Antisemitismus von Links

Eine einführende Betrachtung


Essay, 2008

12 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


1. Vorwort

Schon bei Hannah Arend finden wir, dass es sich bei der Annahme, Antisemitismus sei ausschließlich ein Phänomen der politischen Rechten, um ein hartnäckiges Vorurteil handelt. Mit der Zeit wurden hierzu immer mehr Studien angefertigt die Hannah Arendts These zu untermauern scheinen.

So wurde zum Antisemitismus in den Staaten des Realsozialismus ebenso geforscht, wie zum antisemitisch aufgeladenen Antizionismus der Neuen Linken in den meisten westeuropäischen Ländern oder den USA. Diese wissenschaftliche Beschäftigung mit dem Thema korrespondierte dabei mit einer weitgehenden Abwehrhaltung der Linken selbst, da dies ja radikal dem Selbstverständnis zu widersprechen scheint.

In den letzten Jahren fand hier eine Veränderung im Umgang mit dem Thema statt, der gewiss darauf zurückzuführen ist, dass ein Bedürfnis nach Rechtfertigung auf Grund der zahlreichen Vorwürfe entstand.

Ich möchte mich in der vorliegenden Arbeit nun mit der Frage beschäftigen, in wie weit sich im linken politischen Spektrum in Westeuropa ein Antizionismus und Antisemitismus feststellen lässt. Hierzu werde ich zunächst die Begrifflichkeiten „Antisemitismus“ und „Antizionismus“ auf ihre Bedeutung hin untersuchen, um eine solide Grundlage für die Abhandlung des Themas zu schaffen. Danach erfolgt ein Abriss darüber, wie die beiden Phänomene sich in der jüngeren Vergangenheit in der westlichen Welt äußerten, um die rein theoretische Ebene hinter sich zu lassen.

Im nächsten Schritt erfolgt eine intensivere Betrachtung der konkreten Situation in der politischen Linken an konkreten Beispielen, um auf die Besonderheiten des linken Antisemitismus und Antizionismus zu verweisen, da sich diese häufig auf eine andere Art und Weise äußern, als dies im klassischen Verständnis der Fall wäre.

2. Definition von Antisemitismus

Der 1879 geprägte Begriff des Antisemitismus dient heutzutage als ein Überbegriff für jede Form von „Feindschaft gegenüber Juden“. Als er ersonnen wurde, sollte er dazu dienen die Ablehnung von Juden in einen wissenschaftlichen und vor allem auf die Idee der Rasse bezogenen Kontext zu bringen, welcher die Juden nichtweiter als Religionsgemeinschaft, sondern als Volk, Nation oder eben Rasse definiert. Linguistisch ist die Grundlage des Begriffes in dem Versuch zu verorten, die nicht indoeuropäisch-stämmigen Sprachfamilien gegenüber den „Ariern“ abzuwerten und eine digitale Trennung zwischen Ariern und Semiten vorzunehmen, wobei semitisch hier eindeutig jüdisch meint. Dies Definition bezieht also auch arabischen Antisemitismus mit ein, da diese nach der vorigen Definition als „Nichtjuden“ nicht zu den Semiten zählen und der Begriff sich auf Einstellungen bzw. Handlungen bezieht.

Da es sich um einen Überbegriff handelt, gibt es zwangsläufig mehrere Unterformen von Antisemitismus, welche durch die Voranstellung der jeweiligen Adjektive (z.B. latent, christlich, politisch etc.) prägnant werden. Die Gefahr die sich hierbei einstellt, ist, dass diese Unterscheidungen auch eine historische Kontinuität und somit auch eine Allgegenwart suggeriert. Diese Ansätze mögen an sich nicht falsch sein und sind in ihrer Sichtweise, dass Gesellschaften die Juden ständig mit dem Stigma Jude zu betrachten nachvollziehbar – scheint es doch beispielsweise so, als wäre einer Hauptanzugspunkte Israels für Juden dort nicht mehr über das Wort Jude definiert zu werden – es muss jedoch die Frage gestellt sein, inwiefern dieser Ansatz nicht schon vorweg eine Bewertung inne hält.

Betrachtet man die ansteigende judenfeindliche Haltung in Europa gegen Ende des neunzehnten Jahrhunderts, scheint die These vom Antisemitismus in Korrelation zur mangelnden Integration der jüdischstämmigen Bevölkerung in einem unglaubwürdigen Licht, da hier – vor allem im Bürgertum - die Grenzen mehr und mehr verschwanden. Es ist jedoch auch nicht anzuraten, die, schon im frühen Christentum beginnende Ablehnung von Juden als unwichtig zu verwerfen, etabliert sie doch über die Jahrhunderte hinweg Ressentiments und antijüdische Feindbilder, welche von diversen Interessengruppen immer wieder reaktiviert und funktionalisiert werden. Dies lässt sich beispielsweise am Bild des „wuchernden Viehjuden“ des Mittelalters illustrieren, der in der Moderne zum Kapitalisten stilisiert wird.

Es scheint also unerlässlich einen historischen Abriss über den Antisemitismus in seinen diversen Ausprägungen zu geben, um die heutigen Bilder besser begreiflich zu machen.

Ein Beginn lässt sich hier bereits in den Kindertagen des Christentums festmachen, da die frühen

Christen, die ja aus dem Judentum hervorgingen, diese auf Grund ihrer Nichtanerkennung von Jesus Christus als uneinsichtig ansahen. Darüber hinaus lastete man ihnen direkt den Tod Christi an und brandmarkte sie als Mörder.[1]

Auf diesem Gedanken aufbauend befürchteten die Christen im Mittelalter, dass die Juden den beim Abendmahl da gereichten Wein und die Hostien – in denen sie wortwörtlich das Blut und den Leib Christi sahen – erneut zu verletzen versuchten (Hostienfrevel). Auch die in dieser Zeit ausufernden Formen von Aberglauben hatten Auswirkungen auf das Bild vom Juden im Mittelalter. So ging man etwas davon aus, dass sie Christenknaben entführen würden, da sie deren Blut für rituelle Zwecke benötigten (Ritualmord-Legende). Da das mittelalterliche Denken aus heutiger Sicht schwer nachzuvollziehen ist, weil man von einer ganz anderen Weltsicht ausgehen muss, ist es schwer zu sagen, ob hier das Bedürfnis einen Sündenbock zu finden, dass wirtschaftlicher und privater Interessen überstieg.[2]

Leichter lässt sich eine solche Klassifizierung in den folgenden „aufgeklärten“ Zeitaltern treffen. In Folge des Ausschlusses der Juden aus den Zünften, vom Grundbesitz und dem Staatsdienst, wurde viele als Bankiers tätig und spezialisierten sich auf dem Handelssektor. Hierdurch entstand eines der wesentlichen und bis heute andauernden Vorurteile über die Juden – das des habgierigen Betrügers. Mit dieser Vorstellung ist die ein jüdisches Konklommerats verbunden, welches die Welt bestimmt. Diese Vorstellungen hatte sich bereits während der französischen Revolution entwickelt und verstärkte sich während der Russischen 1917 – die vom deutschen Kaiser maßgeblich finanziert wurde – noch mehr.

Mit den Gedanken der Rassentheorie und des Sozialdarwinismus kehrte ein Wandel vom religiösen und ökonomischen zum rassistischen Antisemitismus ein. Angetrieben vom Gedanken des „survival of the fittest“ von Charles Darwin, übertrug man dieses Gedankengut auf den Menschen und sprach von „höheren“ und „niederen“ Rassen. Das apokalyptische Szenario, welches ausgeformt wurde, sah einen Endkampf zwischen der „reinen“ Rasse der Arier und der „Mischlingsrasse“ der Juden vor, in welchem nur einer von beiden überleben konnte. Die Abwertung bezog sich nicht nur auf das Blut, auch vom Körperbild des Juden hat man eine klare Vorstellung: schwach und unsoldatisch, hässlich, gebückt gehend (das Bild von Drückeberger)) und hakennäsig. Bei der jüdischen Frau ging man konträr von einer exotischen Schönheit aus.

All die aufgeführten Vorurteile erscheinen in dieser oder aktualisierter Form bis heute weiter. Dies gilt für alle Formen von Antisemitismus. Es zeigt sich hier aber, dass es schwer ist eine allgemeingültige Definition des Begriffes zu finden. Ein Versuch des „European Monitoring Center against Racism and Xenophobia“ (EUMC) versuchte ihn formal als Wahrnehmung gegen Juden bzw. jüdische Einrichtungen zu definieren, der auch auf „Nicht-Juden“ bezogen werden kann, wenn diese für Juden gehalten werden oder jüdische Interessen zu unterstützen scheinen. Er geht also von einer Täter- und nicht von einer Opferperspektive aus. Das EUMC folgt zudem einer Konzeption des Begriffes von Dietz Bering, welcher den Antisemiten als Person definiert, die gegen die Juden den Vorwurf der Konspiration macht, um die Menschheit zu schädigen und daher der Gesellschaft, in der er immer wesensfremd lebe und in seiner Falschheit entlarvt werden müsse. Er sei im Antisemitismus kurz die treibende Kraft „why things go wrong“.

[...]


[1] Dies erscheint durchaus auch in einem sehr widersprüchlichen Charakter, da die Botschaft der Widerauferstehung ja erst durch den Tod möglich wird und Christus Judas selbst eine Schlüsselrolle in diesem Ablauf prognostiziert

[2] Da es nur den Juden erlaubt war Geld zu verleihen, muss davon ausgegangen werden, dass manch einer die Hysterie nutzte, um sich von seinen Schulden loszueisen oder um persönliche Feden zu beenden. Diese Gesellschaftsstrukturen sind allerdings im Mittelalter noch nicht so ausgeprägt wie in den folgenden Jahrhunderten

Ende der Leseprobe aus 12 Seiten

Details

Titel
Antisemitismus von Links
Untertitel
Eine einführende Betrachtung
Hochschule
Justus-Liebig-Universität Gießen  (Institut für Soziologie)
Note
1,7
Autor
Jahr
2008
Seiten
12
Katalognummer
V189876
ISBN (eBook)
9783656142607
ISBN (Buch)
9783656142676
Dateigröße
498 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Antisemitismus, Judenhass, Judentum, Jude, Israel, Die Linke, Linkspartei, Verfassungsschutz, Rechtsradikalismus, Linksradikalismus
Arbeit zitieren
B.A. Sven Mally (Autor:in), 2008, Antisemitismus von Links, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/189876

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