Auswirkungen von Offshore Windenergie auf Vorhaltung und Einsatz von Regelleistung


Studienarbeit, 2009

86 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung
1.1 Motivation und Problemstellung
1.2 Ziel der Arbeit
1.3 Struktur der Arbeit

2. Elektrische Energieversorgung in Deutschland
2.1 UCTE Synchronverbund
2.2 Übertragungsnetzbetreiber
2.3 Verteilnetzbetreiber und Endkunde
2.4 Stromlieferant, Stromhändler
2.5 Der liberalisierte Energiemarkt
2.5.1 Das Energiewirtschaftsgesetz
2.5.2 Produkte des Energiemarktes, Handelsplätze, Portfolio-Management
2.6 Bilanzkreise, EEG Strom und Kostenwälzung
2.6.1 EEG Bilanzkreis, EEG Wälzung
2.7 Regelleistung
2.7.1 Primärregelleistung, passiver Selbstregeleffekt
2.7.2 Sekundärregelleistung
2.7.3 Minutenreserve/ Tertiärregelleistung
2.7.4 Dauerreserveleistung, Stundenreserveleistung, Windreserveleistung
2.7.5 Regelleistungsmarkt- und Bilanzausgleich
2.7.6 Präqualifikation und Rahmenvertrag für Regelleistung
2.7.5 Ursachen für Regelleistungseinsatz
2.7.6 Ermittlung der vorzuhaltenden und eingesetzten Regelleistung mit Stochastik
2.7.7 Definitionen: Erzeugung, Import, Export, Last, Regelzonensaldo, Leistungsdefizit Leistungsdefizit, Leistungsüberschuss, Defizitwahrscheinlichkeit, Defizitniveau
2.7.8 (n-1) Kriterium, UCTE Empfehlungen für die vorzuhaltende Regelleistung
2.8 Integration von Windenergie in das deutsche Stromnetz
2.8.2 Einspeisecharakteristik Offshore
2.8.4 Technische Aspekte zunehmender WEA Netzeinspeisung

3. Auswirkungen von Offshore-Windenergie auf die Regelleistung
3.1 Charakteristik der Einspeisung des „virtuellen Offshore Windparks FINO 1“
3.1.1 Datenbasis
3.1.2 Maximale Leistungsgradienten von Offshore WEA
3.2 Prognosefehler des virtuellen Offshore Windparks FINO 1
3.3 Modell zur Regelleistung- und Kostenberechnung
3.3.1 EEG Monatsbandveredelung für Offshore Windenergie
3.3.2 SRL, MRL, WRL Einsatzstrategie
3.3.3 Kosten der eingesetzten und vorzuhaltenden Regelleistung
3.4 Ermittlung der vorzuhaltenden Regelleistung
3.4.1 Zusätzlich für Offshore WEA vorzuhaltende Primärregelleistung
3.5 Modellimplementation und Ergebnisse
3.5.1 Szenario 2006 Onshore
3.5.2 Szenario 2006 „Offshore“
3.5.3 Ergebnisse der einzusetzenden Regelleistung, Kosten

4. Zusammenfassung

5. Literaturverzeichnis

6. Anhang A
6.1 Informationsverlust durch Fahrpläne
6.2 FFT der Leistungsdaten des virtuellen Offshore Windparks FINO 1 über ein Jahr
6.3 Häufigkeitsverteilungen der Regelzonensaldos
6.4 Ergebnisse der Szenarien in Zahlen

Abbildungsverzeichnis

Abb. 1.1a: Installierte Offshore- und Onshore WEA- Leistung, Prognose 2008

Abb. 1.1b: Störungen des Leistungsgleichgewichts

Abb. 2.1a: UCTE Synchronnetzverbund in Europa

Abb. 2.1b: UCTE-Synchronverbund, Regelblöcke und Regelzonen

Abb. 2.2a: Regelzonen und Verteilnetze in Deutschland

Abb. 2.4.1: Vertragsbeziehungen am liberalisierten Markt

Abb. 2.5.2a: Strommärkte und Stromprodukte

Abb. 2.5.2b: Wochenportfolio eines Stromlieferanten

Abb. 2.6a: Bilanzkreis

Abb. 2.6.1a: EEG Wälzungsprozess, Horizontaler Belastungsausgleich (HoBA)

Abb. 2.7a: Definition und Abkürzung der Regel- und Reserveleistungsarten

Abb. 2.7b: Schema eines Synchronverbundes von Regelzonen

Abb 2.7.1a: Maximale Aktivierungszeiten der Primärregelleistung

Abb. 2.7.1b: Ablauf des Einsatzes von Regelleistung

Abb. 2.7.2a: Regelband, Regelleistung, Regelreserve

Abb. 2.7.3.a: Physikalische und fahrplanmäßige Erbringung von Mintenreserveleistung

Abb. 2.7.7c: Leistungs- und Kostenflüsse zwischen ÜNB, BKV und Erzeuger

Abb. 2.7.5a: Zeitbereich und Ursachen für Regelleistungseinsatz

Abb. 2.7.6a: Berechnung der vorzuhaltenden Regelleistung

Abb. 2.8.1a: EEG Windenergie Tagesverläufe

Abb. 2.8.2a: Virtueller Offshore Windpark Fino 1, Tagesverläufe

Abb. 2.8.3a: Prognosemodelle in Abhängigkeit des Prognosehorizonts

Abb. 2.8.3b: Windprognosefehler transpower Regelzone, 2001-2003

Abb 3.1: FFT der Ausgangsleistung FINO 1, 1.3.2006-28.3.2006

Abb. 3.3: Histogramm Fino 1 Messdaten / CEIVO Modell NEK

Abb. 3.2a: Häufigkeitsverteilungen des WPFs in %, transpower Regelzone

Abb. 3.3 Modell zur Regelleistungs- und Kostenberechnung

Abb. 3.3.1a: Ermittlung der Restdeckung von Offshore Windstrom

Abb. 3.5.1a: Szenario 2006 Onshore, vorzuhaltende Regelleistung, E.ON Regelzone

Abb. 3.5.2a: Szenario 2006 Offshore & Onshore, vorzuhaltende Regelleistung transpower RZ

Abb. 3.5.3a: Gesamtkosten für eingesetzte Regelleistung

Abb. 6.1a: Informationsverlust durch Fahrpläne

Abb 6.2a: FFT, FINO 1 Leistungsdaten

Abb. 6.3a: Häufigkeitsverteilungen der Regelzonensaldos transpower Regelzone

Abb. 6.3b: Häufigkeitsverteilungen der Regelzonensaldos transpower Regelzone

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1. Einleitung

1.1 Motivation und Problemstellung

Durch veränderte politische Rahmenbedingungen und die Liberalisierung des Energiemarktes beschreibt der signifikante Zuwachs an Windenergienutzung seit den 90er Jahren eine neue Entwicklung. Abbildung 1.1.1 zeigt die vom Deutschen Wind Institut (DEWI) bisher ermittel- te sowie prognostizierte installierte Leistung aus Offshore- und Onshore Windenergieanlagen in Deutschland.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 1.1a: Installierte Offshore- und Onshore WEA- Leistung, Prognose 2008 [DEWI08]

Diese Entwicklung ist von ebenso deutlichen Fortschritten in der Weiterentwicklung der Technologie begleitet worden und hat zum Aufbau eines neuen Wirtschaftssektors mit hohen Wachstumsraten geführt.

Wissen und Erfahrung der letzten zwanzig Jahre aus dem Bereich der Onshore Windparks können jedoch nicht gänzlich auf den Offshore Bereich übertragen werden. Dies liegt unter anderen daran, dass die Nennleistung der geplanten Offshore Windparks in Deutschland bis zu 200 fach grösser dimensioniert ist als bei Onshore. So liegen die Nennleistungsbereiche der geplanten Offshore Windparks größtenteils im Bereich von 100 bis 400MW während Onshore Windparks in Deutschland durchschnittlich Nennleistungsbereiche von 2 bis 24 MW besitzen [Offshore09], [WkNord09]. Daher ergeben sich mit dieser rapiden Steigerung der Anlagengröße neue technische Herausforderungen.

2 Einleitung

Generell ist die dargebotsabhängige Einspeisung durch meteorologische Einflüsse gekenn- zeichnet. Dies führt zum Beispiel bei Sturmböen oder plötzlich einsetzenden Flauten zu hohen Leistungsänderungsgeschwindigkeiten eines Windparks. Die meteorologischen Daten werden als Grundlage für die Prognose von Windgeschwindigkeit- und Windrichtung genommen. Meteorologische Vorhersagen wirken sich damit direkt auf die Prognose der Stromeinspei- sung in das Verteil- oder Übertragungsnetz aus. Die Übertragungsnetzbetreiber sind unter Anderem für den exakten Leistungsausgleich zwischen Stromerzeugung und Netzlast zur Hal- tung der Netzfrequenz auf 50Hz verantwortlich. Gleichzeitig sind sie auch zur Aufnahme von Windstrom in ihr Netz nach dem EEG verpflichtet. Daher muss bei Prognosefehlern der Windenergieeinspeisung ein Leistungsbilanzausgleich mit Hilfe von bereitgestellter Regel- und Reserveleistung erfolgen. Abbildung 1.1b zeigt vereinfacht diese Leistungsbilanz anhand einer Waage. Die hellblauen Kreise stellen die Einflussbereiche eines Übertragungsnetzbe- treibers dar. Rote Steine symbolisieren die Netzlast, grüne Steine die Stromeinspeisung durch Erzeuger.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 1.1b: Störungen des Leistungsgleichgewichts [Verstege03]

Die Regelleistung wird unterteilt in Primär-, Sekundärregelleistung sowie Minutenreserveleis- tung, welche zeitlich hintereinander eingesetzt werden. Laut Bundesverband Windenergie e.V. (BWE) verursacht die Windenergie 2003 bei einer installierten WEA-Leistung von rund 15 GW im Mittel 750 MW Extrabedarf an Minutenreserveleistung [BWE05, S4]. Die Netzstudie der Deutsche Energie-Agentur GmbH (DENA) berechnet für das Jahr 2003 einen Bedarf von 840 MW an zusätzlicher positiver Minutenreserveleistung bei 14,5 GW installierter WEA Leistung. Für das Jahr 2015 prognostiziert die DENA im Mittel 3.240 MW an zusätzlicher Minutenreserveleistung bei 36 GW installierter Leistung [DENA05, S.268]. Für die Sekundärregelleistung werden Werte in mindestens den gleichen Größenordnungen wie die Minutenreserve von der DENA berechnet [DENA05, S. 264].

Die saldierten Hilfsdienstkosten für die Bereitstellung von Regelleistung betragen für alle deutschen Übertragungsnetzbetreiber 777 Millionen Euro im Jahr 2007 [BNAMB08, S.48]. Eigene Recherchen ergeben, dass sie 2007 vom Jahresumsatz von 15,69 Milliarden Euro aller deutschen ÜNB knapp 5% betragen. Die Kosten für die Netzverluste aller deutschen ÜNB liegen bei 2,7% des Jahresumsatzes [BNAMB08, S.48]. Damit bilden die Kosten für Regel- leistung den größten Anteil an den Hilfsdienstkosten der Übertragungsnetzbetreiber.

Desweiteren sind Windenergie und Regelleistung bis heute gesellschaftspolitische Themen. So behaupten die Gegner von Windenergie, dass diese zu einem erhöhten Bedarf an Vorhal- tung von Regelleistung und Leistungsreserven aus konventionellen Kraftwerken- sogenannten „Schattenkraftwerken“ führt. Diese schnell an- und abfahrenden thermischen Kraftwerke ar- beiten als warme Reserve für die WEA und müssen die dargebotsabhängigen Fluktuationen innerhalb von wenigen Minuten ausgleichen. Windenergiebefürworter wiederum argumentie- ren, dass diese Kraftwerke ohne den Einsatz von WEA wesentlich mehr CO2 produzieren und der Strompreis durch den „Merit-Order-Effekt“ sinkt. Laut BWE ist der durchschnittliche WEA Prognosefehler mit 8,5% (bezogen auf die installierte Anlagenleistung) derart gering, dass die für WEA eingesetzte Regelleistung keinen signifikanten Anteil an der abrufbaren Regelleistung ausmache. Über die Höhe der vorzuhaltenden Regelleistung und deren Kosten wird vom BWE keine Aussage gemacht.

Inwieweit die Aussagen der Windenergiegegner und Windenergiebefürworter zutreffen und ob eine genaue Betrachung der Zusammenhänge zwischen Windenergie und Regelleistung neue Ergebnisse in Hinblick auf die Resultate der DENA Netzstudie II und den Ergebnissen des BWE liefern kann, wird in dieser Studienarbeit untersucht.

1.2 Ziel der Arbeit

Ziel dieser Studienarbeit ist die Quantifizierung der zusätzlich benötigten Regelleistung für Offshore Windenergie. Hierzu wird die durch Offshore Windenergieanlagen bedingte einge- setzte und vorgehaltene Regelleistung eines Übertragungsnetzbetreiber sowie die Kosten für Vorhaltung und Einsatz bestimmt. Die Ergebnisse werden in Zeitreihen und Diagrammen dargestellt. In einem „Szenario 2006“ ohne Berücksichtigung von Offshore WEA und einem „Szenario 2006 Offshore“, das durch einen Anschluß einer 400 MW Offshore WEA an das Übertragungsnetz gekennzeichnet ist, werden die Ergebnisse gegenübergestellt. Zur Regel- leistung zählen die Primärregelleistung, Sekundärregelleistung als auch die Minutenreserve und Windreserveleistung eines Übertragungsnetzbetreibers. Es wird exemplarisch das Netz der transpower Stromübertragungs GmbH (ehemals E.ON Netz GmbH) gewählt, da es in Deutschland überwiegend von Einspeisung aus Offshore WEA aus der Nordsee betroffen ist.

1.3 Struktur der Arbeit

In Kapitel 2 erfolgt zunächst eine Betrachtung des Stromversorgungssystems in Deutschland. Es werden technische und wirtschaftliche Strukturen von Stromerzeugern, Übertragungsnetzbetreiber und Stromhändlern herausgearbeitet. Die verschiedenen Regelleistungsarten, der Regelleistungsmarkt sowie das Verfahren zur Berechnung der eingesetzten und vorzuhaltenden Regelleistung werden allgemein erläutert. Darauf aufbauend beschreibt Kapitel 3 die Weiterführung der Grundlagen aus Kapitel 2 speziell in Hinblick auf Offshore Windenergie und der Umsetzung des Arbeitsziels. Die Verfahren zur Ermittlung der Regelleistungsarten und deren Kosten am Regelleistungsmarkt werden detailliert behandelt. Eine abschließende Zusammenfassung wird in Kapitel 4 vorgenommen.

2. Elektrische Energieversorgung in Deutschland

In diesem Kapitel werden die grundlegenden Begriffe und Strukturen zum Verständnis der Energieversorgung in Deutschland erklärt, um darauf aufbauend in Kapitel 3 die Auswirkungen von Windenergie auf die Regel- und Reserveleistung näher zu erläutern.

2.1 UCTE Synchronverbund

Bereits 1951 mit Gründung der UCPTE (Union for the Coordination of Production and Transmission of Electricity) wird eine Plattform zur Aufstellung einheitlicher Regeln für den zuverlässigen Betrieb eins europäischen elektrischen Versorgungsnetzes ins Leben gerufen. Ab diesem Zeitpunkt beginnt ein allmählicher Zusammenschluss eines Großteils der europäischen Elektrizitätsversorgungsnetze zu einem synchronen Netzverbund. Der Vorteil des Zusammenschlusses liegt im Wesentlichen in folgenden Punkten begründet:

- Das Solidaritätsprinzip: Jeder Netzbetreiber kann dem Nachbarn bei Leistungsengpässen oder Überkapazitäten aushelfen und damit zur Gesamtstabilität des Verbundes beitragen.
- Der Stromhandel: Höhere Liefermengen können zwischen den Stromnetzen ohne größe- ren technischen Aufwand ausgetauscht werden

Dazu werden technische Randbedingungen für das gesamte Verbundsystem im "UCTE Operati- on Handbook" vereinbart. Heute sorgt die UCTE (Umbenennung seit 1990) für ein Energiever- sorgungssystem, das rund 450 Millionen Menschen mit jährlich 2300 TWh elektrischer Energie versorgt. Abbildung 2.1a zeigt den geographischen Umfang des synchronisierten Netzgebietes der UCTE-Kooperationspartner und welche europäischen Staaten daran beteiligt sind.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 2.1a: UCTE Synchronnetzverbund in Europa

[UCTE04]

Eine der wichtigsten gemeinsamen Einrichtungen für einen stabilen synchronen Betrieb in der UCTE stellt die Leistungs-Frequenz-Regelung dar, mit der über die Netzfrequenz als systemweit verfügbare Regelgröße für ein Gleichgewicht von Erzeugung und Last gesorgt werden kann. Im Fall einer Bilanzstörung weicht die Netzfrequenz von ihrem Sollwert von 50 Hz ab und zunächst beteiligen sich UCTE-weit Erzeugungsanlagen proportional zur Frequenzabweichung an der Bereitstellung von Regelleistung (Primärregelung). Nach spätestens 5 Minuten wird die Bereit- stellung von Regelleistung verursacherbezogen in die betreffende Regelzone verlagert (Sekun- därregelung). Zuständig für den stabilen Netzbetrieb der Regelzone ist der Übertragungsnetzbe- treiber. Er sorgt dafür dass folgende Leistungsbilanz in seinem Netzgebiet zu jedem Zeitpunkt ausgeglichen ist:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Formel 2.1a: Leistungsbilanz der Regelzone

Die Erzeugung besteht aus Kraftwerken, Windenergieanlagen und sonstige Erzeugern, die an das Übertragungsnetz angeschlossen sind, sowie den Stromimporten von benachbarten Regelzonen. Die Last besteht aus allen Verbrauchern in der Regelzone, den Übertragungsnetzverlusten und den Exporten in benachbarte Regelzonen. Die Importe und Exporte beziehen sich auf alle Lei- tungen zu benachbarten Regelzonen. Dies schließt Kuppelleitungen ins Ausland mit ein. Die Erzeugung, Importe, Exporte und Last sind positive Werte. Ausgenommen davon ist der Fall, dass die Verteilnetze in Summe keine Last, sondern einen Erzeuger darstellen. Dieser Fall kann aufgrund von erhöhter Einspeisung durch WEA in die Verteilnetze zu Zeiten mit geringem Strombedarf auftreten.

Um einen regulären Netzbetrieb zu ermöglichen, werden mittels Prognosen die Sollwerte der Leistungsbilanz bestimmt. Dennoch kommt es bei den Istwerten immer wieder zu größeren Ab- weichungen bedingt durch ungeplante Lastzunahmen- oder Ausfälle, unvorhergesehene Kraft- werksausfälle, Prognosefehler bei Windenergieanlagen, Netzausfälle oder Lastflüssen bei Fahr- plansprüngen. In diesen Fällen muss die Leistungsbilanz innerhalb von wenigen Sekunden durch zusätzliche oder verminderte Erzeugerleistung- der Regelleistung- angepasst werden. Es ist ein wichtiges Anliegen der ÜNB, die Regelleistung möglichst gering zu halten, da sie den größten Kostenpunkt bei deren Hilfsdienstkosten darstellen [BNAMB08, S.48]. Diese Kosten werden auf die Bilanzkreisverantwortlichen und damit letztlich auf die Endverbraucher umgewälzt. Mehr zu den Bilanzkreisen wird in Kapitel 2.5 erläutert.

Für das Beispiel Deutschland ist in Abbildung 2.1b zu erkennen, dass die vier Übertragungsnetzbetreiber EON, RWE, EnBW und Vattenfall innerhalb des Regelblocks Deutschland jeweils eine eigene Regelzone bilden.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 2.1b: UCTE-Synchronverbund, Regelblöcke und Regelzonen [UCTE04]

RWE führt die Leistungs-Frequenz-Regelung für den gesamten deutschen Regelblock durch, indem es die Fahrplanabweichungen der grenzüberschreitenden Lastflüsse aller Regelzonen zu einer Gesamtabweichung aufsummiert und entsprechend Sekundärregelleistung und Minutenreserveleistung einsetzt [UTCE04, Appendix A1-17].

Für die gesetzlichen Bestimmungen des deutschen Regelblocks ist die Bundesnetzagentur verantwortlich. Sie sehen unter Anderem vor, dass dem Übertragungsnetzbetreiber die Verantwortung für einen sicheren, ressourcenschonenden und ökonomischen Betrieb des Übertragungsnetzes sowie die zuverlässige Versorgung der Verbraucher zufällt.

Grundlagen für die technischen Bestimmungen im deutschen Regelblock liefern die vom Verband der Netzbetreiber (VDN) aufgestellten Maßgaben: Transmission Code, Distribution Code und Metering Code. [VDNTC07, VDNDC07, VDNMC06]

2.2 Übertragungsnetzbetreiber

Nach den EU-Richtlinien für den gemeinsamen Strommarkt von 2003 und der deutschen Umsetzung dieser Richtlinien im Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) müssen Stromversorger den Netzbetrieb von anderen Wettbewerbsbereichen (z. B. Erzeugung und Vertrieb) trennen. Diese Entflechtung (engl. Unbundling) soll den diskriminierungsfreien Netzzugang sicherstellen. Infolge dieser Gesetzesänderungen existieren die Übertragungsnetzbetreiber, welche für ihre jeweilige Regelzone folgende Aufgaben wahrnehmen:

- Überwachen und Steuern des Netzes. Alarmierung des Netzservice bei Netzunregelmä- ßigkeiten (Störungsmanagement)
- Netzwiederaufbau nach Großstörungen (Störungsmanagement)
- Festlegen der benötigten Menge und Einsetzen der Regelleistung sowie die Bereitstellung der abrechnungsrelevanten Daten
- Erstellen von Tagesprognosen für Last, Windeinspeisung und Verluste
- Abwickeln des Fahrplanmanagements
- Überwachen der Systemstabilität und Einleitung operativer Maßnahmen zu deren Siche- rung (zum Beispiel Engpassmanagement)
- Koordinieren der Abschaltplanung und Durchführen von Schaltungen (Abschaltmanage- ment)

Abb. 2.2a: Regelzonen und Verteilnetze in Deutschland [VDNDF07]

2.3 Verteilnetzbetreiber und Endkunde

Die Verteilnetzbetreiber (VNB) betreiben die regionalen Nieder- und Mittelspannungsnetze sowie einen Großteil der Hochspannungsnetze zur Endkundenversorgung. Ihre Entstehung geht auf die regionalen Energieversorgungsunternehmen zurück. Daher wird auch der Begriff Regionalnetzbetreiber (RNB) verwendet.

Sie weisen einen hohen Grad an Vermaschung mit einer stark verästelten Struktur und relativ geringen Energieflüsse in der Nieder- und Mittelspannungsebene auf. Ihr Betrieb ist deshalb be- zogen auf die verteilte Energiemenge kostenintensiver als der Betrieb von Übertragungsnetzen, was auch durch die Stromkreislängen in Tabelle 2.3a ersichtlich wird. Die Verteilnetze besitzen Kuppelstellen mit den Übertragungsnetzen und beziehen über diese einen Teil ihrer Energielieferungen. In Deutschland speisen dezentrale EEG Stromerzeuger 88% ihrer Leistung in die Mittel- und Hochspannungsebene der Verteilnetze ein, nur 12% entfallen auf die Höchstspannungsnetze der ÜNB [BNetzA08].

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tabelle 2.3a: Stromkreislängen in Verteil- und Ü bertragungsnetzen 2007 [BNetzA08]

Weitere Aufgaben der Verteilnetzbetreiber sind in [VDNDC07] definiert. Der Verband der Netzbetreiber (VDN) beschreibt darin die Regeln für den Zugang zu und die Nutzung von Verteilungsnetzen. Im Einzelnen sind dies:

- Netzanschlussbedingungen (Endkunde)
- Organisation und Abwicklung der Netznutzung (Endkunde)
- Systemdienstleistungen
- Netzplanung und Netzbetrieb

Der VNB erhebt die Messdaten an seinen Einspeise- und Abnahmestellen, um sie anschließend an die ÜNB und Lieferanten zu übermitteln, welche mit dem VNB einen Rahmenvertrag ge- schlossen haben. In mehreren Verträgen wird das Verhältnis zwischen VNB und ÜNB geregelt. Der VNB tritt nicht als Stromlieferant auf, sondern er kauft nur die erforderlichen Mengen ein, um seine eigenen Netzverluste auszugleichen. Die Kosten der Netzverluste kann er in die Netz- entgelte einbeziehen [StromNEV, §10]. Die Zuordnung des Kunden beim Lieferanten zu einer Anschlussstelle des VNB wird über Datenaustausch zwischen VNB und Lieferant durchgeführt. In diesem Informationsaustausch teilt der Lieferant die Zählstelle und den Bilanzkreis mit, dem dieser Kunde zugeordnet ist. Darüber hinaus wird vom VNB bei kleineren Einspeise- oder Ab- nahmestellen- z. B. normale Haushaltskunden- nicht der exakte Zeitverlauf gemessen, sondern nur die in einem Jahr oder Monat anfallende Energie. Der Zeitverlauf der Abnahme (oder Ein- speisung) wird in diesen Fällen für die Abrechnung mit den Lieferanten rechnerisch über Stan- dardlastprofile ermittelt. Die Differenz wird entweder zwischen dem tatsächlichen und dem rechnerischen Zeitverlauf vom Verteilnetzbetreiber bereitgestellt, oder aber zwischen allen in einem Netzgebiet tätigen Lieferanten in einem vom Verteilnetzbetreiber durchgeführten Rechen- verfahren aufgeteilt.

2.4 Stromlieferant, Stromhändler

Auf einem freien Markt darf Handel betrieben werden. Im Zuge der Liberalisierung des Strommarktes sind als neue Akteure Stromlieferanten und Stromhändler aufgetreten, die im Folgenden näher beschrieben werden.

Der Lieferant beliefert Endkunden mittels offenem Stromlieferungsvertrag oder Teilbelieferungen. Ein Lieferant kann, muss aber nicht (Sub-) Bilanzkreisverantwortlicher sein. Der Lieferantenrahmenvertrag legt zwischen Verteilungsnetzbetreiber und Lieferanten fest, welche Kunden der einzelne Lieferant beliefert und zu welchem Bilanzkreis diese gehören. Weiterhin regelt der Händlerrahmenvertrag die An- und Abmeldung der Kunden, den Datenaustausch, die Übermittlung der Mess- und Zählwerte, Gewährleistung, Bilanzierung, das Verhalten bei Zahlungsschwierigkeiten und bei Netzunterbrechungen [VDNDum05]. Für die Nutzung des Verteilnetzes zahlt der Lieferant ein Netzentgelt, das dieser seinen Kunden weiterberechnen kann. Der Lieferantenrahmenvertrag ist somit ein Netznutzungsvertrag.

Der Händler ist Marktteilnehmer, der Handelsgeschäfte tätigen und Fahrpläne anmelden kann. Dies setzt voraus, dass der Händler einen Bilanzkreis- oder einen Subbilanzkreisvertrag mit dem ÜNB besitzen muss. Ein Händler kann, muss aber nicht Lieferant sein. Der Händler füllt schritt- weise sein Portfolio mit Handelsprodukten. Als Entscheidungsbasis hierfür dienen Prognosen der Kundenlast in verschiedenen Zeithorizonten, deren Qualität aufgrund des Erkenntniszuwachses bis zum Liefertermin steigt. Aus der Summe der getätigten Geschäfte resultieren die Fahrpläne des Händlers. Sie beinhalten die erwarteten Netzeinspeisungen des Händlers und die prognosti- zierten Netzentnahmen seines Bilanzkreises zu jeder Viertelstunde. In seiner Funktion als Bi- lanzkreisverantwortlicher meldet er dem ÜNB die Fahrpläne für den Folgetag. Am Erfüllungstag selber werden Netzeinspeisungen und Netzentnahmen jedoch von den prognostizierten Werten abweichen - man spricht von einer Bilanzabweichung. Diese wird durch Ausgleichsenergie ge- deckt, für die der Händler als Bilanzkreisverantwortlicher aufkommen muss. Eine hohe Prognoseabweichung birgt also ein finanzielles Risiko für den Händler. Nach der aktuellen Ver- bändevereinbarung VVII+ existiert die theoretische Möglichkeit, auch innerhalb des Erfüllungs- tages noch Fahrpläne mit Hilfe des „Intraday-Handels“ zu ändern. Diese Option wird jedoch nur teilweise umgesetzt und daher auch kaum genutzt. Auch nachträgliche Änderungen nach dem Tag der Lieferung sind innerhalb ein und derselben Regelzone möglich, wenn sich ein Handels- partner für den Ausgleich findet. [BETISET04, S.8]

2.5 Der liberalisierte Energiemarkt

2.5.1 Das Energiewirtschaftsgesetz

Noch vor wenigen Jahren wurden die Verbraucher ausschließlich von Gebietsmonopolisten versorgt. Eine erste Fassung des EnWG gab es bereits 1935, hier wurde die Elektrizitätsbranche mit Einführung des Energiewirtschaftsgesetzes ab 1935 der staatlichen Regulierung unterworfen. Das Ziel dieser staatlichen Regulierung kann man in der Präambel ablesen:

„Um (…) im Interesse des Gemeinwohls die Energiearten wirtschaftlich einzusetzen, den notwendigen öffentlichen Einfluss in allen Angelegenheiten der Energieversorgung zu sichern, volkswirtschaftlich schädliche Auswirkungen des Wettbewerbs zu verhindern, einen zweckmäßigen Ausgleich durch Verbundwirtschaft zu fördern und durch all dies die Energieversorgung so sicher und billig wie möglich zu gestalten, hat die Reichsregierung das folgende Gesetz beschlossen, (…)“ [EnWG1935].

Hier wird deutlich eine staatlich kontrollierte Energiewirtschaft ohne den für schädlich empfun- denen Wettbewerb gefordert. Diese monopolistische Versorgungsstruktur änderte sich erst 1998, als im Zuge der Umsetzung der EU-Binnenmarktrichtlinie für Elektrizität von 1996 das deutsche Energiewirtschaftsgesetz erarbeitet wurde [Kreikenbaum08, S. 666-677]. Seit dem Jahr 1998 hat sich die Struktur der Energieversorgungsunternehmen grundlegend geändert. Laut EnWG müs- sen seit 1999 die Stromerzeugung und der Netzbetrieb voneinander getrennt werden. Dies wird auch als Entflechtung oder engl. Unbundling bezeichnet [EEV07, S. 486ff]. Ausgenommen sind lediglich die kleineren Verteilnetzbetreiber mit unter 100.000 angeschlossenen Kunden. So ha- ben die derzeit am Markt operierenden Übertragungsnetzbetreiber auf die Erzeugung des Stroms keinen direkten Einfluss. Der vom EnWG gewünschte Kostendruck führt zum Zusammenschluss der ehemals neun Übertragungsnetzbetreiber auf nunmehr vier Übertragungsnetzbetreiber in Deutschland:

- EnBW Transportnetze AG
- transpower stromübertragungs GmbH
- RWE Transportnetz Strom GmbH
- Vattenfall Europe Transmission

Diese vier Firmen sind Tochterfirmen von fast gleichnamigen Holdinggesellschaften unter deren Dach Erzeuger, Lieferanten, Übertragungsnetzbetreiber miteinander verbunden sind. Da vom Erzeuger bis zum Kunden alle Konzerne über eine Dachgesellschaft verbunden sind, spricht man auch von einer vertikalen Unternehmensstruktur. Der E.ON Konzern beispielsweise beschreibt seine eigene Struktur so: „Unser Geschäft erstreckt sich entlang der gesamten Wertschöpfungskette im Strom- und Gasbereich und ist gemäß der Struktur unserer Zielmärkte geografisch oder funktional in Market Units (MU) gegliedert.“ [EONKonzern09]

Zur Entflechtung gehört auch, dass die Lieferanten und Stromhändler Energie überall in Deutschland und im Europäischen Ausland einkaufen können und an Netzkunden weiterverkau- fen dürfen, sofern der Betroffene im Handelsregister eingetragen ist und einem Bilanzkreis in der Regelzone des Netzkunden angehört. Mit der Einführung des freien Wettbewerbs steht jedem Kunden das Recht auf freie Wahl des Energielieferanten zu. Hier kann der Kunde seine persönli- chen ökonomischen oder auch ökologischen Interessen verfolgen und somit auch indirekt den Anteil der jeweiligen Energieform am Strommarkt bedingt steuern. Die Wahl des Netzbetreibers ist hingegen nicht frei. Die Verteilnetze bilden daher ein natürliches Monopol.

Die gesetzlichen Vorgaben des EnWG werden in zwei Verordnungen der Bunderegierung kon- kretisiert: Die Stromnetzzugangsverordnung und die Stromnetzentgeltverordnung von 2005 [StromNZV] [StromNEV]. Abbildung 2.4.1 zeigt die aus dem EnWG von 1998 resultierenden Vertragsbeziehungen am liberalisierten Markt, wie sie in der Stromnetzzugangsverordnung be- schrieben sind.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 2.4.1: Vertragsbeziehungen am liberalisierten Markt [Konstantin06, S.40]

Im Folgenden werden die einzelnen Vertragsbeziehungen der Marktteilnehmer kurz erläutert:

Im Netznutzungvertrag (NNV) werden alle Fragen der Netznutzung, insbesondere Entgeltfragen, geregelt, die über den Netzanschluss hinausgehen. Er beinhaltet auch Regelungen über das Messverfahren (Leistungsmessung oder Lastprofilverfahren), Netznutzungsentgelte, Entgelt für Messung und Abrechnung, die Konzessionsabgabe, Umsatzsteuer und sonstige Abgaben, wie den KWK-Gesetz Zuschlag. Der Vertrag kann zwischen Kunden und dem Verteilnetzbetreiber direkt abgeschlossen werden. Üblicherweise wird der NNV jedoch zwischen dem Lieferanten und dem Netzbetreiber mit Hilfe eines Lieferantenrahmenvertrags (RV) abgeschlossen.

Ein Lieferantenrahmenvertrag (RV) wird zwischen den Lieferanten und dem Verteilnetzbetreiber (VNB) abgeschlossen und regelt alle Rechten und Pflichten in Zusammenhang mit der Beliefe- rung der Kunden des Lieferanten im Verteilnetzgebiet. Darin wird unter anderem der Umfang der Energielieferungen des RV in Form von Fahrplänen sowie die Modalitäten des Datenaustau- sches zwischen RV und VNB geregelt. Der Lieferant ist in der Regel bilanzkreisverantwortlich.

Der Bilanzkreisvertrag (BKV) wird zwischen dem bilanzkreisverantwortlichen Lieferanten und dem Bilanzkreiskoordinator (dem ÜNB) geschlossen.

Den Stromlieferungsvertrag (SLV) schließt der Kunde mit dem Lieferanten seiner Wahl ab. Meistens wird der SLV aber nur von Großkunden praktiziert, die Lieferverträge mit mehr als einem Lieferanten abschließen und auch Strom von der Börse beziehen können (PortfolioManagement). Die Grenze zwischen Klein- und Großkunde wird zum einem durch den durchschnittlichen Jahresverbrauch über 100000 kWh/a und der Datenlieferung eines Lastgang vom Kunden an den Lieferanten definiert.

Den All-Inclusive-Vertrag (AIV) schließen Klein- und Mittelständische Kunden mit einem Liefe- ranten ab. Der AIV beinhaltet auch den Netznutzungsvertrages des Lieferanten mit dem Verteilnetzbetreiber über den Lieferanterahmenvertrag. Wegen des erheblichen Aufwandes für eine genaue Prognose des Bedarfs, der für die Viertelstunden-Fahrplanerstellung erforderlich ist, ist ein Vollversorgungsvertrag auch im liberalisierten Markt für die Mehrzahl der Stromkunden üblich.

2.5.2 Produkte des Energiemarktes, Handelsplätze, Portfolio-Management

Durch die Liberalisierung des Strommarktes sind Marktplätze zum Handel von Strom entstan- den. Diese Marktplätze helfen, die Austauschbeziehungen zwischen Händlern, Lieferanten und Kraftwerksbetreibern zu organisieren und zu koordinieren. Ein Großteil des Handels findet bilateral, manchmal mit Hilfe von Dienstleistern (Makler und Broker) als Vermittler statt. Diese Praxis wird als Over-The-Counter-Handel (OTC) bezeichnet. Ein weiterer Marktplatz ist die Leipziger Strombörse EEX (European Energy Exchange). An der Strombörse werden Kauf- und Verkaufsgebote in einen anonymen Handelsraum gestellt. Über einen Abgleich der Gebote wird versucht, Angebot und Nachfrage bei einem maximalen Handelsvolumen in Übereinstim- mung zu bringen. Der OTC-Handel und die Börse bilden gemeinsam den Großhandelsmarkt. Insbesondere der an der EEX gebildete Preis wird als Indikator für den aktuellen Marktpreis verwendet und soll die gewünschte Transparenz im Markt herstellen. Abbildung 2.5.2a zeigt die verschiedenen Strommärkte mit ihren Produkten.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 2.5.2a: Strommärkte und Stromprodukte [Konstantin06]

Die am Großhandelsmarkt für Strom gehandelten Produkte sind weitgehend standardisiert. Sie werden durch eine bestimmte Leistung und über einen definierten zukünftigen Lieferzeitraum beschrieben. Die Lieferung wird über Fahrplananmeldungen bei den zuständigen Übertragungsnetzbetreibern abgewickelt. Es werden handelstäglich diese standardisierten Produkte mit Lieferperioden für die folgenden Jahre, die folgenden Quartale sowie die folgenden Monate und Wochen gehandelt. Neben den standardisierten Produkten gibt es auch nicht-standardisierte Produkte, diese werden OTC gehandelt. Kurzfristig für den nächsten Tag benötigte Mengen werden am Spotmarkt gehandelt („day-ahead-market“). Der Börsenpreis ist immer auch Referenzpreis für OTC abgeschlossene Verträge. Im Folgenden werden häufige Produkte der Energiewirtschaft beschrieben. [Lichtblick09], [BETISET04, S.9], [Konstantin06, S.43]

Die Bandlieferung/ Baseload Kontrakt

Als Band bezeichnet man eine Lieferung, die über den gesamten Lieferzeitraum denselben Leis- tungswert aufweist. Wird etwa in jeder Stunde eines Tages eine Leistung von 15 MW bereitge- stellt, spricht man von einem 15-MW-Tagesband. Analog existieren Monats-, Quartals- und Jah- resbänder. Die Preise für Base-Lieferungen sind regelmäßig günstiger als die für Peak- Lieferun- gen.

Peak und Off-Peak Lieferungen

Eine Peak-Lieferung ist eine Stromlieferung innerhalb eines standardisierten Lieferzeitraumes

(Monat, Quartal, Jahr) mit den Liefertagen Montag bis Freitag und 12 Lieferstunden zwischen 8 und 20 Uhr. Dies ist der gängige Zeitraum eines Tages, in dem die Höchstlast erwartet wird. pro Liefertag. Der Energieinhalt für ein 1 MW Peak Leistung beträgt bei einem Jahr mit 261 Liefertagen 3132 MWh. Lieferungen ausserhalb der Peak-Lieferstunden werden Off-Peak ge- nannt.

Die Fahrplanlieferung

Innerhalb einer Fahrplanlieferung wird jeder Viertelstundenwert des betreffenden Tages mit einer Leistungsangabe spezifiziert. Diese können beliebig variieren. Ein Fahrplan kann den Folgetag betreffen (z. B. bezüglich der Anmeldung einer Lieferung beim ÜNB), es sind aber auch Monats- oder Jahresfahrpläne möglich.

Die offene Lieferung

Bei der offenen Lieferung wird im Vorhinein nicht zwischen Abnehmer und Händler festgelegt, zu welchem Zeitpunkt welche Leistung benötigt wird. So ist z. B. die Lieferung an einen Haushaltskunden eine offene Lieferung. Bei der offenen Lieferung kann der Kunde entweder seine komplette Strommenge von einem Händler beziehen (Vollstromlieferung) oder einen definierten Teil über eine Fahrplan- oder Bandlieferung von anderen Händlern beschaffen. Der Händler, der die offene Lieferung vereinbart hat, ist für den Ausgleich der Energiebilanz des Kunden verantwortlich, das bedeutet er ordnet diesen Kunden seinem Bilanzkreis zu.

Unter Portfolio-Management versteht man den bedarfsgerechten Einkauf und Verkauf von Stromprodukten. Ein Lieferant deckt die prognostizierte Kundenlast beispielsweise für den Planungszeitraum von einem Jahr über den Strommarkt. Dabei hat er aufgrund von Überdeckung der Produkte mit den Lastprognosedaten Abweichungen, die er wiederum zum Verkauf anbieten kann, beziehungsweise bei Fehlmengen muss er hinzukaufen. Da die langfristigen Jahresprognosen der Last gegenüber den mittel- und kurzfristigen Wochen- und Vortagesprognosen abweichen und die Preise am Strommarkt ständigen Änderungen unterliegen, wird dieses Management bis zum Liefertag der Leistung und sogar innerhalb eines Tages fortgeführt. Abbildung 2.5.2b zeigt vereinfacht das Wochenportfolio eines Stromlieferanten.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 2.5.2b: Wochenportfolio eines Stromlieferanten [BETISET04, S.11]

2.6 Bilanzkreise, EEG Strom und Kostenwälzung

Zur Förderung des Wettbewerbes am Strommarkt wurde mit der Verbändevereinbarung II im Jahr 1999/2000 die Bildung von Bilanzkreisen eingeführt [VVII+01, S.9]. In dieser Verbände- vereinbarung wurden Bilanzkreise als virtuelle Gebilde definiert, für die ein Ausgleich zwischen Einspeisung und Entnahme gegenüber dem jeweiligen Übertragungsnetzbetreiber durchzuführen ist. In der Stromnetzzugangsverordnung wird geschrieben, dass die Lieferung elektrischer Ener- gie an die Kunden im Rahmen von Bilanzkreisen erfolgt. Im EnWG wird der Begriff Bilanzkreis wie folgt definiert: „Bilanzkreis […bedeutet…]: im Elektrizitätsbereich innerhalb einer Regelzo- ne die Zusammenfassung von Einspeise- und Entnahmestellen, die dem Zweck dient, Abwei- chungen zwischen Einspeisungen und Entnahmen durch ihre Durchmischung zu minimieren und die Abwicklung von Handelstransaktionen zu ermöglichen“ [ENWG05, §3 Nr. 10a]. In der StromNZV ist weiterhin geregelt, dass ein jeder Verteilnetzbetreiber 3 Bilanzkreise führen muss:

- Bilanzkreis für Verlustenergie (§10 Abs. 2 NZV),
- Bilanzkreis für Energien nach dem EEG (§11 NZV),
- Differenzbilanzkreis (§12 Abs. 3 NZV).

Ein Bilanzkreis umfasst alle Einspeisungs- und Entnahmestellen eines Stromlieferanten- oder Händlers innerhalb eines Übertragungsnetzes. Er muss aus mindestens einer Einspeise- oder ei- ner Entnahmestelle bestehen. Der Bilanzkreisverantwortliche ist in der Regel der Stromlieferant.

Er muss im Voraus Fahrpläne im Viertelstundenraster an den Bilanzkoordinator bis 14:30 des Vortages abliefern und ist verantwortlich für eine ausgeglichene Bilanz zwischen den Einspei- sungen und Entnahmen in seinem Bilanzkreis. Diesen Bilanzausgleich führt der Bilanzkreisver- antwortliche in der Regel mit Produkten des Strommarktes (OTC Geschäfte, Börsenhandel) durch. Der ÜNB übernimmt die Funktion des Bilanzkoordinators. Er nimmt die einzelnen Fahr- plananmeldungen der Bilanzkreise entgegen und kümmert sich um die Einhaltung der gesamten Leistungsbilanz der Regelzone. Näheres zur Leistungsbilanz des ÜNB wird in Kapitel 2.6 erläu- tert.

In der Praxis sind geringe positive wie negative Bilanzkreisabweichungen unvermeidbar, weshalb im Bilanzkreisvertrag eine Regelung über den Ausgleich der Bilanzkreisabweichungen vorgesehen ist. Mehreinspeisungen oder Mehrentnahmen werden im Nachhinein vom ÜNB abgerechnet. Der Preis für diese sogenannte Ausgleichsenergie, die der ÜNB dem Bilanzkreisverantwortlichen in Rechnung stellt, kann sich in Abhängigkeit von den Marktpreisen laufend ändern. Im Bilanzkreisvertrag ist außerdem eine Preisregelung für die vom ÜNB bereitgestellte Reserveleistung bei einem kompletten Ausfall von Einspeisungen des Lieferanten/ Händlers vorgesehen. Weiterhin können Bilanzkreise auch für Geschäfte, die nicht die Belieferung von Letztverbrauchern zum Gegenstand haben, gebildet werden.

Vielfach wird ein Bilanzkreis auch in einzelne Unterbilanzkreise (auch Subbilanzkreise genannt) unterteilt. Diese Unterbilanzkreise sind nicht für den Ausgleich der Abweichungen gegenüber dem ÜNB verantwortlich.

Jeder ÜNB in Deutschland besitzt eine hohe Anzahl von Bilanzkreisverträgen. Aufgrund des stochastischen Charakters der einzelnen Bilanzabweichungen, kompensieren sich diese zu einem Großteil. Ergebnis ist, dass der ÜNB weit weniger Regelleistung über den Tag einsetzen muss als wenn er nur ein oder zwei Bilanzkreise als Kunden hätte. Abbildung 2.6a zeigt den Aufbau eines Bilanzkreises als Tabelle.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 2.6a: Bilanzkreis

2.6.1 EEG Bilanzkreis, EEG Wälzung

Um die Einspeisevergütungen aus EEG Anlagen gleichmäßig auf alle Endkunden umlegen zu können, wird beim ÜNB ein Bilanzkreis für alle EEG-Einspeisungen gebildet. Die Verteilnetzbetreiber sind nach dem EEG dazu verpflichtet EEG-Strom anzunehmen und gemäß dem EEG zu vergüten [EEG08, §4]. Der EEG Strom wird von ihnen sofort weiter umgewälzt an den EEG Bilanzkreis des regelverantwortlichen Übertragungsnetzbetreibers. Nach dieser „verti- kalen Wälzung“, führen die vier deutschen Übertragungsnetzbetreiber anschliessend einen „hori- zontalen Belastungsausgleich“ (HoBA, siehe Abb. 2.6.1a) sowohl auf physikalischer als auch finanzieller Ebene für den EEG Bilanzkreis durch [EEG05, §14 Abs.1]. Die deutschlandweit eingespeisten EEG-Strommengen werden seit dem 31.08.2004 in Echtzeit anteilsmäßig am End- verbraucherabsatz zwischen allen ÜNB im deutschen Regelblock aufgeteilt (Online-Ausgleich) und zeitlich nachgelagert finanziell ausgeglichen. Jeder ÜNB gibt also einen Teil der in sein Netz eingespeisten Windenergie an die anderen drei ÜNB weiter, erhält aber im Gegenzug auch einen Teil aus den drei anderen Regelzonen. Die aus der Gesamtbilanz resultierenden Werte werden in Echtzeit exportiert oder importiert. Letztlich ist daher für die Prognose die deutsch- landweit eingespeiste Windenergiemenge und nicht die Einspeisung in der eigenen Regelzone für den ÜNB von Bedeutung. Der resultierende EEG Bilanzkreissaldo des jeweiligen ÜNB wird anschließend zu einer Monatsbandlieferung geglättet [BNABK6_07, S.1- Fußnote (1)].

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Ende der Leseprobe aus 86 Seiten

Details

Titel
Auswirkungen von Offshore Windenergie auf Vorhaltung und Einsatz von Regelleistung
Hochschule
Universität Paderborn  (Institut für Elektrotechnik und Informationstechnik )
Veranstaltung
Lehrstuhl für Nachhaltige Energiekonzepte (NEK)
Note
1,3
Autor
Jahr
2009
Seiten
86
Katalognummer
V189691
ISBN (eBook)
9783656140061
ISBN (Buch)
9783656140603
Dateigröße
3245 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Regelleistung, Offshore Windpark, Regelenergie, Reserveleistung, Windpark
Arbeit zitieren
Christian Grau (Autor:in), 2009, Auswirkungen von Offshore Windenergie auf Vorhaltung und Einsatz von Regelleistung, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/189691

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