Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
Einleitung
1. Suchthilfe bei Jugendlichen als ein Handlungsfeld der Sozialpädagogik
1.1 Begriffsklärung Sucht
1.1.1 Definition Suchthilfe
1.2 Besonderheiten der Suchthilfe bei Heranwachsenden
1.3 Mindeststandards – Aufgaben und Ziele
2. Arbeitsfelder der Suchthilfe
2.1 Suchtprävention als Bildungsaufgabe der Schulen
2.2 Suchtprävention in der Jugendarbeit
2.3 Suchtberatung Heranwachsender im Internet
3. Fazit
Literatur-/Quellenverzeichnis
Internetquellen
Einleitung
Nach Angaben der BZGA trinken bereits 20,4 % der 12-16 Jährigen mindestens einmal im Monat Bier. Im Hinblick auf die Gruppe der 16-18 Jährigen liegt dieser Wert mit 63% erheb- lich darüber. Auch „harte Drogen“ wie zum Beispiel Kokain und LSD werden inzwischen (Stand 2008) zu 14,1 % von Jugendlichen zwischen 14 und 18 Jahren konsumiert.
Die Schlagzeilen der Berichterstattung der Massenmedien häufen sich in entsprechender Wei- se: „Sucht nach dem Vollrausch“ (Spiegel online 04.02.2011), „Gesellschaftsdroge Alkohol- Die Krankheit Jugend“ (Süddeutsche, 09.08.2011), „Koma-Saufen - Trainiert die Jugend im Drogenkonsum!“ (Welt.de, 12.03.2007). Das sind nur einige Beispiele, die ein erschreckendes Jugendbild abzeichnen. Das Thema Rauschmittel in Verbindung mit Jugendlichen hat derzeit Hochkonjunktur. Und was dem Vollrausch folgt, ist nicht selten der Weg in die Sucht. So verzeichnete die ambulante Suchthilfe 2009 in Deutschland 152.304 Neuzugänge. Unter den substanzgebundenen Abhängigkeiten nimmt Alkohol mit 53,7%, der sich an Suchthilfe wen- denden Betroffenen, die größte Rolle ein. Aber auch Cannabis, Kokain und weitere „harte Drogen“ stellen einen beträchtlichen Anteil Hilfesuchender von 36,4%. Die Inanspruchnahme von Suchthilfe ist bei Tabakkonsum mit 1,2 % der geringste Bereich (www.deutsche Sucht- hilfestatistik.de).
Diese alarmierenden Ergebnisse weisen deutlich auf eine gefährliche Entwicklung hin und sind Erfordernis genug, die Aufgaben und Wirksamkeit der Suchthilfe, speziell hinsichtlich des rasant ansteigenden Suchtpotenzials Jugendlicher, zu hinterfragen, um mögliche Mängel des Hilfesystems erkennbar zu machen.
In diesem Kontext setzt sich die vorliegende Arbeit mit der suchtbezogenen Prävention für Jugendliche auseinander. Zielleitend ist dabei die Frage nach den Herausforderungen für die soziale Arbeit, wenn sie sich als Instanz der suchtspezifischen Prävention von Jugendlichen versteht. Die Probleme und Herausforderungen sollen exemplarisch an der Lebensphase der Jugend aufgezeigt werden, da sie seit längerem im Fokus gesellschaftlicher und sozialpoliti- scher Debatten steht.
Im ersten Teil dieser Arbeit ist es erforderlich, die grundlegenden Merkmale von sozialpäda- gogischer Suchthilfe näher zu erläutern, um einen Einstieg in die Thematik zu ermöglichen. Im Zusammenhang damit, wird das Lebensalter der Jugend mit seinen Bedingungen und we- sentlichen Voraussetzungen kritisch betrachtet. Es gilt herauszukristallisieren, welche beson- deren Anforderungen an die Suchthilfe gestellt werden und Möglichkeiten ihrer Bewältigung aufzuzeigen. Daran anschließend wird Bezug auf gesetzliche und gesellschaftskonventionelle Mindeststandards genommen, um einerseits dem komplexen Tätigkeitsbereich Suchthilfe Struktur zu verleihen und andererseits rechtliche Bedingungen zu klären. Gerade in punkto Qualität und Wirksamkeit ist diese Ausführung von Bedeutung.
Im zweiten Teil werden die verschiedenen Arbeitsfelder der jugendspezifischen Suchthilfe vorgestellt. Es wird auf die verschiedenen Zugänge eingegangen und anhand wissenschaftli- cher Erkenntnisse untersucht, inwieweit sie Jugendliche erreichen und welche Konzepte und Strategien der Hilfestellung hierbei zum Tragen kommen. Unter anderem werden die Hand- lungsfelder Schule, Jugendhilfe und die neuste Entwicklung der virtuellen Suchthilfe disku- tiert. Im Weiteren werden die Chancen und Schwierigkeiten der Sozialpädagogik in diesem Handlungsbereich erörtert, um schließlich, auf diesen Überlegungen aufbauend, ein Fazit zie- hen zu können, in welchem unter anderem denkbare Formen der Verbesserung dargestellt werden.
1. Suchthilfe bei Jugendlichen als ein Handlungsfeld der Sozialpädagogik
1.1 Begriffsklärung Sucht
Im alltäglichen Sprachgebrauch wird der Begriff „Sucht“ in einer Art und Weise verwendet, die suggeriert, dass es keine Unsicherheiten bezüglich seiner Bedeutung gibt. Dies ist jedoch nicht der Fall, vielmehr ist der Begriff unscharf und mehrdeutig.So erscheint es von Bedeutung zu sein, auf seine Definition näher einzugehen.(vgl Blum/Sting,2003, S 27)
Noch bis zum 16ten Jahrhundert wurde der Ausdruck „Sucht“ als eine allgemein gebräuchli- che Bezeichnung für allerlei geistig pathologische Befunde verwendet, zum Beispiel Rach- sucht (Luther 1520), Zanksucht (Kirchhoff 1565) oder Schwindsucht. Durch die Fortschritt- lichkeit der modernen Forschung wurde „Sucht“ im 19ten Jahrhundert auf die Bedeutung ei- nes medizinisch spezifischen Krankheitsbildes begrenzt (vgl. Blum/Sting, 2003, S.27).
Zu Beginn dieser Entwicklung beinhaltete seine Definition ausschließlich physische Sucht- merkmale. So beschrieb die WHO 1950 „Sucht“ als einen “Zustand periodischer oder chroni- scher Intoxikation“ (Blum/Sting, 2003, S.27).Sucht umfasst nach heutiger Auffassung jedoch verschiedene Formen des Verlangens nach bzw. Angewiesen seins auf bestimmte Substanzen oder Verhaltensweisen (vgl. Duden 2011, vgl. Scheerer 1995, 28f). Aufgrund dessen können Auswirkungen der entsprechenden Symptomatik demzufolge zwei Ebenen betreffen, die phy- sische und die psychische (vgl. DHS 2003). Die psycho-sozialen Aspekte von Suchterkran- kungen wurden hingegen erst 1964 anerkannt und in die Definition der WHO offiziell einbe- zogen (vgl. Michel & Novak, 1991, S.72).Heute wird im Fachjargon in der Regel eher die Bezeichnung „Abhängigkeit“ gewählt. Diesen Begriff schlug die WHO 1994 zur Vermeidung der Begriffsverwirrung und zum endgültigen Ausschluss aller Unklarheiten vor. Mit dem Ziel der Differenzierung, sollte der Begriff „Sucht“ primär im Bezug auf die Einnahme von che- mischen Substanzen (Drogen) vollständig durch Terminus „Abhängigkeit“ ersetzt werden.
Bedingt durch Leistungsdruck spielen vermehrt auch psycho-soziale und nicht- substanzgebundene Abhängigkeiten, wie zum Beispiel Spielsucht, Magersucht, Kaufsucht und Sexsucht in unserer Gesellschaft eine durchaus große Rolle (vgl. Scheerer 1995, S.28f). Die Erweiterung des Suchtbegriffes, speziell auf Arten der Verhaltensabhängigkeit, wird eine klare Abgrenzung zu Kategorien wie „Gewohnheit“ oder „Verhalten, welches noch willentli- cher Steuerung unterliegt“ unabdinglich. Von Sucht sollte, in Anbetracht dessen, nur gespro- chen werden, wenn es sich um zwanghaftes Problemverhalten mit Krankheitscharakter und oft auch Zerstörungspotenzial, handelt (vgl. Uhl & Springer, 2002).
Da sich diese Arbeit mit sozialpädagogischer Suchthilfe auf allgemeinerer Ebene beschäftigt, also Abhängigkeiten auf substanzgebundener, wie auch nicht-substanzgebundener Grundlage betrachtet, werden hier beide Ausdrücke synonym verwendet.
1.1.1 Definition Suchthilfe
Die Suchthilfe ist zumeist ein Angebot der freien Träger und bietet einerseits die Möglichkeit für Betroffene und Angehörige anonym, kostenfrei und freiwillig Informationen und Bera- tungsgespräche zu ihrer Problematik, durch speziell in der Gesprächsführung ausgebildete Sozialpädagogen oder Psychologen, zu erhalten. Andererseits kann sie durch aufsuchende Hilfe Betroffene erreichen und Problemlösungen anbieten. Aufgabe der Suchthilfe ist es, den Menschen in der Komplexität seiner jeweiligen Lebensgestaltung zu erfassen und einen um- fassenden Einblick in seine soziale Umwelt zu erhalten. Insbesondere wird Bezug auf „Sucht- gefährdung, Suchtentwicklung und Suchtmittelabhängigkeit des Menschen“ genommen (Saarländische Landesstelle für Suchtfragen, 2004, S.4).
Die Suchthilfe umfasst zwei ineinandergreifende Bereiche: Prävention und Intervention. Der Bereich der Prävention kann zusätzlich noch einmal in Primär- und Sekundärprävention un- terschieden werden. Unter Primärprävention werden alle Maßnahmen verstanden, die speziell dazu geeignet sind, das Entstehen einer Suchtproblematik von vorneherein zu verhindern. Sie wendet sich an die Gruppe der Personen, die bisher in keiner Weise Kontakt mit der Suchtthematik hatten und will dazu beitragen, dass dies so bleibt (vgl. Sting/Blum2003 S.25f).Sekundärprävention zielt auf eine soziale Risikogruppe mit Gefährdungspotenzial ab und kann durch Maßnahmen der Früherkennung bereits bei ersten Anzeichen von Problemen eingreifen um mögliche Suchtentwicklung zu vereiteln. Die Prävention befasst sich dement- sprechend im Wesentlichen mit der Suchtprophylaxe und ist nicht auf Behandlung ausgelegt (vgl. Sting/Blum 2003 S. 25f).
Der zweite Bereich ist die Intervention. Interventionen sind reaktive konkrete Maßnahmen auf bereits manifeste Probleme, Störfälle oder Diskrepanzen (vgl. Böllert 2001 in Sting/Blum 2003 S.25). Prinzipiell fällt Intervention nur zu einem kleinen Anteil in das Tätigkeitsfeld der Sozialen Arbeit. Zumeist bedarf es zur Behandlung von Suchtkrankheiten in der Regel medi- zinischen und psychotherapeutischen Fachpersonals in Kliniken und anderen Einrichtungen. Allerdings ist der Anteil von Sozialpädagogen mit therapeutischer Zusatzqualifikation inzwi- schen relativ hoch, sodass über individuelle Beratung hinausgehende Angebote in einigen Beratungsstellen zunehmend existieren (z.B. Caritas Fachambulanz für Suchtkranke und An- gehörige, Trier).
Generell bedient die Sozialpädagogik in der Sparte der „Intervention“ eher die Teilbereiche: soziale Betreuung, Begleitung, soziale Rehabilitation und Nachsorge (vgl. Sting /Blum, 2003, S.28). Die Intervention ist grundsätzlich immer auf die Bereitschaft der Betroffenen, das Hilfsangebot anzunehmen angewiesen, da sie auf dem für den Erfolg notwendigen und end- scheidenden Prinzip der Freiwilligkeit beruht. Es wird eine Verringerung der Beeinträchti- gung durch die Störung angestrebt (vgl. Harald Petermann, Marcus Roth, 2006,S.24). Dabei soll die Veränderungsbereitschaft stabilisiert werden, um den Weg aus der Abhängigkeit zu begleiten und zu unterstützen. Durch motivierende und unterstützende Gesprächsführung soll der Betroffene eigenaktiv den Entwicklungsgang der Intervention ausformen, um auf diese Art und Weise einen individuell auf ihn zugeschnittenen Lösungsansatz zu erarbeiten (vgl. Harald Petermann, Marcus Roth, 2006, S.25/ Saarländische Landesstelle für Suchtfragen, 2004,S.5).
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