Im Zentrum der vorliegenden Arbeit steht der familiale Ablöseprozess, d.h. die Ablösung vom Elternhaus als Neu-/Umgestaltung der Eltern-Kind-Beziehung, die sich im räumlichen Auszug aus dem elterlichen Haushalt manifestiert. Für Menschen mit geistiger Behinderung und deren Eltern vollzieht sich der Ablöseprozess unter Bedingungen, die eine gelingende und zufriedenstellend erlebte Neu-/Umgestaltung der Eltern-Kind-Beziehung erschweren können. Davon ausgehend, dass Eltern eine besondere Bedeutung in Hinblick auf den Auszug von Tochter/Sohn mit geistiger Behinderung haben, wurden die Vorstellungen von Eltern bezüglich Erwachsenwerden/-sein und Auszug von Tochter/Sohn mittels einer qualitativ orientierten empirischen Untersuchung exploriert und gedeutet. Im Rahmen von sechs problemzentrierten Interviews wurde mit Eltern, deren Tochter/Sohn bereits ausgezogen ist, und Eltern, deren Tochter/Sohn bislang nicht ausgezogen ist, über ihre Vorstellungen bezüglich Erwachsenwerden/-sein im Allgemeinen und Erwachsenwerden/-sein ihrer Tochter/ihres Sohnes gesprochen. In der Analyse der Interviews wird deutlich, dass die Eltern unterschiedliche Kriterien und Merkmale bezüglich Erwachsenwerden/-sein im Allgemeinen sowie von Tochter/Sohn äußern: Es finden sich einerseits übergreifende objektive und verhaltensnahe Kriterien, andererseits bestehen Diskrepanzen in Bezug auf psychologisch orientierte Kriterien der Individuation. Es wird deutlich, dass die interviewten Eltern das Erwachsenwerden/-sein ihrer Tochter/ ihres Sohnes auf eine bestimmte Einstellung des sozialen Umfelds beziehen – die Präsumtion von Erwachsenwerden/-sein stellt daher ein weiteres Kriterium des Erwachsenwerdens/-seins von Tochter/Sohn dar. Erwachsenwerden/-sein von Menschen mit geistiger Behinderung ist auf ein Umfeld angewiesen, das Prozesse der Weiterentwicklung von Selbständigkeit und Selbstbestimmung ermöglicht und begünstigt – im Zusammenhang mit dem Auszug aus dem elterlichen Haushalt betrifft das v.a. die institutionellen Bedingungen und die professionellen Assistenz- und Unterstützungspersonen. Vor diesem Hintergrund ist es zu befürworten, den Themenkomplex Erwachsenwerden/-sein im Rahmen von Aus-, Fort- und Weiterbildung oder Supervision aufzugreifen, sodass Mitarbeiter/innen entsprechender Einrichtungen und Institutionen eigene subjektive Vorstellungen über Erwachsenwerden/-sein im Allgemeinen und von Menschen mit geistiger Behinderung im Besonderen reflektieren.
Inhaltsverzeichnis
- Problemaufriss
- Einführung
- RE
- Fragestellung, Bezugsrahmen, Vorgehensweise, Anliegen
- Thematische Annäherungen
- Erwachsenwerden/-sein
- Erwachsenwerden/-sein als individueller Entwicklungsprozess
- Zur Bedeutung von Altersnormen im Erwachsenwerden/-sein
- Erwachsenwerden/-sein und Auszug von Menschen mit geistiger Behinderung - Zum aktuellen empirischen Forschungsstand
- Fazit
- Erwachsenwerden/-sein
- Empirische Untersuchung
- Leitfragen, Zielsetzung
- Untersuchungsplanung
- Kennzeichnung und Begründung des qualitativen Forschungsansatzes
- Datenerhebung: Darstellung und Begründung
- Überblick
- Problemzentriertes Interview nach Witzel
- Interviewleitfaden
- Auswahl der Interviewpartner/innen, Kontaktaufnahme
- Datenauswertung: Darstellung und Begründung
- Überblick
- Datenaufbereitung: Computergestützte Transkription
- Kategorienbildung, Kodieren und Analyse mit MAXQDA
- Ergebnisse
- Durchführung und Ablauf der Interviews
- Auswertung der Interviews
- Auswertungskategorie: Vorstellungen über Erwachsenwerden/-sein
- Auswertungskategorie: Tochter/Sohn
- Auswertungskategorie: Rekonstruktion Auszugsprozess
- Auswertungskategorie: Antizipation Auszugsprozess
- Auswertungskategorie: Erfahrungen mit Professionellen
- Interpretation und Deutung
- Reflexion Forschungsprozess
- Schlussbetrachtungen
- Zusammenfassendes Fazit und Diskussion
- Ausblick, Perspektiven, Handlungsansätze für professionelle Praxis
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit befasst sich mit der Bedeutung des Auszugs aus dem elterlichen Haushalt im Erwachsenwerden/-sein von Menschen mit geistiger Behinderung. Ziel der Untersuchung ist es, die Perspektiven der Eltern zu diesem Thema zu beleuchten und zu verstehen, wie sie den Auszugsprozess ihrer Kinder erleben und welche Herausforderungen und Chancen damit verbunden sind. Die Arbeit analysiert, welche Vorstellungen die Eltern von Erwachsenwerden/-sein haben, welche Rolle die Tochter/der Sohn im familiären Kontext spielt und wie der Auszugsprozess von den Eltern re-konstruiert und antizipiert wird.
- Die Bedeutung des Auszugs für das Erwachsenwerden/-sein von Menschen mit geistiger Behinderung
- Die Perspektive der Eltern auf den Auszugsprozess und dessen Herausforderungen
- Die Rolle von Altersnormen und sozialen Erwartungen im Erwachsenwerden/-sein
- Die Bedeutung von professionellen Unterstützungsmöglichkeiten im Auszugsprozess
- Die Rekonstruktion und Antizipation des Auszugsprozesses durch die Eltern
Zusammenfassung der Kapitel
Die Arbeit beginnt mit einem Problemaufriss und einer Einführung, die die Fragestellung, den Bezugsrahmen und die Vorgehensweise der Untersuchung erläutert. Anschließend werden thematische Annäherungen zum Thema Erwachsenwerden/-sein und zum aktuellen empirischen Forschungsstand im Bereich des Auszugs von Menschen mit geistiger Behinderung vorgestellt. Das dritte Kapitel beschreibt die empirische Untersuchung mit Leitfragen, Untersuchungsplanung, Datenerhebung und -auswertung. Die Ergebnisse der Interviewauswertung werden im Detail dargestellt und interpretiert. Im vierten Kapitel werden schließlich die Schlussbetrachtungen mit einem zusammenfassenden Fazit und einem Ausblick auf Perspektiven für professionelle Praxis präsentiert.
Schlüsselwörter
Die Arbeit fokussiert auf die Themenfelder Erwachsenwerden/-sein, Auszug aus dem elterlichen Haushalt, Menschen mit geistiger Behinderung, Elternperspektive, qualitative Forschung, Interviewforschung, Interpretative Analyse, Rekonstruktion des Auszugsprozesses, Antizipation des Auszugsprozesses, Professionelle Unterstützung, Handlungsansätze für die Praxis. Die Arbeit verwendet empirische Daten aus qualitativen Interviews mit Eltern von Menschen mit geistiger Behinderung, um die subjektiven Erfahrungen und Perspektiven der Eltern im Kontext des Auszugs ihrer Kinder zu beleuchten.
- Quote paper
- Marco Ferchland (Author), 2011, Zur Bedeutung des Auszugs aus dem elterlichen Haushalt im Erwachsenwerden/-sein von Menschen mit geistiger Behinderung, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/190183