Der aus Kafkas Frühphase stammende Text besteht nur aus vier Sätzen. Die Fachwissenschaft tut sich schwer, den "Bäumen" eine eindeutige Textart zuzuordnen, sie nennt "Die Bäume" sowohl Parabel als auch Gleichnis. Peter Beicken zählt den Text zu den parabelhaften Überle-gungen, Rüdiger Zymner nennt ihn Denkbild. Aufgrund meiner im Unter- richt erarbeiteten Definition des Parabelbegriffes bei Kafka haben wir den Text als Parabel analysiert. Mit der einleitenden Konjunk-tion "denn" suggeriert Kafka eine Kausalität zu einem vorangehenden Hauptsatz, der aber fehlt. Ebenso rätselhaft wie der fehlende Rück-bezug des "denn" bleibt auch das Verschwinden des an den Gleichset-zungsnominativ "Bäume im Schnee" gebundenen Subjekts "wir". Wir haben untersucht, w i e die Baumstämme im Schnee liegen. Dazu macht Kafka zwei sich widersprechende Aussagen, für die er jeweils eine überzeugende Begründung liefert. Doch die erste wird mit einem "Nein", die andere mit einer adversativen Konjunktion wider-legt, an die sich mit "sieh" der einzige Imperativ des Textes anschließt. Kafka gebraucht zweimal das verrätselnde Wort "schein- bar": anfangs ist es adverbial gebrauchtes Adjektiv, im letzten Satz jedoch ein prädikatives Adjektiv, noch hervorgehoben durch das attribuierte Modaladverb "sogar". Die jeweils vorausgehende Aussage wird durch die darauf folgende wieder entkräftet. Das mit unter-schiedlicher syntaktischer Kohärenz zweimal erscheinende "scheinbar" zeigt, dass jeder geglaubte sichere Halt nur aufgrund einer Täuschung sicher erscheint, es aber in Wahrheit nicht wirklich ist. Da der äußere Schein über die tatsächliche Beschaffenheit der Baumstämme hinwegtäuscht, erscheint die vergleichende Beziehung von Mensch und Baum sehr verrätselt. Wir haben im Unterricht das Tertium comparationis, in dem sich die Subjekte der Bild- und der Sachhälfte gleichen, so bestimmt: das Trügerische eines scheinbaren Haltes.
Inhaltsverzeichnis
- Franz Kafka, Die Bäume
- Versuch einer Interpretation - für Schüler und Studenten
- zusammengestellt von Gerd Berner, M. A., StD a. D.
- Die Bäume
- Parabelhafte Überlegungen
- Denkbilder
- Parabeln
- Eine Parabel
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Arbeit bietet eine Interpretation der Kurzgeschichte „Die Bäume“ von Franz Kafka, die für Schüler und Studenten zugänglich ist. Sie befasst sich mit der Frage der Textgattung, der Parabeln und Denkbilder bei Kafka, und analysiert die sprachlichen und symbolischen Elemente des Textes.
- Die Schwierigkeit, „Die Bäume“ einer eindeutigen Textgattung zuzuordnen
- Die Deutung des Textes als Gleichnis, Parabel oder Denkbilder
- Die sprachliche Gestaltung des Textes und die Verwendung von Vergleichspartikeln
- Die Bedeutung des Tertium Comparationis für die Interpretation
- Die Analyse der Bildhälfte und ihre Übertragung auf die menschliche Wirklichkeit
Zusammenfassung der Kapitel
- Die „Bäume“ werden in der Fachwissenschaft unterschiedlichen Textgattungen zugeordnet: Parabel, Gleichnis oder Denkbilder. Der Text besteht aus einem Vergleich, der sich auf die menschliche Existenz bezieht.
- Die Interpretation von Parabeln wird anhand von verschiedenen Kriterien erläutert, die im Unterricht erarbeitet wurden. Die Parabel ist eine fiktionale Kurzform, die einen Sonderfall erzählt, der eine höhere Bedeutung verweist.
- Die sprachliche Analyse von „Die Bäume“ konzentriert sich auf den ersten Satz und die Bedeutung der Vergleichspartikel „wie“ und „denn“. Der Text ist durch seine rätselhafte Sprache und die Verwendung von „scheinbar“ gekennzeichnet.
- Die Analyse des Textes beleuchtet die „Beziehung zwischen Sein und Schein“ und die Frage des Haltes in der menschlichen Existenz. Die Bildhälfte der Baumstämme im Schnee wird auf die Sachhälfte der menschlichen Wirklichkeit übertragen.
Schlüsselwörter
Franz Kafka, „Die Bäume“, Parabel, Gleichnis, Denkbilder, Tertium Comparationis, Bildhälfte, Sachhälfte, Vergleichspartikel, Schein, Halt, menschliche Existenz, Interpretation, Textanalyse, Sprachliche Gestaltung.
- Arbeit zitieren
- M.A. Gerd Berner (Autor:in), 2012, Franz Kafka, Die Bäume - Ausführliche Interpretation mit Sekundärliteratur, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/189452