Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr - Bildungschancen im Kontext sozialer Ungleichheit


Hausarbeit, 2012

21 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe

Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Chancenungleichheit im deutschen Bildungssystem
2.1. Definition Chancenungleichheit
2.2. Ursachen von Chancenungleichheit
2.3. Ausprägungen der Chancenungleichheit im deutschen Bildungssystem

3. Lesekompetenzförderung als Maßnahme zur Herstellung gleicher Bildungs-
chancen
3.1. Definition Lesekompetenz
3.2. Projekte zur Lesekompetenzförderung

4. Schlussbetrachtung und Ausblick

Literaturverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1. Einleitung

Bildung ist eine zentrale, individuelle und gesellschaftliche Ressource des 21. Jahrhunderts (Quenzel/Hurrelmann 2010:13). Der Bildungsgrad eines Menschen entscheidet über des­sen Chancen auf einen guten Lebensstandard, beruflichen Erfolg, soziale Sicherheit, auf soziale, kultu­relle, gesellschaftliche und politischen Teil­habemöglichkeiten sowie auf gesell­schaftliches Ansehen, Gesundheit, Selbstbestimmung und Freiheit (Solga/Dombrowski 2009:7; Geißler/Weber-Menges 2009: 155).Die Bereitstellung gleicher Bildungschancen für alle Mitglieder der Bevölkerung ist folglich Vo­raussetzung für soziale Gerechtigkeit in einer Gesellschaft (Geißler/Weber-Menges 2009: 155).

In Deutschland ist diese Voraussetzung jedoch nicht erfüllt. Dies ist lange bekannt und durch verschiedene Studien zum wiederholten Mal nachgewiesen (Mindermann/ Schmidt/ Wippler 2012:11). Denn in Deutschland sind soziale Herkunft und Bildungschancen stark korreliert(Geiß­ler/Weber-Menges 2009: 155).

Mit der Geburt gelangt ein Kind in seine Herkunftsfamilie, welche über einen bestimmten Pool an Ressourcen verfügt der schließlich einen großen Einfluss auf die Sozialisationdes Kindes hat, hier beginnt die Chancenungleichheit. Institutionen der Erziehung und Bildung (Kindergarten und Schule) mit denen Kinder im Laufe ihres Lebens in Berührung kommen, schaffen es in Deutschland meist nur unzureichend, Herkunft und Bildungschancen zu entkoppeln(Bos/ Schwippert/ Stubbe2007: 225; Lankes2009: 153).

Der erste Teil dieser Ausarbeitung wird daher die Ursachen sozi­aler Ungleichheit im Bil­dungsbereich betrachten und die aktuellen Situation darstellen.

Als Deutschland im Jahr 2000 den „Spitzenplatz“im Be­reich der Chance­nungleichheitim Bereich Lesen erzielte,wurden zahl­reiche Stimmen laut, die Strate­gien zur Herstellung gleicher Bil­dungschanen forderten. Eine Maß­nahmewird exemplarisch in Kapitel drei vorgestellt und hin­sichtlich ihrer Eignung zur Entkopplung von Herkunft und Bildungschancen untersucht: die Lesekompetenzförderung. Denn Lesen ist die grundlegende Vo­raussetzung für den Bildungserwerb. Lesen er­öffnet den Zugang zur Medienwelt, die Teil­habe am gesellschaftli­chen und kultu­rellen Leben und befähigt so nicht zuletzt zum lebens­langen Lernen (Bun­desministerium für Bildung und Forschung (im weiteren BMBF) 2007:6; Bartnitzky2006:8; Kliemeetal.2010b:23; Artelt et al. 2001: 133).

Abgeschlossen wird die vorliegende Arbeit durch eine Schlussbetrachtung und einen Aus­blick.

Zur besseren Lesbarkeit wird in der vorliegenden Arbeit das generische Maskulinum ver­wendet.

2. Chancenungleichheit im deutschen Bildungssystem

„In jedem Land der Welt sind materielle und immaterielle Ressourcen ungleich verteilt, die Lebensbedingungen der Bürger sind unterschiedlich vorteilhaft und ihre gesellschaftlichen Positionierungen verschieden. Soziale Ungleichheit ist kein deutsches Problem. In hohem Maße ungerecht ist es aber, wenn die soziale oder ethnische Herkunft eines Menschen die entscheidende Determinante für seinen weiteren Lebensverlauf ist. Hier ist der Staat in der Pflicht, allen Bürgern die gleichen Möglichkeiten zur Entwicklung ihrer Potenziale zu bieten und die Voraussetzungen zu schaffen, dass die vorhandenen Chancen auch tatsächlich wahrgenommen werden können. Denn die Herstellung von Chancengleichheit ist einer der wichtigsten Eckpfeiler demokratischer Gesellschaften, gleichberechtigte Bildungschancen wesentlich für ihren Zusammenhalt und inneren Frieden“ (Wernstedt/John-Ohnesorg 2008:5). Dieses Zitat zeigt eindrücklich die Bedeutung gleicher Bildungschancen für das Bestehen der Gesellschaft. Das fol­gende Kapitel beschäftigt sich daran anknüpfend mit der Chancenungleichheit im deutschen Bildungssystem. Zuerst wird der Begriff der Chancenun­gleichheit definiert, im Anschluss daran erfolgt eine Betrachtung der Ursachen von Chance­nungleichheit und abschließend wird dargestellt, wie sich Chancenungleichheit im deutschen Bil­dungssystem darstellt.

2.1.Definition Chancenungleichheit

Chancenungleichheit besteht dann, wenn eine bestimmte Bevölkerungsgruppe der Gesamt­bevölkerung die Möglichkeit besitzt, besser oder schlechter abzuschneiden als der Rest der Bevölkerung (Hradil2006:196). Bezogen auf den Bereich der Bildung heißt das, dass be­stimmte Bevölkerungsgruppen einen erleichterten und andere Bevölkerungsgruppen einen erschwerten Zugang zu Bildung und damit einhergehend zu Bildungsabschlüssen haben. Im deutschen Bildungssystem existiert Chancenungleichheit im Bereich der Bildung vor allem abhängig von Ge­schlecht, Natio­nalität und sozialer Herkunft (Ditton2008:247). In der vorlie­genden Arbeit wird der Fokus auf der Betrachtung von Chancenungleichheit abhängig von der sozialen Herkunft liegen.

2.2. Ursachen von Chancenungleichheit

Zur Beurteilung und Differenzierung der Ursachen sozialer Ungleichheit beim Bildungserfolg wird im Folgenden auf Boudons Ansatz primärer und sekundärer Herkunftseffekte zurückge­griffen.

Primäre Herkunftseffekte beschreiben den Zusammenhang vonRessourcenverfügbarkeiten nach sozialer Herkunft und schulischen Leistun­gen sowie den darauf aufbauenden Bildung­s­erfolg(Bos/Schwippert/Stubbe2007:226). So sind Kinder aus höheren sozialen Schichten auf Grund besserer Ressourcen der Herkunfts­familie eher dazu in der Lage, gute Schulleis­tung­en zu erbringen als Kinder aus niedrigen sozialen Schichten (Arens2007:147; Preißer 1997:21).

Zur Erklärung der primären Herkunftseffekte unterschiedet Pierre Bourdieu zwischen drei Kapitalformen: dem ökonomi­schen, dem sozialen und dem kultur­ellen Kapital (Bourdieu 1983:186ff).Die Herkunftsfamilie verfügt je nach Schichtzugehörigkeit über einen Ressour­cenpoolbestehend aus den genannten Kapitalformen, aus welchem sie Mittel für die Ausbildung ihrer Kinder schöpfen kann (Bos/Schwippert/ Stubbe2007:226).

Die Ressourcenunterschiede zwischen den Her­kunftsfamilien verschiedener Schichtzugehö­rigkeit beziehen sich demnach auf verschiedene Aspekte, etwa die monetären Ressourcen der Familie (ökonomisches Kapital), den Bildungsgrad der Eltern, das Wissen der Eltern über Bildungsmöglichkeiten, kulturelle Aktivitäten im Elternhaus (Kulturelles Kapital), die soziale Unterstützung der Eltern und das soziale Umfeld (Soziales Kapital) (Hadjaretal.2010:225).

Am Beispiel des ökonomischen Kapitals sollen im Folgenden die primären Herkunftseffekte beispielhaftbeschrieben werden:

Kinder aus oberen sozialen Schichten haben durch ein Mehr an materiellen Ressourcen (ökonomisches Kapital) in der Familie bessere Voraussetzungen für eine erfolgreiche Bil­dungskarriere und damit ein­hergehend höhere Chancen, später selbst einen hohen sozialen Status zu erreichen (Hadjaretal.2010: 225). Sozial schwache Familien hingegen können ihre Kinder nicht immer in aus­reichendem Maße in schulischen Dingen unterstützen. Denn auf Grund der geringen finanziellen Mittel ist es ihnen oft nicht möglich, Nachhilfestunden oder unterstützende Lernmaterialien (z.B. Lexika, Bücher) zu finanzieren. Hinzu kommt häufig eine geringe Wohnqualität, welche es zusätzlich erschwert, ein lernfreundliches Um­feld (z.B. eigenes Zimmer, Schreib­tisch, Bücherregal) bereit zu stellen (Hadjaretal.2010:225; Bos/Schwippert/Stubbe 2007: 227; Solga/ Dombroski2009:22).

Sekundäre Herkunftseffekte beschreiben den Zusammenhang zwischen den Bildungs­ent­schei­dungen und der sozialen Herkunft der Eltern (Böttcher2005:63). Sie erklären, warum für Kinder mit gleichen Schulleistungen unterschiedliche Bildungswege, abhängig von ihrer sozialen Herkunft, gewählt werden (Solga/Dombrowski2009:21).

Besonders schwerwie­gend sind dabei die Bildungsentscheidungen beim Übergang von der Primarstufe zur SekundarstufeI am Ende der vier­ten Klasse. Denn hier wird die Entschei­dung ge­troffen, ob ein Kind die Förder-, Haupt-, Real-, Ge­samtschule oder ein Gymnasium besucht, wodurch die Weichen für die weitere Bildungs­biographie gestellt werden(Arens 2007:147, Solga/Dombrowski 2009:14).Denn Schüler verweilen im Normalfall bis zum Schulabschluss in der Schulform, die nach der Primarstufe gewählt wurde (Bellenberg/ Klemm 2000:73).

In der IGLU-Studie aus dem Jahr 2006 wird die Bedeutung sekundärer Herkunftseffekte im deutschen Bildungssystem deutlich. Die IGLU-Studie ist eine internationale Schulleistungs­studie, welche die Lesekompetenz von Viertklässlern in 35 Staaten misst, um Informatio­nen über die Kompetenzen und Lernbedingungen der Schüler in den beteiligten Staaten zu ge­winnen (Bosetal. 2007b:11). In der 2006 veröffentlichten IGLU-Studie wurde ersichtlich, dass die Chance für Schüler aus niedrigen sozialen Schichten, trotz gleicher kognitiven Grundfähigkeiten und Kompetenzen, niedriger ist ein Gymnasium zu besuchen als für Schüler aus hohen sozialen Schichten(Solga/Dombrowski 2009:14). Die Ursachen hierfür sind sowohl in den Schul­laufbahnempfehlungen der Lehrer als auch in den Schullaufbahn­präferenzen der Elternzu suchen, welche im Folgenden differenziert betrachtet werden.

So basieren die Schullaufbahnpräferenzen der Lehrer nur zum Teil auf den eigentlichen Schülerleistungen, ein großer Teil der Präferenzen wird hingegen durch die soziale Herkunft der Schüler bestimmt(Arnoldet al.2007:286). Denn Lehrer berücksichtigen bei ihrer persönlichen Ein­schätzung häufig leistungsfremde Aspekte. So fließt bei der Entscheidung die Einschätzung ein, ob die Familie über ein aus­rei­chendes Unterstützungspotential für einen Gymnasiumbesuch des Kindes verfügt (Leh­mann/Peek1997:86). Auch die Lernmotivation, die Lern­gewohnheiten, das Sozialverhal­ten und die Umgangsformen des Schülers gehen in die Lehrer­entscheidung ein(Schuma­cher2002:265). Dies führt dazu, dass bei gleichen kognitiven Fä­higkeiten und gleicher Lesekompetenz Kinder der oberen Dienstklasse (dazu zählen nach Erikson et al. z.B. hochgradig Qualifizierte, Leiter von Behörden sowie Manager in großen Wirtschaftsunternehmen) mit 2,64-mal höherer Wahrschein­lichkeit von ihren Lehrern eine Empfehlung fürs Gymnasium bekommen, als Kin­der aus Facharbeiterfamilien (dazu zählen nach Erikson et al. Arbeiter, ausgebildete Handwerker sowie Vorgesetzte von Handwerkern) (Arnoldetal.2007:287; Erikson et al. 1979:420).

Die Schullaufbahnentscheidung und die soziale Herkunft sind auf der Elternseite noch stär­ker korreliert. So haben Eltern aus der oberen Dienst­klasse, bei gleichen kognitiven Fä­hig­keiten und gleicher Lesekompetenz ihres Kindes, eine 3,8-mal hö­here Präferenz für einen Gymnasialbesuch ihres Kindes als Eltern aus Facharbeiter­familien und sogar eine 5,7-mal höhere Präferenz im Vergleich zu un- und angelernten Arbeitern (Arnoldetal.2007:281; Solga/Dombrowski 2009: 14).

Diese Ergebnisse der IGLU-Studie von 2006 zeigen, dass Kinder aus niedrigen sozialen Schichten doppelt benachteiligt sind. Denn neben der Be­nachteiligung im Bereich der Kom­petenzentwicklung und‑förderung, können sie ihre vor­handenen Kompetenzen auch schlechter in entsprechende Bildungswege umsetzen (Solga/Dombrowski 2009:14).

Grundsätzlich spielen im deutschen Schulsystem Lehrerempfehlungen und Elternpräferen­zen (sekundäre Her­kunftseffekte) eine größere Rolle als primäre Herkunfts­effekte, da der Bildungsweg eines Kindes insbesondere durch diese festgelegt wird (Solga/ Domb­rowski2009:23,29).

2.3.Ausprägungen der Chancenungleichheit im deutschen Bildungssystem

„Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Spra­che, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen An­schauungen benachteiligt oder bevorzugt werden (…)“ so der Wortlaut von Artikel 3 Absatz 3 des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland.

Dieser Grundsatz der rechtsstaatli­chen Demokratie bewahrheitet sich jedoch nicht in vollem Maße für das deutsche Bil­dungssystem. Denn die Ergebnisse der Schulleistungsstudien IGLU und PISA der letzten Jahre zeigen eindrücklich, dass Deutschland von gleichen Bildungschancen noch weit ent­fernt ist. So schafft das deutsche Bildungs­system es nur unzureichend, soziale Ungleichhei­ten abzu­schwächen und Kindern aus unter­schied­lichen sozialen Schichten und Milieus ver­gleichbare Bildungschancen einzuräumen (Bos/ Schwippert/Stubbe2007: 225). Die Folge ist eine starke Kopplung von Bildungschancen und soziale Herkunft (Arens 2007: 137).

Im Folgenden wird ein kurzer Einblick in die Chancenungleichheiten des deutschen Bil­dungssystems gegeben. Die Bildungskariere eines Kindes beginnt bereits im Rahmen der familialen Sozialisation. Im Vorschulalter kommen die Kinder dann mit Instanzen der Sozialisation in Kontakt. Die Eltern treffen die ersten Entscheidungen über die Teilnahme und den Zeitpunkt des Kindergartenbesuchsund wählen ggf. eine bestimmte Einrichtung aus (Becker/Reimer 2010: 7). Im folgenden Kapitel wird sich die Betrachtung dabei auf Ungleichheiten im Rahmen von Institutionen beschränken und nicht näher auf die familiale Sozialisation eingehen. Dabei wird zuerst auf die Ungleichheit im Vorschulalter eingegangen und darü­ber hinaus auf die Ungleichheit in Grundschule und Sekundarbereich bis hin zum Arbeitsmarktzugang eingegangen.

Ungleichheit im Elementarbereich

Die Fähigkeiten und das erworbene Wissen eines Kindes werden vor allem durch die famili­äre Sozialisation im Elternhaus geprägt. Vordergründig ist dabei die Verfügbar­keit bildungs­relevanter Ressourcen in Form von kulturellem Kapital. Unterschiedliche Verfügbarkeit an kulturellem Kapital (Fähigkeiten, Wissen) führen wiederum zu un­terschiedlichen Startchan­cen (Arens2007:144). Außerfamiliale Lernkontexte im Elementarbereich haben daher eine große Bedeutung, da sie die durch unterschied­liche Ressourcenverfügbarkeiten entstande­nen Nachteile kompensieren können (Becker 2010:17). Viele empirische Studien zur Wir­kung des Besuchs vorschulischer Kindertageseinrichtungen zeigen, dass diese sich positiv auf die Kindesentwicklung auswirken (vgl. Garces et al. 2002; Aughinbaugh 2001; Büchel et al. 1997; Barnett 1995).

Doch vorschulische Kindertageseinrichtungen werden nicht von allen Bevölkerungs­schich­ten im gleichen Maße genutzt. So nehmen Eltern mit hohen Bildungsabschlüssen häufiger eine vorschulische Be­treuungseinrichtung in Anspruch als Kinder deren Eltern eine geringere Schulbildung aufweisen (Konsortium Bil­dungsberichterstattung: 38).

Auch bei der Auswahl der Betreuungseinrichtung gibt es starke Differenzen zwischen den verschiedenen sozialen Schichten, da Familien mit geringerem Erwerbsein­kommen oft nicht in der Lage sind, teure, hochqualitative Betreuungsangebote für ihre Kinder auszuwählen. Als Folge werden Kinder bereits im Kindergarten sozial segre­giert. Denn Kinder aus Haushalten mit hohem Erwerbseinkommen besuchen vor al­lem vorschulische Bildungseinrichtungen die eine hohe Betreuungsqualität aufwei­sen, wohingegen Kinder aus einkommensschwachen Haushalten vermehrt in Ein­richtungen mit geringer Betreuungsqualität untergebracht werden. Ihre Betreuung wird zudem vielfach durch informelle Betreuungsarrangements geregelt oder aber fehlt ganz (Kreyenfeld 2008: 99).Durch die qualitativ unterschiedlichen Betreuungsan­gebote besteht das Risiko, dass sich die Kompetenzunterschiede, die Kinder auf Grund ihrer familiären Sozialisation aufweisen, noch verstärken (Becker 2010: 17), wodurch die soziale Ungleichheit nicht behoben, sondern re­produziert und verstärkt wird (Kreyenfeld 2008: 103).

Ein stark erhöhtes Risiko in ihrer Entwicklung benachteiligt zu werden haben jedoch vor al­lem Kin­der, die keinen Zugang zu Betreuungseinrichtungen erhalten (Kreyenfeld 2008: 103). Dies wird im Wesentlichen dadurch bedingt, dass ihre kogniti­ven, sprachlichen und motorischen Fähigkeiten sowie ihrer kulturellen und sozialen Kompe­tenzen nicht durch pädagogische Fachkräfte gefördert werden (Arens 2007: 145f).

Ungleichheit im Primarbereich

Da im Kindergarten Kompetenzunterschiede auf Grund verschiedener Sozialisation oft nicht in ausreichendem Maße ausgleichen werden, haben Kinder beim Schuleintritt bereits unter­schiedliche Kompetenzen - und damit einhergehend unterschiedliche Bildungschancen - ab­hän­gig von ihrer sozialen Herkunft (Becker 2010:17; Durhamet al. 2007:294). Dies zeigt etwa die Längsschnittstudie von Ditton und Krüsken (2009:33),welche die Entwicklung von Schulleistungen in den Fächern Deutsch und Mathematik sowie den Einfluss der sozialen Herkunft auf die Schulleistungen in der Grundschule untersucht. Eine Vielzahl der Kinder aus unteren sozialen Schichten zählte zu Studienbeginn zu den leistungsschwachen Schülern, wohingegen der Großteil der Kinder aus Familien mit hohem sozialen Status zu den leis­tungsstarken Schülern gehörte. In beiden Stichprobengruppen schnitten die Schüler der obe­ren Schichten bei den Messungen, die jeweils am Ende der zweiten und vierten Klasse er­folgten, besser ab als Schüler aus unteren Schichten (Ditton/Krüsken 2009:57). Die Her­kunftseffekte konnten während der Grund­schulzeit nicht reduziert werden. Die Autoren stel­len abschließend die Hypothese auf, „dass der erhebliche Leistungsrückstand der Schüler aus den unteren Schichten am Ende der Grundschulzeit sich auf die weitere Leistungs­ent­wick­lung in der Sekundarstufe auswirken wird“ (Ditton/Krüsken2009:58).

[...]

Ende der Leseprobe aus 21 Seiten

Details

Titel
Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr - Bildungschancen im Kontext sozialer Ungleichheit
Hochschule
Justus-Liebig-Universität Gießen
Veranstaltung
Haushalts-und Dienstleistungswissenschaften
Note
1,3
Autor
Jahr
2012
Seiten
21
Katalognummer
V190212
ISBN (eBook)
9783656147220
ISBN (Buch)
9783656148043
Dateigröße
480 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
hänschen, hans, bildungschancen, kontext, ungleichheit
Arbeit zitieren
Bachelor of Science Marie Tolkemit (Autor:in), 2012, Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr - Bildungschancen im Kontext sozialer Ungleichheit, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/190212

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