Kaum eine Frage hat die Menschheit so beschäftigt wie die, ob der Mensch gut oder böse ist. Ein kurzer Blick auf die Geschichte lässt keine Zweifel an der Tatsache, dass der Mensch zu Grausamkeiten fähig ist, die an moralischer Verwerflichkeit schwer zu überbieten sind: Von den grausamen Spielen im Circus Maximus über die Inquisition bis hin zur Endlösung der Nationalsozialisten – Folter, Mord und Krieg durchziehen die Menschheitsgeschichte wie ein roter Faden. Jüngste Ereignisse, wie z.B. die Anschläge in Norwegen am 22.08.2011 , werfen erneut die anthropologische Frage auf, ob der Mensch vom Wesen her, also radikal (lat. radix, radicis=die Wurzel) böse ist. Diese Frage hat Kant in seiner Religionsschrift aus dem Jahr 1793 „Die Religion innerhalb der Grenzen der bloßen Vernunft“ behandelt. Der Zweck dieser Schrift besteht grundsätzlich darin, zu zeigen, dass zum einen Moralbegründungen auch ohne einen Rekurs auf Religion möglich sind. Zum anderen beschäftigt er sich im ersten Stück von insgesamt vier Stücken von RbV mit der Frage, ob die Natur des Menschen böse ist. In den Kapiteln I und II des ersten Stücks von RbV beginnt Kant seine Untersuchung mit einer anthropologisch-analytischen Beschreibung der Anlage zum Guten sowie mit der des Hangs zum Bösen des Menschen. Die anthropologisch-analytische Beschreibung geht in III in eine apriorische Analyse über, in der Kant feststellt, dass der Mensch von Natur aus, also „radikal“ böse ist. Das erste Stück von RbV schließt mit Kapitel IV, in dem Kant bestimmt, wo der Ursprung des Bösen zu suchen ist: Befindet er sich in der Vernunft (intelligible Welt) oder in der Zeit (materielle Welt)?
In dieser Arbeit möchte ich beschreiben, wie Kant zu seiner Auffassung gelangt und diese Auffassung reflektieren. Arbeitsgrundlage hierfür ist das erste Stück von RbV der Weischedel-Ausgabe. In diesem Kontext sind für die Nachzeichnung von Kants Erläuterungen gewisse Elemente und deren Beziehung untereinander relevanter als andere und deswegen schlage ich folgende Gliederungspunkte vor, die dann anhand von Kants Argumentation versucht werden abzuarbeiten:
1. Was ist böse?
2. Das Wesen des Menschen
3. Worin hat das Böse seinen Ursprung?
4. Die Anlagen zum Guten
5. Der Hang zum Bösen
6. Ist der Mensch radikal böse?
Die sich an die Nachzeichnung von Kants Argumentation anschließende Reflexion wird alle Punkte – außer 2. – in eben dieser Reihenfolge behandeln.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Was ist böse?
- Das Wesen des Menschen
- Worin hat das Böse seinen Ursprung?
- Die Anlagen zum Guten
- Der Hang zum Bösen
- Ist der Mensch radikal böse?
- Reflexion
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht Immanuel Kants Position zur Frage der radikalen Bösartigkeit des Menschen, wie sie in seiner Schrift "Die Religion innerhalb der Grenzen der bloßen Vernunft" dargestellt wird. Ziel ist es, Kants Argumentationslinie nachzuvollziehen und kritisch zu reflektieren.
- Kants Definition von "böse"
- Die anthropologische Grundlage von Kants Argumentation
- Der Ursprung des Bösen nach Kant
- Die Ambivalenz der menschlichen Natur: Anlage zum Guten und Hang zum Bösen
- Die Frage nach der radikalen Bösartigkeit des Menschen
Zusammenfassung der Kapitel
Einleitung: Die Einleitung führt in die zentrale Frage der Arbeit ein: Ist der Mensch radikal böse? Sie verortet diese Frage im Kontext der Menschheitsgeschichte und ihrer grausamen Taten, verweist auf Kants "Religion innerhalb der Grenzen der bloßen Vernunft" als Hauptquelle und skizziert den Aufbau der Arbeit. Der Bezug zu aktuellen Ereignissen wie den Anschlägen in Norwegen 2011 unterstreicht die Aktualität der Fragestellung. Die Arbeit kündigt die Nachzeichnung von Kants Argumentation und eine anschließende kritische Reflexion an.
Was ist böse?: Dieses Kapitel analysiert Kants Definition von „böse“. Kant versteht „böse“ nicht nur als faktisches Handeln gegen das moralische Gesetz, sondern bereits als die Inanspruchnahme der Möglichkeit, zwischen guten und bösen Handlungsalternativen zu wählen. Eine böse Maxime wird über eine gute gestellt, was Kant als „Verkehrtheit des menschlichen Herzens“ bezeichnet. Der Fokus liegt auf der inneren Disposition, die bereits als böse gilt, bevor ein böses Handeln stattfindet.
Das Wesen des Menschen: Dieses Kapitel ist im vorliegenden Auszug nicht ausführlich behandelt. Es bildet jedoch die Grundlage für die weiteren Kapitel, indem es das Verständnis des menschlichen Wesens als Ausgangspunkt für die Betrachtung von Gut und Böse liefert.
Worin hat das Böse seinen Ursprung?: Dieses Kapitel, ebenfalls nur kurz angerissen, untersucht die Frage nach der Quelle des Bösen bei Kant. Die Frage, ob diese in der Vernunft oder der materiellen Welt liegt, wird in Kants Werk beantwortet und bildet die Grundlage für weitere Überlegungen zum Verhältnis von Natur und Moral.
Die Anlagen zum Guten: Dieses Kapitel beschreibt Kants Ausführungen zur angeborenen Anlage des Menschen zum Guten, die im Gegensatz zum Hang zum Bösen steht. Diese Anlage zum Guten zeigt eine ambivalente Seite der menschlichen Natur, die auch das Potential zur moralischen Handlung beinhaltet.
Der Hang zum Bösen: Dieses Kapitel beleuchtet den Hang des Menschen zum Bösen, den Kant als einen natürlichen Zustand des Menschen darstellt. Dieser Hang wird nicht als individuelle Schuld gesehen, sondern als ein Teil der menschlichen Natur. Jedoch wird die Verantwortung für das Verbleiben in diesem Zustand hervorgehoben, sobald der Mensch Gut und Böse unterscheiden kann.
Schlüsselwörter
Immanuel Kant, Religion innerhalb der Grenzen der bloßen Vernunft, radikal böse, moralische Gesetz, Maxime, Anlage zum Guten, Hang zum Bösen, Anthropologie, praktische Vernunft, Bösartigkeit, Naturzustand.
Häufig gestellte Fragen zu: Immanuel Kants Position zur radikalen Bösartigkeit des Menschen
Was ist der Gegenstand dieser Arbeit?
Diese Arbeit untersucht Immanuel Kants Position zur Frage der radikalen Bösartigkeit des Menschen, wie sie in seiner Schrift "Die Religion innerhalb der Grenzen der bloßen Vernunft" dargestellt wird. Ziel ist es, Kants Argumentationslinie nachzuvollziehen und kritisch zu reflektieren.
Welche Themen werden behandelt?
Die Arbeit behandelt Kants Definition von "böse", die anthropologische Grundlage seiner Argumentation, den Ursprung des Bösen nach Kant, die Ambivalenz der menschlichen Natur (Anlage zum Guten und Hang zum Bösen) und die Frage nach der radikalen Bösartigkeit des Menschen.
Wie ist die Arbeit aufgebaut?
Die Arbeit gliedert sich in eine Einleitung, Kapitel zu Kants Definition von "böse", dem Wesen des Menschen, dem Ursprung des Bösen, den Anlagen zum Guten und zum Bösen, sowie eine abschließende Reflexion. Die Einleitung verortet die Fragestellung im Kontext der Menschheitsgeschichte und aktueller Ereignisse. Die Kapitel untersuchen Kants Argumentation und bieten eine kritische Reflexion.
Was ist Kants Definition von „böse“?
Kant versteht „böse“ nicht nur als faktisches Handeln gegen das moralische Gesetz, sondern bereits als die Inanspruchnahme der Möglichkeit, zwischen guten und bösen Handlungsalternativen zu wählen. Eine böse Maxime wird über eine gute gestellt, was Kant als „Verkehrtheit des menschlichen Herzens“ bezeichnet. Der Fokus liegt auf der inneren Disposition, die bereits als böse gilt, bevor ein böses Handeln stattfindet.
Wie beschreibt Kant das Wesen des Menschen?
Das Kapitel zum Wesen des Menschen ist im vorliegenden Auszug nicht ausführlich behandelt. Es bildet jedoch die Grundlage für die weiteren Kapitel, indem es das Verständnis des menschlichen Wesens als Ausgangspunkt für die Betrachtung von Gut und Böse liefert.
Wo sieht Kant den Ursprung des Bösen?
Dieses Kapitel untersucht die Frage nach der Quelle des Bösen bei Kant. Die Frage, ob diese in der Vernunft oder der materiellen Welt liegt, wird in Kants Werk beantwortet und bildet die Grundlage für weitere Überlegungen zum Verhältnis von Natur und Moral.
Wie beschreibt Kant die Anlagen zum Guten und den Hang zum Bösen?
Kant beschreibt eine angeborene Anlage des Menschen zum Guten, die im Gegensatz zum Hang zum Bösen steht. Diese Anlage zum Guten zeigt eine ambivalente Seite der menschlichen Natur, die auch das Potential zur moralischen Handlung beinhaltet. Der Hang zum Bösen wird als ein natürlicher Zustand des Menschen dargestellt, der jedoch nicht als individuelle Schuld gesehen wird, sondern als ein Teil der menschlichen Natur. Die Verantwortung für das Verbleiben in diesem Zustand wird jedoch hervorgehoben, sobald der Mensch Gut und Böse unterscheiden kann.
Welche Schlüsselwörter sind relevant für diese Arbeit?
Immanuel Kant, Religion innerhalb der Grenzen der bloßen Vernunft, radikal böse, moralische Gesetz, Maxime, Anlage zum Guten, Hang zum Bösen, Anthropologie, praktische Vernunft, Bösartigkeit, Naturzustand.
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- Marcus Gießmann (Autor:in), 2012, Ist der Mensch radikal böse? Eine Betrachtung von Kants Position, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/189477