Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Schwierigkeiten und Probleme des Beobachtens und Dokumentierens
2.1 Was beschreibe ich?
2.2 Ethische Bedenken
2.3 Über die Probleme der Beobachterrolle, wenn man mit dem Feld vertraut ist
2.3.1 Welche Rolle nehme ich ein?
2.3.2 Flüchtigkeit des Sozialen, selektive Wahrnehmung und das „Problem“ des Feldnotizbuches
3. Exzerpt der Studie „Wohlerzogenheit - Eine Ethnographie deutscher Internatsschulen“ von Herbert Kalthoff
3.1 Überblick
3.2 Aufbau der Studie.
3.3 Ausschnitte aus der Studie
3.4 Schlussbemerkungen, Kritik
4. Resümee und Fazit
5. Anhang
5.1 Beobachtungsprotokoll
5.2 Beobachtungsprotokoll
5.3 Beobachtungsprotokoll
6. Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Eines der wesentlichen Bestandteile des Feldforschens ist das Beobachten und Dokumentie- ren; die Ethnographie (ethno, griechisch = Volk und graphein = schreiben, beschreiben). „Ethnographische Feldforschung bezeichnet eine Forschungstradition, die Menschen in ihrem Alltag untersucht, um Einblicke in ihre Lebenswelten und Lebensweisen zu gewinnen sowie ihre Sinndeutungen und Praktiken kulturanalytisch zu erschließen“ (Friebertshäu- ser/Panagiotopoulo 2010, S. 301). Sinn und Zweck einer Ethnographie ist es, unbekannte Le- benswelten zu erschließen und/oder näher zu beleuchten, wofür es mehrere Zugangsmöglich- keiten gibt. Als mögliche Zugangsmethoden wären hier die Dokumentenanalyse, Interviews oder auch die teilnehmende sowie die verdeckte Beobachtung einzeln oder in Kombination zu nennen. Durch diese Vielzahl an unterschiedlichen Zugängen kann am Ende einer jeden Eth- nographie ein dichtes Bild eben jener unbekannten Lebenswelt oder unbekannten Milieus erfolgen (vgl., ebd.). Die Kunst liegt nun darin, die vom Forscher sozial erlebte Welt mit all seinen Erfahrungen literarisch darzustellen, um so dem Leser einen Zugang zu dieser Welt zu verschaffen (ebd., 313).
Ob oder wie reell und genau dieses dichte Bild einer unbekannten Labenswelt entstehen kann, hängt nicht zuletzt davon ab, ob der Ethnograph offen oder teilnehmend („verdeckt“) beo- bachtet. Nimmt er eine offene Beobachterrolle ein, wissen alle Feldteilnehmer, dass sich dort der Ethnograph befindet und das soziale Geschehen seziert und dokumentiert (ebd., 301). Wählt der Ethnograph jedoch die teilnehmende Beobachtungsvariante, ist es den Feldteilneh- mern nicht bewusst, dass sie und das soziale Geschehen beobachtet werden. Dies hat den enormen Vorteil, dass der Ethnograph sich frei bewegen kann und als Quasimitglied an „In- siderwissen“ herankommt. Diese Methode eignet sich besonders dazu fremde Kulturen, Ban- dendynamiken oder diverse Milieus zu erforschen, denn mit ihr Methode ist man Teil des Geschehens, da man in der zu erforschenden Kultur lebt (vgl., ebd., 309).
„ In der Kulturanthropologie entwickelt, geh ö rt die ethnographische Feldforschung zu den abenteuerlichen und anspruchsvollen Forschungsverfahren, denn im Idealfall taucht man ein in eine fremde Kultur, lebt mit den „ Einheimischen “ , lernt ihre Sitten und Gebräuche kennen, studiert und dokumentiert ihre Lebenswelt, ihre Praktiken, ihre Denk- und Handlungsformen “ (ebd. 302).
Da man während eines Seminars an der Universität und mitten im Studium eher wenig Zeit hat, eine zeitintensive ethnographische Forschung zu betreiben und in einer fremden Kultur zu leben bzw. in sie einzutauchen, war mir eben dieses Eintauchen nicht möglich. Vielmehr ging es darum, die Möglichkeiten und Probleme des Ethnographen sowie der ethnographischen Forschung, Beobachtung, Dokumentation und Vertextlichung zu erfahren und sich teilweise selbst zu erschließen. Es ging demnach eher darum, das grobe Gerüst der Ethnographie zu besichtigen.
Auch die drei eigens angefertigten Beobachtungsprotokolle (s.u.) hatten u.a. das Ziel, uns die Möglichkeiten aber auch die Schwierigkeiten der ethnographischen Beobachtung und Doku- mentation aufzuzeigen. Mit diesen Schwierigkeiten beschäftigt sich die folgende Arbeit. Im ersten Teil werde ich auf die Schwierigkeiten und Probleme während des Beobachtungs- prozesses von Begrüßungssituationen im Kindergarten eingehen, diese anhand von drei Beo- bachtungsprotokollen benennen und ggf. Wege aufzeigen, wie einige Probleme hätten ver- mieden werden können.
Meine Beobachtungen erfolgten in einer Deutsch-spanischen Kindertagesstätte, in der ich auch angestellt bin. Hierbei tat sich für mich der Vorteil auf, dass ich mich entgegen dem „klassischen“ Eintauchen in eine fremde Kultur, nicht mit der Fremde vertraut machen musste, sondern mit ihr bereits vertraut war. Ich musste also auch nicht um die Kreditwürdigkeit im kalthoffschen Sinne (s.u.) kämpfen. Vielmehr trat das Problem der Rollenfindung als Ethnograph und gleichzeitig als Pädagoge in dieser Einrichtung sowie das der Verfremdung des eigentlich Bekannten auf - dazu unten mehr.
Beim ersten Beobachtungsprotokoll habe ich mich auf die Begrüßungssituation zwischen Kindern und Erzieherinnen sowie Eltern und Kind fokussiert, während des zweiten Beobachtungsprotokolls auf das Begrüßungsgeschehen der Kindern untereinander fokussiert und während des dritten auf die Begrüßung zwischen Kindern und zwischen Kindern und Eltern. Ziel war es zu sehen, ob und wie Kinder sich untereinander begrüßen und wie sie Erwachsene begrüßen oder von Erwachsenen begrüßt werden.
Im zweiten Teil der Arbeit folgt ein Exzerpt der Studie „Wohlerzogenheit“ von Herbert Kalthoff (1997), mit welcher ich u.a. aufzeigen möchte, wie eine langfristig geplante und durchgeführte ethnographische Studie verlaufen, aussehen und geschrieben respektive dokumentiert werden kann, wenn man mit allen Finessen der Ethnographie vertraut ist und die Zeit hat, in eine Kultur eintauchen zu können.
2. Schwierigkeiten und Probleme des Beobachtens und Dokumentierens
Im folgenden Abschnitt möchte ich die Probleme und Schwierigkeiten beschreiben und erläu- tern, die ich während der Beobachtung, dem Notizen machen und dem Verschriftlichen hatte.
Dabei werde ich wissenschaftliche Arbeiten ebenso einbeziehen, wie meine eigenen subjekti ven Wahrnehmungen und Gefühle aus den Beobachtungsprotokollen.
2.1 Was beschreibe ich?
Aus den Anforderungen des Seminars ist bereits bekannt, dass es sich um die Beobachtung von Begrüßungssituationen handeln soll. Ich entschied mich dazu, meine Beobachtungen in dem Kindergarten zu machen, in dem ich auch arbeite, denn zum einen ist es zeitlich effekti- ver und zum anderen bin ich ja bereits vertraut mit der Einrichtung, den Eltern, dem Personal und den Kindern. Von daher war von vornherein klar, was ich beobachten möchte/muss, so- dass sich die Frage dieses Subkapitels eher darauf bezieht, was ich von/in der Begrüßungssi- tuation beobachte und beschreibe.
Vor Beginn der ersten Beobachtung und auch während dieser habe ich versucht, für mich zu definieren und dann abzugrenzen was ich beobachten möchte. Was ist noch eine Begrüßungssituation und was nicht mehr? Wie lange dauert sie in der Regel? Gehört zu einer Begrüßungssituation im Kindergarten auch die Verabschiedung der Eltern?
Ich bin zu dem Schluss gekommen, dass man das nicht eindeutig und für alle Eventualitäten mit fortwährender Gültigkeit sagen respektive behaupten kann.
„ Die ganze Begr üß ungsphase dauerte rund fünfzehn Minuten, wobei ich auch das Gespräch mit der Mutter dazu rechne “ (Beobachtungsprotokoll 1).
In einer Situation dauert die Begrüßung nur einige Sekunden, während sie in einer anderen mit anderen Teilnehmern mehrere Minuten dauern kann (s.o.). Aus diesem Grund habe ich von Situation zu Situation individuell und subjektiv entschieden, bis zu welchem Punkt die Begrüßung noch als Begrüßung gelten kann.
2.2 Ethische Bedenken
Eine persönliche Überlegung bzw. ein persönliches Problem, was bei mir seit Beginn der Be- obachtung aufgetreten ist, waren Bedenken bezüglich der Beobachtung und Dokumentation von Personen. Begrüßungssituationen sind immer - im Besonderen im Kindergarten - intime und vertraute Momente zwischen zwei oder mehreren Personen. Es ist in gewisser Weise ein Privileg und ein Vertrauensbeweis die mir als „Außenstehenden“ entgegengebracht werden. Nur durch dieses Vertrauen werden mir als Ethnograph Einblicke in diese intime Situation gewährt. Deshalb war mir von Anfang an bewusst und gehörte zum „guten Ton“ meiner eth nographischen Beobachtung, dass ich auf den Datenschutz achtete und keinerlei Namen von Personen benenne.
Der Begriff der „ethischen Bedenken“ umschreibt die Tatsache, dass sich der (Feld-)forscher während des Feldaufenthalts mit der Frage nach dem angemessenen Verhalten beschäftigen und auseinandersetzen muss, so u.a. der Diplom Sozialpädagoge Holger Schoneville (Scho- neville/Köngeter/Gruber/Cloos 2006, 251; vgl. Friebertshäuser/Panagiotopoulou 2010, 314). Ähnlich wie es auch Schoneville et al. beschrieben haben, dass sich während des Feldfor- schens bei vielen Feldforschern das Gefühl entwickelt, dass sie durch ihre Beobachtung und deren Dokumentation in die Privatsphäre der Teilnehmer eindringen und somit unmoralisch oder unethisch handeln (vgl. ebd., 248f).
Ich vergegenwärtigte mir jedoch, dass ich nur bedingt in die Privatsphäre eindringe, denn schließlich kennen mich Eltern wie Kinder. An Tagen, an denen ich nicht beobachte, beo- bachte ich doch irgendwie - nur schreibe ich es nicht auf. Von daher hält sich das „ungleich verteilte Wissen“, welches Schoneville et al. (ebd., 249) beschreiben, bei meiner Beobachtung auch in Grenzen. Wiederum ist es hier hilfreich, dass ich in diesem Kindergarten arbeite und durch zahlreiche Gespräche den Eltern etwas von mir preisgegeben habe und diese auch von sich. Somit konnten wir uns gegenseitig gut einschätzen, da wir uns ja bereits kannten und vertraut waren. Lediglich in einem Punkt herrschte teilweise ein ungleich verteiltes Wissen. Die Eltern und Erzieher wussten zwar, dass ich Begrüßungssituationen im Kindergarten für ein universitäres Seminar beobachte, sie wussten jedoch nicht, was genau ich beobachte, sehe und notiere. In gewisser Weise ist es auch von Vorteil, die Situation des ungleich verteilten Wissens aufrecht zu erhalten - „schließlich ist man auch zu dem Zweck der Erforschung des Alltags im Feld“ (ebd., 249). Bei gleich verteiltem Wissen könnte die Interaktion der Beteilig- ten verfälscht bzw. in dem Sinne angepasst werden, wie sie sich eine besonders gute Begrü- ßung vorstellen, um so evtl. „besser“ dargestellt zu werden. Aus diesem Grund lies ich die Beteiligten im Unklaren darüber, was ich beobachte und dokumentiere.
2.3 Über die Probleme der Beobachterrolle, wenn man mit dem Feld vertraut ist
2.3.1 Welche Rolle nehme ich ein?
Mit Beginn meiner ethnographischen Beobachtung im Kindergarten - und auch mehr oder weniger während des gesamten Verlaufs - trat bei mir das Problem der Beobachterrolle auf. Das heißt, dass ich Begrüßungssituationen im Kindergarten ethnographisch beobachten woll- te, quasi ethnographischer Beobachter war. Diese Rolle als Beobachter wurde jedoch von einigen Eltern und Kindern nicht wahr-, angenommen bzw. akzeptiert und respektiert, da ich ebenso in diesem Kindergarten als Erzieher angestellt bin und somit Ansprechperson war - trotz mehrerer Aushänge mit Informationen, was ich an den jeweiligen Tagen vorhabe bzw. durchführen möchte. Demzufolge wurde ich einige Male aus meiner Beobachterrolle heraus- gerissen und musste zwischen Beobachterrolle und Erzieherrolle hin und her switchen.
„ Problematisch war für mich, dass ich, weil ich in dieser Einrichtung angestellt bin, in einer Situation nicht nur als Beobachter, sondern auch als Mitarbeiter angesehen und demzufolge auch angesprochen worden bin. [ … ]Ein weiterer problematischer Punkt war der, dass ich aufgrund meiner Tätigkeit immer von Eltern und Kindern angespro- chen wurde bzw. Teil der Begr üß ungssituation war, da ich ja mit beiden Parteien eine freundschaftliche Beziehung aufgebaut habe “ (Beobachtungsprotokoll 1).
„ Auch ich werde von beiden begr üß t und gr üß e zurück “ (Beobachtungsprotokoll 1).
„ ( … ) sodass die Mutter mich mitten in der Beobachtung ansprach - denn ich bin ja auch Mitarbeiter. Wir begr üß ten uns erst, worauf hin die Mutter direkt fragte, was denn passiert sei. Ich antwortete, dass es bis auf einen Sturz am Vormittag keinerlei Vorkommnisse gab “ (Beobachtungsprotokoll 1).
Folgt man Cloos (2008, 211; vgl. Schäfer 2010, 75), dann ist es auch unumgänglich - sogar unmöglich - nicht auch „partiell pädagogisch eingebunden“ zu sein. Dieser Mehrfachrolle des Ethnographen, Erziehers, evtl. eine Art Freund der Kinder und vor allem eines Erwachsenen (vgl. ebd., 217), war ich ausgesetzt. Deshalb fühlte ich mich das ein oder andere Mal in einer Art Zwickmühle, ob ich reagieren sollte oder nicht.
„ Diese Situation ging mir sehr nahe und ich musste mich stark zurückhalten, um nicht den Versuch zu unternehmen das Kind selbst zu tr östen, da ich einen sehr guten Draht zu ihm habe “ (Beobachtungsprotokoll 2).
Ich habe mich trotzdem für eine distanzierte Beobachterrolle von Anfang an entschieden, da ich ja bereits mit den Eltern, Kindern, Erzieherinnen und der Einrichtung vertraut war.
„ Dies bestätigte mich nochmals in meiner Entscheidung, nicht in die Situation einzugreifen, sondern mich verstärkt auf die Begr üß ung zwischen den beiden Kindern zu konzentrieren “ (Beobachtungsprotokoll 2).
Die Teilnahme als Beobachter am Geschehen im Feld ist nach Cloos (2008, 210) durch die „Mitmachregel“1 quasi verpflichtend, denn so erlangt der Beobachter die nötige „Kreditwür- digkeit“ (Kalthoff 1997, 20), die es ihm erlaubt, an dem Geschehen und den Interaktionen des Feldes (beobachtend) teilzunehmen. Ich hatte das Glück, nicht um die Kreditwürdigkeit kämpfen zu müssen, da ich in diesem Kindergarten angestellt bin und somit bereits das Ver- trauen der Beteiligten besaß. Nichtsdestotrotz, werden Ethnographen gerade durch die Mit- machregel und zur Erlangung der Kreditwürdigkeit zu Ko-Konstrukteuren oder Ko-Akteuren (Friebertshäuser/Panagiotopoulou 2010, 313f; vgl. Cloos 2008, 207ff) des Geschehens, denn sie nehmen am Feldgeschehen teil - oder müssen es noch.
„ Moment kommt Kind B weinend zu mir (mitten in der Beobachtung) und sagt, dass Kind A seine Garage kaputt gemacht hat. Ich antwortete, dass sie sie doch gemeinsam wieder aufbauen k ö nnen - um mich wieder meiner Beobachtung zu widmen. Leider wurde von Kind C die Corneflakesschüssel umgeworfen, sodass ich meine Beobachtung unterbrechen musste, denn die Erzieherin war mit der Begr üß ung des Kindes beschäf- tigt. Ich machte den Tisch und den Boden sauber und füllte eine neue Portion ein “ (Be- obachtungsprotokoll 2) .
Dies birgt nach der Erziehungswissenschaftlerin Barbara Friebertshäuser und der Lehrerin und Philologin Argyro Panagiotopoulou (2010, 314) die Gefahr, dass der Ethnograph durch sein eigenes Eingreifen die Situation oder das Feldgeschehen verfälschen kann. Scheffer (2002, 356) konstatiert, dass Beobachtungen dort verheerend wirken, „wo sie die ´eigentliche` Situation durchkreuzen oder auf den Kopf stellen“. Aus diesem Grund habe ich mir, wie be- reits oben erwähnt, vorgenommen, meine Beobachtung sehr distanziert zu betreiben. Dies birgt jedoch wiederum die Gefahr, dass der Ethnograph nicht so in das Geschehen eingebun- den ist wie es erforderlich wäre, sodass ihm das beobachtete Geschehen in seiner Eigenlogik (des Ethnographen) unverständlich bleibt (ebd., 355; vgl. hierzu auch Schäfer 2010, 76). Hier war der Vorteil meiner distanzierten Beobachtung, dass ich aufgrund der Vertrautheit das ei- gentliche Geschehen detailliert beobachten und es mir ebenso erklären konnte.
Ich war zwar nicht fremd im Feld, stand jedoch trotzdem vor dem Problem, meine Rolle als ethnographischer Beobachter zu legitimieren (Friebertshäuser/Panagiotopoulou 2010, 308; zit. nach Wolff 2005, Schoneville u.a. 2006, Huf 2006) und sie von der des angestellten Erziehers abzugrenzen, um eben nicht der soeben beschriebenen Gefahr in zu großem Maße zu erliegen. Dies habe ich wie folgt zu umgehen versucht:
„ Ich habe also zwei Tage vor Beginn der geplanten Beobachtung einen Aushang ange- fertigt und mit Informationen versehen, dass ich am 25.05.2011 die Begr üß ungssituati- onen für ein Universitätsseminar beobachten m ö chte und deshalb die Eltern bitte, mich nicht anzusprechen, wenn dies nicht unbedingt n ö tig ist, um die Beobachtungssituation nicht zu unterbrechen und ggf. somit zu verfälschen “ (Beobachtungsprotokoll 2).
„ ( … ) wiederum habe ich zwei Tage zuvor einen Aushang gemacht, dass ich die Eltern bitte, mich während der ersten und letzten 20 Minuten der Ö ffnungszeit nicht anzusprechen oder zu beachten, da ich für ein Seminar der Universität eine Beobach- tung der Begr üß ungssituationen durchführen möchte bzw. muss “ (Beobachtungsproto- koll 3).
Ein Problem, das mich nur peripher tangiert hat, war das des Fremdseins im Feld. Prinzipiell taucht der Ethnograph als Novize in eine fremde Kultur ein, bewegt sich auf unsicherem Ter- rain, „lebt mit den ´Einheimischen´, lernt ihre Sitten und Gebräuche kennen, studiert und do- kumentiert ihre Lebenswelt, ihre Praktiken, ihre Denk- und Handlungsformen“ (Friebertshäu ser/Panagiotopoulou 2010, 302; vgl. Cloos 2008, 208). Der Ethnograph macht sich also das Fremde vertraut (ebd., 304) und gewährt dann anderen Einblicke in diese „kleinen Lebens- welten“ (Friebertshäuser/Panagiotopoulou 2010, 303; zit. nach Lüders 2003). Er geht i.a.R. unvoreingenommen in die soziale Realität und verzichtet dabei auf vorab entwickelte Katego- rien (vgl. ebd., 305). Als Fremder muss er „sich eine eigenen Rolle suchen und lernen, sich in einem neuen fremden Feld zu bewegen (Friebertshäuser/Panagiotopoulou 2010, 307; zit. nach Fischer 1992). Er muss also seine Rolle ausloten und - wie bereits zuvor erwähnt - seine Kre- ditwürdigkeit u.a. mittels der Mitmachregel und der Legitimation seiner Beobachtung gegenüber den Feldteilnehmern erwerben.
„ Ich habe versucht, bei der Beobachtung so unsichtbar und am Geschehen so unbeteiligt wie irgend m ö glich zu wirken, was allerdingsäußert schwierig war, da mich ja sowohl Eltern wie auch Kinder kennen “ (Beobachtungsprotokoll 1).
Thomas Scheffer (vgl. 2002, 355f), Lehrbeauftragter am Institut für Europäische Ethnologie, beschreibt diese Art der Beobachtung und Positionierung des Forschers im Feld als „Normalisierung“. Der Forscher wird dadurch zu einem „unauffälligen Bestandteil des Ausgangskontextes“ und kann nun unauffällig und nicht störend beobachten, da er nicht (mehr) als Fremdkörper betrachtet wird und somit Beobachtung per se normal ist.
Ein Fragment respektive ein Teilaspekt dieses Problems (Fremdsein) war allerdings von Be- deutung bei den ethnographischen Beobachtungen von Begrüßungssituationen im Kindergar- ten. Wie ich schon mehrfach betont habe, arbeite ich in dieser Einrichtung und musste deshalb vorab in gewisser Weise die eigene bekannte Teilkultur - die des pädagogischen Handelns im Kindergarten - methodisch als fremde Kultur betrachten (Friebertshäuser/Panagiotopoulou 2010, 307; zit. nach Amann/Hirschauer 1997), „wobei diese Art der Beobachtung die Ent- wicklung eines fremden Blicks, [… (Anm. d. Verf.)] eine ´Verfremdung` des scheinbar Ver- trauten voraussetzt und auf der ´Befremdung der eigenen Kultur` basiert“. Oder wie es Kalthoff treffend und reziprok, also im Umkehrschluss zu Amann und Hirschauer (1997) formulierte: „In der Forschungssituation selbst bedeutet dies zum einen, sich dem Vertrauten erneut zu nähern, zum anderen, Fremdes in dieser bekannten Lebenswelt zu erschließen“ (Kalthoff 1997, 18). Somit konnte ich einen offenen und scharfen Blick auf das Interaktions- geschehen in Begrüßungssituationen erlangen.
„ Es zeigt sich, dass sich die Begr üß ungen im Kindergarten im Gros etwas standardisiert und mit etlichen Floskeln, nach dem Wohlbefinden des Kindes bzw. der Eltern gespickt sind. Dies ist mir in meiner Arbeit - wenn ich also selbst Kinder und Eltern begr üß e, nicht so aufgefallen “ (Beobachtungsprotokoll 1).
Abschließend kann man sagen, dass die Rolle, die man einnimmt von der Einrichtung, dem Alter und der jeweiligen Situation (bspw. Verletzungen) sowie Kreditwürdigkeit, die u.a.
[...]
1 „Die Mitmachregel besteht aus drei Komponenten: Erstens: „Mache bei den Aktivitäten der Kinder und Ju- gendlichen mit.“ Zweitens: „Verhalte dich dabei so, als wärest du Teilnehmer unter anderen.“ Drittens: „Stelle glaubhaft dar, dass du als ein Anderer (Erwachsener) teilnimmst.“ (Cloos 2008, 210)