absolutistischen‘ Principe [beruht] auf einer falschen nämlich verfassungspolitischen Fragestellung [...], die für Machiavelli nichts weniger als zentral war.“3 Machiavellis Beurteilung von Verfassungen erfolgt nicht nach allgemeinen Normen, sondern situativ, der jeweiligen konkreten Lage entsprechend, wodurch er das Verfassungsproblem keineswegs relativiert, sondern vielmehr auf den Punkt bringt.4 Dies muss man sich bei der Betrachtung seines verfassungspolitischen Konzepts im Gedächtnis behalten.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Die Kreislauftheorie vor dem Hintergrund des Geschichtsbildes Machiavellis
- Die Mischverfassung als Idealtyp nach dem Vorbild Roms
- Die Freiheit des Gemeinwesens als höchstes Gut des Staates
- Virtú - Metaphysische Kraft zum politischen Handeln
- Die Implementierung der Staatsgründung durch den Einzelnen
- Die schlechte Natur des Menschen
- Schluss
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Der Text analysiert Niccolò Machiavellis republikanisches Staatsverständnis, das er in seinem Werk „Discorsi“ entwickelt. Er konzentriert sich auf die zentralen Elemente der politischen Doktrin Machiavellis und beleuchtet die Verbindung zwischen Geschichte, Politik und menschlicher Natur.
- Die Kreislauftheorie der Staatsformen
- Die Bedeutung der Mischverfassung
- Der Freiheitsgedanke in der republikanischen Staatsform
- Der Begriff der Virtú als Motor politischen Handelns
- Der Mensch in der Machiavellischen Theorie
Zusammenfassung der Kapitel
- Einleitung: Der Text beleuchtet die Relevanz von Machiavellis Werk in der heutigen Zeit und stellt die Discorsi als zentralen Text für die Analyse des republikanischen Konzepts Machiavellis vor.
- Die Kreislauftheorie vor dem Hintergrund des machiavellischen Geschichtsbildes: Machiavelli sieht die Geschichte als Kreislauf von sechs verschiedenen Staatsformen, die sich in guten und schlechten Formen abwechseln. Die Analyse des Naturzustands und die Bedeutung der Krisen für die Entstehung neuer Staatsformen werden erläutert.
- Die Mischverfassung als Idealtyp nach dem Vorbild Roms: Machiavelli betrachtet die Mischverfassung als optimale Staatsform, die er am Beispiel des römischen Staates erklärt. Er betont die Notwendigkeit einer Balance zwischen den verschiedenen gesellschaftlichen Kräften.
Schlüsselwörter
Der Text befasst sich mit zentralen Begriffen der politischen Philosophie Machiavellis wie der Kreislauftheorie, der Mischverfassung, der Freiheit des Gemeinwesens, der Virtú und der menschlichen Natur. Er beleuchtet die Verbindung zwischen Geschichte, Politik und menschlicher Natur in Machiavellis Werk und stellt die Discorsi als wichtigen Text für die Analyse der republikanischen Staatsform dar.
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- Benjamin Reichenbach (Author), 2004, Vivere politico, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/189235