"Lustige" venezolanische Musik habe man 1934 per Kurzwelle erfolgreich von Venezuela nach Berlin übertragen, schrieb 1938 der deutsche Rundfunkingenieur H. Neumann in einem Beitrag des Jahrbuchs Weltrundfunk (Neumann: 89). Eine eher abwertende Meinung über die Musik seines Gastlandes schimmert hier durch. Dabei war so manche Musik in jenen Jahren in Deutschland nicht weniger "lustig", wie das o.g. Beispiel von Willy Rosen aus dem Jahr 1930 zeigt. Francisco Kurt Lange, der Vater der lateinamerikanischen Musikwissenschaft, sagte hingegen 1993, dass "Venezuela in Anbetracht seiner Größe und Einwohnerzahl das musikalisch am besten entwickelte Land Lateinamerikas ist" (zit. bei Labonville: 3). Der musikalische Exportschlager El Sistema spricht dafür. Beide Kommentare sollten den Leser dazu verleiten, sich näher mit der Musik Venezuelas zu beschäftigen. Sie fasziniert durch ihre Vielfalt, trotz der Nachzüglerrolle des Landes im Bereich der Kunstmusik. Das Aufeinandertreffen der indigenen, spanisch-europäischen und afrikanischen Elemente setzte vor allem in der traditionellen Musik starke Energie und Kreativität frei. Trotzdem herrscht besonders in der Ober- und Mittelschicht vor, was die Mexikaner malinchismo nennen, also die Bevorzugung von Kulturprodukten, die aus Europa oder den USA stammen.
Die Musik spielte auch immer wieder eine wichtige Rolle in den politischen Auseinandersetzungen des Landes, sei es bei den Truppen Simon Bolívars oder heute in Hugo Chávez' Programm "Aló, Presidente". Chávez benutzt Musik - manche Musiker schreiben sogar ihm zu Ehren Lieder, während andere, so Soledad Bravo, sich ihm verweigern -, aber er fördert und schützt sie auch über eine Quote, sofern es sich um einheimische Produktionen handelt. Und während Popsänger nach US-amerikanischem Muster die Hitparaden dominieren und ein Teil der Jugend MTV Latino schaut, tanzt der andere Teil joropo oder singt mit der Band Desorden Público das Lied "Políticos Paralíticos".
Der folgende Beitrag behandelt die venezolanische Musik und Musikindustrie im 20. Jahrhundert. Ein kleiner Ausflug in die Geschichte ist jedoch für das bessere Verständnis unerlässlich.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Von der Conquista bis zum 19. Jahrhundert
- Musik im 20. Jahrhundert und heute
- Kunstmusik
- Populäre Musik
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Der Beitrag befasst sich mit der Entwicklung der venezolanischen Musik und Musikindustrie im 20. Jahrhundert. Er beleuchtet die vielfältigen Einflüsse, die die venezolanische Musik prägten, von der indigenen Musik über die spanische Kolonialzeit bis hin zu modernen Trends.
- Die Entstehung und Entwicklung der venezolanischen Musik im Kontext der Kolonialgeschichte
- Der Einfluss verschiedener Kulturen auf die traditionelle Musik Venezuelas
- Die Rolle der Musik in politischen Auseinandersetzungen
- Die Blütezeit der Kunstmusik im 20. Jahrhundert
- Die Entwicklung der populären Musik in Venezuela
Zusammenfassung der Kapitel
Einleitung
Die Einleitung stellt die Musik Venezuelas als faszinierende und vielfältige Kulturform vor, die von der Begegnung indigener, spanischer und afrikanischer Einflüsse geprägt ist. Sie betont die Bedeutung der Musik in der venezolanischen Geschichte und Politik, von der Zeit Simón Bolívars bis zur Ära Hugo Chávez.
Von der Conquista bis zum 19. Jahrhundert
Dieses Kapitel beschreibt die Entwicklung der Musik in Venezuela von der Kolonialzeit bis zum 19. Jahrhundert. Es beleuchtet die Rolle der Kirche als dominierende Kraft in der Musik und die Entstehung einer nationalen Popularmusik durch den Einfluss von afrikanischen Sklaven.
Musik im 20. Jahrhundert und heute: Kunstmusik
Dieser Abschnitt befasst sich mit der Entwicklung der Kunstmusik in Venezuela im 20. Jahrhundert. Er schildert die Anfänge der modernen Musikproduktion, die Renaissance der Kunstmusik nach der langen Dominanz europäischer Einflüsse, die Entstehung der „Escuela de Santa Capilla“ und die Bedeutung von Vicente Emilio Sojo für die venezolanische Musik.
- Arbeit zitieren
- Torsten Eßer (Autor:in), 2010, "Uh, Ah, Chávez no se va", München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/190173