Welche Chancen und Risiken liefert der Medienumbruch für soziale Bewegungen?

Analyse anhand eines Zeitvergleichs: Montagsdemonstrationen in der DDR und der Arabische Frühling


Hausarbeit (Hauptseminar), 2012

19 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Hauptteil
2.1 Theorie und Wandel der Netzwerke nach Manuel Castells
2.2 Soziale Bewegungen im Zeitvergleich
2.2.1 Montagsdemonstrationen in der DDR
2.2.2 Der Arabische Frühling
2.2.3 Gemeinsamkeiten und Unterschiede

3. Risiken und Probleme des Medienumbruchs für soziale Bewegungen

4 Schlussteil
4.1 Versuch einer Prognose für die Zukunft
4.2 Persönliches Fazit

5 Literaturverzeichnis und Quellenangaben

1 Einleitung

Sie trägt rote Lackschuhe, Netzstrümpfe und sonst nichts. Die ägyptische Bloggerin Aliaa Magda Elmahdy hat sich im vergangenen November zum Protest gegen die immer noch vorherrschende Zensur in Ägypten ausgezogen und damit ihr Heimatland in Aufruhr versetzt. Diktator Mubarak ist zwar gestürzt, doch die Tabus sind geblieben. In einem der Bilder bedecken gelbe Balken ihre Augen, ihren Mund und ihre Scham. "Die Balken sollen unsere Zensur von Wissen, Ausdruck und Sexualität darstellen", so die Bloggerin. („Nackte Studentin entzürnt Ägypter“, 2011)

Ein junger Mann versucht auch in Tunesien etwas zu verändern und auch er nutzt das Internet um seine Botschaft zu verbreiten. Rapper Hamada Ben Aoun, genannt El Général, ist zur Stimme der tunesischen Revolution geworden. Im November 2010 veröffentlicht er sein Lied "Rais Lebled" auf Facebook: „Herr Präsident, dein Volk stirbt, / das Volk isst Dreck. / Schau, was passiert, / das Elend ist überall.“ Zeilen, die bald auch in Kairo und in Bahrain auf den Straßen zu hören sein werden. Für drei Tage wird der Rapper im Januar vergangenen Jahres gefangen gehalten, die jungen Tunesier gehen für ihn auf die Straße, als er freikommt ist er ein Star. „Hamada hat die Welle erschaffen, er hat sie geritten - jetzt wollen die Leute Veränderung und keine Revolutionslieder“, sagt sein Manager. („Der Junge, der den Präsidenten stürzte“, 2011)

Junge Menschen wie Elmadhy und El Général sind die wahren Helden der arabischen Revolution. Es sind die Jugendlichen, die sich als Erste gegen die Herrscher auflehnen und den arabischen Frühling ins Leben rufen. Immer an ihrer Seite, das Internet: Wunderwaffe, Organisationswerkzeug, Sprachrohr. Die folgende Arbeit untersucht, welche Möglichkeiten das Internet sozialen Bewegungen eröffnet hat, aber auch welche Probleme und Risiken die neue Technologie mit sich bringt. Anhand eines Vergleichs von Montagsdemonstrationen in der DDR und dem Arabischen Frühling, soll das Wirken und Handeln sozialer Bewegungen im Technologiewandel beschrieben werden. Welche Unterschiede und Gemeinsamkeiten gibt es? Wie könnte die Zukunft aussehen? Abschließend folgt ein kurzes, persönliches Statement.

2 Hauptteil

Die Kommunikation via Netzwerke spielt im heutigen Informationszeitalter eine enorme Rolle. Um zu verstehen, wie sich der Technologie- und Medienwandel auf Gesellschaft und Öffentlichkeitsstrukturen auswirken kann und inwiefern dadurch das Handeln sozialer Bewegungen beeinflusst wird, betrachten wir zunächst eine theoretische Herangehensweise an Netzwerke nach Castells.

2.1 Theorie und Wandel der Netzwerke nach Manuel Castells

Öffentlichkeit organisiert sich laut Castells (2008) in Netzwerken. Bevor wir jedoch näher auf diese Netzwerke eingehen, ist ein Verständnis für Öffentlichkeit selbst nötig. Castells definiert diese, in Anlehnung an Jürgen Habermas, als einen Raum für Diskussion und Meinungsaustausch, der zwischen der Gesellschaft und dem Staat liegt. In der Öffentlichkeit kommen die Menschen zusammen und artikulieren ihre Meinung mit dem Ziel die Politik zu ihren Gunsten zu beeinflussen. In der vernetzten Gesellschaft sammeln sich die gemeinsamen Werte und Interessen der Bevölkerung und werden anschließend an den Staat vermittelt. Dieser Austausch zwischen Staat und Gesellschaft bildet das Fundament der Demokratie. (S.78)

Netzwerke an sich sind sehr alte Formen sozialer Organisation, doch durch die neuen Informationstechnologien wird ihnen frisches Leben eingehaucht. Sie werden zu Informationsnetzwerken. Die daraus resultierende Netzwerkgesellschaft organisiert ihre Öffentlichkeit wie keine andere historische Organisation auf Basis von Medienkommunikation. In der digitalen Ära schließt diese sowohl die Vielfalt der Massenmedien, als auch die des Internets ein. (Castells, 2008, S.79) Das Internet dient dabei nicht nur der Organisation, sondern stellt auch den Raum für Debatte, Dialog und den kollektiven Entscheidungsfindungsprozess der Netzwerke dar. Als Plattform der Netzwerke erlaubt es eine globale Vernetzung der Menschen weltweit und ersetzt teilweise die nationalstaatliche Öffentlichkeit durch eine Weltöffentlichkeit. Durch das Internet und die Globalisierung ist es möglich und nötig geworden Meinungen auch weltweit zu diskutieren.

Dies geschieht über geografische Grenzen hinweg, es entsteht eine neue Gesellschaft. Castells (2008) nennt sie: Global Civil Society. (S.78) „Not everything or everyone is globalized, but the global networks that structure the planet affect everything and everyone.” (S.81) Die Vorteile dieser neuen Global Civil Society ergeben sich aus dem Netzwerk, durch das sie kommuniziert und in dem sie sich organisiert. Moderne Netzwerke vereinen Flexibilität und Anpassungsfähigkeit. Feedback- Effekte und Kommunikation zwischen allen Teilen des Netzwerks ermöglichen eine koordinierte Entscheidungsfindung und dezentrale Ausführung. Ein Netzwerk hat per Definition kein Zentrum, keine Hierarchie und öffnet Entscheidungsprozesse somit für die Partizipation aller. (S.88)

2.2 Soziale Bewegungen im Zeitvergleich

Um sich den Veränderungen, die das Internetzeitalter für soziale Bewegungen mit sich bringt bewusst zu werden, bietet sich ein Zeitvergleich an. Wie haben sich die Leute zum Protest organisiert, als es die heutigen Möglichkeiten noch nicht gab? Antwort hierfür sollen die Montagsdemonstrationen in der DDR liefern. Der arabische Frühling hingegen, wird als aktuelles Beispiel erklären, wie es zur sogenannten „Internetrevolution“ kommen konnte.

2.2.1 Montagsdemonstrationen in der DDR

Die Kommunalwahlen am 7. Mai 1989 sind es, die das Ende der SED- Herrschaft in der DDR einläuten. Wie immer gewinnt die SED haushoch. Doch zum ersten Mal, kann ihr der Wahlbetrug diesmal nachgewiesen werden. In den folgenden Wochen versuchen die Vertreter der Opposition einerseits die Behörden zu einer Stellungnahme zu bewegen und andererseits die Öffentlichkeit durch Appelle zu mobilisieren. Die Bedingungen den Protest auch „über die Grenzen des oppositionellen Milieus auszuweiten“ stehen eigentlich recht gut. Der Wahlbetrug stellt schließlich ein Thema dar, dass alle etwas angeht. Dennoch geschieht bis zum Sommer 1989 nichts. (Timmer, 2000, S.79)

Denn in der DDR herrschen Bedingungen, die sich als hochgradig bewegungsfeindlich beschreiben lassen. Das Bedrohungspotenzial des Repressionsapparats zögert öffentliche Proteste der Bevölkerung zunächst hinaus. Zu groß ist die Angst vor staatlichen Übergriffen innerhalb der Gesellschaft. Die Teilnahme an Aktionen ist mit einem hohen persönlichen Risiko verbunden, das von der Diskriminierung in Ausbildung und Beruf über Gefängnisstrafen bis hin zur Ausweisung reichen kann. Dem möglichen Nutzen einer Teilnahme stehen daher, zumindest potentiell, sehr hohe Kosten gegenüber - ein schlechter Nährboden für eine weitreichende Mobilisierung. Und auch die Trägergruppen der Opposition sind den Beschränkungen unterworfen. Mobilisierungskampagnen, Flugblätter, öffentliche Veranstaltungen, Presseerklärungen oder Unterschriftensammlungen stehen aufgrund der fehlenden Presse-, Meinungs- und Versammlungsfreiheit nicht zur Wahl. Auch Telefonketten sind wegen der sporadischen Verteilung von Telefonen in der DDR unwirksam. (Timmer, 2000, S.80-81)

Timmer (2000) kommt zu dem Schluss:

Auch bei noch so kritik- und protestwürdigen Anlässen wie der Kommunalwahl im Mai 1989 waren daher alle Bemühungen, Bewegung in das starre System der DDR zu bringen, systematisch zum Scheitern verurteilt. Nach vierzig Jahren hatten sich in der DDR Strukturen herausgebildet, die der Entstehung sozialer Bewegungen die politischen, sozialen, individuellen und sozialpsychologischen Vorrausetzungen weithin entzogen. (S.82)

Doch die manipulierten Wahlen sind nur die Spitze des Eisbergs, angesichts der Probleme, die die DDR-Bürger mit ihrer Regierung haben: „Politische Bevormundung, realitätsferne Berichterstattung der DDR-Medien, Versorgungsengpässe und die Widersprüchlichkeiten des planwirtschaftlichen Wirtschaftssystems“ spitzen die Unzufriedenheit weiter zu. Und auch die unerfüllte Hoffnung, dass es nach der Wahl Gorbatschows 1987 zu einer Reformierung des politischen Systems kommen könnte, verschlimmert den Zustand - die DDR hält unbeirrt an ihren Ideologien fest, gesteht Fehler im System nicht ein. (Timmer, 2000, S.82 und S.94)

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Ende der Leseprobe aus 19 Seiten

Details

Titel
Welche Chancen und Risiken liefert der Medienumbruch für soziale Bewegungen?
Untertitel
Analyse anhand eines Zeitvergleichs: Montagsdemonstrationen in der DDR und der Arabische Frühling
Hochschule
Ludwig-Maximilians-Universität München  (IfKW)
Veranstaltung
Hauptseminar Öffentlichkeitsdynamiken
Note
2,0
Autor
Jahr
2012
Seiten
19
Katalognummer
V190381
ISBN (eBook)
9783656150404
ISBN (Buch)
9783656150725
Dateigröße
774 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Facebook Revolution, Internetrevolution, Arabischer Frühling, Internet, soziale Bewegungen, Montagsdemonstrationen DDR, Manuel Castells, Global Civil Society, Öffentlichkeit, Netzwerkgesellschaft, Mobilisierung, Organisation, Revolution, Ägypten, Facebook, Youtube, Twitter, Citizen Journalism
Arbeit zitieren
Nathalie Wilk (Autor:in), 2012, Welche Chancen und Risiken liefert der Medienumbruch für soziale Bewegungen?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/190381

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