Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Papst Pius IX
2.1. Lebenslauf
2.2. Wirken
3. Das Erste Vatikanum
3.1. Vorgeschichte
3.2. Verlauf und Ergebnisse
3.3 Übergang und Ergebnisse des Zweiten Vatikanums
4. Jurisdiktionsprimat
4.1. Definition
5. Infallibilität
5.1. Definition
5.2. Voraussetzungen
5.3. Biblische Betrachtungen
5.4. Systematische Betrachtungen
5.5. Anwendungen
6. Das Dogma der Unfehlbarkeit im Verlauf der Kirchengeschichte
7. Fazit
8. Literaturverzeichnis
Weiterführende Literatur
1. Einleitung
„Nobody’s perfect“, weiß der Volksmund zu sagen. „Irren ist menschlich“, da ist er sich sicher. Vielleicht gerade deshalb wird wohl kaum ein Dogma der katholischen Kirche stärker diskutiert, kritisiert und umstritten. Wohl kaum ein Thema trennt die Befürworter und Kritiker des Glaubens mehr. Ein jeder hat eine Meinung, einen mehr oder weniger endgültigen und strikten Standpunkt, der ihn möglicherweise sogar vom Glauben und vor Allem von der Kirche ab- bzw. fernhält. „Wie kann ein Mensch unfehlbar sein?“, fragen die einen, „Natürlich macht der Papst als Gottesmann keine Fehler“, konstatieren die anderen. Doch wer hat Recht? Kann ein schlüssiges, theologisch-wissenschaftlich fundiertes Endergebnis gefunden werden, das für alle nachvollziehbar und logisch zu erklären ist, aber dennoch keinem Glaubensgrundsatz widerspricht oder die römisch-katholische Christenheit eines entscheidenden Guts beraubt? Wie hat sich die Thematik im Verlauf der Kirchengeschichte entwickelt, wann und wie ist die Frage aufkommen und wie lautet die tatsächliche Antwort und Entscheidung der Kirche?
Die folgende Arbeit soll sich mit der Frage nach der Infallibilität und dem Jurisdiktionsprimat des Papstes beschäftigen, den Bogen zu vor Allem dem Ersten, aber auch dem Zweiten Vatikanischen Konzil schlagen und auch den damaligen Papst Pius IX. in den Kontext mit einbinden.
Dafür sollen zunächst die Biographie Papst Pius IX. und der Verlauf des Ersten Vatikanums skizziert werden, bevor die Begrifflichkeiten der Infallibilität und des Jurisdiktionsprimats des Papstes näher betrachtet und erläutert werden. Im Anschluss wird der Bogen zum Zweiten Vatikanischen Konzil geschlagen, bevor die Bedeutung des Dogmas in die Entwicklung der Gesamtgeschichte des Papsttums eingebettet wird.[1]
2. Papst Pius IX.
2.1. Lebenslauf
Papst Pius IX. wurde als Giovanni Maria Mastai-Feretti am 13. Mai 1792 in Senigallia in eine Landadelsfamilie geboren. Nachdem er ab 1802 sieben Jahre lang theologischen Studien an einem Piaristenkolleg in Volterra nachgegangen war, lebte er seit 1814 wieder in Rom, wo er von Ideen geistlicher Reformer des römischen Klerus beeinflusst wurde, bis er 1819 zum Priester geweiht wurde. Nachdem er in den drauffolgenden Jahren Posten als Auditor mit einer päpstlichen Gesandtschaft, Vorstand des Ospizio S. Michele, Erzbischof von Spoleto und Bischof von Imola inne hatte und als engagierter, aktiver Seelsorger galt, eilte ihm zu Unrecht der Ruf, ein Liberaler zu sein, voraus, unter anderem weil er Reformen in der Verwaltung des Kirchenstaates forderte. 1840 wurde er zum Kardinal und letztendlich 1846 nach einem nur kurzen Konklave zum Papst gewählt.
Nachdem er zunächst direkt an Berühmtheit und Ansehen gewann, verlor Pius seine Popularität schnell, als der neue Papst sich weigerte, aus dem existierenden Kirchenstaat ein moderneres, konstitutionelles Gebilde zu machen, wodurch der Ruf des liberalen Papstes als Mythos enttarnt wurde. Im Allgemeinen galt Pius als freundlich und nahbar, doch war er im November 1848 gezwungen, nach Gaeta zu fliehen, da die Krise, in der er sich aufgrund der schlechten wirtschaftlichen Situation und seiner fehlenden politischen Macht wiederfand, einen Aufstand auslöste. Mit Hilfe eines französischen Expeditionskorps konnte er im April 1850 wieder in Rom einziehen, wo wer am 7. Februar 1878 starb. Pius IX. war nicht nur der Papst mit der längsten Amtszeit (fast 32 Jahre), sondern auch der letzte Papa Rè, d.h. der letzte Papst-König, der neben seinem Amt als Papst auch eine weltliche Herrschaftsrolle innerhalb der Kirche einnahm.
2.2. Wirken
Die oftmals beschriebene schwache Bildung (besonders auf theologischen Gebieten)[2] Papst Pius IX. und auch die eher unzureichenden Fähigkeiten seiner Berater, sich zeitgenössischen Gedanken anzupassen[3] erschwerten ihm einen tiefer gehenden Einblick in politische und diplomatische Themen und verhinderten somit Lösungsfindungen in diesen Bereichen[4]. Dennoch konnte er auf religiöser Ebene einige Veränderungen bewirken, wobei vor Allem die Umorganisierung der kirchlichen Machtverhältnisse und Entscheidungsgewalten durch die Zentralisierung, d.h. die Verschiebung der Macht in das „Zentrum des Systems“[5], in diesem Falle nach Rom, die der Papst selbst systematisch vorantrieb[6], seine eigene geistliche Macht stärkte. Diese Machtverlagerung gipfelte in der Erklärung zum päpstlichen Primaten und seiner Infallibilität[7], die trotz verschiedener Widerstände[8] bei den Gläubigen eine „wahre Verehrung des Papsttums“[9] hervorrief, sodass die neue Rolle des Papstes in der christlichen Bevölkerung leichter aufgenommen werden konnte.[10] Weiterhin setzte sich Pius IX. für eine „Erneuerung des Ordenswesens, eine Hebung des geistlichen Niveaus des Klerus und eine allgemein Förderung des katholischen Lebens“[11] ein und förderte sowohl die Eucharistieverehrung als auch die Mariens, wobei diese letztlich durch das Dogma der Unbefleckten Empfängnis endgültig verstärkt unterstrichen wurde.[12] Als besonders wichtig stellte sich in seiner Amtszeit der Glauben an einen Kirchenstaat bzw. an eine Weltkirche heraus, stetig protestierte er gegen den weltlichen Staat, der für ihn eine Gefährdung des Heils der Gläubigen darstellte[13], wobei diese wenig Erfolg zeigten, da er Schwierigkeiten hatte, zwischen den positiven Punkten einer Säkularisierung des öffentlichen Lebens und falschen, der christlichen Lehre widersprechenden Ideologien zu unterscheiden[14]. Letztlich sah er im Liberalismus nur eine „Verneinung des Übernatürlichen“[15], sodass er sich klar gegen dessen Fortschritte aussprach. Trotz dieser Schwierigkeiten qualifizierte sich Pius IX. durch praktische Qualitäten, die sich vor Allem in besonderer Frömmigkeit und durch den Glauben an seine Aufgabe als „Priester und Hirt“[16] äußerte.[17]
3. Das Erste Vatikanum
3.1. Vorgeschichte
Im Laufe der Zeit, vor Allem zu Beginn des 19. Jahrhunderts, hatten sich nach der Revolution und Säkularisation große Probleme entwickelt, auch hatte das Papsttum stark an Ansehen verloren, sodass die Kirche gezwungen war zu handeln, sich zu einigen und auf Lösungen zu verständigen.[18] Am 29.6.1868 berief Papst Pius IX. anlässlich der 1800-Jahr-Feier des Martyriums der Aposteln Paulus und Petrus das Erste Vatikanische Konzil ein.[19] Durch sechs Kommissionen (Zentral-Kommission und fünf Sachkommissionen: die Dogmatische, Disziplinäre, Kirchenpolitische, die für Orden und die für Ostkirchen und Missionen) vorbereitet,[20] orientierte sich die Geschäftsordnung hauptsächlich an Präzedenzfällen anderer Konzilien, bsp. an denen des Konzils von Trient. Weitere Grundlagen bildeten die Grundsätze der ausschließlichen Konzilsleitung durch den Papst und die Erfordernisse einer großen Versammlung, wobei diese im Verlauf des Konzils selbst noch weiter modifiziert wurden.[21] Alle Teilnehmer, zu denen unter anderem Generaläbte und Theologenversammlungen gehörten, wurde zu absoluter Verschwiegenheit alle innerkonziliaren Abläufe und Vorbereitungen betreffend, verpflichtet.[22] Ein Ziel des Konzils zu Anfang und im Allgemeinen sollten der Kampf gegen die Irrtümer der Modernität und die Anpassung der kirchlichen Gesetze an die neue Zeit sein, wie im Folgenden auch der Erklärung des Papstes zu entnehmen sein wird. Trotz dieser Geheimhaltung stand das Konzil ab Februar 1869 in der Öffentlichkeit im Mittelpunkt einer innerkirchlichen Polarisierung, deren Streitpunkt die Unfehlbarkeitsdebatte war, deren Verfechter, die Infallibilisten, hauptsächlich gegen die liberalen Katholiken kämpften.[23] Theodor Granderath unterstreicht, dass die schlimmsten Gegner des Konzils und der Unfehlbarkeitsdebatte „nicht etwa die Andersgläubigen“[24] waren, sondern „sich leider innerhalb der katholischen Kirche selbst“[25] fanden. Er erwähnt diese als „vom Rationalismus und von den Freiheitsideen der Zeit“[26] infizierten Kreise und ausgesprochen „wissensstolze dem übernatürlichen Leben der Kirche entfremdete Professoren“[27]. In verschiedenen Quellen wird von großen Widerständen berichtet, auch von geheimen Unterschriftenaktionen, Beleidigungen und der Manipulation der Presse ist die Rede, somit heißt es, es habe sich nicht um ein „freies Konzil“[28] gehandelt. In der Tat, anfangs war es „in erster Linie der Papst selbst, der das Dogma wollte“[29] und der nur einen kleinen Kreis von bischöflichen Mitstreitern auf seiner Seite hatte. Als er den Willen äußerte, ein Konzil abzuhalten, und einige Kardinäle aufforderte, ihre Meinung kund zu tun, sprach sich nur einer gegen das Konzil aus, die anderen aber konstatierten entsprechend, ein Konzil sei „nicht nötig“[30]. Die „Machtvollkommenheit“[31] des Papstes allein dürfe absolut ausreichen, „die aufgetauchten Irrtümer zu verurteilen und die Disziplinargesetzte den Zeitverhältnissen anzupassen“[32], obwohl es dennoch von „durchschlagender Bedeutung“[33] sei, dass mit dem „gesamten Episkopat“[34] ein Urteil das Thema betreffend gefällt und eine Erklärung abgegeben werde. Papst Pius IX. selbst begründete seine Absicht, ein Konzil abzuhalten, in einer öffentlichen Ankündigung: er wolle „durch gemeinsame Beratung und vereinte Tätigkeit die notwendigen und nützlichen Heilmittel zur Beseitigung so vieler Übel, an denen die Kirche leide, mit Gottes Hilfe an[…]wenden“[35].
[...]
[1] Der gesamte Punkt 2.1. bezieht sich auf: J.Gelmi, Art. Pius, Päpste, 330-334
[2] Vgl. J. Gelmi, Art. Pius, Päpste, 330 ff. u. vgl. A. Hasler, Wie der Papst unfehlbar wurde, 90 f.
[3] Vgl. J. Gelmi, Art. Pius, Päpste, 332
[4] Vgl. ebd.
[5] P. Hürnemann, Art. Zentralismus, 1430
[6] Vgl. J. Gelmi, Art. Pius, Päpste, 331
[7] Vgl. ebd.
[8] Diese sollen im Weiteren noch genauer betrachtet werden.
[9] J. Gelmi, Art. Pius, Päpste, 331
[10] Vgl. ebd.
[11] J. Gelmi, Art. Pius, Päpste, 331
[12] Vgl. ebd.
[13] Vgl. ebd.
[14] Vgl. ebd.
[15] J. Gelmi, Art. Pius, Päpste, 331
[16] Ebd., 332
[17] Vgl. ebd
[18] Vgl. G. Schwaiger, Päpstlicher Primat, 160 f.
[19] Vgl. K. Schatz, Art. Vatikanische Konzilien, Vaticanum I, 556
[20] Vgl. ebd
[21] Vgl. K. Schatz, Art. Vatikanische Konzilien, Vaticanum I, 556
[22] Vgl ebd., 557
[23] Vgl. ebd.
[24] T. Granderath, Geschichte des Vatikanischen Konzils, 1.Band, 143
[25] Ebd.
[26] Ebd.
[27] Ebd.
[28] A. Hasler, Wie der Papst unfehlbar wurde, 107
[29] Ebd, 27
[30] A.Schraner, Unfehlbare Päpste?, 25
[31] Ebd.
[32] Ebd.
[33] Ebd
[33] Ebd.
[34] Ebd.
[35] A. Schraner, Unfehlbare Päpste?, 30