Die Auffassung des 18. Jahrhunderts, die Ballade sei eine zeitlos wirkende Gattung, lässt sich zumindest in dem Punkt abschwächen, als dass man sagen kann sie hat in der Produktion von Gegenwartsliteratur kaum noch Bedeutung. „Die neuere Ballade, die wir Kunstballade nennen […] ist ein Gebilde des […] 18. Jahrhunderts und vom Aufschwung unserer klassisch – romantischen Literatur nicht zu trennen“ (Müller-Seidel 1963: 17f).
Gothe sagt zu dieser Zeit die Ballade sei eine Art der Dichtung in der „die Elemente noch nicht getrennt, sondern wie in einem lebendigen Ur – Ei zusammen sind, das nur bebrütet werden darf, um als herrlichstes Phänomen auf Goldflügeln in die Lüfte zu steigen“ (GOETHE nach MÜLLER-SEIDEL 1963: 19). In diesen Zeilen ist der Einfluss seiner Sturm und Drang – Zeit stark ersichtlich, Goethe zielt hier auf ein Zusammenspiel der Gattungen anstatt deren Trennung ab, wie sie noch in jüngster Zeit üblich ist.
Die Geschichte der ursprünglichen Ballade1, welche in Abgrenzung zur Kunstballade als Volksballade bezeichnet wird, soll hier nur nebenbei eine Rolle spielen. Im groben Überblick kann man sagen, dass vor allem die Volkslieder der >>Skanden<< und anderer nordischer Völker als Vorbilder für die Kunstballade standen, wie auch in Herders >>Ossian – Aufsatz<<2 ersichtlich wird.3 Herder führt hauptsächlich schwedische, dänische, schottische und andere keltische Lieder als Beispiele seiner Volksliedtheorie an. Herders Theorie der Naturpoesie sieht in der Ballade bzw. dem Volkslied, im Gegensatz zur vorherrschenden Kultur der Kunstdichtung, welche strengen Formalia unterstand, die ideale Art zu dichten. Mit seinen Thesen förderte er die Entstehung der Kunstballade und wird, v.a. bei Bürger, als Quelle der Inspiration angegeben, denn dieser hatte die Herderschen Schriften eingehend studiert und schrieb damals: „Der, den Herder aufgeweckt hat, der schon lang […] in meiner Seele auftönte, hat nun dieselbe ganz erfüllt […]“ (BÜRGER nach MÜLLER-SEIDEL 1963: 34).
Im Folgenden führe ich nun meine Hypothesen an, welche im Laufe der Arbeit überprüft werden sollen:
Hypothese 1: Der Aufsatz Herders >>Über Ossian und die Lieder alter Völker<< unterstützt ein Umdenken in der Dichtkunst und führt dadurch mit zu einer Blüte von(Kunst-)Balladen ab dem späten 18. Jahrhundert.
Hypothese 2: Die >>Edward – Ballade<< kann als gute Dichtung im Sinne Herders bezeichnet werden und unterstützt seine These der >>Volkspoesie<<.
Inhaltsverzeichnis
- I. Einleitung
- II. Hauptteil
- 1. Johann Gottfried Herder und die Lieder Ossians
- 2. Über Ossian und die Lieder alter Völker
- 2.1. Historischer und philosophischer Hintergrund
- 2.2. Herders Theorie der naturalen Dichtung
- 3. Die Theorie der Volkslieddichtung nach Herder - die „Edward Ballade“ als Prototyp?
- 3.1. Die Edward – Ballade - Historischer Kurzüberblick
- 3.2. Inhaltliche Analyse
- 3.3. Sprachliche Analyse
- 3.4. Formale Analyse
- 3.5. Zusammenfassung
- 4. Die Wirkung von Herders „Balladenprogramm“ in der Folge der Balladendichtung – Gottfried August Bürgers „Lenore“
- III. Fazit
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Arbeit analysiert den Einfluss Johann Gottfried Herders „Balladenprogramms“ auf die neuere deutsche Ballade, insbesondere im Hinblick auf die „Edward Ballade“. Sie untersucht, ob Herders Theorie der natürlichen Dichtung, welche sich in seinem Aufsatz „Über Ossian und die Lieder alter Völker“ manifestiert, die Entstehung der Kunstballade im späten 18. Jahrhundert förderte.
- Herders Theorie der natürlichen Dichtung
- Die Rolle der Volkspoesie in Herders Werk
- Die „Edward Ballade“ als Beispiel für die ideale Ballade nach Herder
- Der Einfluss Herders auf die Entstehung der Kunstballade am Beispiel von Bürgers „Lenore“
- Die Bedeutung der Ballade als Gattung in der Literaturgeschichte
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung stellt die These auf, dass Herders „Balladenprogramm“ maßgeblich zur Entstehung der Kunstballade im späten 18. Jahrhundert beitrug und die „Edward Ballade“ als Beispiel für die ideale Ballade nach Herder dienen kann. Der Hauptteil der Arbeit analysiert Herders Theorie der natürlichen Dichtung und ihre Anwendung auf die Ballade, wobei die „Edward Ballade“ als Fallbeispiel dient. Die Schlussfolgerungen aus dieser Analyse werden anhand von Bürgers „Lenore“ überprüft, um die Gültigkeit der These von Herders Einfluss auf die Entwicklung der Kunstballade zu bestätigen.
Schlüsselwörter
Johann Gottfried Herder, Ossian, Naturpoesie, Volkslieddichtung, Ballade, Kunstballade, „Edward Ballade“, Gottfried August Bürger, „Lenore“
- Arbeit zitieren
- Viktoria Kredel (Autor:in), 2012, Über Ossian und die Lieder alter Völker , München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/189913