Bei der Literaturrecherche zum hier untersuchten Lied Walthers fällt auf, dass die Forschungslage eher dürftig ist. Bis einschließlich der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts hat es, von dem wohl gerade deshalb viel zitierten Aufsatz von Robert Priebsch abgesehen, kaum ausführliche Beachtung gefunden. Eine Antwort auf die Frage, warum dem so ist, hat Werner Hoffmann im Jahr 1975 gegeben: Es dränge sich nach der Sichtung der vorliegenden Arbeiten die Annahme auf, die Interpretation sei unproblematischer als diejenige solcher Lieder Walthers, die mehr Beachtung gefunden haben. Diese Annahme findet Hoffmann denn auch bestätigt, wenn er feststellt, dass tatsächlich nahezu alles an dem Lied klar sei.
Tatsächlich ist die Quellenlage verhältnismäßig eindeutig: die Strophen 1 bis 4 des vorliegenden Liedes sind in der Großen Heidelberger Liederhandschrift C , Strophe 1 mit einigen, hin-sichtlich des gestifteten Sinnes jedoch unerheblichen Varianzen in der Kleinen Heidelberger Handschrift A überliefert. Die ersten zwei Verse der Strophe, sowie ein Teil deren dritten Verses, finden sich außerdem auf einem Teil des Fragmentes wx . Schon Priebsch hat darauf verzichtet, die Überlieferungslage des Liedes überhaupt nur zu thematisieren.
Allerdings lässt Hoffmanns Interpretation in großen Teilen das Bewusstsein der dem Text innewohnenden exegetischen Probleme und Unklarheiten vermissen. Hoffmann selbst ist dabei kaum ein Vorwurf zu machen, drückt sich in seiner Arbeit doch nur explizit aus, was die Walther-Forschung der vergangenen Jahrzehnte als wortwörtlich allzu stillschweigendes Urteil über das hier untersuchte Lied verhängt hatte. So ist es erst zwei offenbar nahezu zeitgleich verfassten Interpretationen aus der jüngsten Vergangenheit zu danken, einem solchen Problembewusstsein Vorschub geleistet zu haben.
Es handelt sich dabei um die beiden Arbeiten von Meinolf Schumacher und Dieter Kartschoke . Über die bloße Vornahme einiger kritischer Randnotizen zur bisherigen Interpretation hinaus, eröffnet jede der beiden Arbeiten mit ihrer jeweiligen kritischen Grundthese einen eigenen Problemhorizont, aus dessen Perspektive eine Neubewertung der vorgefundenen Motive und der sich darauf konstituierenden Themen vorgenommen werden kann, oder deren Möglichkeit zumindest geprüft werden muss. Dieser Aufgabe widmet sich diese Arbeit.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung und Forschungslage
- Text...
- Problemhorizont I: Die Einordnung des Liedes in die Gattung der Alterslieder
- Problemhorizont II: Die Einordnung des Liedes in die Tradition religiöser Lieder
- Zusammenfassung
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Arbeit beschäftigt sich mit dem Lied „Frô welt, ir sult dem wirte sagen“ von Walther von der Vogelweide und untersucht die Einordnung dieses Liedes in die Gattung der Alterslieder und in die Tradition religiöser Dichtung. Die Analyse hinterfragt etablierte Forschungsansätze und beleuchtet die Problematik der Interpretation des Liedes im Kontext seiner literarischen Tradition.
- Die Einordnung des Liedes in die Gattung der Alterslieder
- Die Einordnung des Liedes in die Tradition religiöser Dichtung
- Die Problematik der Interpretation des Liedes im Kontext seiner literarischen Tradition
- Die Bedeutung des Liedes für das Gesamtwerk Walthers von der Vogelweide
- Die Rezeption des Liedes in der Forschung
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung stellt die Forschungslage zum Lied „Frô welt, ir sult dem wirte sagen“ dar und beleuchtet die bisherige Interpretation des Werkes. Das Kapitel „Problemhorizont I“ befasst sich mit der Einordnung des Liedes in die Gattung der Alterslieder und analysiert die typischen Merkmale dieser Gattung im Kontext des Liedes. Im Kapitel „Problemhorizont II“ wird die Einordnung des Liedes in die Tradition religiöser Dichtung diskutiert und es werden die religiösen Motive und Symbole im Lied analysiert. Die Zusammenfassung fasst die zentralen Argumente der Arbeit zusammen und stellt die Schlussfolgerungen der Untersuchung dar.
Schlüsselwörter
Alterslieder, religiöse Dichtung, Walther von der Vogelweide, Interpretationsgeschichte, literarische Tradition, Motiv- und Symbolanalyse, Forschungsdebatte.
- Arbeit zitieren
- Lukas Rieger (Autor:in), 2011, Zur Problematik der Einordnung von Walthers von der Vogelweide 'Frô welt, ir sult dem wirte sagen', München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/189362