In meiner Bachelorarbeit beschäftige ich mich mit den Werteorientierungen junger Muslime in Deutschland. Hierbei handelt es sich um „Junge Muslime“ im Alter von 16 bis 27 Jahren, die sowohl in Deutschland geboren und aufgewachsen sind, als auch um Muslime, die eine bikulturelle Identität aufweisen. Dabei beziehe ich mich insbesondere auf Jugendliche, die aus türkischstämmigen Familien stammen, da die Mehrheit der Kinder und Jugendlichen aus Einwandererfamilien stammen und Eltern türkischer Herkunft haben. Junge Muslime in Deutschland unterscheiden sich nicht nur in einem bedeutenden Element, nämlich der Heterogenität ihrer Lebenslagen, sondern auch in Bezug auf ihre „objektive“ und „subjektive“ Befindlichkeit und hinsichtlich der Merkmale, die sie von der ersten Generation deutlich unterscheiden. Während die zweite und dritte Generation eher (unfreiwillig) in der Fremde lebt und einen Identifikationsverlust bezüglich ihrer Werte und Einstellungen der Familie erleidet, hält die erste – die Migranten-Generation - an den kulturellen Werten und Einstellungen ihrer Herkunftskultur fest. Wie allerdings die praktische Umsetzung der traditionell islamischen Werte der jungen Muslime in ihrer Realität erfolgt bzw. umgesetzt wird, kann und wird in Wirklichkeit anders sein. Die Kultur und das Herkunftsland spielt in diesem Zusammenhang eine erhebliche Rolle für die Gestaltung der Lebensentwürfe.
In meinen bisherigen Literaturrecherchen zum Thema „Geschlechtsbezogene Werteorientierungen junger Muslime in Deutschland“ bin ich kaum auf Studien gestoßen, die sich so explizit mit dieser Thematik auseinandersetzen, wie es diese vorliegende Arbeit getan hat, und deshalb lag auch meine Absicht ̶ neben meinem persönlichen Interesse ̶ darin, einen signifikanten Anstoß zu geben. Mit meiner empirischen Untersuchung hoffe ich daher, einen Beitrag zur Erforschung dieses bislang in der Forschungslandschaft unbekannten Themenfeldes zu leisten. Daher ist das Erkenntnisinteresse der vorliegenden Forschungsarbeit insbesondere anhand von qualitativen Methoden zu ermitteln, nach welchen „Normen und Werten“ sich junge Muslime in der Mehrheitsgesellschaft orientieren.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung zur Bedeutung und Aufbau der Arbeit
2. Begriffserklärung „Junge Muslime“
3. Muslimische Jugendliche ̶ Versuch einer Typologie
4. Stand der Forschung
4.1 Die Sozialisation und Bildung junger Muslime in Deutschland
4.1.1 Der Islam als normative Richtschnur für die Erziehung und Bildung
4.1.2 Erziehungswirklichkeit in muslimischen Familien
4.1.3 Erziehungsgrundsätze der Eltern
4.1.4 Geschlechtsspezifische Erziehung
4.1.5 Eigene Erziehungsvorstellungen und Erziehungsideale junger
Muslime
4.2 Religion und religiöse Werteorientierungen
4.2.1 Islam in Deutschland (Einführendes)
4.2.2 Der Grad der Religiosität
4.2.3 Religiöse Praxis
4.3 Sexuelle Wertvorstellungen und Orientierungen
4.3.1 Wichtige Werte in muslimischen Migrantenfamilien
4.3.2 Unterschiede in der Sexualerziehung von Mädchen und Jungen
4.3.3 Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen den deutschen und muslimischen Mädchen
4.3.4 Die Rolle des Glaubens in Bezug auf die Sexualität
5. Zur Methodik der empirischen Untersuchung
5.1 Das Instrument der Untersuchung: Leitfadengespräch (halbstrukturiertes Interview)
5.2 Stichprobe bzw. die Zielgruppe der Untersuchung
5.3 Merkmale der Befragten
5.4 Ergebnisse der Leitfadengespräche
5.4.1 Die elterliche Erziehung
5.4.2 Die geschlechtsspezifische Erziehung der Eltern
5.4.3 Eigene Erziehungsvorstellungen
5.4.4 Der Grad der Religiosität und die religiöse Orientierung im Alltag
5.4.5 Individuelles Verständnis über die islamische Lebensweise
5.4.6 Persönliche Konflikte
6. Fazit
7. Literaturverzeichnis
7.1 Print-Bibliograpfie
7.2 Webbibliografie
8. Anhang
8.1 Gesprächsleitfaden
8.2 Transkribierte Einzelinterviews
1. Einleitung zur Bedeutung und Aufbau der Arbeit
In meiner Bachelorarbeit beschäftige ich mich mit den Werteorientierungen junger Muslime in Deutschland. Hierbei handelt es sich um „Junge Muslime“ im Alter von 16 bis 27 Jahren, die sowohl in Deutschland geboren und aufgewachsen sind, als auch um Muslime, die eine bikulturelle Identität aufweisen. Dabei beziehe ich mich insbesondere auf Jugendliche, die aus türkischstämmigen Familien stammen, da die Mehrheit der Kinder und Jugendlichen aus Einwandererfamilien stammen und Eltern türkischer Herkunft haben.[1] Junge Muslime in Deutschland unterscheiden sich nicht nur in einem bedeutenden Element, nämlich der Heterogenität ihrer Lebenslagen, sondern auch in Bezug auf ihre „objektive“ und „subjektive“ Befindlichkeit und hinsichtlich der Merkmale, die sie von der ersten Generation deutlich unterscheiden. Während die zweite und dritte Generation eher (unfreiwillig) in der Fremde lebt und einen Identifikationsverlust bezüglich ihrer Werte und Einstellungen der Familie erleidet, hält die erste – die Migranten-Generation - an den kulturellen Werten und Einstellungen ihrer Herkunftskultur fest.[2] Wie allerdings die praktische Umsetzung der traditionell islamischen Werte der jungen Muslime in ihrer Realität erfolgt bzw. umgesetzt wird, kann und wird in Wirklichkeit anders sein. Die Kultur und das Herkunftsland spielt in diesem Zusammenhang eine erhebliche Rolle für die Gestaltung der Lebensentwürfe.
In meinen bisherigen Literaturrecherchen zum Thema „Geschlechtsbezogene Werteorientierungen junger Muslime in Deutschland“ bin ich kaum auf Studien gestoßen, die sich so explizit mit dieser Thematik auseinandersetzen, wie es diese vorliegende Arbeit getan hat, und deshalb lag auch meine Absicht ̶ neben meinem persönlichen Interesse ̶ darin, einen signifikanten Anstoß zu geben. Mit meiner empirischen Untersuchung hoffe ich daher, einen Beitrag zur Erforschung dieses bislang in der Forschungslandschaft unbekannten Themenfeldes zu leisten. Daher ist das Erkenntnisinteresse der vorliegenden Forschungsarbeit insbesondere anhand von qualitativen Methoden zu ermitteln, nach welchen „Normen und Werten“ sich junge Muslime in der Mehrheitsgesellschaft orientieren.
Bevor es zu dem inhaltlichen Kernstück dieser vorliegenden Arbeit ab Kapitel 4 kommt, werden ̶ um das Verständnis anzuregen ̶ zwei Kapitel vorangestellt. Die Abschnitte „Begriffserklärung ‚Junge Muslime’“ (Kap. 2) sowie „Muslimische Jugendliche-Versuch einer Typologie“ (Kap. 3) versuchen, die Heterogenität von jungen Muslime skizzenhaft auf der Phänoebene[3] darzustellen.
Kapitel 4 zeigt den Stand der Forschung in Bezug auf das Untersuchungsthema. In diesem Teil der Arbeit wird anhand empirischer Untersuchungen dargestellt, wie junge Muslime in der Regel sozialisiert werden. Hierbei wird im Kapitel 4.1 zunächst einmal aufgezeigt, wie ein aus islamischer Sicht vorgeschriebenes Erziehungsideal aussieht; danach folgt wie die Erziehungsideale von türkischen Eltern mit islamischem Migrationshintergrund in der „Erziehungswirklichkeit“ aussieht und wie sie ihre eigenen Kinder tatsächlich erziehen. Darüber hinaus wird auch auf die damit verbundenen „eigenen Erziehungsvorstellungen“ der jungen Muslime eingegangen.
Kapitel 4.2 widmet sich den religiösen Werteorientierungen und Vorstellungen im Hinblick auf den Grad der Religiosität und die religiöse Praxis sowie der Orientierung im Alltag junger Muslime mit türkischem Migrationshintergrund. Dabei werden der Stellenwert der Religion und ihre Ausübung im alltäglichen Leben der jungen Muslime zum Fokus gemacht.
Im Kapitel 4.3 geht es um sexuelle Wertvorstellungen junger muslimischer Mädchen, die zwischen zwei verschiedenen Werteorientierungen in muslimischen Familien aufwachsen. Hierbei wird zunächst einmal auf wichtige Werte in muslimischen Familien eingegangen. Danach werden die Unterschiede bei der sexuellen Erziehung von Jungen und Mädchen aufgezeigt. Darüber hinaus werden die Unterschiede zwischen nichtmuslimischen (deutschen) und muslimischen Mädchen veranschaulicht, und zuletzt wird angeführt, was für eine Rolle der Glaube in Bezug auf die Sexualität dabei spielt. Aufgrund der hohen Forschungsdefizitlage im Hinblick auf die Sexualität junger Muslime werde ich mich daher überwiegend auf muslimische Mädchen beziehen, da es diesbezüglich vereinzelte Studien gibt, die sich allerdings nur den muslimischen Mädchen gewidmet haben.
Kapitel 5 befasst sich mit der Methodik der von uns durchgeführten Untersuchung. Hier wird zuerst das Instrument der Datenerhebung, das sich als Gesprächsleitfaden im Anhang der Arbeit befindet (8.1), in methodischer Hinsicht erläutert (5.1). Dann folgen Erläuterungen über die Stichprobe der Untersuchung (5.2) sowie über die Merkmale der Befragten (5.3).
Im Kapitel 5.4 werden die Leitfadengespräche, die ich mit jungen Musliminnen und Muslimen mit türkischem Migrationshintergrund aus der islamischen Moscheegemeinde in Hanau durchgeführt habe, ausgewertet und die Ergebnisse der Untersuchung dargestellt. Mit der kategorienbasierten Auswertungsmethode der Leitfadengespräche als halbstrukturierte qualitative Interviews ist eine Vergleichbarkeit der Interviews gewährleistet. Die Leitfadengespräche umfassten im Wesentlichen Themenbereiche wie „Sozialisation“, Religion“ sowie die „Religiosität“. Die Unterpunkte sind dem Gesprächsleitfaden im Anhang zu entnehmen (8.1).
Im Rahmen dieser Arbeit war es ursprünglich beabsichtigt, mehr als sechs Interviews durchzuführen, was zeitlich leider nicht möglich war. Des Weiteren hatte ich zu Anfang der Arbeit vor, auch über die sexuellen Vor- und Einstellungen der Befragten mehr zu erforschen. Doch hätte dieses Vorhaben wegen der starken Tabuisierung dieses Themas im zeitlichen Rahmen dieser Arbeit kaum zu ergiebigen Ergebnissen führen können. Es wäre auch für die Interviews problematisch gewesen, weil Fragen zur Sexualität als besonders schwierig gelten.
Im Fazit (Kap. 6) werden schließlich die wichtigsten Erkenntnisse der vorliegenden Arbeit zusammengefasst und kritisch bewertet. Die Arbeit endet mit der Literaturverzeichnis (Kap. 7) und mit einem Anhang (Kap. 8), in dem das Instrument der Befragung (Geprächsleitfaden) und die transkribierten Einzelinterviews dokumentiert werden.
2. Begriffserklärung „Junge Muslime“
Bislang wurden die „Jungen Muslime“ in der Jugendforschung entweder der Gruppe der Migranten zugeordnet oder man untersuchte sie anhand der konzeptionellen Unterschiedlichkeit der religiösen Lebensführung. Da die beiden theoretischen Ansätze sich jedoch als unbefriedigend erwiesen, ist es das Ziel und von großem Interesse, die jungen Muslime als einen Teil einer pluralistischen Jugendpopulation zu erfassen.
Wenn man über „Junge Muslime“ spricht, kann man jedoch nicht einfach von einer monolithischen Gruppe ausgehen, da deren sozialen Lebenslagen weder homogen sind noch ihre Lebensentwürfe vorrangig nur durch die islamische Religion bestimmt sind. Der Begriff „Junge Muslime“ wird somit in diesem Zusammenhang eher als generationstheoretisch verortet, und prägt somit eine gemeinsame generationsspezifische Lagerung junger Muslime der zweiten und der dritten Generation, die in muslimischen Herkunftsmilieus groß geworden sind.
3. Muslimische Jugendliche ̶ Versuch einer Typologie
Wie schwierig es ist, die heterogenen muslimischen Jugendlichen unter einem Sammelbegriff und/oder Dachbegriff zusammenzufassen, wird hier im Folgenden (kurz) erläutert : „Ich sage von mir: Ich bin Muslim. Der Satz ist wahr, und zugleich blende ich damit tausend andere Dinge aus, die ich auch bin und die meiner Religionszugehörigkeit widersprechen können.“[4] Angesichts dieser Tatsache kann die skizzenhafte Beschreibung und Einordnung der jungen Muslime nur auf der Phänoebene[5] geschehen.
Religionsferne und nur wenig religiöse Jugendliche: Religionsferne und nur wenig religiöse muslimische Jugendliche bilden trotz einiger Studien aus den vergangenen fünf Jahren, die einen Anstieg der Religiosität von Muslimen konstatieren, nach wie vor eine sehr große Gruppe.[6] In der von Brettfeld und Wetzels (2007) vorgelegte repräsentative Studie gaben 19,3% der befragten jugendlichen Muslime an, „nie“ und 16,5 % nur lediglich ein paar Mal im Jahr zu beten. Zusammengefasst bilden sie immerhin 35,8 % aller Befragten.[7] Dennoch hat die Religion demzufolge nach wie vor eine nicht unangemessene Bedeutung für sie, jedoch spielt sie insgesamt keine zentrale Rolle; auch bezüglich der Alltagsrelevanz bleibt ihre Bedeutung eher gering. In der öffentlichen Debatte bleiben jene signifikanten Sachverhalte (die im Übrigen auch altersunabhängig konstatiert werden können) jedoch oft unberücksichtigt.
Fundamentale Orientierung: Alle jungen Muslime die eine enge Anbindung an die islamische Religion aufweisen, d.h. die ihre täglichen Pflichtgebete verrichten, die im Monat Ramadan fasten und regelmäßig zur Moschee gehen, weisen Merkmale einer fundamentalen Orientierung auf. An dieser Stelle ist jedoch anzumerken, dass hiermit nicht der Fundamentalismus im Sinne einer politisch instrumentalisierten Religionsausübung gemeint ist, sondern es geht den jungen Muslimen eher um die klare Vorstellung von richtigem muslimischen Handeln und das Bewusstwerden der religiösen Verpflichtungen. Sie sind häufiger eher in ethnischen homogenen Moscheegemeinden anzutreffen, wo sie sich auch in großen Verbänden wie der IGMG[8], VIKZ[9] und DITIB[10] engagieren. Dass jene Überzeugungen nicht unproblematisch sind, liegt jedoch daran, dass eine „religiöse Grundhaltung“ sich gegen abweichende Auffassungen richten kann.
Nationalistisch-islamische Orientierung: Überwiegend in türkischen Milieus sind jene Jugendliche mit nationalistisch-islamischer Orientierung vorzufinden, die sehr stark von der „Ülkücü-Bewegung“ („Graue Wölfe“) geprägt sind. Diese Bewegung ist mittlerweile europaweit vertreten und allein in Nordrhein-Westfalen haben sich mehr als 70 Vereine[11] organisiert.[12] Die Ideologie der Ülkücü-Bewegung basiert auf einer ausgeprägt türkisch-nationalistischen, Politik, die das große Ziel verfolgt, eine „Groß-Türkei“ zu errichten, die türkisch und islamisch geprägt ist. Im ideologisch-kulturellen Mittelpunkt dieser Bewegung steht die geschichtliche Untrennbarkeit von eher türkisch betonten und aber auch islamisch geprägten Bestandteile des Lebens. Die Anzahl der Jugendlichen, die der „Ülkücü-Bewegung angehören, lässt sich zum heutigen Zeitpunkt aufgrund fehlender empirischer Studien nicht quantifizieren. Ein wachsendes Interesse für diese Ideologie bei türkischen Jugendlichen lässt sich allerdings jedoch durch Berichte aus Kölner Schulen konstatieren.[13]
Aktivistische muslimische Jugendliche: Eine neue muslimische Jugendbewegung lässt sich in den letzten Jahren in den westeuropäischen Zuwanderungsgesellschaften beobachten, die sich dadurch profilieren, dass sie sich bewusst von den traditionellen und herkunftslandorientierten Lebensformen der Elterngeneration abgrenzen. Junge Muslime bemühen sich um ein neues Verhältnis von Islam[14] und moderner Gesellschaft. Es wird dabei eine Annäherung zwischen Assimilation (Inklusion) und Ausgrenzung (Exklusion) angestrebt. Die Positionierungen die vorgenommen werden, sind sehr heterogen. Derzeit können zwei Grundströmungen unterschieden werden. Die Strömung der sog. „Pop-Muslime“[15] sucht eine Partizipation auf kommunaler Ebene und eine Auseinandersetzung und Zusammenarbeit mit anderen zivilgesellschaftlichen Akteuren. Anderseits zeigt sich die neo- salafitisch[16] orientierte Strömung ablehnend bis feindlich gegenüber der offenen Zivilgesellschaft.
Resümierend lässt sich sagen, dass es die muslimischen Jugendlichen in Deutschland nicht gibt. Aufgrund ihrer Heterogenität ist deshalb eine Differenzierung notwendig und angebracht. Zudem lässt sich eine genaue Beschreibung und Abgrenzung von Typen als schwierig erweisen, da es erhebliche Schnittmengen zwischen den einzelnen Akteuren gibt.
4. Stand der Forschung
4.1 Die Sozialisation und Bildung junger Muslime in Deutschland
Forschungsergebnisse zum Kontext der religiösen Orientierung am Islam und der daraus folgenden Erziehungsvorstellungen sind in Deutschland selten zu finden. In der Regel werden lediglich türkischstämmige Familien nach ihren Vorstellungen zu ihrer Erziehungshandlungen befragt, alle anderen muslimischen Gruppen werden als Religionsangehörige nicht berücksichtigt. Auf Grund dieser Einschränkung ist nicht mit letzter Sicherheit ersichtlich, ob es sich bei der Erziehung um eine islamische oder nur eine explizit türkische Praxis handelt.
In den folgenden Kapiteln geht es nunmehr darum, aus vorherigen Untersuchungen bezüglich der Angaben der Eltern eine Erziehungswirklichkeit zu skizzieren, die auch einige Rückschlüsse auf den Stellenwert der Religion bei der Erziehung ermöglichen. Nicht nur wie die elterliche Erziehung von den türkischen Jugendlichen und jungen Erwachsenen tatsächlich wahrgenommen wird, soll anhand vereinzelter Untersuchungen dargestellt werden, sondern auch wie diese Jugendlichen bzw. jungen Erwachsenen selbst ihre eigenen Vorstellungen von Erziehung entwickelt haben. Doch zunächst wird anhand islamischer Überlieferungen veranschaulicht, wie nach klassischer islamischer Auffassung Erziehung und das Aufwachsen junger Muslime idealerweise aussehen sollte.
4.1.1 Der Islam als normative Richtschnur für die Erziehung und Bildung
Im Islam spielt Bildung und Erziehung eine äußerst zentrale Rolle. Iqra’, der Imperativ des Verbes qara’a, was „Lies“ bedeutet und mit dem Wortstamm von Qur’an zusammenhängt, war der erste Befehl Gottes (Allahs)[17] an den Gesandten Muhammad. Die Aneignung von Wissen wird somit als eine verpflichtende und allumfassende Botschaft betrachtet. Auch von zahlreichen Islam-Gelehrten[18] wird die Wichtigkeit von Erziehung und Bildung (durch die jeweiligen Standardwerke) konstatiert. Die Gelehrten stützen sich dabei auf die Primärquellen von Qur’an und Sunna[19], aus denen zahlreiche Überlieferungen hervorgehen, die das Leben des Propheten sowie dessen Aussprüche auch in Bezug auf die adäquate Erziehung von Kindern und Erwachsene schildern.[20]
Die islamische Erziehung hat die Aufgabe, die Persönlichkeit eines jeden Muslims und einer jeden Muslimin herauszubilden. Die Erziehung ist zugleich ein sowohl geistiges, körperliches als auch ein moralisches Training, das darauf abzielt, dass sowohl Männer als auch Frauen in der Lage sein sollen, den Pflichten als Muslime sowie Staatsbürger nachzukommen. Erst nach der vorislamischen Zeit (Dschahiliyya)[21] rückt der Mensch im Islam als ein für sich selbstverantwortliches Individuum ins Blickfeld. Die Vermittlung von Lebensfreude sowie die Erziehung zur Mündigkeit, Entschlossenheit und Konfliktfähigkeit gehören zu den elementaren Erziehungszielen des Islam.[22] Hierbei spielen zwei Komponenten eine maßgebliche Rolle. Zum Einen soll islamische Erziehung garantieren, dass man im Diesseits ein vorbildliches Leben führt, und zum Anderen, um dafür im Jenseits belohnt zu werden. Das ewige Leben nach dem Tod hängt somit vom weltlichen Verhalten ab.[23]
Signifikant dabei ist, dass die islamische Praxis und der Glaube (Iman)[24] nur dann einen gültigen Wert hat, wenn die Ergebenheit und die Hingabe Gott (Allah) gegenüber zuvor durch aufrichtiges (Ihsan)[25], inneres bewusstes Zustimmen geschieht.[26] Es ist hervorzuheben, dass es laut Qur’an keinen Zwang geben darf,[27] und somit ist eine mit Zwang verbundene Erziehung nicht haltbar, denn eine Zieldimension islamischer Bildung und Erziehung ist die Mündigkeit. Allerdings ist Erziehung im und zum Glauben an den Islam die religiöse Pflicht muslimischer Eltern gegenüber Gott und dem Kind. Nach islamischer Vorstellung ist zwar jedes neugeborene Kind mit einer reinen Seele geboren ̶ einem unbeschriebenen Blatt vergleichbar ̶ jedoch mit natürlichen negativen sowie positiven Anlagen. Die Aufgabe der familiären religiösen Erziehung ist daher, die Grundlagen für die Ausformungen der positiven Anlagen zu legen.
Im Qur’an spricht Gott zu den Menschen, damit sie ihre Angehörigen vor den ständigen Einflüsterungen des Satans und vor der Hölle schützen[28]. Dies bedeutet, dass die Eltern im Jenseits Rechenschaft ablegen müssen darüber, wie sie im irdischen Leben mit der verantwortlichen Erziehung für das Seelenheil der Kinder umgegangen sind.[29]
Zu den wichtigsten Erziehungsinhalten gehört, dass dem Individuum der Sinn und Zweck seines weltlichen Daseins und dessen Bestimmung erzieherisch vermittelt und erklärt wird. Der Heranwachsende soll lernen, wie man bewusst Verantwortung übernimmt, zunächst gegenüber sich selbst und dann gegenüber dem Schöpfer und der gesamten Menschheit. Aus diesen Gründen sollen wenigstens die Glaubensgrundsätze und die Hauptpflichten eines Muslims, sowie die Normen und Werte, die insbesondere die zwischenmenschlichen Beziehungen regeln, von den Eltern und den umgebenden Sozialwesen vermittelt werden. Die Kenntnisse von den wirtschaftlichen, sozialen sowie wissenschaftlichen Belangen der Gemeinschaft gehört ebenfalls zu den Grundlagen einer islamischen Erziehung. Das heißt: Um das Gleichgewicht zwischen Religiösem und Weltlichem halten zu können, dürfen daher auch weltliche Angelegenheiten nicht vernachlässigt werden, damit das zu erziehende Individuum ein mündiges, nützliches und ökonomisch selbstorganisiertes Mitglied der Gesellschaft werden kann, das seinen Lebensunterhalt für sich selbst bestreiten kann.
Die „Erziehung durch Vorbild“ ist die wichtigste Erziehungsmethode ̶ so konstatieren islamische Quellen übereinstimmend. Demnach sollen sowohl die Eltern als auch andere gesellschaftliche Sozialisationsinstanzen sich verpflichten, als authentische Vorbilder zu fungieren. Als Erfolgsgarant für eine erfolgreiche Erziehung wird die wichtigste Voraussetzung hierfür in Betracht gezogen, nämlich die Übereinstimmung in Sprache, Denken und Handeln, wie sie im „schönen Vorbild“ des Propheten Muhammad vorzufinden ist. Die Methode der „Belohnung und Wertschätzung“ für ein wohlgefälliges Verhalten wird darüber hinaus von islamischen Quellen ebenfalls konstatiert. Ziel dabei ist es, ihnen auf gute Art und Weise den Unterschied von erlaubtem und verbotenem Verhalten ans Herz zu legen.[30] Nicht auf blindem Gehorsam soll der Erziehungsvorgang basieren, sondern auf der Basis der Freiwilligkeit und des respektvollen Umgangs. Die körperliche Züchtigung wird dabei nicht als ein Mittel einer pädagogisch-islamgerechten Erziehung angesehen.
Nach klassischer islamischer Auffassung durchläuft ein neugeborenes Kind genau drei Phasen, bis es zu einem selbsthandelnden Erwachsenen wird. Die pflichtfreie Phase (0 bis 7 Jahre): Da die Kinder in der sogenannten. „Pflichtfreien Phase“ noch nicht für ihr Eigenverhalten zur Verantwortung gezogen werden können, da sie noch über kein ausgeprägtes Bewusstsein verfügen, soll der Umgang mit ihnen liebevoll und in inniger Zuwendung erfolgen, und fern von ziel- und zweckorientierter Erziehungsmaßnahmen sein. In dieser Phase sind die Kinder von allen religiösen wie gesellschaftlichen Pflichten erst einmal befreit, und die Erziehung zur Selbstständigkeit sollte zunächst von ihnen nicht gefordert werden. In dieser Phase wird dem Kind die religiöse Erziehung indirekt vermittelt, indem es z.B. mit dem täglichen Gebet, den islamischen Feiertagen oder auch mit Speise- und Reinigungsvorschriften in unmittelbare Berührung kommt. In diesem Geschehen wirken die Eltern rein erzieherisch als Vorbilder.
Die Lernphase (7 Jahre bis zur Geschlechtsreife): In dieser Phase zu Anbeginn des siebenten Lebensjahrs, werden den Kindern bzw. Heranwachsenden das religiöse Wissen und die Praxis sukzessive durch die elterliche Betreuung näher gebracht. In diesem Zusammenhang kommen auch andere Sozialisationsinstanzen wie die Schule, Moschee etc. ins Spiel. Alsdann sollen sich Kinder in der zweiten Phase alle religiösen sowie sozialen Pflichten zu Eigen gemacht haben, um ihnen schließlich auch eigenverantwortlich nachkommen zu können. Die Einweihung in religiöse Riten und Pflichten soll die spirituelle Verbundenheit zu Gott (Allah) stärken und in geistiger, moralischer Hinsicht unterstützend wirken. Ethische Wertorientierungen wie Geduld, Aufrichtigkeit, Disziplin und Solidarität sind ebenso von großer Bedeutung. Etwa mit sieben Jahren soll das Kind mit dem Einüben des rituellen Gebets vertraut werden, um es im zehnten Lebensjahr ordnungsgemäß zu praktizieren. Auch auf den 30-tätigen Fastenmonat Ramadan wird das Kind langsam vorbereitet. Mit dem Erreichen der Geschlechtsreife soll der Heranwachsende dann auch versuchen, den ganzen Fastenmonat einzuhalten. Vor allem geht es hier nicht nur um die Erfahrung des Verzichts, sondern eher darum, das Selbstbewusstsein zu stärken, wenn der Heranwachsende allenfalls sich dieser Leistung bewusst wurde.
Dritte Phase (Geschlechtsreife bis zur Ablösung vom Elternhaus): Laut Islam und Konsens der Gelehrten sind Jugendliche, die die Geschlechtsreife erreicht haben, von nun an selbst verantwortlich für ihr Handeln und tun und müssen dementsprechend auch Rechenschaft vor Gott (Allah) ablegen. In der dritten Phase werden die religiösen Riten zu einer Pflichthandlung.[31] In religiösen Belangen gelten die Jugendlichen von nun an als gleichberechtigte Partner der Eltern. Ab diesem Zeitpunkt tragen die Eltern keine Verantwortung mehr für die religiöse Erziehung ihrer Kinder, jedoch können sie den Kindern als „Wegweiser“ und/oder als „Berater“ in allen wichtigen Fragen und Angelegenheiten offen beiseite stehen. Sie sollen ihre Kinder unterstützen, indem sie die Beurteilung eigener Verhaltensweisen kritisch würdigen und die Einstellungen, ebenso wie eigene Urteilskraft anregen. Es gilt die Regel, dass die Jüngeren den Erwachsenen mit respektvoller Achtung entgegen treten.
4.1.2 Erziehungswirklichkeit in muslimischen Familien
Die bisherigen Ausführungen zum islamischen Erziehungsideal beinhalten, dass der Islam hohe Ansprüche stellt, sowohl bezüglich des allgemeinen Bildungsstatus der Eltern, als auch der religiösen Erziehung zur Mündigkeit der Kinder. In muslimischen Familien sollen demnach die Erziehungshandlungen so ausgelegt sein, dass der Mensch gebildet und gläubig, mündig und nützlich für die Gesellschaft wird. Die Erziehungswirklichkeit bei den hier ansässigen türkisch-muslimischen Elterngenerationen sieht jedoch häufig anders aus, nicht nur weil ihnen im Hinblick auf religiöses und weltliches Wissen Bildungsvoraussetzungen fehlen. Anhand von empirischen Untersuchungen zum Thema „Erziehung in türkisch-muslimischen“ Migrantenfamilien werden insbesondere die Erziehung und das Aufwachsen in Familien mit migratorischem Hintergrund dargestellt. Gegenstand der Untersuchung ist auch welche Bedeutung der Islam dabei hat. An dieser Stelle ist hervorzuheben, dass der Islam sowohl für die jüngeren Menschen als auch für die Älteren einen großen Identifikatorischen Wert hat und dass die religiöse Erziehung generationsübergreifend nach wie vor einen bedeutenden Stellenwert besitzt. Diese Erkenntnisse vermitteln quantitative sowie qualitative Untersuchungen seit der Mitte der 90er Jahre. Es sind also junge Muslime, die eine große Relevanz bezüglich ihres Selbstverständnisses haben.[32]
4.1.3 Erziehungsgrundsätze der Eltern
In der Studie „Viele Welten Leben“ von Boos-Nünning und Karakaşoglu (2004) wurden junger Mädchen mit Migrationshintergrund zum Thema Lebensrealität und Lebensvorstellungen befragt. In Hinblick auf die Aussagen „Eltern kommen an erste Stelle“ und „Meine Eltern setzen große Hoffnung in mich“, teilen fast 50 bis 60 % der Mädchen mit migratorischem Hintergrund diese Meinungen. Hierbei konstatiert auch die Literatur die hohen Ansprüche der Eltern an ihre Töchter und den festen Familienzusammenhalt.
Insbesondere sind es jugoslawische (61 %) und türkische (59%) Mädchen, die anspruchsvolle Eltern haben. Im Vergleich dazu vertreten die italienischen Mädchen (48 %) weniger die Ansicht, dass ihre Eltern zu ihnen anspruchsvoll sind. Was den hohen Stellenwert der Eltern in ihrem Leben anbelangt, so ergibt sich aus der Interviewreihe, dass insbesondere türkische Mädchen (64 %) darauf hinweisen. Verglichen mit den griechischen Mädchen liegen sie mit 58 % an zweiter Stelle. Auch im Hinblick auf die materielle Unterstützung der Eltern wurden die Mädchen befragt. Die Autorinnen kommen zu dem Resultat, dass alle Mädchen insgesamt das Gefühl haben, materiell relativ recht gut von ihren Eltern versorgt zu sein. Es ist hier anzumerken, dass die türkischen Mädchen am häufigsten das erhalten, was sie für sich beansprucht haben.[33]
Die Studie zeigt zudem deutlich, dass für Mädchen aller Herkunftsgruppen im Bereich Erziehung die Toleranz eine relevantere Rolle spielt als eine strenge Erziehung. Es sind allen voran die Mädchen mit griechischem Migrationshintergrund, die meinen, tolerant erzogen worden zu sein, dicht gefolgt von den italienischen Mädchen. Als weniger tolerant äußern sich die Mädchen, die aus Aussiedlerfamilien stammen und die Mädchen türkischer und jugoslawischer Herkunft, die auch der Ansicht sind, dass sie weniger verständnisvoll und tolerant erzogen worden sind.[34]
In der Studie zu „Jungen und Gewalt“ konstatiert Toprak (2006), dass Werte wie Höflichkeit, Respekt, Ordnung, Gehorsam und ein gutes Benehmen für die in Deutschland lebenden MigrantInnen eine sehr bedeutende Rolle einnehmen Die Migrantenkinder werden sehr früh mit den zuvor genannten traditionellen Wertvorstellungen vertraut gemacht, damit sie diese gegenüber Eltern, ihren älteren Geschwister und anderen Verwandten praktizieren können. Der Autor konstatiert einen hohen Stellenwert bei türkischen Eltern, die sehr darauf achten würden, dass ihre Kinder nicht „zu Deutsch“ werden. Deshalb konfrontieren diese Eltern ihre Kinder permanent mit dem Benehmen der deutschen Gleichaltrigen und verlangen dementsprechend auch Hochachtung und Respekt vor Autoritäten. Der Autor gibt an, dass ein erheblicher Teil der Eltern den Anschein erwecken, dass deutsche Jugendliche sich gegenüber älteren Menschen unfreundlich, respektlos, unartig usw. verhalten würden.[35]
Toprak weist darauf hin, dass die bei den türkischen Eltern im Bereich der Erziehung sowohl dem Erziehungsideal „Ehrenhaftigkeit“ sowie dem Erziehungsgrundsatz „Respekt vor Autoritäten“ eine zentrale Bedeutung zukommt. Schon in ihrer Kindheit werden die Kinder entsprechend zweier Grundsätze erzogen: „Die Beachtung der Grenze zwischen Innen- bzw. Außenwelt“ und die „geschlechtsspezifische Ausrichtung der Ehre“.
Die Pflicht nicht zu verletzen, würde auch in Deutschland gepriesen, indem man die offenkundige Grenzlinie nicht überschreitet. Vor allem werde den Jungen sehr früh beigebracht, bei eventuellen Grenzübertretungen empfindlich und entschlossen zu handeln. Die männlichen Jugendlichen sind permanent darum bemüht, ihre jüngeren Geschwister in Schutz zu nehmen, um nach außen hin den Eindruck von Zusammenhalt zu vermitteln. Der Grund, warum sie sich das oberste Ziel gesetzt haben, ihre einzelnen Familienmitglieder zu verteidigen, liegt sehr nahe, da der gesellschaftliche Kontext in Deutschland sich stark von der sozialen Umgebung in der Türkei unterscheidet. Der Erziehungsgrundsatz ist daher von großer Bedeutung.[36]
Toprak weist darauf hin, dass das Erziehungsideal „Ehrenhaftigkeit“ nicht nur die Interaktion zwischen Mann und Frau bestimmt, sondern auch das Verhältnis nach außen und innen. Für die Frauen und Männer hat das Erziehungsprinzip „Ehrenhaftigkeit“ eine unterschiedliche Bedeutung: Für die Frau soll die Virginitätsnorm bis zur Ehe beachtet bzw. eingehalten werden, und sie soll während ihrer Ehe auch treu sein. Während der Ehe hat die Treue einen besonders hohen Stellenwert. Was hingegen die Ehrenhaftigkeit des Mannes anbelangt, so ist das Benehmen seiner Frau maßgebend. Laut Toprak hat die „Ehre“ zur Folge, dass die Sexualität der Ehefrauen sowie der Schwestern und Töchtern der Kontrolle des Mannes unterworfen sind, vorausgesetzt, dass die soziale Akzeptanz den Mann als ehrenhaft ansieht, wenn er die Sexualität seiner Ehefrau, Töchter sowie der Schwestern überwacht.
Ein weiteres Erziehungsprinzip, das laut Toprak für türkische Eltern enorm wichtig sei und deshalb auch an die eigenen Kinder weitergegeben wird, ist die „Zusammengehörigkeit“ (türk. “birlik beraberlik“). Allen voran nimmt das Erziehungsideal „Zusammengehörigkeit“ in der Migration deshalb einen großen Raum ein, da die vertraute Umgebung in der Türkei hier in Deutschland nicht mehr gewährleistet ist. Dies ist auch bereits beim Erziehungsziel „Ehrenhaftigkeit“ deutlich geworden. In Anlehnung an die Studien, die sich mit den Erziehungsidealen in der Türkei auseinandersetzen, hebt Toprak hervor, dass das Erziehungsideal „Zusammengehörigkeit“ in der Türkei eine geringe Relevanz besitzt. Erst im Kontext der Migration fassen die türkischen Eltern den Zusammenhalt als gefährdet auf, und folglich fühlen sie sich gezwungenermaßen dazu angehalten, die innerfamiliäre Bindung durch den Erziehungsgrundsatz „Zusammengehörigkeit“ zu festigen.
In seiner Studie kommt Toprak zu dem Resultat, dass das Erziehungsideal „Lernen und Leistungsstreben“ für Menschen mit migratorischem Hintergrund immer mehr an Bedeutung gewinnt. Bei der Elterngeneration handelt es sich um Menschen, die in der Türkei nicht nur durch Landflucht, sondern auch durch Binnenmigration dazu gezwungen worden sind, auszuwandern. Für die Kinder dieser Generation soll Bildung als eine Partizipationsmöglichkeit im Hinblick auf zentrale gesellschaftliche Ressourcen sowie bessere Möglichkeiten der Ausbildung, und ebenso gute Arbeitsbedingungen und höhere Schulbildung gewährleistet werden. Toprak stellt zudem fest, dass die türkischen Migranten sich im Klaren darüber sind, dass sie erst in der Lage sein werden, Führungspositionen anzustreben, wenn sie viel lernen und dabei einen immensen Ehrgeiz entwickeln.[37]
Toprak weist in seiner Auseinandersetzung mit den elterlichen Erziehungsgrundsätzen darauf hin, dass die Eltern auch Methoden zur Sanktionierung der Kinder und Jugendlichen verwenden. Als häufig verwendete Sanktionierung gilt „tokat“ (Ohrfeige), was auch einen festen Bestandteil in der Erziehung darstellt. Ein tokat ist jedoch nicht mit einem Akt der Gewalt gleichzusetzen. Was die Erziehungsmethodik anbelangt, so vertreten Eltern türkischer Herkunft die Auffassung, dass ein oder zwei Ohrfeigen für die türkischen Kinder nicht von Nachteil seien. Laut Toprak ist die Ohrfeige, die türkische Eltern ihren Kindern verpassen, als Erziehungsmaßnahme nicht fern von dem „Klaps“, den Eltern aus den Mittelschichtfamilien Mitteleuropas ihren Kindern zu geben pflegen.
Bevor die türkischen Eltern anfangen würden, ihre Kinder tatsächlich zu schlagen, würden sie sie erst einmal ermahnen. Wenn das Kind sich benimmt, käme es auch nicht zu den Schlägen. Die Androhung von Prügel und Ohrfeigen würde wiederum bedeuten, dass diese eher ein verbaler Akt demonstriere, was von türkischen Familien inflationär gebraucht wird und oft ohne Folgen bleibt. Da während der Erziehung die inflationäre Androhung von Gewalt oftmals ohne sofortige Folgen bleibt, geht der Autor davon aus, dass der Bedrohungscharakter bei den Kindern so abklingen kann, dass sie damit spielerisch umgehen und sich dabei auch nicht mehr fürchten.[38]
Bei einem großen Ausmaß an „schlechtem Benehmen“ würden die türkischen Eltern auch ihren Kindern damit drohen, sie den Verwandten in die Türkei zu übergeben. In diesem Zusammenhang, so der Autor, dürfte die Verschickung in die Türkei allerdings nur vereinzelt geschehen. Bei der Durchsetzung des elterlichen Willens gibt es jedoch Fälle in denen Kinder enorme Schwierigkeiten gehabt haben, sich in der Türkei dem sozialen Leben bzw. Umfeld anzupassen, da sie in Deutschland geboren und sozialisiert wurden. Insbesondere hätten diese Kinder im Schulalltag erhebliche Probleme gehabt, da der Unterricht im türkischen Schulsystem auf großer Autorität und primär auf Auswendiglernen basiert. Mit dieser „Sanktion“ würden die Eltern die Absicht verfolgen, ihren Kindern Angst einzujagen, damit sie bei den Kindern das erwünschte Benehmen hervorrufen können.
Laut Toprak greifen die Eltern neben der Erziehungsmaßnahme „Schlagen“ und „Ohrfeigen“ auch zu Beschimpfungen, Beleidigungen sowie Anschreien. Gerade in der Pubertätsphase würden Eltern auf Mitteln wie Beschimpfungen zurückgreifen, wenn die Jugendlichen ein „unehrenhaftes“ Verhalten an den Tag legten. Mit dieser Sanktion soll den Jungen und Mädchen vermittelt werden, dass sie im familiären Gefüge eine geschlechtsspezifische Rolle einnehmen müssen und sie auch entsprechend nach außen hin zu spielen haben.
Falls jene Maßnahmen nicht die erwünschte Wirkung erzielen, würden sich die Eltern so verhalten, als ob ihre Kinder in ihrer Präsenz nicht anwesend seien. Die Kinder würden von ihren Eltern weder angesprochen noch wahrgenommen werden. Durch dieses Verhalten sollen die Kinder selbst darauf kommen, wie verärgert und missmutig ihrer Eltern sind. Jedoch betont Toprak in diesem Zusammenhang, dass diese Form der Sanktion nicht als ein bewusster Akt zu verstehen ist. Die elterliche Ignoranz sei vielmehr ein Ergebnis der Rat- und Hilflosigkeit. Käme doch das Ignorieren der Kinder seitens ihrer Eltern gerade dann zustande, wenn die konventionellen Strafmaßnahmen keinen Effekt zeigten und die Ausdrucksfähigkeit der Eltern begrenzt sei.
Ihren Kindern gegenüber seien die Eltern nicht fähig gewesen, argumentativ entgegen zu treten und daraus würde die Nichtbeachtung der Kinder resultieren. Um die Kinder für sich zu gewinnen, seien die Eltern nicht gewandt genug. Die Eltern können die Kinder nicht mit Argumentationen überzeugen, und deshalb würde darüber hinaus auch die Nichtbeachtung der Kinder resultieren. Die instinktive rituelle Bestrafung sei insbesondere bei bildungsfernen Eltern relativ beliebt und auch effektiv, da die Kinder hier in Verunsicherung geraten und schließlich über die Instanz der Mutter wieder das Gespräch suchen würden.
Auch Frese (2002) kommt in seiner Studie „Den Islam ausleben“ zu ähnlichen Ergebnissen wie Toprak. Er setzt sich mit den unterschiedlichen Erziehungsmethoden türkischer Eltern auseinander, und kommt anhand seiner von ihm geführten Interviews zu dem folgenden Resultat: Einige junge Türken sagten, dass im Rahmen der innerfamiliären Erziehung und auch im Hinblick auf die religiöse Erziehung in den Gotteshäusern (Moscheen) Verprügeln und Schlagen eine große Bedeutung zukomme.
Laut Frese unterscheiden diese Jugendlichen zwischen den gerechten Schlägen und den in ihrer Wucht unangemessenen Schlägen. Für Frese wirkt jene geschilderte elterliche Gewaltausübung befremdlich. In den geführten Gesprächen würden die Jugendlichen die Ansicht vertreten, dass die elterlichen Erziehungsmethoden aus der Sicht der Mehrheitsgesellschaft oftmals falsch interpretiert würden.[39]
Die physische Gewaltanwendung in Immigrantenfamilien gehöre laut den türkischen Jugendlichen zu einem berechtigten Bestandteil der familiären Sozialisation. Von den Interviewten konnte laut Frese sich nur ein einziger Jugendlicher dazu bekennen, dass er von seinen türkischen Eltern sowie von einem Vorbeter einer Moschee Prügel einstecken musste.
Was die Erziehungspraktiken der Eltern anbelangt ̶ so Frese in seiner Untersuchung ̶ konnte der Großteil der Jugendlichen Verständnis dafür zeigen. Obwohl die Eltern in einigen Punkten kritisiert wurden, konnten sich alle Befragten dennoch übereinstimmend auf den Standpunkt : „die haben gemacht, was sie konnten“ einigen.[40]
In Bezug auf den Einfluss der elterlichen Lebenspläne arbeitet Frese in seiner Studie heraus, dass die Migrationserfahrung sich recht unterschiedlich auswirke, vor allem darauf, inwieweit die Eltern ihr Leben planen würden. Auch wenn viele Eltern schon bereits seit Jahrzehnten hier in Deutschland leben, planen nicht wenige davon die spätere Rückkehr in die Türkei. In den Gedanken der Eltern hat das Herkunftsland sowohl eine zentrale Bedeutung für ihr künftiges Leben, als auch für ihre eigenen Kinder. Mit dem Plan in die Türkei zurückzukehren, geht gleichzeitig auch der Wunsch nach „traditionellem“ Familienleben einher, da die Befragten in der Auffassung sind, ihre Wünsche in Deutschland nicht realisieren zu können. Diese genannten elterlichen Zukunftswünsche hätten unmittelbare Folgen für die Erziehung und ̶ damit einhergehend ̶ für die Entscheidung, welchen Schulabschluss und welche Ausbildung die Kinder anstreben sollten.[41]
Mihciyazgan (1986) stellt ̶ im Gegensatz zu Toprak ̶ in ihrer Studie „ Wir haben uns vergessen: ein intrakultureller Vergleich türkischer Lebensgeschichten“ fest, dass das „Anstandsvermitteln“ nicht explizit als Erziehung zu betrachten sei. Nach ihrer Auffassung wird dadurch keine Änderung des kindlichen Verhaltens beabsichtigt. Das Vermitteln von Anstand diene in den Augen der Eltern vielmehr als eine „Formgebung“ Das Kind eigne sich hierbei die Verhaltensweisen an, die es bei älteren Menschen beobachte. Sich selbst nachahmenswert und der guten Sitte entsprechend ̶ auch einem Kind gegenüber ̶ zu benehmen hieße für die älteren Menschen „Anstand zu geben“. Laut der Autorin scheint diese Gegenseitigkeit von großer Relevanz zu sein, da nicht nur die Kinder den älteren Erwachsenen mit Hochachtung und Respekt entgegentreten, sondern auch Erwachsene sich den Respekt vor Kindern verdienen müssen. Laut Mihciyazgan relativiert sich somit die gängige Meinung, dass die Erziehungsweise der türkischen Eltern hindurch autoritär sei.[42]
4.1.4 Geschlechtsspezifische Erziehung
Im Zusammenhang mit der Erziehung gehen die Autorinnen der Studie „Viele Welten Leben“ auch der Frage nach, inwieweit sich Mädchen gegenüber ihren Brüdern benachteiligt fühlen. Der überwiegende Teil der jungen Frauen und Mädchen vertritt die Ansicht, dass sie innerhalb der Familie das Gefühl haben, nicht zurückstehen zu müssen. Eine nicht unerhebliche Anzahl schätzt sogar, dass der Umgang mit ihnen in der Familie besser sei als dies mit ihren Brüdern der Fall sei. Nur recht wenige von ihnen haben das Gefühl, dass der Umgang mit ihnen schlechter sei als der mit den Jungen, so die Autorinnen.
Laut der Studie vertreten 20 % der befragten italienischen Mädchen die Ansicht, dass sie in der Familie nicht so gut behandelt würden wie die Jungen. Bei den Mädchen mit jugoslawischem Hintergrund beklagen sich 18 % und bei den türkischen Mädchen sind es 16 %, die sich auch darüber beklagen, dass sie schlechter behandelt werden als Jungen. Sowohl italienische, jugoslawische wie auch türkische Mädchen vermitteln übereinstimmend das Gefühl, deutlich schlechter behandelt zu werden als die Jungen.[43]
Darüber hinaus hat die Studie auch ergeben, dass die Mädchen durchaus fähig sind, ihre Herzenswünsche gegenüber ihren Eltern zu äußern. Für die Vorgehensweise der Mädchen, sich bei ihren Eltern mit den eigenen Interessen durchzusetzen, haben die Autorinnen von acht Möglichkeiten nur drei herausgestellt die charakteristisch sind:
̶ „Sich mit der Person bzw. mit der Situation auseinanderzusetzen (individualistische -Durchsetzungsstrategien).“
̶ „Die Eltern zu überzeugen oder den Vater „herumzukriegen“
̶ „Sich mit Hilfe Dritter, der Freundinnen oder der Mutter durchsetzen (Einschaltung Dritter).“
Laut Boos-Nünning/Karakasoglu (2004) haben die befragten Mädchen überwiegend angegeben, ihren Interessen insofern nachzugehen, dass sie ihre Eltern überzeugen. Rund ein Viertel der jungen Frauen sowie Mädchen würden diese Art von Strategie anwenden. Ein geringer Teil der Mädchen (6 %) würde heimlich Aktivitäten nachgehen, die ihnen eigentlich von den Eltern nicht erlaubt seien.[44]
Boos-Nünning/Karakasoglu machen deutlich, dass es in Bezug auf die Durchsetzungsstrategien der Mädchen mit unterschiedlichem nationalem Migrationshintergrund klare Abweichungen bei prinzipiell identischen Mustern gebe. Dabei seien die Mädchen mit türkischem Migrationshintergrund diejenigen, die am defensivsten vorgingen, wenn es darum gehe, ihre eigenen Wünsche durchzusetzen. Wenn die Mädchen bei der Durchsetzung keinen Erfolg erzielen, würden viele von ihnen entweder auf ihre Wünsche verzichten oder sie auf Eis legen. In der Regel würden sie nur das tun, was ihre Eltern von ihnen verlangen. Mädchen mit Aussiedlerhintergrund würden sich den türkischen Mädchen dagegen in dieser Frage diametral entgegengesetzt verhalten. Besonders klar und deutlich ausgeprägt seien hier die Strategien, mit denen sie ihre Wünsche bei den Eltern durchzusetzen wissen.
Toprak (2006) hat sich in seiner Studie auch mit dem Thema, welchen Stellenwert Jungen innerhalb einer türkischen Familie haben, beschäftigt. Zunächst einmal fand er heraus, dass Kinder einen großen Stellenwert für Familien mit türkischer Herkunft darstellen. Ein verheiratetes türkisches Paar würde z.B. von der türkischen Community nicht als „eine Familie“ wahrgenommen werden. Die Ehe könnte in die Brüche gehen, falls keine Kinder aus ihr hervorkommen sollten. Ein frisch vermähltes Paar ̶ so Toprak ̶ stehe deshalb unter einem immensen Druck, da es schnell ein Kind zu zeugen habe, um den Erwartungen der Familie gerecht zu werden. Für die frisch Vermählten sei das Geschlecht vom allerersten Kind zunächst einmal nicht von erheblicher Bedeutung. Auf dem Land allerdings würde sich das Ehepaar jedoch spätestens nach dem ersten Kind einen Sohn wünschen.
Den Wunsch nach vielen Kindern und insbesondere nach Jungen hat laut Toprak ein großer Teil der türkischen Familien. Für die Bevorzugung von Jungen steht der wirtschaftliche Faktor im Vordergrund. Da die Verdienstmöglichkeiten gering sind und möglicherweise mit Sozialhilfe und langanhaltender Arbeitslosigkeit in Deutschland zu rechnen ist, hoffen die Eltern später auf Versorgung durch ihre Kinder.[45]
Grundsätzlich teilen Eltern mit türkischem Migrationshintergrund die erzieherische Disziplinierung der Kinder geschlechtsspezifisch auf, so dass die Väter die Söhne unterweisen und die Mütter die Töchter. Zwischen den Geschlechtern ̶ von null bis drei Jahren ̶ wird zunächst einmal kein unmittelbaren Unterschied gemacht, da die Kinder für ihr Verhalten bzw. ihre Haltung noch nicht zur Verantwortung gezogen werden. Jedoch im Alter zwischen drei und sechs Jahren ist dies nur bedingt der Fall. Abgesehen von der behütenden Instanz Familie erfährt das Kind von nun an auch die sanktionierende und strafende Seite familiärer Erziehung, die es bis dahin nicht erfuhr. Das Verhalten der Eltern verändert sich im Zuge der psychischen und intellektuellen Entwicklung des Kindes, das nun mehr geschlechtsspezifisch ausgerichtet ist.[46]
Gegenüber den Söhnen beginnt in traditionellen Familien ab dem dritten Lebensjahr die eigentliche Erziehung zum Mann. Die Jungen sollen durch diese explizit geschlechtsspezifische Erziehung auf die Leitung einer Familie vorbereitet werden. Die erzieherische Verantwortung für die Jungen wird sukzessiv von der Mutter auf den Vater übertragen. Rollenmuster, arbeitsrelevante Fertigkeiten und Aufgaben lernt der Junge vom Vater, mit denen sich ein Mann auseinandersetzen muss.[47]
In der Untersuchung von Mertol (2007) zum Thema: „Männlichkeitskonzepte von Jungen mit türkischem Migrationshintergrund“ wird deutlich, dass zwei befragte Jungen die geschlechtsspezifische Erziehung in der Familie betonen. In der Erziehung zwischen einem Jungen und einem Mädchen werden dabei deutliche Unterschiede erkennbar. Hierbei würden Jungen mehr Freiheiten genießen, was zur Folge habe, dass sich ihr Aktionsradius überwiegend auf die Freizeitsituation im Außenbereich auswirken würde. Hingegen würden die Töchter in der Erziehung restriktiver behandelt werden und somit mehr an das Häusliche gebunden. Dieses geschlechtsspezifische Konzept haben die beiden Jungen internalisiert und sich zu Eigen gemacht. Auch geht es einher mit einem ausgeprägten Ehrkonzept. Die Befürchtung liegt bei beiden Jungen nahe, dass die Ehre der Familie ̶ und somit auch die des Vaters ̶ durch das Verhalten der zukünftigen Töchter in der Öffentlichkeit „beschmutzt“ werden könnte. Die größte Angst bei Anelka liegt darin, dass um die Beziehungen seiner Tochter mit Jungen „dedikodu“ (öffentlicher Tratsch) aufkommen könnte, wonach eine mögliche Heirat gefährdet sein könnte. Demensprechend würde er auch die Jungfräulichkeit seiner Tochter erwarten. Ebenfalls ein traditionelles Rollenbild des Mannes wird auf die Frage nach den Rollenbildern und Aufgaben, die die Väter ihren Söhnen in der Erziehung weitergeben sollten, vertreten. Die Leitungs- und Leistungsfunktionen in und außerhalb der Familie stehen im Mittelpunkt sowie die Vorbereitung der Söhne auf das heiratsfähige Alter:
„ Ja, der hat ne Aufgabe um mich großzuziehen ähm (…). Der muss für sein Haus sorgen, für sich selber sorgen, für seine Familie sorgen und damit dafür sorgen, dass er ähm später so ne Bildung hat. So ne, weiß ich nich, vernünftige Schule, vernünftige Ausbildung, vernünftiges Arbeit, ne? Das muss er tun. Äh, er muss ihn großziehen, dann muss der ihm was zu essen und zu trinken geben, das ist generell so. (…) D.h. die Aufgabe eines Vaters ist es den Jungen großzuziehen, sich um ihn zu kümmern, ihn in das heiratsfähige Alter zu bringen, dafür zu sorgen, dass er einer Arbeit nachgeht und dann ihn zu verheiraten“ (Tunci, 22 J.).
Einer der Väter anderseits empfiehlt seinem Sohn, sich mit der Gründung einer Familie Zeit zu lassen; -eher ein Indikator für das Konzept einer verlängerten Jugendphase:
„Ja, Verlobung, Verheiraten, nicht so früh und einfach Zeit lassen. Dein Leben erst ma leben, ne“ (Ata, 17 J.).[48]
In seinen Untersuchungen macht Toprak den Aspekt „Förderung der Erziehung zum Selbstbewusstsein“ explizit in der Erziehung der türkischen Jungen aus. Das Selbstbewusstsein für den Jungen impliziert hiernach in diesem Zusammenhang den männlichen Habitus wie Stärke, Virilität und Willenskraft. Wie Toprak in einer Befragung verdeutlicht, müssen die Jungen die männlichen Rollen übernehmen, die vom Vater gefördert werden, um diesen männlichen Habitus nach außen hin präsentieren zu können. Bei den Jungen wird jedoch auch das Selbstbewusstsein im Sinne von Selbstverwirklichung und Eigeninteresse kategorisch abgelehnt.[49]
Die Ambivalenz des Begriffs kommt damit hier deutlich zum Vorschein, weil nur in Verbindung mit der Übernahme von männlichen Rollenmustern das selbstbewusste Auftreten gefördert wird.
Der Inbegriff des Mann-Seins, d.h. was das Mann-Sein ist und wie „man“ das wird bleibt ̶ laut Atabay ̶ für die heranwachsenden Kinder und Jugendlichen offen und diffus. Das Fehlen eines expliziten Jugendkonzepts in der „türkischen Kultur“ als Übergangsphase eines psychosozialen Moratoriums ist in diesem Zusammenhang auch von Bedeutung. Eher auf dem Konzept eines unmittelbaren Übergangs vom Kind zum Erwachsenen basiert die alltagstheoretische „Entwicklungspsychologie“ türkischer Eltern. Dies bedeutet für die türkischen Jugendlichen, dass wichtige adoleszente Entwicklungsaufgaben und Erfahrungsräume der westlichen Jugendphase (z.B. das Verliebt sein, Verselbständigungsprozesse in der Adoleszenz, familiäre Ablösungsprozesse, die Entwicklung eigener biographischer Zukunftspläne etc.) oft nicht vorhanden oder nur rudimentär entwickelt sind. In Bezug auf das Geschlechterverhältnis gibt es zwar ein klares dichotomes Rollenverständnis und eine klare Rollenaufteilung, jedoch bleiben darüber hinaus entwicklungs- und kompetenzbezogene Fragen ̶ z.B. was es bedeutet, Vater zu sein; was es heißt, sein Kind zu lieben; welche Nähe erlaubt und welche Distanz notwendig ist und wie die Grenzen und Regeln definiert werden ̶ bei diesen Rollenaufteilungen und Rollenverständnissen weitgehend ungeklärt.[50]
4.1.5 Eigene Erziehungsvorstellungen und Erziehungsideale junger Muslime
Im Hinblick auf ihre Erziehungsvorstellungen sehen sich viele der befragten jungen Muslime als tolerant: Als sehr wichtig wird weiterhin die Weitergabe religiöser Inhalte und/oder Werte an ihre eigenen Kinder erachtet, jedoch sollen die Kinder selbst zum Glauben finden. Gleichzeitig wird den Kindern auch gegenüber den Eltern ein Vetorecht eingeräumt, falls ihre Handlungen im Widerspruch zu den islamischen Grundsätzen sein sollten.
Insbesondere junge Musliminnen setzen diese Toleranz auch bei ihren potenziellen Ehemännern voraus. Allen voran geht es ihnen um eine vernünftige, dem Islam entsprechende Ausübung von elterlicher (sowie männlicher Autorität), die auch die Persönlichkeitsrechte der jungen Frauen wahrt. Eine freiwillige Selbstverpflichtung wird hierbei vom Ehepartner gefordert, der sich als „wahrer“ Muslim „freiwillig aus der Einsicht des Besseren heraus an die islamischen Regeln einer reziproken Gleichberechtigung bindet.“[51]
Unter Emanzipation verstehen die Frauen allerdings eher die Freiheit zu haben, sich zu bilden, ein selbstbestimmtes sowie ein selbstverantwortliches Leben (im Rahmen der von Gott gesetzten Grenzen) führen und gestalten zu können.[52]
In der empirischen Untersuchung zum Thema „Orientierungen bei türkischen Lehramts- und Pädagogikstudentinnen in Deutschland“ hat Karakaşoglu (1999) neun Diplompädagogik-Studentinnen zu Themenkreisen wie Familie, religiöse Sozialisation, religiöse Praxis, Kleidung und Kopftuch und ebenso zur Erziehung der Kinder befragt. Narrative Interviews bilden die Grundlage für diese qualitativ ausgerichtete Befragung, bei denen die Befragungsgruppe nicht primär nach Bekenntnis oder Zugehörigkeit, sondern nach islamisch geprägtem Familienkontext als individuellem Hintergrund gebildet wurde. Karakasoglu hat (durch ihre eigenen persönlichen Kontakte) mit sieben Alewitinnen, neun Sunnitinnen ohne Kopftuch und zehn Sunnitinnen mit Kopftuch (im Alter zwischen 20 und 26 Jahren) Gespräche geführt, deren Aussagen sie nach verschiedenen Kriterien der strukturierenden qualitativen Inhaltsanalyse auswertete. Karakasoglu vergleicht im ersten Abschnitt ihrer Untersuchung allgemein Religiosität und Erziehungsvorstellungen in türkischen Familien in der Türkei und in Deutschland. Zur Interpretation der Befragungsergebnisse zu religiösen Orientierungen bei türkisch-muslimischen Studentinnen hat sie sich der Erkenntnisse von Clifford Geertz über die Entwicklung von islamischer Religiosität in der Moderne bedient.
Anhand ihres empirischen Materials hat die Autorin eine differenzierte Typenbildung nach Alewitinnen und Sunnitinnen vorgezogen und die Probandinnen als Laizistinnen, Atheistinnen, Spiritualistinnen sowie Ritualistinnen eingestuft. Schließlich hat sie darüber hinaus jeweils die familiären und religiösen Erziehungsvorstellungen und religiösen Einstellungen untersucht. Zu den wichtigsten Erkenntnissen aus ihrer empirischen Studie gehört, dass alle Probandinnen ̶ unabhängig von ihrer Zuordnung zu einem bestimmten Typ religiöser Orientierung – die Zugehörigkeit zum Islam als einen wichtigen kulturellen Bezugspunkt interpretieren. Die Befragten weisen ein säkulares Grundverständnis auf und vertreten die Auffassung, dass Religiosität eine private Angelegenheit des Einzelnen sei. Alle Interviewten befürworten im Zusammenhang mit der Frage der Erziehungsinhalte und Ziele, dass die elterlichen Erziehungsentscheidungen den Kindern gegenüber transparent gemacht werden, indem eine partnerschaftliche Beziehung zum Kind gepflegt wird. Sie lehnen in diesem Zusammenhang auch rigide und autoritäre Erziehungsmethoden ab. Auf die Vermittlung islamischer Grundlagen ̶ insbesondere durch Qur’an-Kurse und Religionsunterricht ̶ legen alle Probandinnen, auch die äußerlich „nicht religiös“ in Erscheinung tretenden türkischen Pädagogikstudentinnen, einen hohen Wert.[53] Die religiöse Auslebung und eine moderne Erziehung stellen nach dem Verständnis der angehenden Pädagoginnen keinen Widerspruch dar.
In der Studie „Männlichkeitskonzepte von Jungen mit türkischem Migrationshintergrund“ von Mertol (2007) kann man bei den untersuchten Jungen hinsichtlich ihrer künftigen Erziehungsvorstellungen und ihrer antizipierten Rolle als Väter demgegenüber erkennen, dass ein sozialer Wandel der Einstellungen stattfindet. Nach Reflexionsprozessen sprechen sich vier der Jungen über die eigenen Väter für eine Vaterrolle aus, die für die intensive Beschäftigung mit den Kindern als wichtigstes Element vorgesehen wird. Dieser Wandel greift auch auf die Qualität der Vater-Kind-Beziehung über. Als besonders wichtig wird bei Tunci eine freundschaftliche und damit partnerschaftliche Beziehung zu den Kindern empfunden. „Hier lassen sich somit eher modernisierte, d.h. liberale, emotionalisierte und partnerschaftliche Beziehungen im Verhältnis zwischen Vater und Sohn konstatieren: allesamt Elemente, die in dem Leitbild einer traditionellen türkischen Erziehung eher eine nachrangige Rolle spielen.“ In der Charakterisierung von Tunci wird der neue Typus des „türkischen Vaters“ sichtbar: Im alltäglichen Familienleben ist der Vater auch insbesondere für die Kinder anwesend und greifbar. Er soll nicht mehr die unangreifbare, strenge und strafende Instanz, sondern der hilfsbereite Freund der Kinder sein:
„Spaß soll er haben, man soll mit ihm Spaß machen können, und soll halt ähm, (…) Der soll halt, weiß ich nich (…). Der soll zeigen, soll wie’n Freund so. (..) (~) das is mein Freund, das ist mein Sohn. Ich bin da für ihn als Vater oder für ihn als Freund, so helfen halt, ne“ ( Tunci, 22 J.).
Auch im Hinblick auf die zukünftige Tochter gilt das Muster einer partnerschaftlichen Beziehung; Eher an einer gleichberechtigten Erziehung gegenüber Mädchen und Jungen orientiert sich Tunci:
„Ich würde mit meinem Kind, egal ob das n‘ Mädchen oder ein Junge is. Ich würde mit meinem Kind, ähm, halt so wie n‘ Freund sein ja, d.h. ich würd mit ihm alles teilen, alles“ ( Tunci, 22 J.).
In Bezug auf die künftigen Erziehungsvorstellungen fallen allerdings auch deutliche Unterschiede im Vergleich der fünf Jungen auf. „ Während Tunci und Yussi mehr freundschaftlich-unterstützende und damit liberale Aspekte ̶ wobei moderne und traditionelle Aspekte sich vermischen – in der Erziehung in den Vordergrund stellen, neigt Cici mehr zu emotional-leistungsorientierten Aspekten.“ Eher autoritäre Erziehungsstiele betonen dagegen Ata und Anelka, insbesondere auf eine geschlechtsspezifische Erziehung. Ebenfalls anhand von Tunci soll die Gleichzeitigkeit von traditionellen und eher modernisierten Aspekten gezeigt werden. Tunci will sich bei der Erziehung sowohl für partnerschaftliche Elemente engagieren, als auch für mildere Formen körperlicher Strafen gegenüber seinen Kindern, die er auch für richtig hält. Er geht dabei von einem traditionellen türkischen Sprichwort aus, wonach die Tochter geschlagen werden darf, um dadurch sowohl ein gewünschtes Verhalten in der Erziehung zu erreichen, als auch Gehorsam und Kontrolle zu garantieren:
„Unseren Türken oder egal Muslimen (..) d.h. Kinder kann man schlagen, weißt du? Ich sag ma so, nicht so richtig hauen so, es gibt ein Sprichwort: Wer sein Tochter nicht schlägt, hat später das Nachsehen. D.h., du musst schon auch, ähm, erzeugen können ne, was Sache is und so“[54].
Auf Nachfrage betont er in diesem Zusammenhang auch die Wichtigkeit von „saygi“[55], „seref“[56] und „namus“[57], die ein Kind lernen müsse.
„Ja, ja. Diese Dinge musst du einem Kind beibringen“ (Tunci, 22 J.).
Fasst man dieses Vaterbild der Interviewpartner zusammen, dann steht neben der sozialen Sicherungs- und der Integrationsfunktion des Vaters („die Familie zusammenzuhalten“) auch die „Auseinandersetzung“ mit den Kindern“ als wichtige Komponente im Mittelpunkt des pädagogischen Leitbilds dieser türkischen Jungen.
4.2 Religion und religiöse Werteorientierungen
Das Thema „Religion“ wurde in der empirischen Jugendforschung für lange Zeit außen vor gelassen. Die wenigen Studien, die bisher über die „Religion und/oder der Religiosität“ von Jugendlichen in Deutschland entstanden sind, sind zudem nahezu nur auf deutsche Jugendliche angelegt. Auch in zahlreichen Studien zum Thema Lebenssituation von Jugendlichen mit migratorischem Hintergrund kam dem Thema „Religion“ lediglich ein geringer Stellenwert zu. Erst seit Mitte der neunziger Jahre ist die religiöse Orientierung von Zuwanderern ̶ allen voran Jugendlichen mit türkischem Hintergrund ̶ verstärkt zum Gegenstand sozialwissenschaftlicher Untersuchung geworden.[58]
Neueste Studien bezüglich der Religiosität von jungen Musliminnen und Muslimen dokumentieren, dass ein Teil der Jugendlichen ̶ auf der Suche nach einer authentischen Lebensführung in der Moderne ̶ sich bewusst der islamischen Religion zuwendet bzw. sich zurückbesinnt. Sie zeigen, dass die islamischen Orientierungen der Jugendlichen sehr unterschiedlich angelegt sind und exponieren dabei die Eigenständigkeit des Islamverständnisses in ihrer Suche nach dem „wahren Islam“. Für die Herausbildung einer „authentischen Ich-Identität“ setzen sie hierbei die Wichtigkeit der islamischen Orientierung und Lebensführung voraus.
Diese Studien wurden jedoch größtenteils mit qualitativen Methoden durchgeführt; sie weisen geringe Fallzahlen auf und sind gekennzeichnet durch eine selektive Auswahl der Befragten und die Fokussierung auf eher bildungserfolgreiche Muslime. Die Gewichtung individueller und kollektiver Orientierungen, der Zusammenhang von Religiosität, Wertorientierungen und Handlungspraxis wie auch die Folgen von Religiosität auf Prozesse der Segregation und Integration werfen eine Reihe von ungelösten Fragen auf, die durch die Studien bis dato nicht befriedigend beantwortet werden konnten.[59]
Im Sommer 2005 führte die Stiftung Zentrum für Türkeistudien eine bundesweite, repräsentative telefonische Befragung von 1.000 erwachsenen türkischstämmigen Muslimen durch. 251 der Befragten waren im Alter zwischen 18 und 29 Jahren. In der Studie sollten die verschiedenen Facetten des religiösen Alltagslebens der jungen Muslime mit türkischem Migrationshintergrund, der Grad der Religiosität und die Bedeutung der Einhaltung muslimischer Vorschriften untersucht werden. Entwicklungen können durch den Vergleich mit einer ähnlichen Studie aus dem Jahr 2000 aufgezeigt werden.
4.2.1 Islam in Deutschland (Einführendes)
Es leben heute bereits ungefähr 4,2 Mio. Muslime in Deutschland, wovon ca. 2,7 Mio. aus der Türkei stammen. Fast die Hälfte aller in Deutschland lebenden MigrantInnen gehört der islamischen Religion an. Die Sunniten (2,2 Mio.) bilden den Großteil der Muslime, gefolgt von den Schiiten (400.000) und den Aleviten (340.000).[60] Nach Nationalitäten differenziert stammt der wesentliche Teil der Muslime aus der Türkei (60 %), dem Iran (2 %), Afghanistan (2 %) und Marokko (2 %), sowie kleine Teile aus dem Libanon (1 %), Pakistan (1 %) und Tunesien (1 %).[61] Der Islam zählt mittlerweile zur drittgrößten Religion in Deutschland und ist längst zu einem dauerhaften Bestandteil der deutschen Gesellschaft avanciert. Die zweite und dritte Migranten-Generation, und damit verbunden auch die langfristige Ausrichtung des Lebens in der Aufnahmegesellschaft haben dafür gesorgt, dass der Islam und die Muslime in den deutschen Städten immer wahrnehmbarer werden, z.B. durch Moschee-Bauten. Mit dem endgültigen Verbleib in Deutschland wächst sowohl das religiöse Engagement als auch der Bedarf, den eigenen Glauben nach außen hin angemessen präsentieren zu können. Hierfür gilt es, die eigene religiöse und institutionelle Infrastruktur aufzubauen sowie die zunehmende Vernetzung und rechtlichen Bestrebungen zur Erlangung eines bewährten Status als anerkannte Religionsgemeinschaft. Der Islam wird vor diesem Hintergrund von der Mehrheitsgesellschaft deutlicher wahrgenommen und zum Gegenstand und Akteur gesellschaftlicher Entwicklungen in Deutschland.[62]
Der Islam tritt nicht selten als Objekt von Ablehnung und Misstrauen sowie als Adressat von Dialogangeboten in der öffentlichen Sphäre auf. Auch der politische Diskurs setzt sich mit den Voraussetzungen auseinander, die geschaffen werden müssen, um ein möglichst harmonisches Zusammenleben zwischen Muslimen sowie Nichtmuslimen zu fördern. Die strukturelle Grundproblematik, die den Islam jedoch in diesem Zusammenhang kennzeichnet, hängt damit zusammen, dass er nicht hierarchisch strukturiert ist, wie es andere Kirchen sind. Es existieren weder Klerus noch Bischöfe noch gibt es ein oberstes Gremium oder zentrale Lehrautoritäten, deren Verlautbarungen alle Gläubigen einbinden. Zudem existieren auch keine Formalitäten zur Mitgliedschaft oder ein Aufnahmeritus. Der Eintritt in den Islam geschieht ganz einfach durch ein persönliches Bekenntnis. Da im Islam so gesehen jeder Autoritätsperson werden kann, stehen die Verantwortlichen der Politik und Verwaltung vor der vermeintlichen Frage, wer denn als Ansprechpartner für alle Muslime fungieren sollte. Um den Anforderungen der deutschen Akteure gerecht zu werden, diskutieren alle bestehenden Dachverbände der Moschee-Vereine nach wie vor mit dem Ziel, einen Gesamtzusammenschluss herbeizuführen. Die Auseinandersetzung mit dem Islam hat jedoch seit dem 11. September eine neue Qualität bekommen, die nicht nur zwischen den muslimischen Ländern und den westlichen Staaten, sondern auch hier in Deutschland zu beobachten ist. Immer konfrontativer wahrgenommen wird das Verhältnis zwischen der westlichen Lebensweise und dem Islam. In der Öffentlichkeit wird zwar der „Konflikt der Kulturen“ immer negiert, was jedoch die Art und Weise anbelangt, wie man über das Zusammenleben mit dem Islam (oder Muslime) in Deutschland spricht, zeigt diese eher eine heraufbeschwörende Haltung. Das gestiegene Interesse der seitens der Mehrheitsgesellschaft und die Vergegenwärtigung der Notwendigkeit eines differenzierten Zugangs zu dieser Religion stehen vor dem Vorzeichen eines Problems, das gelöst werden muss. Durch die Behauptung, dass die Moderne und der Islam unvereinbar seien, wird innerhalb der Religion ein Desintegrationspotenzial vermutet. Der gesellschaftliche Diskurs über den Islam und die Muslimen in den vergangenen Jahren hat dazu beigetragen, dass Muslime ihre religiöse Identität selbst prüfen und hinterfragen, was zur Folge hat, dass sie sich mehrheitlich deutlicher zur islamischen Identität bekennen als vorher. Als gescheiterte Integration wird in der öffentlichen Debatte auch oftmals die wachsende Anzahl junger Migranten gesehen, die sich deutlicher zum Islam bekennen als vorher.
Auch wenn eine beträchtliche Anzahl der Muslime schon seit mehr als 40 Jahren in Deutschland leben, ist die Religion für sie fremd und unbekannt geblieben. Hierbei wird sehr wenig beachtet, dass sich der gelebte Islam in Deutschland sowohl durch die Diaspora und Migration als auch durch die Heterogenität der Lebensstile immer mehr differenziert: es gibt viele unterschiedliche Lebensentwürfe. In diesem Zusammenhang konstatieren qualitative Studien, dass insbesondere junge Muslime nach einer islamischen Lebensweise suchen, die es ihnen erlaubt, Konflikte zwischen der westlich orientierten Aufnahmegesellschaft zu vermeiden; diese Muslime wollen ein Bestandteil der pluralistischen Gesellschaft sein.[63]
4.2.2 Der Grad der Religiosität
In der Studie des Zentrums für Türkeistudien beschreiben sich ein Fünftel der türkischstämmigen Muslime „laut Eigendefinition“ als sehr religiös, und als eher religiös definierte sich die Mehrheit von 60 %. Nur lediglich 14 % würden sich als eher nicht religiös bezeichnen und als gar nicht religiös bezeichneten sich 5 %. Die 18- bis 29-Jährigen würden sich im Gegensatz zu den älteren Muslimen als weniger religiös sehen, und doch sind die Unterschiede auffallend gering.
Wenn man jedoch einen Vergleich zwischen diesen Ergebnissen und den Befragungsergebnissen aus dem Jahre 2000 zieht, erkennt man, dass der Grad der subjektiven Religiosität bei jungen Muslimen bis dato deutlich gestiegen ist. Als sehr religiös sahen sich damals nur 5%, als eher religiös bezeichneten sich 59 %, und ein Drittel bezeichnete sich als eher nicht, sowie 3 % als gar nicht religiös. Je nach Schulbildung variiert die Religiosität nur gering, und entgegen den Erwartungen nimmt sie jedoch tendenziell zu. Die Differenzierung nach Aufenthaltsdauer und dem Grad der Religiosität zeigt jedoch, dass die Religiosität mit steigendem Aufenthalt in Deutschland leicht abnimmt. Die in Deutschland geborenen und/oder hier aufgewachsenen jungen Migranten sind seltener eher und sehr religiös, im Vergleich zu denjenigen, die erst im Erwachsenenalter in Deutschland einwanderten.[64]
Aus der Shellstudie 2000[65] ergab sich, dass sich 27 % der deutschen Jugendlichen, jedoch nur 6% der türkischen Jugendlichen keiner Religionsgemeinschaft zugehörig fühlen. Was die religiöse Praxis und die Einstellungen anbelangt, so gaben 35 % der türkischen und 14 % der deutschen Jugendlichen an, dass sie mindestens einmal im Monat zum Gottesdienst gehen. Hierbei ist das Verhältnis der türkischen Jugendlichen, die manchmal oder regelmäßig beten (männlich: 41 %; weiblich: 52 %), oft religiöse Lektüre lesen, ihre Kinder religiös erziehen möchten (männlich: 64 %; weiblich: 74 %) oder an einer „höhere Gerechtigkeit“ glauben (männlich: 72 %; weiblich: 78 %) im Vergleich zu den deutschen Befragten ungefähr doppelt so hoch. Nach Auffassung der Autoren zeigt die Studie, dass die islamische Religionsgemeinschaft ein Milieu bildet, „dass nicht nur religiöse Haltungen und Praktiken prägt, sondern auch in andere Dimensionen ausstrahlt“.[66]
Die Shell Jugendstudie 2006 hat das Thema „Jugend und Religiosität“ erneut aufgegriffen.[67] Sie kommt zu dem Resultat, „dass es in Deutschland drei verschiedene Kulturen der Religiosität gibt“, nämlich „eine Mehrheitskultur westdeutscher Jugendlicher, die man als mäßig religiös einstufen kann“, „eine Teilkultur ostdeutscher Jugendlicher, die nur im geringen Maße religiös ist“, und eine „ausgeprägte religiöse Kultur“, die von Jugendlichen mit Migrationshintergrund gebildet wird. Während 10% der ostdeutschen und 28% der westdeutschen Jugendlichen aus Elternhäusern stammen, die „sehr religiös“ oder „ziemlich religiös“ sind, trifft das auf 54% der interviewten Jugendlichen mit migratorischem Hintergrund und 73% der islamischen Jugendlichen zu.[68]
4.2.3 Religiöse Praxis
In diesem Abschnitt geht es nunmehr darum, herauszufinden, welche Gewichtung die religiösen Handlungen und Gebote für die befragten jungen Muslime haben. Zunächst einmal für die Allgemeinheit der „jungen Muslime“ und anschließend danach bezogen auf junge Musliminnen. Was das Fasten und die Zakah[69] anbelangt, so werden diese Vorschriften von einer Mehrheit (69% bzw. 60 %) befolgt und damit von den jungen Muslimen sogar deutlich mehr praktiziert als die Gebete. Nie zu fasten bestätigt beinahe jeder zehnte junge Muslim, 28 % geben keine Zakah. Was das Beten betrifft, so beten dagegen zwischen 37 % und 53 % so gut wie nie, dem Pflichtgebet kommen lediglich 22% bis 48 % immer nach, wobei das Beten an den Feiertagen noch am häufigsten (48 %) und das tägliche Gebet am seltensten (22 %) regelmäßig praktiziert wird. Zu den zentralen religiösen Handlungen der jungen Muslime in Deutschland zählen somit das Fasten und die Zakah. Darüber hinaus betrachten sich die jungen Muslime selbst als seltener religiös als die älteren Migranten. Auch was die religiösen Praktiken insgesamt angeht, so ist zu sagen, dass sie die Religionspraktiken etwas seltener ausüben als die Erwachsenen; jedoch bei allen Muslimen finden sich die Relationen der verschiedenen Praktiken wieder.
Wie schon zu erwarten, wirkt sich der Grad der Religiosität enorm auf die Praktizierung der religiösen Handlungen aus. Die Fastenregeln werden jedoch von beinahe einem Drittel und die Zakah-Vorschriften von mehr als der Hälfte der Befragten befolgt, die sich eher nicht und/oder keineswegs als religiös bezeichnen würden. Etwa zwei Drittel der jungen Muslime halten sich an die islamischen Speisevorschriften, wovon das Schweinefleischverbot von den meisten eingehalten wird (90%), das Alkoholverbot (63 %) wird jedoch am seltensten befolgt. Bei der Einhaltung des Alkoholverbotes erweisen sich die jungen Muslime als etwas weniger streng als die älteren, jedoch nicht in Bezug auf das Schweinefleischverbot bezogen. Dieser wird relativ unabhängig von der subjektiven Religiosität gesehen. Als Merkmal einer eher ausgeprägten Religiosität sind der Alkoholverzicht und das Schächtgebot zu sehen.
Die muslimischen Gebote „Fasten und Zakah“ sind von der jungen Muslime im Jahr 2000 am häufigsten praktiziert worden. Ebenso wie die Religiosität hat sich der Anteil derjenigen, die diese Gebote befolgen, deutlich erhöht. Im Jahr 2000 haben 57 % immer gefastet, 46% davon entrichteten die Armensteuer. Die täglichen Gebete wurden von 11 %, das Freitagsgebet von 12 % sowie das Feiertagsgebet von 21 % immer beachtet. An dieser Stelle ist deutlich zu ersehen, dass sich die gestiegene Religiosität auch auf die religiöse Praxis verlagert. Hingegen hat sich die Befolgung der Speisevorschriften kaum verändert. Ein Viertel der befragten jungen Muslimen zwischen 18 und 29 Jahren besuchten nie oder so gut wie nie eine Moschee und ein Drittel mehrmals im Jahr. Den Befragten zufolge besuchen jedoch regelmäßig mindestens 57% einmal in der Woche eine Moschee und 5 % mindestens einmal am Tag. Wie erwartet, differiert der Moscheebesuch gemäß dem Grad der Religiosität. Die Häufigkeit des Moscheebesuchs ist im Vergleich zu den Ergebnissen aus dem Jahr 2000 leicht gestiegen. Der ein- bis mehrmalige wöchentliche Moscheebesuch hat hier insbesondere zugenommen, jedoch hat der Anteil derer, welche die Moschee mehrmals im Jahr besuchen abgenommen. Der Anteil derer, die nie eine Moschee besuchen, ist etwas gesunken. Moscheen sind keineswegs nur Orte des Gebets, denn sie bieten zudem etliche kulturelle, gesellschaftliche und/oder soziale Aktivitäten. Auch bieten sie neben den Qur’an-Kursen und Religionsunterricht auch geistliche Betreuung. Zudem führen sie Beisetzungen durch, organisieren Hochzeiten, Beschneidungen oder Pilgerfahrten etc. Weitere Angebote sind Fortbildungskurse im Bereich Freizeit und Sport, soziale Beratung, kulturelle Veranstaltungen und Informationsveranstaltungen zu diversen Themengebieten. Diese genannten Angebote stehen allen zu Verfügung, und zudem bedarf es keiner Formalitäten bezüglich der Mitgliedschaft. Derartige Angebote werden von 41% der Muslime genutzt; das sind so viele wie auch in den anderen Altersgruppen. Unter den Nutzern sind die Muslime in der Regel, wie auch erwartet, überrepräsentiert, und sogar die jungen Muslime (ein Drittel) die nicht religiös sind, nutzen diese Angebote. Die Moschee-Vereine stellen somit einen zentralen gesellschaftlichen sowie einen religiösen Raum dar, was nicht nur für die Muslime in Deutschland relevant ist. In der Regel werden meistens die religiöse Beratung und die Qur’an-Kurse in Anspruch genommen. Beinahe zwei Drittel derjenigen, die diese Angebote für sich in Anspruch nehmen, nutzen diese ureigenste Aufgabe der Moscheevereine. Freizeitangebote, kulturelle Veranstaltungen sowie Bildungsangebote, Beratung und Hilfen im Alltag folgen mit einem großen Abstand, die von 15% bis 28% der Nutzer in Anspruch genommen werden. Die Befunde verdeutlichen, dass die Wichtigkeit der religiösen Riten und Gebräuche auch eine kulturell-gesellschaftliche und nicht nur eine religiöse Ebene berührt. Insbesondere dem Fasten, den Zakah-Geboten und der Einhaltung des Schweinefleischverbots kommt eine große Bedeutung zu, ob die Befragten sich per Eigendefinition als religiös oder nicht religiös bezeichnen oder nicht.[70]
Klinkermann untersucht in ihrer Studie “Moderne Formen islamischer Lebensführung“, welchen Wert die Religion für junge Musliminnen darstellt. Im Folgenden werden Klinkermanns zentrale Thesen unter Bezugnahme auf eine Rezension, die Karakasoglu (2002) in der Zeitschrift für Türkeistudien veröffentlicht hat, herausgearbeitet:
In ihrer Untersuchung geht Klinkermann der Frage nach, wie die religiöse Praxis der Musliminnen aussieht, wie sie ihre Religiosität nach außen präsentieren und wie sie die Religion im Hinblick auf die Generation der Eltern und die Lebenssituation, in der sie sich befinden, beurteilen. Die Autorin setzt sich in ihrer Studie mit den sunnitisch geprägten Musliminnen auseinander, die in Deutschland aufgewachsen sind. In ihrer Untersuchung legt Klinkermann Wert darauf, dass möglichst unterschiedliche Ausprägungen von Religiosität erfasst werden, um damit ein großes Spektrum religiöser Alltagspraxis zu skizzieren.[71]
[...]
[1] Nach Angaben des statistischen Bundesamtes Deutschland sind im Jahre 2007 22 428 Kinder in Deutschland geboren worden.
[2] vgl. z.B. Sen, F., Sauer, M., Halm, D.: Integratives Verhalten und (Selbst-) Ethnisierung von türkischen Zuwanderern. 2001, S.3.
[3] Ebene des sichtbaren, äußeren Verhaltens.
[4] Kermani, N.: Wer ist wir? Deutschland und seine Muslime. Zitiert nach: Michael Kiefer: Lebenswelten muslimischer Jugendlicher ̶ eine Typologie von Identitätsentwürfen. Stuttgart. September 2009. S. 3.
[5] Ebene des sichtbaren, äußeren Verhaltens.
[6] Siehe: Sen, F., Islam in Deutschland. Religion und Religiosität junger Muslime aus türkischen Zuwandererfamilien. In: H.-J. Wensierski/Claudia Lübcke (Hg.): Junge Muslime in Deutschland. Lebenslagen, Aufwachsprozesse und Jugendkulturen. Opladen 2007. S. 17-32.
[7] Vgl. Kiefer, M.: Lebenswelten muslimischer Jugendlicher ̶ eine Typologie von Identitätsentwürfen. Stuttgart September 2009. S. 4.
[8] Islamische Gemeinschaft Millie Göröş.
[9] Verband der türkischen Kulturzentren e.V.
[10] Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion e.V.
[11] Es handelt sich um so genannte Kultur- und Idealistenvereine.
[12] Quelle: Innenministerium des Landes Nordrhein-Westfalen: Türkischer Nationalismus: ‚Graue Wölfe‘ und‚ Ülkücü‘ (Idealisten)-Bewegung, Düsseldorf 2004.
[13] Siehe Fußnote 8, S. 5.
[14] Islam (Islam) Linguistisch: „Gefügigkeit, Unterwerfung und Willfährigkeit, Versöhnung, Frieden- Schließen, Friede, Sich-Fügen, Sich-Ergeben, Hingabe“. Islamologisch: „Die bewusste Hingabe, Unterwerfung und Ergebenheit Allah gegenüber, auf die von Ihm übermittelte Art und Weise.“ Muslim/Muslima: Der/Die Islam-Praktizierende.
[15] Der Begriff „Pop-Islam“ wurde zuerst von der Islamwissenschaftlerin Julia Gerlach in die Debatte eingeführt.
[16] Unter Salafiyya (arabisch as-salafiyya) versteht man diejenigen Strömungen des Islam, die sich an der Zeit der Altvorderen (arab.: Salaf, „Vorfahren“) orientieren. Nur die Quellen aus der Frühzeit des Islam, Qur’an und Sunna, sind relevant für diese Bewegungen, die nachfolgende Tradition spielt keine bzw. eine negative Rolle. Der Begriff “neo-salafitisch” ist allerdings schwer zu definieren, weil es sich um strömungen handelt die sich ständig verändern.
[17] Eigenname des Schöpfers im Arabischen
[18] Da hier die Mehrheit der Islam-Gläubigen türkischer Herkunft ist, ist in diesem Zusammenhang der Bezug auf die hanafitische Rechtschule relevant.
[19] Wörtl: Gewohnheit; Worte, Handlungen und das Vorbild des Gesandten, die von seinen Gefährten in Form von Hadithen schriftlich überliefert sind. Auch: Aussprüche und Handlungen des Gesandten und die Handlungen seiner Gefährten, die er stillschweigend geduldet hat.
[20] Siehe Qur’an, 20:114; 29:20; 39:9; 58:11; 61:2-3; 96:3-5; 103:1-3.
[21] Die Zeit der Unwissenheit.
[22] Siehe Qur’an, 31: 13-19.
[23] Siehe Qur’an, 18:107-109.
[24] Iman (I-man) Linguistisch: „Zustimmung, Bestätigung, Anerkennung, etwas als wahr und gewiss annehmen, Vertrauen“. Islamologisch: „ Die apodiktische Verinnerlichung der gesamten Inhalte dessen, was der Prophet Muhammad als abschließende Offenbarung definitiv für alle Muslime verkündete und was per definitionem notwendiger Bestandteil des islamischen Din ist. Iman darf nicht als „Glaube“ übersetzt werden, da Iman auf Beweisführung und bewusste Verinnerlichung aufgebaut werden muss. Mumin/Mumina: Der/Die Iman-Verinnerlichende. Plural: Mumin (nach Zaidan).
[25] Ihsan (Ih-san) Linguistisch leitet sich Ihsan von hasan (schön, fein) ab. Islamologisch: a) Ihsan in Bezug auf Allah: Das Dienen Allahs so, als ob man Ihn sehen würde, denn auch wenn wir Ihn nicht sehen, so sieht Er uns doch. b) Ihsan in Bezug auf Menschen: Der gütige und schöne Umgang mit den Eltern und den anderen Menschen. c) Ihsan in Bezug auf Handlungen: Das Vollziehen einer Handlung auf die beste Art.
[26] Siehe Qur’an, 5:5, 49:13.
[27] Siehe Qur’an, 2:256; 10:99.
[28] Siehe Qur’an, 7:15-18; 66:6.
[29] Karakasoglu, Y. / Oztürk, H.: Erziehung und Aufwachsen junger Muslime in Deutschland. Islamisches Erziehungsideal und empirische Wirklichkeit in der Migrationsgesellschaft. In: Wensierski, Hans-Jürgen von / Lübcke, Claudia (Hrsg.): Junge Muslime in Deutschland. Lebenslagen, Aufwachsprozesse und Jugendkulturen. Opladen & Famington Hills 2007. S. 157.
[30] Ebd. S. 159.
[31] vgl. Karakaşoglu, Y. / Oztürk, H., wie in Fußnote 21, S. 161.
[32] vgl. hierzu auch Boos-Nünning, U. : Religiosität junger Musliminnen im Einwandererkontext. In: von Wensierski, Hans- Jürgen/Lübcke, Claudia (Hrsg.): Junge Muslime in Deutschland. S. 117-134.
[33] vgl. Boos-Nünning, U. / Karakasoglu, Y.: Viele Welten Leben. Zur Lebenssituation von Mädchen und jungen Frauen mit Migrationshintergrund. Münster 2005. S.11.
[34] vgl. ebd.
[35] vgl. Toprak, A.: Jungen und Gewalt. Die Anwendung der Konfrontativen Pädagogik in der Beratungssituation mit türkischen Jugendlichen. 2. überarbeitete Auflage. Herbholzheim 2006. S. 34 f.
[36] vgl. ebd. S.36.
[37] vgl. ebd. S.37.
[38] vgl. ebd. S.48.
[39] vgl. Frese, H.-L.: Den Islam ausleben. Konzepte authentischer Lebensführung junger Muslime in der Diaspora. Bielefeld 2002, S. 94.
[40] ebd., S. 90.
[41] vgl. ebd., S.92f.
[42] vgl. Mihciyazgan, U., Wir haben uns vergessen. Ein intrakultureller Vergleich türkischer Lebensgeschichten. Hamburg 1986. S. 75ff.
[43] vgl. Boos-Nünning, U./ Karakasoglu, Y.: Viele Welten Leben. Zur Lebenssituation von Mädchen und jungen Frauen mit griechischem, italienischem, jugoslawischem, türkischem und Aussiedlerhintergrund. 2004. S. 114.
[44] vgl. ebd. S. 104 ff.
[45] vgl. Toprak, A., wie in Fußzeile 28. S. 33.
[46] vgl. Bedeutung der Kinder. Erziehungswerte der Kinder. Erziehungswerte und Erziehungspraktiken in türkischen Familien. In: Aktion Jugendschutz u.a. (Hrsg.): Türöffner und Stolpersteine. Elternarbeit mit türkischen Familien als Beitrag zur Gewaltprävention. München 2004. S. 42.
[47] vgl. Heidarpur-Ghazwini, A. : Kulturkonflikt und Sexualentwicklung. Sexualentwicklung islamischer Heranwachsender in der Bundesrepublik Deutschland. Frankfurt a.M. 1986, S. 171.
[48] Mertol, B. : Männlichkeitskonzepte von Jungen mit türkischem Migrationshintergrund. In: von Wensierski, Hans-Jürgen/Lübcke Claudia (Hrsg.): Junge Muslime in Deutschland. Lebenslagen, Aufwachsprozesse und Jugendkulturen. Opladen & Famington Hills 2007. S. 176.
[49] vgl. Toprak, A.: Wer sein Kind nicht schlägt, hat später das Nachsehen. Zitiert nach Birol Mertol (s. Fußnote 41). S. 176 f.
[50] vgl. Atabay, I.: Väter und Söhne. In: Landeshauptstadt München, Sozialreferat, Stadtjugendamt (Hrsg.): Dokumentation der Fachtagung „Interkulturelle Jungenarbeit“ am 18. Oktober und am 2. November 1999. München. 2000. S. 76.
[51] Kaweh, S.: Religion und Identität junger Muslime in Deutschland. http://www.akademie-rs.de/fileadmin/user_upload/pdf_archive/schmid/Bosnien/Koranunterricht_auf_Deutsch/Koranunterricht_auf__Deutsch_1.pdf. Zuletzt eingesehen am: 10.06.2010
[52] Diese Untersuchung findet sich auch in: Halit Öztürk: Wege zur Integration. Lebenswelten muslimischer Jugendlicher in Deutschland. Bielefeld 2007. S. 30 f.
[53] vgl. ebd., S. 442f.
[54] Ebd.
[55] Achtung, Respekt
[56] Ansehen
[57] Ehre
[58] siehe hierzu die ausführliche Darstellung in Boos-Nünning, U./Karakaşoglu, Y., 2004:462ff.
[59] vgl. Gesemann, F.: Die Integration junger Muslime in Deutschland. Politische Akademie. Interkultureller Dialog. Islam und Gesellschaft. 2006. S. 8
[60] vgl. Homepage REMID 2006.
[61] vgl. Statistisches Bundesamt 2005.
[62] vgl. Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge, Integration 2005.
[63] Şen, F.: Islam in Deutschland. Religion und Religiosität junger Muslime aus türkischen Zuwandererfamilien. In: Wensierski, Hans- Jürgen von / Lübcke, Claudia (Hgg.): Junge Muslime in Deutschland. Lebenslagen, Aufwachsprozesse und Jugendkulturen. Opladen & Famington Hills 2007. S. 17 f.
[64] vgl. Ebd. S. 19
[65] In der 13. Shell Jugendstudie wurden 734 Jugendliche in einer Vorstudie zur Entwicklung der Untersuchungsinstrumente, 4.546 Jugendliche in der quantitativen Hauptstudie sowie 648 Jugendliche in einer zusätzlichen Stichprobe von ausländischen Jugendlichen befragt.
[66] vgl. Gesemann, F.: Die Integration junger Muslime in Deutschland. Politische Akademie. Interkultureller Dialog. Islam und Gesellschaft. 2006. S. 9
[67] Die 15. Shell Jugendstudie basiert auf einer Repräsentativbefragung von rund 2.500 Jugendlichen in Deutschland; islamische Jugendliche bildeten fünf Prozent der Stichprobe.
[68] Ebd.
[69] Wörtl. Reinigung; rituelle Pflicht-Sozialabgabe vom Vermögen. Ist das Gebot, einen bestimmten Teil des Vermögens an die Bedürftigen zu entrichten.
[70] Şen, F.: Islam in Deutschland. Religion und Religiosität junger Muslime aus türkischen Zuwandererfamilien. In: Wensierski, Hans- Jürgen von / Lübcke, Claudia (Hgg.): Junge Muslime in Deutschland. Lebenslagen, Aufwachsprozesse und Jugendkulturen. Opladen & Famington Hills 2007. S. 21 ff.
[71] vgl. Karakaşoglu, Y.: Rezension zu Gritt Klinkermann: Moderne Formen islamischer Lebensführung. Eine qualitativ empirische Untersuchung zur Religiosität sunnitisch geprägter Türkinnen in Deutschland. In: Zeitschrift für Türkeistudien 15. Jahrgang 2002, Heft 1+2. Marburg 2002, S. 290.
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