Managerbezüge - Anreizsysteme zur Entlohnung des Topmanagements


Diplomarbeit, 2009

77 Seiten, Note: 1,2


Leseprobe


Inhaltverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

1. Einleitung

2. Begriffsbestimmungen
2.1 Motivation
2.2 Anreizsystem
2.3 Entlohnung
2.4 Topmanagement

3. Theoretischer Bezugsrahmen
3.1 Die Neue Institutionenökonomik
3.2 Die Prinzipal-Agenten-Theorie als Ausgangspunkt moderner Anreizsysteme
3.3 Konsequenzen für die Entlohnungspolitik
3.3.1 Verhaltenskontrolle durch Monitoring
3.3.2 Verhaltenssteuerung durch Anreizsysteme
3.3.3 Der Shareholder-Value-Ansatz als leitendes Prinzip

4. Kritische Würdigung aktienbasierter Anreizsysteme
4.1 Anreizsysteme in der Praxis
4.2 Die Objektivität der Zielgrößen
4.2.1 Der Einfluss externer Faktoren
4.2.2 Manipulation durch das Management
4.3 Die Dimensionalität der Zielgrößen
4.3.1 Das Risiko der Motivationsverdrängung
4.3.2 Das Potenzial sozialer Erfolgskriterien

5. Erkenntnisse für die optimale Gestaltung von Anreizsystemen

6. Fazit

7. Ehrenwörtliche Erklärung

8. Literaturverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Die Gesamtvergütung als Teil des betrieblichen Anreizsystems

Abbildung 2: Teilströme der Neuen Institutionenökonomik

Abbildung 3: Höhe und Zusammensetzung von Topmanagerbezügen in den USA (1980-2001)

1. Einleitung

Im April 2009 sprachen sich bei der „Frage des Monats“ der GfK Marktforschung rund 88% der Deutschen für eine Gehaltsobergrenze bei Topmanagern[1] aus (vgl. Hilbinger/ Eisenblätter 2009). Die öffentliche Debatte über die „richtige“ Entlohnung von Topmanagern scheint in der aktuellen Wirtschaftskrise ihren bisherigen Höhe­punkt zu finden. Die Negativbeispiele verschiedener Banken, in denen strategische Fehlentscheidungen des Topmanagements über Jahre geduldet wurden und die Ent­lohnung von der wirtschaftlichen Situation des Unternehmens losgelöst schien, heizen die emotional geführte Diskussion weiter an. Fast alle politischen Parteien diskutieren mögliche Regulierungsvorschläge; die ersten Auflagen zur Manager­vergütung wurden von der Regierungskoalition im März verabschiedet (vgl. Schäfers 2009, S. 11).

Doch schon in der Vergangenheit wurden immer wieder öffentliche Kritik an den Entlohnungspraktiken und Zweifel an der Wirksamkeit moderner Anreizsysteme laut. Das hohe Medieninteresse basiert besonders auf dem rapiden Anstieg der Managerbezüge: Während der durchschnittliche Lohnzuwachs eines Arbeitnehmers in den USA von 1980 bis 2001 inflationsbereinigt bei gut 15% lag, stieg die durchschnittliche Vergütung eines Topmanagers um fast 600% auf insgesamt $ 7 Mio. jährlich an (vgl. Hall 2003, S. 23). In Deutschland lag der Durchschnittsverdienst des Topmanagements im Jahr 2007 bei € 5,3 Mio. (vgl. Fockenbrock 2009, S. 11). Während 2006 der Energieversorger RWE seinem Vorstands­vorsitzenden noch insgesamt € 16,5 Mio. zahlte, kam Siemens-Chef Peter Löscher als Spitzenreiter 2008 „nur noch“ auf knapp € 11 Mio. (vgl. ebd. und Müller 2007, S. 6). In der Öffentlichkeit werden variable Entlohnungsformen, besonders Aktienoptionen, zunehmend kritisch bis ablehnend wahrgenommen, da sie als Ursache der hohen Gehaltssteigerungen angesehen werden (vgl. Benz et al. 2002, S. 99; Frey 2002, S. 65; Leu 2005, S. 1 und Hall 2003, S. 21).

Während in den Medien vor allem die Höhe und die Angemessenheit der Managerbezüge diskutiert werden, gilt das steigende wissenschaftliche Interesse besonders den Ursachen dieser Entwicklungen, welche vorrangig in der Gestaltung der Entloh­nungssysteme gesucht werden. „CEO pay research has grown even faster than CEO paychecks, skyrocketing from 1-2 papers per year prior to 1985 to sixty papers in 1995” (Murphy 1998, S. 2).

Im Mittelpunkt der vorliegenden Arbeit stehen aktienbasierte Anreizsysteme, besonders der Einsatz von Aktienoptionen. Es werden verschiedene Kritikpunkte dargestellt und erörtert, welche die Wirksamkeit moderner Anreizsysteme in der Praxis gefährden. Dabei soll eine Antwort auf die folgende Frage gefunden werden: Beruhen die Schwierigkeiten moderner Anreizsysteme auf einer ungenügenden Umsetzung der theoretischen Vorgaben oder ist eine Anpassung des theoretischen Bezugsrahmens nötig? Die Höhe und die moralische Angemessenheit von Manager­bezügen sind nicht Gegenstand dieser Arbeit (vgl. weiterführend Bebchuk/ Grinstein 2005 und Kolb 2006).

Die Arbeit gliedert sich in sechs Teile. Im Anschluss an diese Einleitung stellen die Definitionen des zweiten Kapitels einen ersten Einstieg ins Thema dar. Aufbauend auf dem Theoriegerüst der Neuen Institutionenökonomik werden in Kapitel 3 die Existenzberechtigung betrieblicher Anreizsysteme abgeleitet und theoretische Gestaltungskriterien für die Entlohnung des Topmanagements formuliert. Spieltheoretische Erkenntnisse werden dabei ebenso thematisiert wie die Aussagen des Shareholder-Value-Ansatzes. Das vierte Kapitel beschäftigt sich mit den in der Praxis gängigen Anreizsystemen sowie verschiedenen in der Literatur geäußerten Kritikpunkten. Die Objektivität der Zielgrößen moderner Anreizsysteme und die den Systemen zugrunde liegenden Dimensionen werden kritisch hinterfragt. Dabei werden sowohl der Einfluss externer Faktoren und die Manipulation durch das Top­management betrachtet, als auch Kritikpunkte der Motivationsforschung und das Potenzial sozialer Zielkriterien analysiert. Das fünfte Kapit el reflektiert und verknüpft die gewonnenen Erkenntnisse und ordnet sie in den Gesamtkontext der Entlohnungspolitik ein. Anschließend folgt ein kurzes Fazit in Kapitel 6, welches die Ergebnisse zusammenfasst und den weiteren Forschungsbedarf aufzeigt.

2. Begriffsbestimmungen

Da betriebliche Anreizsysteme darauf abzielen, Mitarbeiter zu bestimmten Verhal­tensweisen zu motivieren, soll zunächst eine kurze Erläuterung des Motivations­begriffs erfolgen, bevor daraufhin die Begriffe Anreizsystem, Entlohnung und Topmanagement definiert werden.

2.1 Motivation

Motivation entsteht aus der Interaktion von Situation und Individuum, genauer gesagt, wenn individuelle Motive – „[s]pezifische überdauernde Persönlichkeits­merkmale“ (Rosenstiel 2000, S. 356) – durch bestimmte Situationsbedingungen aktiviert werden (vgl. ebd., S. 70 und Picot et al. 2003, S. 554f.). Die aktivierenden Gegebenheiten der Situation, z. B. die Arbeitsbedingungen, stellen somit Anreize (siehe Kapitel 2.2) dar und bilden eine einflussreiche Variable des Verhaltens (vgl. Rosenstiel 2000, S. 204ff.). Die bei der Interaktion entstehende Handlungsbereit­schaft oder Verhaltensintention wird Motivation genannt. Sie bestimmt Stärke, Form und Richtung des resultierenden Verhaltens (vgl. ebd.). Motivation bildet somit die Voraussetzung für zielorientiertes Handeln (vgl. Staehle et al. 1999, S. 218). Jede Motivation ist situationsabhängig und wird durch Lernprozesse sowie die indivi­duelle Lebenserfahrung beeinflusst (vgl. Imberger 2003, S. 119).

Grundsätzlich lässt sich die psychologische Motivationsforschung in zwei Gruppen einteilen. Die Inhaltstheorien der Motivation, zu denen u.a. Maslows Bedürfnis­theorie, Alderfers ERG-Ansatz oder Herzbergs Zwei-Faktoren-Theorie zählen, versuchen zu erklären, welche Faktoren im Individuum oder seiner Umwelt zu bestimmtem Verhalten führen. Demgegenüber zielen die Prozesstheorien darauf ab, zu beleuchten, wie ein bestimmtes Verhalten erzeugt, gesteuert, erhalten und letzt­endlich abgebrochen wird. Hier wäre als prominentes Beispiel Vrooms VIE-Theorie zu nennen. (Vgl. Staehle et al. 1999, S. 221ff.; Rosenstiel 2000, S. 207f. und Picot et al. 2003, S. 485ff.)

Auf einen ausführlichen Überblick der wissenschaftlichen Forschung zum Thema Motivation soll hier verzichtet werden, da diese Arbeit keinen expliziten verhaltens­wissenschaftlichen Schwerpunkt aufweist. Im Hinblick auf die in Kapitel 4.3.1 folgende arbeitspsychologische Kritik an modernen Anreizsystemen ist jedoch die Unterscheidung von intrinsischer und extrinsischer Motivation von Bedeutung.

Während intrinsisch motiviertes Verhalten durch die Tätigkeit selbst zu Befriedigung führt, zielt extrinsisch motiviertes Verhalten auf das Erreichen eines Endzustandes oder damit verknüpfter Konsequenzen ab. Somit kommt die Verhaltensmotivation entweder aus der Person selbst oder wird durch von außen wirkende Verhaltens­anreize bestimmt. Extrinsische Motivation befriedigt daher indirekte oder instrumentelle Bedürfnisse. Auf die Arbeitstätigkeit übertragen hieße dies zum Beispiel, Geld für den Lebensunterhalt oder die Freizeitbeschäftigung zu verdienen und nicht Arbeit um der Arbeit willen (vgl. Frey/ Osterloh 2002, S.8). Es besteht jedoch wissenschaftliche Einigkeit darüber, dass sich diese beiden Formen der Moti­vation nicht immer klar trennen lassen. (Vgl. Rosenstiel 2000, S. 20; Frey/ Osterloh 2002, S. 8 und Imberger 2003, S. 100)

2.2 Anreizsystem

Zu dem Begriff Anreizsystem existiert in der Literatur eine Fülle von Definitionen (vgl. Winter 1996, S.16). Laut Imberger (2003) umfasst ein Anreizsystem im weiteren Sinne „alle zielgerichtet eingesetzten Stimuli zur Aktivierung der Motivation von Individuen“ (ebd., S. 135 und vgl. Rosenstiel 2000, S. 70). Damit fallen grundsätzlich solche Arbeitsbedingungen, die ein bestimmtes Verhalten der Mitarbeiter fördern und parallel ungewollte Verhaltensweisen reduzieren sollen, in diese Kategorie (vgl. Imberger 2003, S. 135).

Zielgerichtet gesetzte Anreize sollen bestimmte Motive bei Führungskräften aktivie­ren, sodass ihr daraus resultierendes Verhalten zum Erfüllen der Unternehmensziele beiträgt (vgl. Winter 1996, S. 19 und Geil 2001, S. 54). Zu diesem Zweck zielen Anreizsysteme entweder darauf ab, zu einer Steigerung der individuellen Leistung zu motivieren oder gelten als Versuch, die Zielvorstellungen der Führungskraft denen des Unternehmens anzugleichen (vgl. Geil 2001, S. 54 und Gillenkirch et al. 2007, S. 1). Besteht eine Wahlmöglichkeit, so wird ein Individuum sich für die Alternative entscheiden, welche ihm situationsbedingt am attraktivsten erscheint – quasi den stärksten Anreiz bietet (vgl. Leu 2005, S. 34). Jedes Verhalten kann in diesem Sinne indirekt als Reaktion auf einen oder mehrere Anreize verstanden werden, wobei per­sönliche Motive die konkrete Ausprägung beeinflussen.

Es gibt verschiedene Formen von Anreizen, die teilweise permanent – also auch ohne aktive Beteiligung der Vertragsparteien – bestehen (vgl. Picot et al. 2003, S. 554f. und Leu 2005, S. 34). Man unterscheidet immaterielle, monetär-bewertbare und finanzielle Anreize (vgl. Winter 1996, S.14 und Leu 2005, S. 35).

Immaterielle Anreize umfassen oft „weiche“ Faktoren, wie z. B. die Unternehmens­kultur, den Führungsstil, die Arbeitsinhalte oder das Betriebsklima (vgl. Winter 1996, S. 15 und Imberger 2003, S.135ff.). Der Wert dieser Anreize lässt sich nicht in Geld ausdrücken. Zusätzlich variieren selbst starke immaterielle Anreize, wie Macht oder Prestige, kaum mit der Leistung des Mitarbeiters, sondern sind eher mit einer bestimmten Position im Unternehmen verknüpft. Sie eignen sich deshalb nicht zur Verhaltenssteuerung von Personen, die ihre Zielposition bereits innehaben. (Vgl. Jensen/ Murphy 1990, S. 258 und Leu 2005, S. 36f.)

Anreizsysteme im engeren Sinne beinhalten die konkrete Ausgestaltung der Entloh­nungspraxis sowie die diesbezüglich im Unternehmen formulierten Grundsätze (vgl. Becker 1990, S. 8). Die Summe der finanziellen und monetär-bewertbaren Anreize bildet die Gesamtvergütung und ist Gegenstand des folgenden Abschnitts (vgl. Winter 1996, S. 15).

2.3 Entlohnung

Die Entlohnung oder Vergütung der Mitarbeiter ist Teil des Anreizsystems eines Unternehmens (vgl. Geil 2001, S. 56; Imberger 2003, S. 133 und Söllner 2008, S. 396). Sie stellt die vom Unternehmen erbrachte, geldwerte Gegenleistung für die vom Mitarbeiter geleistete Arbeitskraft dar (vgl. Bors 2006, S. 4 und Söllner 2008, S. 391).

Dabei besteht die Gesamtvergütung aus festen und variablen Vergütungsbestand­teilen sowie monetär-bewertbaren Nebenleistungen (vgl. Geil 2001, S. 56; Imberger 2003, S. 133 und Bors 2006, S. 4).

Die festen Bestandteile umfassen das sogenannte Fest- oder Grundgehalt und fixe Sondervergütungen, wie das dreizehnte Monatsgehalt. Ihre Höhe ist ex ante festgelegt und vertraglich zugesichert.

Nebenleistungen, sogenannte „Benefits“, umfassen z. B. die private Nutzung eines Firmenwagens, Beiträge zur Altersvorsorge oder andere Vergünstigungen. Diese nicht-monetären Leistungen werden oft aus steuerlichen Gründen als Entlohnungs­komponente bevorzugt, sind jedoch schwer quantifizier- oder vergleichbar und deshalb nicht Gegenstand dieser Arbeit. (Vgl. Abowd/ Kaplan 1999, S. 147; Henze 2005, S. 13 und Bors 2006, S. 5)

Variable Entlohnungskomponenten haben keine im Voraus festgelegte Höhe, son­dern können in ihrem Umfang variieren. Dabei sind sie entweder leistungs- oder erfolgsorientierter Natur. Während im ersten Fall die individuelle Leistung der Führungs­kraft belohnt werden soll, wird im zweiten Fall der erzielte wirtschaftliche Erfolg entlohnt (vgl. Leu 2005, S. 37ff. und Bors 2006, S. 6). Die variable Vergütung bezieht sich somit leistungsbezogen auf den individuellen „Input“ eines Mitarbeiters und erfolgsorientiert auf dessen „Output“ (vgl. Jensen/ Murphy 1990, S. 258 und Geil 2001, S. 49).

Zur Gruppe der erfolgsorientierten Entlohnung zählen zum Beispiel Gewinn­beteiligungen, sogenannte Tantieme (vgl. Scholz 2003, S. 89 und Leu 2005, S. 108), oder die Auszahlung eines Bonus, welcher an das Erreichen eines bestimmten Ziel­wertes gekoppelt ist (vgl. Abowd/ Kaplan 1999, S. 147; Imberger 2003, S. 186 und Henze 2005, S. 14). Die häufigsten aktienbasierten Entlohnungsformen bilden Aktien und Aktienoptionspläne, die ebenfalls in die Klasse der erfolgsorientierten Anreizmechanismen fallen. Hierbei werden entweder direkt Unternehmensaktien, die mit bestimmten Auflagen verbunden sind, an Mitarbeiter ausgegeben oder aber statt­dessen Optionen auf einen Aktienkauf zu vergünstigten Konditionen vergeben, deren Ausübung den Mitarbeiter an zukünftigen Aktienkurssteigerungen des Unternehmens partizipieren lässt. (Vgl. Imberger 2003, S. 187ff. und Scholz 2003, S. 63ff.) Diese Beispiele sollen lediglich einen ersten Einstieg in das Thema darstellen und in Kapitel 4.1 vertieft werden. Abbildung 1 ordnet die Gesamtvergütung in das betriebliche Anreizsystem ein.

Abbildung 1: Die Gesamtvergütung als Teil des betrieblichen Anreizsystems

Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Geil 2001, S. 56

Finanzielle Anreize bilden den größten und bedeutsamsten Anteil moderner Anreiz­systeme (vgl. Imberger 2003, S. 135). Die größte Motivationswirkung wird der variablen Vergütung zugesprochen, die durch die eigene Leistung oder deren Erfolg beeinflussbar ist (vgl. ebd., S. 133). Obwohl Geld nicht das einzige Motivations­instrument ist und individuelle Motive berücksichtigt werden müssen, bietet es den Vorteil der Vergleichbarkeit und generellen Einsetzbarkeit (vgl. McMillan 1992, S. 92). Nicht ohne Grund nennt Luhmann Geld ein „symbolisch generalisiertes Kommunikations­medium“, welches den Vorteil der universellen Einsetzbarkeit trägt (Luhmann 1998, S. 316). Deshalb sollen im Rahmen dieser Arbeit ausschließlich monetäre Motivationsinstrumente fokussiert werden.

Im Folgenden werden die Begriffe Entlohnung, Vergütung und Entgelt synonym gebraucht.

2.4 Topmanagement

Unter den Begriff Topmanagement sollen die Personen gefasst werden, welche die Führungsspitze großer Unternehmen bilden. Bei der Betrachtung dieser Führungs­kräfte ist sichergestellt, dass ihre Entscheidungen erheblichen Einfluss auf die Entwicklung ihrer Unternehmen haben (vgl. Winter 1996, S. 13 und Pirchegger 2001, S. 69).

In Deutschland sind Topmanager im Vorstand großer Aktiengesellschaften zu finden, dem die Unternehmensführung obliegt. Hiervon abzugrenzen ist das Kontrollorgan Aufsichtsrat, welches für die Überwachung des Managements zustän­dig ist. Im Ausland findet man im Gegensatz zum deutschen Zwei-Kammer-System meistens nur eine Einheit der Unternehmensführung. Das „Board of Directors“, als Leitung der amerikanischen Corporation, beinhaltet dementsprechend sowohl die internen Direktoren, welche die Geschäfte führen, als auch die externen Direktoren[2], die eine Aufsichtsfunktion inne haben und nicht in die aktive Geschäftsführung involviert sind. (Vgl. Picot et al. 2002, S. 266 und 270; Erlei et al. 2007, S. 97 und Eckardstein/ Konlechner 2008, S. 38)

Viele empirische Studien aus dem anglo-amerikanischen Raum fokussieren die Ent­lohnung des „Chief Executive Officer“ (CEO) stellvertretend für das Top­management. Die Rolle des CEO der amerikanischen Corporation ist mit der des deutschen Vorstandsvorsitzenden vergleichbar (vgl. Crespí-Cladera et al. 2001, S. 234). Dieser Fokus steht im Einklang mit der oben vorgenommenen Definition des Topmanagements.

Die Eigentümer großer Aktiengesellschaften oder Corporations haben sich aus dem Unternehmen zurückgezogen und treten als Aktionäre am Markt auf. Das angestellte Topmanagement führt somit stellvertretend für die Eigentümer die Geschäfte (vgl. Picot et al. 2002, S. 262 und Erlei et al. 2007, S. 94f.). Diese Art von Arbeitsteilung wird als die Professionalisierung der Unternehmensführung bezeichnet und beschreibt die funktionale Differenzierung zwischen Kapitalgeber und Unter­nehmensführung (vgl. weiterführend Durkheim/ Luhmann 2004 oder Imberger 2003, S. 90). Die besonderen Merkmale dieser Beziehung sollen in Kapitel 3.2 näher betrachtet werden.

Im Folgenden werden die Begriffe CEO, Topmanagement oder Manager und Führungskraft synonym verwendet.

3. Theoretischer Bezugsrahmen

Als theoretische Perspektive dieser Arbeit dient die Prinzipal-Agenten-Theorie, ein Teilstrom der Neuen Institutionenökonomik (NIÖ). Nach einer kurzen Einführung soll diese Perspektive auf die Entlohnungssituation für Topmanager übertragen werden. Dabei sollen die sich aus den getroffenen Annahmen ergebenen Konse­quenzen für die Entlohnungspolitik skizziert und der in großen Unternehmen als Zielvorstellung gelebte Shareholder-Value-Ansatz abgeleitet werden.

3.1 Die Neue Institutionenökonomik

Die Neue Institutionenökonomik (NIÖ) ist ein Forschungsgebiet, das aus dem Versuch entstanden ist, den Anwendungsbereich der neoklassischen Theorie zu erweitern (vgl. Richter/ Furubotn 2003, S. 2f.).

Im Mittelpunkt der NIÖ stehen die Auswirkungen sowie die aktive Gestaltung von Institutionen – Systeme von Regeln, Normen oder Restriktionen – sogenannten „Spielregeln“, die das menschliche Verhalten beeinflussen und Unsicherheit reduzie­ren sollen (vgl. Richter/ Furubotn 2003, S. 7f.; Erlei et al. 2007, S. 65 und Söllner 2008, S. 37). Institutionen bilden somit ein Instrument zur Lösung der Problematik von Koordination und Motivation menschlichen Verhaltens, z. B. in Form von Ver­trägen (vgl. Picot et al. 2003, S. 38f.). Das Gestaltungsziel der NIÖ liegt darin, mit Hilfe dieser Institutionen Marktversagen zu verhindern. Dieses Phänomen bezeichnet Situationen, in denen wünschenswerte Transaktionen nicht stattfinden oder nicht wünschenswerte Transaktionen realisiert werden (vgl. Söllner 2008, S. 31).

Um ein adäquates Set von Annahmen zur Beschreibung des menschlichen Verhaltens und der vorhandenen Umweltbedingungen zu erlangen, wurden die Prämissen der Neoklassik teilweise aufgehoben bzw. modifiziert (vgl. Richter/ Furubotn 2003, S. 2 und Söllner 2008, S. 36).

Der methodologische Individualismus und die Eigennutzenmaximierung sind zwei grundlegende Prämissen, welche die NIÖ aus der Neoklassik übernommen hat. Ersterer sieht kollektives Verhalten, z. B. in Unternehmen, immer als Folge der individuellen Verhaltensweisen der Organisationsmitglieder. Bei der Analyse sozialer Gefüge werden deshalb die Ziele und Entscheidungen der einzelnen Perso­nen betrachtet, die innerhalb dieser Gefüge handeln. (Vgl. Söllner 2008, S. 35 und Picot et al. 2003, S. 44) Das Axiom der Eigennutzenmaximierung besagt, dass ein Individuum entsprechend seinen Präferenzen stets die Alternative wählen wird, die ihm persönlich den höchsten Nutzen bietet (vgl. ebd.). Jeder Akteur trifft somit eigenständig Entscheidungen, um seine Interessen – in den Spielräumen, die ihm die implementierten Institutionen lassen – zu verfolgen (vgl. Richter/ Furubotn 2003, S. 3). Die NIÖ geht jedoch einen Schritt weiter und ergänzt die Verhaltensannahme der reinen Nutzenmaximierung durch die des Opportunismus. Damit wird die Möglich­keit, dass ein Individuum zum Zwecke seiner Nutzenoptimierung gegebenenfalls auch negative Folgen für andere in Kauf nimmt und sich durch List und Täuschung besserzustellen versucht, explizit in die Erwartungsbildung aufgenommen (vgl. Picot et al. 2003, S. 44f. und Söllner 2008, S. 43). Individuen verhalten sich nicht zwingend opportunistisch, jedoch ist die Gefahr dieses potenziellen Verhaltens zu berücksichtigen (vgl. Geil 2001, S. 30 und Söllner 2008, S. 44). Diese gewinnt an Relevanz, wenn von begrenzter Rationalität ausgegangen wird. Im Gegensatz zur Neoklassik geht das „realistischere“ Menschenbild (vgl. Erlei et al. 2007, S. 12) der NIÖ davon aus, dass objektiv rationales Handeln bei unvollständigem Wissen und begrenzter Informations­verarbeitungs­kapazität der Akteure nicht möglich ist. Voll­ständige Markttransparenz und ein vollkommen informierter „Homo-oeconomicus“[3] werden nicht länger vorausgesetzt. Der Mensch verhält sich somit im Rahmen der ihm verfügbaren, unvollständigen Informationsgrundlage lediglich intendiert rational, objektiv betrachtet handelt er jedoch beschränkt rational. (Vgl. Picot et al. 2003, S. 45f. und Söllner 2008, S. 32 und 42ff.) Diese Verhaltensannahme ist Ur­sprung der Problematik um Koordination und Motivation des Verhaltens der Marktakteure, welche es zu lösen gilt (vgl. Picot et al. 2003, S. 45).

Neben der oben beschriebenen Verhaltensunsicherheit (Opportunismus) gibt es eine zweite Art von Unsicherheit, die aus den Umweltbedingungen resultiert. Die komplexe Umwelt des wirtschaftlichen Geschehens lässt sich nicht genau prognosti­zieren, ist somit unsicher und schon allein aufgrund der beschränkten Rationalität der Akteure nicht vollständig von ihnen erfassbar (vgl. Söllner 2008, S. 44).

Die beschriebenen Prämissen führen zu verschiedenen Situationen, in denen das Risiko des Marktversagens besteht. Um dieses Phänomen durch das Design geeig­neter Institutionen zu verhindern, haben sich drei wesentliche Teilströme innerhalb der NIÖ hervorgetan, die verschiedene Ebenen der wirtschaftlichen Interaktion im Markt fokussieren (vgl. Söllner 2008, S. 54f.). Abbildung 2 ordnet diese, ohne Anspruch auf Vollständigkeit, thematisch in das Theoriegerüst der NIÖ ein. Bevor die für diese Arbeit relevante Prinzipal-Agenten-Theorie im nächsten Kapitel vertieft wird, soll ein kurzer Überblick über die drei Teildisziplinen gegeben werden.

Abbildung 2: Teilströme der Neuen Institutionenökonomik

Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Erlei et al. 2007, S.43

Die Property-Rights-Theorie (vgl. grundlegend Coase 2004) setzt auf der Ebene der institutionellen Umwelt an und betrachtet das System der Verfügungsrechte einer Gesellschaft, welches die Nutzungsmöglichkeiten an einer Ressource, z. B. einem öffentlichen Gut oder geistigem Eigentum, regelt (vgl. Picot et al. 2003, S. 45ff. und Söllner 2008, S. 54f.).

Auf der Ebene des Marktes liefert die Transaktionskostentheorie (vgl. grundlegend Williamson 1990) Aufschluss über die Koordination von Transaktionen und bietet Bündel von Institutionen als Governance-Strukturen, z. B. die hierarchische Organisationsform, zur Verhinderung von Marktversagen an (vgl. Söllner 2008, S. 40 und 47ff.).

Die Prinzipal-Agenten-Theorie (vgl. grundlegend Jensen/ Meckling 1976) betrachtet die Beziehung und eventuelle Interessenkonflikte zwischen einem Auftraggeber („Prinzipal“) und einem Auftragnehmer („Agent“). Diese Perspektive eignet sich besonders zur Betrachtung der internen Gestaltung von Organisationen. (Vgl. Picot et al. 2002, S. 85 und Söllner 2008, S. 53) Sie soll im folgenden Kapitel vertieft und auf die Eigentümer-Manager-Beziehung übertragen werden.

3.2 Die Prinzipal-Agenten-Theorie als Ausgangspunkt moderner Anreiz­systeme

In einem Prinzipal-Agenten-Verhältnis trifft der Agent als Auftragnehmer Entschei­dungen, die sowohl seinen eigenen Nutzen als auch den seines Auftraggebers (Prinzipal) beeinflussen. Solche Beziehungen bestehen in vielfältiger Weise, beispielsweise zwischen Patient und Arzt, Kreditgeber und Kreditnehmer oder zwischen Eigentümer und Manager. (Vgl. Picot et al. 2002, S.85 und Picot et al. 2003, S. 55).

Die Folgen der Trennung zwischen Eigentum und Management eines Unternehmens stellen nicht ohne Grund einen der meistdiskutierten „Agency-Konflikte“ der wissen­schaftlichen Forschung dar (vgl. Erlei et al. 2007, S. 76). Ausgehend von der Prämisse des methodologischen Individualismus wird die Entwicklung eines Unter­nehmens durch die Entscheidungen einzelner Individuen bestimmt. Ein Anteilseigner („Shareholder“), der durch Aktienkauf einem Unternehmen sein Kapital zur Verfügung stellt, sollte sich deshalb die Frage stellen, welche Personen­gruppe den größten Einfluss auf die Entwicklung des Unternehmens und damit auf die seines investierten Kapitals hat (vgl. Geil 2001, S. 27). Wie in Abschnitt 2.4 erläutert, lässt sich das Topmanagement in diesem Sinne als besonders einflussreich identifizieren und ist somit, noch vor den restlichen Mitarbeitern, als der wichtigste Agent des Shareholders zu sehen.

Es ist somit im Sinne der Eigentümer, das Verhalten des Topmanagements zu über­prüfen und mit Institutionen, wie z. B. Verträgen, zu steuern, um sicher zu gehen, dass in ihrem Interesse gehandelt wird. In einer Welt kostenloser Information, in der alle Akteure vollständig informiert wären und rational handeln könnten, gäbe es keine Motivations- und Koordinationsprobleme (vgl. Bors 2006, S. 11). Der Prinzipal ist aufgrund der gegebenen Umwelt- und Verhaltensannahmen jedoch nur unvollständig informiert. Dies lässt dem Agenten Handlungsspielraum für opportu­nistisches Verhalten, indem er zum Beispiel weniger Leistung erbringt, um seinen Arbeitsaufwand und damit sein persönliches „Arbeitsleid“ zu reduzieren (vgl. Picot et al. 2003, S. 55 und Richter/ Furubotn 2003, S. 588). Der diesbezügliche Infor­mationsvorsprung des Agenten wird als Informations­asymmetrie bezeichnet und bildet das Grundproblem des Prinzipal-Agenten-Konflikts.

Informationsasymmetrien können für den Agenten Anreiz zu opportunistischem Verhalten vor (ex ante) oder nach (ex post) Vertragsabschluss sein (vgl. Richter/ Furubotn 2003, S. 216). Da der Personal-Selektionsprozess vor Vertragsabschluss im Rahmen dieser Arbeit nicht betrachtet wird, sind die Probleme des ex ante-Opportunismus zu vernachlässigen. Jedoch spielt die asymmetrische Information nach Vertragsabschluss eine erhebliche Rolle für das hier betrachtete Eigentümer-Manager-Verhältnis. Der Prinzipal sieht sich mit dem moralischen Risiko („Moral Hazard“) konfrontiert, dass der Agent entweder über zusätzliche Informationen („Hidden Information“) verfügt oder die Möglichkeit zu verstecktem Handeln („Hidden Action“) besitzt und beides zu seinem Vorteil nutzen könnte (vgl. ebd. und Söllner 2008, S.54). Die Antizipation dieser Gefahr kann die Kooperationsbereit­schaft des Prinzipals erheblich beeinträchtigen (vgl. Söllner 2008, S.54). Im schlimmsten Fall würde er sich aus dem Markt zurückziehen, sodass es zu Marktver­sagen käme. Auf den hier diskutierten Konflikt übertragen, würde kein Aktionär mehr in Aktien investieren, wenn er damit rechnete, dass das Management dieses Kapital veruntreuen und seine Aufgaben und Pflichten nicht erfüllen würde. Da infolgedessen keine langfristige Kapitalüberlassung mehr durch den Kauf von Unter­nehmensanteilen stattfände, wäre die Unternehmensfortführung von Kapitalgesell­schaften nicht möglich (vgl. Picot et al. 2002, S. 86 und Imberger 2003, S. 236).

Im Rahmen der Personalarbeit wird deshalb versucht, durch den Einsatz geeigneter Institutionen das Scheitern der Kooperation von Anteilseignern und Management zu verhindern. Die Zweckmäßigkeit verschiedener Institutionen soll im folgenden Kapitel analysiert werden.

3.3 Konsequenzen für die Entlohnungspolitik

Damit die Kapitalbereitstellung über den Aktienmarkt nicht zum Erliegen kommt, bieten sich interne und externe Institutionen zur Lösung des Prinzipal-Agenten-Konflikts zwischen Eigentümer und Management an.

Externe Institutionen wie der Arbeitsmarkt für Topmanager, auf dem es seinen Ruf zu verteidigen gilt, hoher Kostendruck auf den Gütermärkten, der zur Effizienz zwingt oder die Gefahr einer feindlichen Übernahme auf dem Kapitalmarkt sollen an dieser Stelle nicht vertieft werden. Ihre disziplinierende Wirkung ist zwar als all­gemein gültig anzusehen, jedoch für den Eigentümer als nicht ausreichend zu bewerten. (Vgl. Jensen/ Murphy 1990, S. 260f.; Geil 2001, S. 43ff. und Picot et al. 2002, S. 276ff.).

Andererseits bieten sich zwei Arten von internen Institutionen zur Eindämmung des moralischen Risikos („Moral Hazard“) für die Anteilseigner an: Kontroll- oder Anreizmechanismen. Monitoring soll die Informations­asymmetrie durch die Imple­mentierung von Kontrollinstanzen und Berichtssystemen reduzieren. Der Aktionär kann so das Verhalten des Managements besser kontrollieren und dementsprechend sanktionieren. Die Alternative stellen Anreizsysteme dar, deren Ziel ein Angleich der Interessen von Prinzipal und Agent ist. (Vgl. Geil 2001, S. 49 und Picot et al. 2003, S. 58). In den zwei folgenden Unterkapiteln sollen diese beiden Möglichkeiten näher betrachten und ihre Eignung zur Lösung des Eigentümer-Manager-Konflikts untersucht werden. Anschließend wird das Prinzip der Shareholder-Value-Maximierung aus den theoretischen Vorgaben abgeleitet.

3.3.1 Verhaltenskontrolle durch Monitoring

Eine umfassende Kontrolle des Managementverhaltens ist meistens allein schon aus Kostengründen nicht effizient. Dies beruht zum einen auf der Beschaffenheit der Prinzipal-Agenten-Beziehung: Da ein einzelner Aktionär im Durchschnitt nicht mehr als 15% der Aktien eines Unternehmens hält, stehen dem Topmanagement eine Viel­zahl von Anteilseignern gegenüber (vgl. Crespí-Cladera et al. 2001, S. 236 und Benz et al. 2002, S. 94). Die Kosten der Überwachung und Informationsbeschaffung stünden für einen durchschnittlichen Aktionär mit diversifiziertem Portfolio in keinem Verhältnis zu dem ihm dadurch entstehenden Nutzen entsprechend seiner Aktienbeteiligung. Die Konsequenz wäre höchstwahrscheinlich ein „Trittbrettfahrer-Effekt“, bei dem jeder Aktionär auf Monitoring-Investitionen anderer Shareholder hoffen würde, ohne selbst aktiv zu werden. Da sich der Kontrollaufwand für den individuellen Aktionär nicht lohnt, würden diesbezügliche Investitionen seitens der Aktienhalter folglich ganz ausbleiben. (Vgl. Crespí-Cladera et al. 2001, S. 236; Picot et al. 2002, S. 265f.; Imberger 2003, S. 26 und Leu 2005, S. 25f.)

Unabhängig von der Finanzierungsfrage ergäben sich bei umfangreichen Kontroll­mechanismen jedoch zusätzliche Probleme. Neben der begrenzten Informations­verarbeitungskapazität des Prinzipals erschweren weitere Faktoren eine objektive Bewertung der Situation. Die Arbeit von Topmanagern kann als sehr komplex beschrieben werden: Schwierige Aufgabenstellungen, große Handlungsspielräume und hochspezifisches Fachwissen prägen das Berufsbild (vgl. Jensen/ Murphy 1990, S. 258f. und Chahed/ Müller 2006, S. 45). Eine umfassende und effektive Kontrolle dieser Tätigkeit durch außenstehende Aktionäre muss deshalb als fragwürdig angesehen werden (vgl. Picot et al. 2002, S. 265f.).

Letztendlich stellen das ihm fehlende Fachwissen sowie die Risikoreduzierung durch ein diversifiziertes Portfolio gerade die Motive des Aktionärs dar, einen Manager als Agenten zu akzeptieren, statt selbst die Unternehmensführung zu übernehmen. Dieser Grundgedanke beinhaltet die Annahme, dass ein Aktionär in der Regel nicht in der Lage ist, das Verhalten des Topmanagements angemessen zu kontrollieren oder auch nur zu bewerten. Außerdem sind Kontrolltätigkeiten auch deshalb als fragwürdig einzustufen, da sie keine positiven Leistungsanreize schaffen, sondern durch den Entscheidungsträger im Allgemeinen eher als Einschränkung seines Handlungsraumes wahrgenommen werden (vgl. Geil 2001, S. 52). Dieser Aspekt wird in Kapitel 4.3.1 ausführlicher behandelt.

Die Kontrolle der Managementtätigkeiten durch den fachkundigen Aufsichtsrat soll an dieser Stelle nicht vertieft werden, da dies nur eine Verlagerung des Prinzipal-Agenten-Konflikts bedeuten würde. Die Shareholder könnten auch hier nicht sicher sein, dass der Agent Aufsichtsrat die ihm gegebenen Verhaltensspielräume nicht opportunistisch ausnutzt. Die Anteilseigner sind trotz der Existenz dieses internen Kontrollorgans noch immer erheblichen Informationsasymmetrien ausgeliefert und müssen das moralische Risiko tragen. (Vgl. Bebchuk/ Fried 2003, S. 2) Die Bezie­hung zwischen Topmanagement und Aufsichtsrat wird in Kapitel 4.2.2 vertieft.

Zusammenfassend ist festzustellen, dass eine umfassende Verhaltens­kontrolle kaum möglich ist und unverhältnismäßige Kosten mit sich bringen würde. Darüber hinaus scheint dies ungerechtfertigt, wenn der Prinzipal, wie oben aufgeführt, in der Regel gar nicht in der Lage ist, die so erhaltenen Informationen zu bewerten und entsprechend zu handeln.

3.3.2 Verhaltenssteuerung durch Anreizsysteme

Aufgrund der aufgezeigten Probleme beim Monitoring stehen Anreizsysteme – die zweite Möglichkeit das moralische Risiko zu verringern – im Mittelpunkt dieser Arbeit.

Um die Ziele der Anteilseigner durch einen Interessenangleich des Managements durchzusetzen, bieten sich, wie in Kapitel 2.3 erläutert, besonders finanzielle Anreize durch die Gestaltung des Entlohnungssystems an. Im Folgenden sollen verschiedene Anforderungen und Gestaltungshinweise erarbeitet werden.

Das Zielkriterium der Anreizkompatibilität ist erfüllt, wenn für den Agenten tatsächliche Anreize bestehen, die vereinbarten Leistungen oder Ergebnisse zu erbringen und kein Anreiz zum Abweichen vom Vertrag vorhanden ist. Ist dies gegeben, so lohnt es sich für den Agenten, im Sinne des Prinzipals zu handeln. (Vgl. Richter/ Furubotn 2003, S. 578 und Söllner 2008, S. 101) Anreizkompatibilität zielt somit indirekt auf einen Interessenangleich zwischen Agent und Prinzipal, auf eine gemeinsame Zielsetzung, ab. Doch wie kann Anreizkompatibilität bei der Entlohnung des Topmanagements erreicht werden?

Die in der Spieltheorie angebotene Lösung des betrachteten Eigentümer-Manager-Konfliktes mit Hilfe von formal-mathematischen Anwendungen ist simpel und logisch: Das risikoneutrale Management wird sich am meisten anstren­gen und im Interesse der Eigentümer handeln, wenn es zu 100% am erwirtschafteten Erfolg beteiligt wird, die Vergütung somit komplett variabel ist. Dies wäre möglich, indem ihm die gesamten Eigentumsrechte übertragen würden und es somit offiziell in die Position des Firmenbesitzers überginge. (Vgl. Erlei et al. 2007, S. 112ff.)

Die Modellannahmen, welche der optimalen Lösung des spieltheoretischen Ansatzes zugrunde liegen, sind jedoch nicht auf die Praxis übertragbar. Die Risikoneigung ist hierbei entscheidend: Während Shareholder mit diversifizierten Portfolios tendenziell als eher risikoneutral bewertet werden, sind die Manager eines Unternehmens eher als risikoavers einzuschätzen, da ihr individueller Nutzen von der Entwicklung eines einzigen Unternehmens abhängt – nämlich dem, das sie führen. Der Manager würde nicht nur sein Humankapital, sondern bei Beteiligung am Eigenkapital auch noch einen Großteil seines Finanzvermögen in ein einziges Unternehmen investieren. Dies stünde im Widerspruch zu einer sinnvollen Risikostreuung durch Diversifikation. Das Topmanagement würde eine mit dem Beteiligungssatz ansteigende Risikoprämie fordern, welche den zusätzlichen Nutzen des Anreizsystems schmälern würde. Manager können folglich weder generell als risikoneutral bezeichnet werden, noch ist anzunehmen, dass sie über das nötige Kapital zur Übernahme des vollständigen Firmenbesitzes verfügen. (Vgl. Jensen/ Murphy 1990, S. 247; Pirchegger 2001, S. 66f. und Erlei et al. 2007, S. 94ff.) Diese theoretische Lösung scheint somit wenig praktikabel, zumal Risikostreuung und die Trennung von Eigentum und Management gerade als Vorzüge des Aktienbesitzes aufzuführen sind (vgl. Kapitel 3.3.1 und Erlei et al. 2007, S. 94).

Das Gegenteil zu vollständig variabler Entlohnung stellt das Fixgehalt dar. Weil es jedoch unabhängig von Änderungen der Performance-Größen ist, weist es im Ver­gleich zu variablen Entlohnungskomponenten eine eher geringe Anreizwirkung auf (vgl. Leu 2005, S. 168f.). Trotzdem hat es seine Berechtigung, werden die unter­schiedlichen Risikoneigungen der Parteien betrachtet. Wie im vorherigen Absatz beschrieben, sind Topmanager eher als risikoavers einzuschätzen, während Share­holder mit diversifizierten Portfolios tendenziell als risikoneutral bewertet werden. Aus dieser Sicht wäre ein Fixlohnvertrag für risikoaverse Agenten effizient – nur eben nicht anreizkompatibel. Um die Gefahr des vorliegenden „Moral Hazard“ zu minimieren und Anreizkompatibilität zu gewährleisten, sollte ein Teil der Vergütung folglich trotzdem variabel gestaltet werden. (Vgl. Picot et al. 2003; Leu 2005, S. 169S. 58 und Bors 2006, S. 17f.)

Im Sinne der Anreizkompatibilität erscheint der zugrunde liegende Gedanke, dass ein Agent am ehesten wie ein Eigentümer denkt, wenn er zu einem gemacht wird, sehr überzeugend. Eine praxistaugliche Lösung wird deshalb zwischen den beiden Extremen – einem reinen Fixlohnvertrag für risikoaverse und einer vollständig variablen Vergütung für risikoneutrale Agenten – zu suchen sein (vgl. Benz et al. 2002, S. 99). Es kommt zu einem „Trade-Off“ zwischen Effizienz und Anreiz­kompatibilität. Anreizsysteme sind aufgrund der unterschiedlichen Risikoeinstel­lungen von Prinzipal und Agent in Kombination mit der Informationsasymmetrie deshalb stets mit einer suboptimalen Risikoallokation zwischen den Parteien verbun­den (vgl. Pirchegger 2001, S. 92). Im Falle eines in der Regel risikoaversen Agenten bleibt ein festes Grundgehalt sinnvoll, sollte jedoch durch variable Entlohnungs­komponenten im Sinne von Eigentumsanteilen ergänzt werden. Dieses Ergebnis steht im Einklang mit der in der Praxis beobachtbaren Umsetzung (siehe Kapitel 2.3).

Je nach der ihr zu Grunde gelegten Bezugsgröße kann der Anteil variabler Vergütung leistungs- oder erfolgsorientierter Natur sein (vgl. Leu 2005, S. 37ff. und Bors 2006, S. 6). Somit dient als Bemessungsgröße entweder die persönliche Leistung oder der erzielte wirtschaftliche Erfolg des Managers.

Leistungsorientierte Entlohnungskomponenten motivieren durch ihren direkten Handlungsbezug. Während der Erfolg einer strategischen Handlung sich oft erst mit großem Zeitverzug einstellt, kann eine leistungsorientierte Entlohnung in engem zeitlichem Zusammenhang zum gezeigten Verhalten erfolgen. Im Rahmen von Ziel­vereinbarungen kann die erbrachte Leistung geschätzt und dementsprechend bewertet werden. (Vgl. Bors 2006, S. 35)

Wie bereits dargestellt wurde, ist die Arbeitsleistung des Topmanagements jedoch hoch komplex und lässt sich schwer vertraglich umschreiben oder quantifizieren. Zum Beispiel kann der Arbeitseinsatz in Stunden zwar gemessen werden, sagt aber nichts über die Qualität der Arbeit und damit über die erbrachte Leistung aus. Eine Ausrichtung der finanziellen Anreize an den wenigen messbaren Tätigkeiten kann deshalb zur Fehlallokation von Leistung und der Vernachlässigung anderer wichtiger Bereiche durch das Management führen. (Vgl. Geil 2001, S. 59; Frey/ Osterloh 2002, S. 19f. und Picot et al. 2003, S. 557). Zusätzlich wird es die Komplexität der Managementaufgabe für einen Außenstehenden kaum möglich machen, die tatsächliche Leistung zu beobachten und angemessen zu beurteilen (vgl. Winter 1996, S. 77). Jede subjektive Bewertung birgt ohnehin, durch das Vorhandensein von persönlichen Motiven, das Risiko der Willkür, welches mit wachsender Komplexität der Aufgabe steigt (vgl. Geil 2001, S. 51 und Bors 2006, S. 35). Es lässt sich zu­sammenfassend festhalten, dass eine an die Beobachtung und Bewertung von erbrachten Leistungen gekoppelte Vergütung eine Reihe von Problemen aufwirft und für komplexe Managementvorgänge kaum sinnvoll implementierbar ist.

Variable Vergütungskomponenten für Topmanager sind deshalb in der Regel erfolgsorientiert (vgl. Leu 2005, S. 160). Statt des beobachtbaren Verhaltens wird zu Vergütungszwecken das erzielte Handlungsergebnis betrachtet (vgl. Picot et al. 2002, S. 93). Der im anglo-amerikanischen Raum gebräuchliche Terminus „Pay for Performance“ unterstreicht den gewünschten Zusammenhang zwischen Entlohnung und „Firm Performance“, dem Unternehmenserfolg. Da die Leistungsbereitschaft auf der obersten Führungsebene allgemein als hoch angesehen werden kann, geht es besonders darum, diese durch geeignete Anreizsysteme im Interesse des Prinzipals zu lenken (vgl. ebd. S. 55 und Winter 1996, S. 39). Im Folgenden sollen weitere Faktoren identifiziert werden, die die Wirkung eines erfolgsorientierten Anreiz­systems beeinflussen.

[...]


[1] Wenn in der vorliegenden Arbeit geschlechtsspezifische Berufsbezeichnungen o.ä. nur in der maskulinen Form aufgeführt werden, so ist dies der besseren Lesbarkeit der Arbeit geschuldet und soll keinesfalls eine Wertung oder Diskriminierung zum Ausdruck bringen.

[2] „Outside Directors“ sind typischerweise weder gegenwärtige noch ehemalige Angestellte und pflegen ebenfalls keine engen Geschäftsverbindungen mit der Firma, an dessen Board of Directors sie tätig sind (vgl. Murphy 1998, S. 24).

[3] „Das Homo-oeconomicus-Modell ist ein innerhalb der Ökonomik gängiges Modell zur Analyse menschlichen Verhaltens in Knappheitssituationen“ (Erlei et al. 2007, S. 2). Es geht davon aus, dass ein Mensch dazu fähig ist, alle Handlungsalternativen wahrzunehmen, ihre Konsequenzen abzuschätzen und dementsprechend zu handeln. Der Homo-oeconomicus optimiert dadurch seinen Eigennutzen und zeigt optimales Entscheidungs­verhalten (vgl. ebd., S. 2ff.).

Ende der Leseprobe aus 77 Seiten

Details

Titel
Managerbezüge - Anreizsysteme zur Entlohnung des Topmanagements
Hochschule
Europa-Universität Viadrina Frankfurt (Oder)  (Lehrstuhls für Internationales Management)
Note
1,2
Autor
Jahr
2009
Seiten
77
Katalognummer
V189429
ISBN (eBook)
9783656135685
ISBN (Buch)
9783656135784
Dateigröße
1133 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Auszeichnung mit dem Preis der Wirtschaftsjunioren Ostbrandenburgs 2009
Schlagworte
managerbezüge, anreizsysteme, entlohnung, topmanagements
Arbeit zitieren
Katharina Quandt (Autor:in), 2009, Managerbezüge - Anreizsysteme zur Entlohnung des Topmanagements, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/189429

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