Thematisierungseffekte im Vorfeld der Bundespräsidentenwahl 2010

Zwischen vermeintlichem „Gauck-Hype und „Gauck-Euphorie“


Hausarbeit (Hauptseminar), 2011

126 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

1. Der zeitgeschichtliche Untersuchungskontext
1.1 Der Auftakt: Ein unerwarteter Rücktritt
1.2 Die drängende Suche nach einem Nachfolger
1.3 Eine Kandidatur schlägt Wellen

2. Eine erste Skizzierung des Forschungsvorhabens

3. Der theoretische Bezugsrahmen
3.1 Der sozialpsychologische Ansatz zur Erklärung von Wahlverhalten
3.2 Der Agenda-Setting-Ansatz
3.2.1 A-S-spezifische Wirkungsannahmen
3.2.2 Themenspezifische A-S-Effekte
3.2.3 Zur vermuteten Effektdynamik
3.2.4 Die Erweiterung des A-S-Ansatzes um Attribute Agenda-Setting
3.3 Politisches Medien-Priming

4. Eine Konkretisierung der Umsetzung des Forschungsvorhabens
4.1 Untersuchungsleitende Fragestellungen
4.1.1 Komplex „Thematisierung“
4.1.2 Komplex „Bewertung“ bzw. „Einstellungsveränderung“
4.2 Grundsätzliche Forschungslogik
4.3 Zur methodischen Konzeption des Forschungsdesign

5. Themenkomplex „Thematisierung“
5.1 Die politische Agenda
5.2 Die Medienagenda - Thematisierung der Bundespräsidentenwahl und Darstellung der Kandidaten Gauck und Wulff
5.2.1 Untersuchungszeitraum und Untersuchungsgegenstand „Leitmedien Print“
5.2.2 „Quantitativ und qualitativ“
5.2.3 Häufigkeiten und Frequenzen
5.2.3.1 Thematisierung der Bundespräsidentenwahl
5.2.3.2 Thematisierung der Bundespräsidentenwahl nach Medien
5.2.3.3 Thematisierung Gauck und Wulff
5.2.3.4 Thematisierung Index
5.2.3.5 Thematisierung Gauck und Wulff nach Medien
5.2.3.6 Thematisierung Gauck und Wulff im Zeitverlauf
5.2.4 Zwischen-Fazit Medienagenda Häufigkeiten und Frequenzen Medienagenda
i
5.3 Die Publikumsagenda
5.3.1 Wie kommt ein Thema in die Publikumsagenda?
5.3.2 forsa untersucht: Die Themenwichtigkeit beim Publikum
5.3.3 Im Internet auf der Suche nach der Bundespräsidentenwahl
5.3.4 Zwischenfazit Thematisierung beim Publikum

6. Themenkomplex „Bewertung/Einstellungsveränderung“
6.1 Theoretischer Exkurs: agendenübergreifendes implizites Kollektivbewusstsein um das Amt des Bundespräsidenten
6.1.1 Grundgesetz Artikel 54 - Allgemeines
6.1.2 Grundgesetz Artikel 55 - Unvereinbarkeiten
6.1.3 Bezüge zur Berichterstattung der Bundespräsidentschaftswahl
6.2 Die Medienagenda: Valenzen und Globalbewertungen
6.3 Die Medienagenda: Attribute, Kandidaten-Images und typische Beispiele
6.3.1 Gauck-Attribute
6.3.1.1 Persönlichkeitseigenschaften
6.3.1.2 Fachkompetenz-Attribute
6.3.2 Wulff-Attribute
6.3.2.1 Persönlichkeitseigenschaften
6.3.2.2 Fachkompetenz-Attribute
6.4 Fazit Medienagenda - Gesamtbetrachtung des affektiven Medienwirkungspotenzials .
6.5 Die Publikumsagenda: Kandidatenpräferenzen
6.5.1 Zur Rolle der Parteipräferenz
6.5.2 Zur Rolle der Ost-West-Herkunft
6.5.3 Zur Rolle des Alters
6.5.4 Zur Rolle der sozialen Schicht

7. Weitere interessierende Agendenvergleiche

8. Conclusio

9. Ausblick

10. Literaturverzeichnis
10.1 Primärliteratur - Quellen
10.2 Sekundärliteratur - Darstellungen und Untersuchungen

11. Anhangsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Die Relevanz von Medieneinflüssen im sozialpsychologischen Modell zur Erklärung des Wählerverhaltens

Abbildung 2: Zwei-Ebenen-Modell des A-S

Abbildung 3: Ebenen des politischen Medien-Priming

Abbildung 4: Model of societal agenda setting

Abbildung 5: Thematisierung Artikel Bundespräsidentenwahl im Zeitverlauf (Kiosk)

Abbildung 6: Artikel Bundespräsidentenwahl Tageszeitungen

Abbildung 7: Artikel Bundespräsidentenwahl Magazine/Wochenzeitungen

Abbildung 8: Häufigkeit der Nennung Gauck Wulff gesamt

Abbildung 9: Häufigkeit der Bilder Gauck Wulff

Abbildung 10: Häufigkeit der Bilder Titelseite

Abbildung 11: Häufigkeit der Nennung Überschrift Gauck Wulff

Abbildung 12: Häufigkeit der Nennung Titelseite Gauck Wulff

Abbildung 13: Häufigkeit Überschrift Titelseite Gauck Wulff

Abbildung 14: Häufigkeit Interviews Gauck Wulff

Abbildung 15: Index Thematisierung Gauck und Wulff gesamt

Abbildung 16: Häufigkeit der Nennung Gauck Wulff nach Medien (Tageszeitungen)

Abbildung 17: Index-Häufigkeit der Nennung Gauck Wulff nach Medien (Tageszeitungen)

Abbildung 18: Häufigkeit der Nennung Gauck Wulff nach Medien (Magazine/Wochenzeitungen)

Abbildung 19: Index-Häufigkeit der Nennung Gauck Wulff nach Medien (Magazine/Wochenzeitungen)

Abbildung 20: - Thematisierung der Kandidaten: Nennung Gauck Wulff im Zeitverlauf

Abbildung 21: Thematisierung - Häufigkeit der Artikel zur Bundespräsidentenwahl und der Nennungen Gauck Wulff im Zeitverlauf

Abbildung 22: Thematisierung Gauck und Wulff kumuliert

Abbildung 23: Themeninteresse der Bevölkerung

Abbildung 24: forsa-Themen und Anzahl der Artikel mit Bezug zur Bundespräsidentenwahl

Abbildung 25: Darstellung Google Insights mit Index-Werten

Abbildung 26: Darstellung Google Insights mit absoluten Zahlen

Abbildung 27: Illustration der Begriffskombinationen bei der Google-Suche Wulff

Abbildung 28: Illustration der Begriffskombinationen bei der Google-Suche Gauck

Abbildung 29: Interesse der Wikipedia-Nutzer an den Kandidaten

Abbildung 30: Tendenz - Artikel-Globalbewertungen pro Gauck pro Wulff

Abbildung 31: Entwicklung der kumulierten Artikel-Globalbewertungen pro Gauck und pro Wulff

Abbildung 32: Wolke „Darstellung Gauck“

Abbildung 33: Wolke „Darstellung Wulff“

Abbildung 34: Thematisierung - Häufigkeit der Artikel zur Bundespräsidentenwahl und der Nennungen Gauck und Wulff im Zeitverlauf

Abbildung 35: Thematisierung Gauck und Wulff kumuliert

Abbildung 36: Die Entwicklung der BP-Kandidatenpräferenz im schwarz-gelben Lager

Abbildung 37: Die Entwicklung der BP-Kandidatenpräferenz in Ost und West

Abbildung 38a: Die Entwicklung der BP-Kandidatenpräferenz über Altersgruppen hinweg

Abbildung 38b: Die Entwicklung der BP-Kandidatenpräferenz nach formaler Bildung

Abbildung 39: Forsa-Umfragedaten (im Zeitverlauf)

Abbildung 40: Positive Globalbewertungen (im Zeitverlauf)

Abbildung 41: Summen-Index Häufigkeit der Nennung gewichtet (Unterschied Gauck Wulff)

Abbildung 42: Forsa-Kandidatenpräferenz (Durchschnittsprozentwert, Unterschied)

Abbildung 43: Gauck-Präferenz (Forsa & Index im Zeitverlauf)

Abbildung 44: Wulff-Präferenz (Forsa & Index im Zeitverlauf)

Abbildung 45: Index - Tagesmedien

Abbildung 46: Index - Wochenmedien

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1: Untersuchungsgegenstand Leitmedien Print

Tabelle 2: Summen-Index Häufigkeit der Nennung - gewichtet

Tabelle 3: forsa-Umfragedaten - Kandidatenpräferenz

1. Der zeitgeschichtliche Untersuchungskontext

1.1 Der Auftakt: Ein unerwarteter Rücktritt

Als der neunte Bundespräsident der Bundesrepublik, Horst Köhler, am 31. Mai 2010 überraschend wegen teils heftiger Kritik aus Oppositionskreisen an seinen umstrittenen Äußerungen zur Legitimität von Bundeswehreinsätze und aufgrund ausbleibender Unterstützung der Regierungskoalition vom Amt zurücktrat1, erschütterte dies das Land2 : Erstmals war mit dem erfahrenen Wirtschaftswissenschaftler und vormaligen geschäftsführenden Direktor des Internationalen Währungsfonds 2004 ein für viele Bürger vormals unbekannter Nicht-Politiker ins höchste Staatsamt gewählt und 2009 abermals für eine zweite Amtsperiode bestätigt worden. Nun trat dieser "unbequeme Präsident", laut Selbstzuschreibung zum Zeitpunkt seines Amtsantritts3, mittlerweile jedoch mit großem Rückhalt in der Bevölkerung ausgestattet, gar selbst von Anhängern der Opposition geschätzt und teils ehrfürchtig, teils abschätzig von etlichen Medien als "Bürgerkönig" bzw. als "Ersatzmonarch4 " tituliert, zurück. Bei der Regierungskoalition war er mittlerweile ob seiner großen Beliebtheit bei den Bürgern in Verbindung mit einer vermeintlich zu starken Einmischung in die Tagespolitik und damit in den Aufgabenbereich der Bundesregierung in Ungnade gefallen, hatte zumindest jedoch weitgehend an Rückhalt verloren. Mit seinem Rückzug vom Amt hinterließ Köhler den Koalitionären ein weiteres Problem inmitten einer ohnehin angespannten Regierungsphase und warf damit Fragen nach seinem unerwarteten Abgang auf, deren Beantwortung auf die Regierungskoalition wohl auch kein gutes Licht werfen und weitere Zweifel und Mutmaßungen über den Zustand des Regierungsbündnisses nährten. Der CDU/FDP-Koalition stellte sich nun unvermittelt die schwere Aufgabe, in kurzer Zeit einen geeigneten Nachfolger zu finden.

1.2 Die drängende Suche nach einem Nachfolger

Binnen eines Monats mussten die im Bundestag vertretenen Parteien bzw. Fraktionen eine Kandidatin bzw. einen Kandidat nominieren und am 30. Juni 2010 schließlich von der Bundesversammlung wählen lassen. Dabei bestand die besondere Herausforderung seitens der bürgerlichen Koalition aus Unionsparteien und der FDP nun darin, einen Kandidaten aufzustellen, der anders als Horst Köhler über mehr Erfahrung im Politikbetrieb, ergo engere Verbindungen, Netzwerke und Absprachen in Bezug auf das operative politische Geschäft der Regierung aufbauen und aufrecht erhalten würde. Insofern entsprach die Vorstellung des zu dem Zeitpunkt u.a. noch als Ministerpräsident Niedersachsens amtierenden Kandidaten Christian Wulff (CDU) am 3. Juni 2010 einer solchen schwarz-gelben Wunschkandidatur eines Politikers mit anhaltend hohen Beliebtheitswerten und einer langen Karriere im (Berufs-) Politikbetrieb.

Die Opposition aus SPD und Grünen einigte sich hingegen am 4. Juni fast zeitgleich auf den 70-jährigen parteilosen, aus der ehemaligen DDR stammenden Bürgerrechtler und Pastoren Joachim Gauck als Mitbewerber und Quasi-Gegenentwurf zu Wulff um das höchste Staatsamt, der der Meinung etlicher politischer Beobachter nach ob seiner Nähe zum konservativen Lager und seiner Nähe zur Kanzlerin Angela Merkel jedoch durchaus auch von der Union hätte aufgestellt werden können.5

Die Linkspartei schickte am 8. Juni 2010 offiziell die ehemalige Chefredakteurin des Hessischen Rundfunk und seit 2005 im Bundestag sitzende Luc Jochimsen ins Rennen. Von diesen drei Bundespräsidentschaftskandidaten (Daneben hatte die NPD den praktisch chancenlosen Kandidaten Frank Rennicke aufgestellt) schienen, den Mehrheitsverhältnissen in der Bundesversammlung und den zu zugrunde liegenden parteipolitischen Interessenlagen entsprechend, jedoch nur die beiden erstgenannten Nominierten ernsthafte Chancen auf den Einzug ins Schloss Bellevue zu haben.6

1.3 Eine Kandidatur schlägt Wellen

Dabei stand der ehemalige DDR-Oppositionelle und medienweit hochgelobte und mit allerlei Vorschusslorbeeren und positiven Attributen bedachte charismatische Joachim Gauck allem Anschein nach von Anfang an im Scheinwerferlicht der Öffentlichkeit und sah sich einer überbordenden Beliebtheit ausgesetzt, schien insbesondere auch im Internet bei vermeintlich vormals politisch gering interessierten Jugendlichen und jungen Erwachsenen plötzlich hoch im Kurs zu stehen: Es entstanden in kürzester Zeit nach Bekanntwerden seiner Kandidatur unzählige Unterstützer- und Fangruppen in Social Communities wie Facebook oder StudiVZ7, die täglich Tausende neuer Mitglieder zählten. Medial vermittelt schienen viele Bürger von Joachim Gauck fasziniert (schlagwortartig gelegentlich als „Gaukomanie“ bezeichnet)8, entwickelten vermeintlich wieder stärkeres Interesse am politischen Geschehen und sprachen sich teils euphorisiert und vehement für Gauck als Bundespräsidenten aus, obwohl dessen Wahl durch die Bundesversammlung und nicht durch das Wahlvolk geleistet würde.

In der öffentlichen Wahrnehmung schienen die Sympathien, die Begeisterung und die Kandidatenpräferenz ganz eindeutig zugunsten Gaucks auszufallen; beinahe lässt sich konstatieren, dass der aufgrund seiner rechnerischen und wahrscheinlichen Mehrheit in der Bundesversammlung de facto favorisierte Kandidat Wulff und die als abgeschlagen geltende Kandidatin der Linkspartei, selbst jedoch bar jeder Chance, aufgrund der medialen Dominanz Gaucks in Verbindung mit entsprechend positiven Konnotationen und einem ansprechenden Kandidaten-Image marginalisiert wurden. Dadurch setzte sich die mit dem Rücktritt Köhlers ohnehin starke Thematisierung des Themas „Bundespräsidentschaft bzw. Bundespräsidentschaftswahlen“ fort und es erwuchs daraus das Kuriosum einer bis dato nicht gekannten, starken medialen Thematisierung der Bundespräsidentschaftswahl, das den Eindruck erwecken konnte, dieser gehe ein tatsächlicher Wahlkampf wie etwa bei den Wahlen zum Bundestag samt gewünschter Aktivierung und Mobilisierung der eigenen Anhänger voraus.

Die Gründe für die wahrgenommene Intensität der Berichterstattung über den Themenkomplex rund um den Rücktritt Köhlers, die Nominierung der beiden aussichtsreichsten Kandidaten Gauck und Wulff und den suggerierten Wahlkampf bis hin zum Wahltag am 30. Juni entspringen vermutlich der Symbolkraft politischen Geschehens und parteipolitischer Machtverhältnisse, die sich in der Öffentlichkeit spiegeln, aber auch brechen und Gegenstand medialer Diskurse werden; womöglich auch dadurch, dass die von der Bevölkerung wahrgenommene Kluft der politischen Sphäre und ihrer Lebenswirklichkeit als zu groß, mithin das Ausmaß gesellschaftlicher Interessenvertretung als zu gering empfunden und beides folglich von den Medien als eigener Akteur bzw. Vermittler aufgegriffen wird.

I. Theoretischer Teil

2. Eine erste Skizzierung des Forschungsvorhabens

In jedem Falle ist eine kausale Erklärung für den Hintergrund der damaligen politischen Ereignisse jedoch nicht Gegenstand dieser Untersuchung, die stattdessen vorwiegend formaldeskriptiv vorgeht und empirischen Belegen im Zusammenhang mit den o.a. Beobachtungen im Zusammenhang mit der Bundespräsidentschaftswahl nachzuspüren versucht, in Folge derer dann unter Umständen vorsichtige Inferenzschlüsse auf die Kommunikatoren d.h. die Massenmedien) und vor allem die Rezipienten gezogen werden können.

Allerdings musste ein derart starkes mediales, aber auch Bevölkerungsinteresse an der Wahl zu einem an sich überparteilichen Amt und eine damit einhergehende unterstellte (Re-) Politisierung und an der Kandidatenfrage ansetzende Polarisierung großer Bevölkerungsteile sowie deren Unverständnis über die regierungsseitig auferlegte Ablehnung Joachim Gaucks zugunsten des der politischen Sphäre entstammenden Kandidaten Wulff zumindest verwundern. Vor diesem Hintergrund und der wahrgenommenen, tatsächlich aber zu diesem Zeitpunkt noch nicht empirisch überprüften quantitativen und qualitativen Thematisierung der Geschehnisse um die Bundespräsidentschaftswahl und ihrer beiden aussichtsreichsten Kandidaten entstand die Idee zu jener Forschungsarbeit.

Während also im Bereich des Entstehungszusammenhangs erst einmal naive, teils stark subjektive, zumindest noch nicht-überprüfte Annahmen formuliert wurden, die auch innerhalb der Forschungsgruppe nicht unwidersprochen blieben, sollen im Verlauf der vorliegenden Arbeit und damit gemäß eines systematisch dargelegten Begründungszusammenhangs empirischen Evidenzen der vermuteten Zusammenhänge und Annahmen nachgespürt werden. Ausgangspunkt der Untersuchung ist zum einen eine unterschiedlich starke Thematisierung der Kandidaten mit dem Schwerpunkt auf Gauck sowie eine zusätzlich positivere Berichterstattung zugunsten dieses Kandidaten, welche mit einem vermuteten mehr oder minder starken Widerspruch erheblicher Bevölkerungsanteile gegen die Nominierung Christian Wulffs zum Bundespräsidenten (BP) bei gleichzeitig starkem Zuspruch für dessen Gegenkandidaten Joachim Gauck im Vorfeld der Bundespräsidentschaftswahl 2010 in Zusammenhang steht.

Maßgeblich hierfür dürften der Einfluss und die Rolle der Massenmedien sowohl im Hinblick auf die Themensetzung als auch die Veränderung der Kandidatenpräferenz des Publikums sein.

Im Detail wird daher im Folgenden der Frage nachgegangen, inwiefern sich die o.a. zunächst einmal subjektiven Einschätzungen und Wahrnehmungen medialer Thematisierung und vermuteter Thematisierungseffekte, medial vermittelten direkten und indirekten Kandidatenbewertungen als auch durch Priming geschaffenen Kandidatenimages sowie die Kandidatenpräferenzen der Bevölkerung im Vorfeld der Präsidentschaftswahl 2010 durch empirische Befunde auf Grundlage theoretischer Zugänge objektivieren lassen bzw. gestützt werden können.

Hierzu wird eine Unterscheidung der untersuchungsleitenden Fragestellung im Hinblick auf die Quantität und die Qualität der vermuteten medialen Berichterstattung versucht: Der erste Themenkomplex wird zum Ziel haben, eine rein quantitative Auszählung der Nennungen der beiden aussichtsreichsten Bewerber um das Amt des Bundespräsidenten, Gauck und Wulff, in den untersuchten Medien vorzunehmen und die kandidatenbezogenen Ergebnisse mit dem Ziel ins Verhältnis zu setzen, einen vermeintlich und bislang nur vage unterstellten so genannten "Gauck-Hype" herauszustellen, der sich durch eine deutlich häufigere Nennung bzw. Thematisierung, aber auch Hervorhebung des Kandidaten in den untersuchten Medien nachweisen lassen sollte. Ferner und ergänzend, ist in diesem Zusammenhang neben der Untersuchung der Kommunikatorseite von Interesse, ob auf Seiten des Publikums ein entsprechend verstärktes Interesse am Kandidaten Gauck gegenüber seinem Mitbewerber Wulff feststellbar ist, was neben einer Publikumsbefragung auch mit mittels Untersuchung der Nutzung einschlägiger Suchanfragen im Internet eruiert werden soll.

Themenkomplex 2 widmet sich hingegen der Untersuchung der schlagwortartig verwendeten und bewusst pointierten „Gauck-Euphorie“, welche sich durch einen deutlichen Überhang positiver Bewertungen und herausgestellter relevanter Kandidateneigenschaften- und Kompetenzen Gaucks im Vergleich zum Kandidaten Wulff in Verbindung mit einer soeben dargelegten häufigeren Thematisierung im Sinne eines so überspitzt genannten „Gauck- Hype“ auszeichnet.

Insofern geht dieser Teil der Arbeit der Frage nach dem qualitativen Aspekt der Berichterstattung, d.h. der expliziten und impliziten Bewertung und der Schaffung etwaiger Kandidatenimages, nach, indem Globalbewertungen auf Artikelebene herangezogen werden, die verwendeten Kandidatenattribute mit den über Priming vermittelten und impliziten Kandidatenkriterien abgeglichen und schließlich für beide Kandidaten verglichen werden, bevor die vorliegenden Ergebnisse mit den Verlaufsdaten repräsentativer Bevölkerungsumfragen zur Kandidatenpräferenz abgeglichen werden.

3. Der theoretische Bezugsrahmen

Zur besseren und intersubjektiv nachvollziehbaren Einordnung als auch zur theoretischen Validierung des Forschungsprojektes werden im Folgenden untersuchungsrelevante Ansätze eingeführt und hinsichtlich ihrer Eignung in Bezug auf Inhalt und Ausgestaltung der Arbeit diskutiert.

3.1 Der sozialpsychologische Ansatz zur Erklärung von Wahlverhalten

Besonders fruchtbar und die neben dem im Anschluss vorgestellten Ansatz des Agenda- Setting (A-S) bedeutendste Grundlage für das vorgestellte Forschungsprojekt ist der sozialpsychologische Ansatz zur Erklärung von Wahlverhalten9, und zwar insbesondere dadurch, dass er die gewichtige Rolle der Massenmedien in ihrer Wirkung auf das Wahlverhalten mittels geleisteter Realitätskonstruktion, Agenda-Setting und Priming in den Blick nimmt. Die Bedeutung der Massenmedien im Verhältnis zu bzw. ihrer Auswirkung auf das Wahlverhalten der Bevölkerung wird im wesentlichen durch zwei konkurrierende kommunikationswissenschaftliche Paradigmen unterschiedlich stark bemessen: den soziologischen und den besagten sozialpsychologischen Ansatz, welcher in Abgrenzung zum erstgenannten die Bedeutung medial evozierter Verstärkung und Aktivierung von Wählern, deren Prädispositionen und schließlich Wahlverhalten relativiert und die Relevanz der dafür vorausgesetzten Mechanismen selektiver Zuwendung und Wahrnehmung und der wiederum hierfür erforderlichen vorhandenen Einstellungen vernachlässigt, mithin auch die Relevanz von Gruppenbindungen, ergo interpersonaler Kommunikation, mit dem Potenzial abermals verstärkender Prädispositionen geringer bewertet.

Stattdessen trägt die heutige Wahlforschung im Verständnis des sozialpsychologischen Ansatzes den beobachteten nachlassenden Gruppeneinflüssen und damit verbundener interpersonaler Kommunikation, aber auch dem Umstand, dass etliche Bürger gegenüber vielen Einstellungsobjekten eine schwach ausgeprägte oder keine Einstellung haben10, Rechnung, indem sie neben die vom soziologischen Modell entlehnte langfristig wirksame Parteiidentifikation vor allem die vorwiegend kurzfristig bedeutsamen Themen- und Kandidatenorientierungen in den Blick nimmt.11 Die letzteren beiden Determinanten des Wahlverhaltens entwickeln sich wiederum jeweils durch den Einfluss direkter Beobachtung, Gespräche, d.h. im weiteren Sinne interpersonale Kommunikation, sowie den Input von Massenmedien.

Im Bereich politischer Realitätskonstruktion durch die Bürger lässt sich vermuten, dass diese ihre jeweiligen Kandidaten- und Themenorientierungen - bis auf den seltenen und insgesamt wohl reichweitenschwächsten Fall öffentlicher politischer Versammlung oder Diskussion, also auf dem Wege direkter Beobachtung - ganz überwiegend über die ubiquitären und omnipräsenten Massenmedien vermittelt bekommen. Deutlich bestätigten und replizierten Erkenntnissen über die fortschreitende Erosion von Gruppenkohäsion und Parteibindung folgend, lässt sich auch der Einfluss von Gesprächen der Bürger auf ihr Wahlverhalten nunmehr geringer schätzen; zumindest dürfte er jedoch schwächer als noch im soziologischen Ansatz des Wahlverhaltens ausfallen.

Dem soziologischen Ansatz ähnlich, wird allerdings auch hier die fest im individuellen Werte-Orientierungssystem verankerte Parteiidentifikation als für Medieneinflüsse relativ immun betrachtet. Nichtsdestotrotz vermögen Medienwirkungen direkt, d.h. persuasiv, als auch indirekt, d.h. qua die Mechanismen wahlrelevanter Realitätskonstruktion, des AgendaSetting und Framing sowie Priming, auf die von der politischen Orientierung oft weniger stark beeinflussten Themen- und Kandidatenorientierungen einzuwirken.12

Daher bietet sich für die Umsetzung des Forschungsvorhabens eine forschungspragmatisch vorteilhafte und zugleich theoretisch begründete Fokussierung von Medieneinflüssen auf das beabsichtigte Wahlverhalten unter besonderer Berücksichtigung der vermutlich (weiterhin) stärksten Determinanten, der Parteiidentifikation, an.

Gestützt wird eine solche Argumentation durch die Tatsache, dass etwaige parteipolitische Bindungen bei der BP-Kandidatenpräferenz vermutlich schwächer ausfallen, Abweichungen des Wählers13 von der Empfehlung „seiner“ Partei dadurch wahrscheinlicher werden14, dass es sich um die Wahl eines überparteilichen Amtes handelt, dessen Kandidaten stattdessen folglich verstärkt im Hinblick auf ihre medial vermittelte Sachkompetenz und Persönlichkeitseigenschaften bewertet werden dürften.

Hinzu kommt, dass im Vorfeld der Wahl zum BP Themen- gegenüber Kandidatenorientierungen dadurch weniger von Bedeutung sein dürften, dass etwa anders als bei den Wahlen zum BT kein klassischer Wettstreit im Sinne eines offen ausgetragenen Wahlkampfes stattfindet15, daher wohl auch weniger Positionsissues verhandelt werden, anhand deren jeweiliger Ausprägung und Bewertung die Wähler zusätzlich ihr Wahlverhalten knüpfen könnten.

Vieles spricht unter Berücksichtigung dieser Prämissen in dem spezifischen Kontext der BPWahl somit für eine besondere Beachtung der von Massenmedien beeinflussten Kandidatenorientierung und deren Auswirkungen auf das Wahlverhalten.16

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Die Relevanz von Medieneinflüssen im sozialpsychologischen Modell zur Erklärung des Wählerverhaltens. Abb. 1.

keinem Falle also als interessierende Größen bei einer tatsächlichen Bevölkerungswahl, etwa den Wahlen zum Bundestag, zu verstehen sind. Der BP wird im Rahmen der Bundesversammlung gewählt.

3.2 Der Agenda-Setting-Ansatz

Innerhalb des oft zitierten für das demokratische System konstitutiven „Dreiecks der politischen Kommunikation“ aus Politik, Medien und Öffentlichkeit17 nimmt die vorliegende Untersuchung den Zusammenhang in den Blick, der im Zentrum der Kommunikationswissenschaft zum Agenda-Setting steht: die Themenstrukturierungseffekte zwischen dem Medien- bzw. politischen System und der öffentlichen Agenda, genannt Public Agenda-Setting.

Aufgrund der geringen direkten Erfahrbarkeit von Politik durch die Bürger gewinnt der Einfluss der Medienagenda auf die Publikumsagenda immer mehr an Bedeutung, welcher diese Untersuchung unter Fokussierung auf diesen Ausschnitt Rechnung trägt.18 Zusammenfassend lassen sich die wesentlichen Überlegungen zu diesem Ansatz in seiner Ursprungsform auf eine relativ simple, lineare Ursache-Wirkungs-Annahme verdichten, wonach sich die unabhängige Variable der Medienagenda samt ihrer Themen direkt und im Hinblick auf die Häufigkeit der Thematisierung auf die vom Publikum wahrgenommene Wichtigkeit von Themen als abhängige Variable auswirkt.19

3.2.1 A-S-spezifische Wirkungsannahmen

McCombs/Shaw differenzierten im späteren Verlauf das einfache Grundprinzip in drei verschiedene konkrete theoretische Wirkungsmodelle zu Agenda-Setting-Mechanismen20 :

1. Das „awareness“-Modell (Aufmerksamkeitsmodell) mit einem relativ geringen Aussagegehalt über Publikums-Kenntnis bzw. -Unkenntnis eines Themas unabhängig von dessen Prominenz mittels reiner Aufmerksamkeitsmessung.
2. Das „salience“-Modell (Thematisierungsmodell) berücksichtigt die relative mediale Gewichtung eines Themas und setzt dieses mit dem Ausmaß der jeweiligen Relevanzzuschreibung des Publikums ins Verhältnis.
3. Das „priorities“-Modell (Themenstrukturierungsmodell) geht so weit, dass es zusätzlich unterstellt, dass die Themenrangfolge der Medienagenda genau durch die Themenrangfolge der Publikumsagenda reproduziert wird.21

Für die Forschung zum A-S ist das zwar allumfassende, aber dadurch triviale und unspezifische erste Modell wenig fruchtbar; vielmehr geht es dabei um die bloße Reichweite und Aufmerksamkeitserzeugung von Themen, weniger um deren Bedeutung. Zwar wird lediglich das dritte und anspruchsvollste Modell der Themenstrukturierung den Annahmen der A-S-Hypothese über Abbildung der medialen und publikumsseitigen Themenkonkurrenzen vollends gerecht, aber für den Zweck dieser gründlichen Untersuchung von Thematisierungseffekten in Bezug auf das Einzelthema der Bundespräsidentschaftswahl 2010 im Zeitverlauf erscheint selbst das weniger ambitionierte „salience“-Modell eine solide theoretische Grundlage zu bieten.22

3.2.2 Themenspezifische A-S-Effekte

Für den Themenkomplex der Ereignisse im Um- bzw. Vorfeld der Bundespräsidentschaftswahl 2010 lassen sich bestimmte Charakteristika benennen, die sich mit Verweis auf entsprechende Forschungsliteratur zu intervenierenden Variablen im A-S- Ansatz positiv auf das Auftreten eines solches Effektes auswirken könnten.23 Angeregt durch entsprechende empirische Befunde aus medienzentrierter Perspektive werden insbesondere themenspezifische A-S-Effekte im Falle des hier thematisierten Untersuchungsgegenstandes vermutet.

Mögliche Themen-Charakteristika, die hierbei wirken und an die Faktoren der Nachrichtenwerttheorie erinnern, sind etwa Konflikt, Negativismus und Überraschung: Vor allem der "Paukenschlag" des Rücktritts Köhlers war ein solches überraschendes und neues Thema ("rapid-onset-news"). Es wird dabei gemäß der zugrunde liegenden Hypothese dabei unterstellt, dass in Folge dessen der A-S-Effekt rasch einsetzte, vor allem dadurch, dass auf die Schnelle und vor dem Hintergrund der sich überschlagenden Ereignisse und Spekulationen über Rücktrittsgründe und mögliche Kandidaten einzig die Medien wirksam in ihrer Eigenschaft als Informationsvermittler und gegebenenfalls eigenständigem politischen Akteur verfügbar waren.24 Überraschende und neuartige Sachverhalte wie der unerwartete Rücktritt des beliebten Bundespräsidenten Köhler wiederum tun ihr übriges, das Publikumsinteresse zu steigern und eine aufmerksame Rezeption von Medienberichten zu befördern. Gerade dramatischen Einzelereignissen fällt dann eine hohe Relevanz zu; in der Forschung werden von manchem sogar nur bei außergewöhnlicher Berichterstattung („nonroutine news coverage“) über von unmittelbarer persönlicher Erfahrung ausgeschlossene Ereignisse A-S-Wirkungen für möglich gehalten.25 Daneben entbehrte der Vorfall des Rücktritts Köhlers als initiales Auftakt-Ereignis des Themenkomplexes BP-Wahl mit der anschließenden raschen Kandidatur der neuen Kandidaten nicht gewisser Konflikthaftigkeit und parteipolitischer Skandalisierung, welche zusätzlich positiv auf das Auftreten möglicher A-S-Effekte wirken.

Ein weiteres gewichtiges Spezifikum des gesamten untersuchten „Themenspektrums“ vom Rücktritt Köhlers bis hin zur Kandidatur und abschließenden Wahl zum BP besteht in seiner so genannten Aufdringlichkeit ("obtrusiveness")26, die als äußerst schwach zu bezeichnen ist: Als „political issue“, das außerhalb des persönlichen Erfahrungsbereiches („real issues“) liegt27, qualifiziert es sich gewissermaßen als ein echtes "Medienthema" und hat am ehesten das Potenzial, von der Medienagenda auf die Publikumsagenda zu wirken. Ursächlich dafür ist die Quasi-Monopolstellung der Massenmedien als Informationsquelle für derartige Ereignisse bzw. Themen, weswegen die Arbeitshypothese im Folgenden zur Anwendung kommt, wonach sich Thematisierungseffekte gerade bei dem hier gewählten Thema nachweisen lassen sollten.

3.2.3 Zur vermuteten Effektdynamik

Zweifellos stellt sich bei dem versuchten Nachweis von A-S-Effekten auf die Publikumsagenda die Frage nach dem zeitlichen Verlauf bzw. nach den Zeiträumen und optimalen Wirkungsspannen solcher A-S-Wirkungsprozesse: In der Forschung hierzu sind dazu bislang äußerst unterschiedliche Befunde erbracht und Aussagen getroffen worden, wobei der überwiegende Teil der einschlägigen A-S-Studien aufgrund forschungspragmatischer Zwänge oftmals nur einen recht kurzen Untersuchungszeitraum betrachtet, obwohl insbesondere mittel-bis langfristige A-S-Effekte etwa einer genaueren Überprüfung bedürften. Zwei Gründe für die ambivalenten Befunde zur Effektdynamik der A-S-Effekte dürften zumindest in der nicht zu unterschätzenden Rolle der zu Grunde gelegten Zeiteinheiten und der jeweiligen Themen der Untersuchung liegen.28

Im Falle des im Folgenden betrachteten "Themenkomplexes Bundespräsidentschaftswahl 2010" vermuten wir jedoch aufgrund einer vermeintlich starken und medienweiten Thematisierung sowie des oben erläuterten themenspezifischen Kontextes deutliche und rasche Auswirkungen auf die öffentliche Themenwichtigkeitseinschätzung. Daneben kommt es vermutlich und womöglich auf dem Wege medial vermittelten politischen Kandidatenprimings zu Medienwirkungen auf die Einstellungen der Bevölkerung im Hinblick auf Kandidateneignung und -präferenz. Eine solche kurzfristige Wirkungsannahme erfordert mithin idealiter eine tagesbasierte Erhebung und Vergleichsmöglichkeit der Medien- und Publikumsagenda hinsichtlich (kognitiven) Themenbewusstseins als auch (affektiver) Bewertung. Diese Arbeit greift dabei auf Daten auf Tages- und Wochenniveau zurück, entspricht diesem Erfordernis damit weitgehend.

3.2.4 Die Erweiterung des A-S-Ansatzes um Attribute Agenda-Setting

Während sich die A-S-Hypothese zu Beginn der 1970-er Jahre entschieden von den damaligen Medienwirkungstheorien zum Einfluss von Massenmedien auf Einstellungen, Werte und Verhaltensweisen abgrenzte und stattdessen auf das kognitive Element der Wichtigkeitseinschätzung und des „Worüber-Nachdenkens" abzielte, vollzog die Forschung ab Mitte der 1990-er Jahre eine gewisse Neubewertung der Wirkungen von A-S auf Rezipienteneinstellungen.29

Dem weiterentwickelten Ansatz folgend, handelt es sich nunmehr bei dem klassischen Effekt des A-S, d.h. der Prägung von Publikumsvorstellungen durch die Relevanz von Sachthemen, um die erste Ebene im A-S-Prozess. Die zweite neu-implementierte Ebene umfasst wertende Vorstellungen von Personen, Themen oder Ereignissen.

Dadurch, dass in den Medien nicht nur bestimmte Themen, sondern zusätzlich auch positive als auch negative Eigenschaften von Personen bzw. Argumente für oder gegen einen Standpunkt in den Vordergrund gerückt werden (Attribute), werden diese vermehrt und mit höherer Wahrscheinlichkeit zur Urteilsbildung der Rezipienten herangezogen. Anstelle des Begriffs Second-Level-Agenda-Setting wurde so der synonym verwendete Begriff Attribute Agenda-Setting geprägt.30

Diese Bezeichnung ist insofern für diese Arbeit geeigneter, als im Themenkomplex 2 der Kandidatenbewertung genau jene Bewertungs-Mechanismen im Hinblick auf die Herausbildung spezifischer Kandidatenattribute und entsprechender Kandidaten-Images untersucht werden sollen.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Zwei-Ebenen-Modell des A-S. Abb. 2.31

3.3 Politisches Medien-Priming

Betrachtet man die Mechanismen des Second-Level-A-S, in unserem Falle treffender als Attribute A-S bezeichnet, zwar als dem klassischen, ursprünglichen A-S-Ansatz eng verwandt, aber auch eigenständig und in Bezug auf ihre Auswirkungen auf Einstellungen andersartig, so kommt man nicht umhin, sie gemäß einer erwünschten engen Definition des A-S eigenen Medienwirkungsansätzen zuzuschlagen.32 Beide Konzepte, d.h. die des Framing und des Priming, greifen den dem A-S-Ansatz immanenten Wirkungsannahmen der über Medienberichterstattung hervorgehobenen Themen, Aspekte oder Eigenschaften und damit verbundener Urteilsbildung der Rezipienten auf, aber gehen in ihrem Aussagegehalt weiter.33 Die für den Bewertungsteil dieses Forschungsvorhaben besonders relevante am A-S-Ansatz anknüpfende, aber weitergehende Medienwirkungstheorie ist die des Priming i.A. bzw. die des politischen Medien-Priming i.B., welche den Spezialfall des allgemeinen Priming im politischen Kontext beschreibt.

Medien-Priming beruht auf dem rezipientenseitigen so genannten „Accessibility“-Effekt34, wonach diejenigen Themen auf der Medienagenda für den einzelnen verfügbar und für bedeutsam gehalten werden (klassisches A-S); darauf aufbauend lässt sich mutmaßen, dass diese auch stärker zur individuellen Urteilsbildung herangezogen werden (Priming). In Folge der Weiterentwicklung des recht engen Priming-Begriffs in der kommunikationswissenschaftlichen Forschung kam es neben der Herausbildung anderer Forschungsschwerpunkten und Innovationen auch zu einer im Rahmen einiger neueren Studien praktizierten Ausweitung des politischen Medien-Priming: Es konnte dabei gezeigt werden, dass die Berichterstattung der Massenmedien neben ihrem Einfluss auf die Themenwichtigkeit und deren kognitive Verfügbarkeit für die individuelle Urteilsbildung auch Auswirkungen darauf hat, welche persönlichen Eigenschaften von Politikern (etwa Sympathie, Glaubwürdigkeit, Vertrauenswürdigkeit usw.) deren wahrgenommenen Gesamteindruck prägen.

Mittels Image-Priming berücksichtigen Rezipienten bei ihrer BP-Kandidatenpräferenz, d.h. also auch bei ihrer potenziellen Wahlabsicht, folglich diejenigen Eigenschaften verstärkt, zu denen sie zuvor im Verlauf der Berichterstattung besonders zahlreiche und umfangreiche Informationen erhalten haben.35

Integriert in ein mehrstufiges Modell zu Priming-Effekten in Wahlkämpfen36 lassen sich Überlegungen über die analytisch-kaskadenhafte Wirksamkeit von Priming auch in Bezug auf das hier diskutierte Thema der Bundespräsidentschaftswahl anstellen:

Auf der ersten Ebene lassen sich darstellen, welche Sachthemen und Persönlichkeitseigenschaften verhandelt werden bzw. damit das Gesamtbild der Kandidaten maßgeblich beeinflussen. Für den hier thematisierten Untersuchungsgegenstand wird vermutet, dass aufgrund der Eigenheit der Bundespräsidentschaft und ihres Anforderungsprofils, wie weiter oben ausgeführt, ein Überhang vermittelter Persönlichkeitseigenschaften und damit ein größerer Einfluss der persönlichkeitsbezogenen Aspekte gegenüber etwaigen Sachthemen resp. Sachkompetenzen der Kandidaten besteht (Ebene II). Schließlich dürfte die Gesamtbedeutung der Kandidaten insbesondere bei der

Wahl zum überparteilichen Präsidialamt eine im Vergleich zur Wahl des Bundestags überragende Rolle spielen, wenngleich der Einfluss der Parteiidentifikation, wie bereits im Zusammenhang mit dem sozialpsychologischen Modell des Wahlverhaltens angedeutet wurde, weiterhin stark zum Tragen kommen dürfte (Ebene III).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Ebenen des politischen Medien-Priming. Abb. 3.36

4. Eine Konkretisierung der Umsetzung des Forschungsvorhabens

Nachdem Forschungskontext und -interesse dargelegt sowie eine erste ungefähre Bestimmung des Forschungsvorhabens und dessen theoretische Grundlagen vorgestellt wurden, sollen nun systematisch die interessierenden Forschungsfragen ausdifferenziert, die wesentlichen Konstrukte erörtert sowie die Gesamtforschungslogik und der Untersuchungsablauf erläutert werden.

4.1 Untersuchungsleitende Fragestellungen

Die zentralen offenen Forschungsfragen dieser Arbeit gliedern sich grob in zwei Themen- bzw. Hypothesenkomplexe auf. Diese zweiteilige Systematik ergibt sich aus dem eingangs beschrieben Forschungsinteresse, welches zum einen von einer häufigeren und intensiveren medialen Thematisierung des BP-Kandidaten Gauck im Vergleich zu seinem Kontrahenten Wulff (Berichterstattung „quantitativ“ -„Gauck-Hype“) und zum anderen von - und zusätzlich in Verbindung mit - einer positiveren medial vermittelten Bewertung und Darstellung Gaucks gegenüber Wulffs (Berichterstattung „qualitativ“ - “Gauck-Euphorie“) ausgeht. Beide Aspekte der Berichterstattung berühren verschiedene Wirkungsmechanismen des A-S-Ansatzes, ersterer kognitive, der zweite eher affektive über Persuasion und vor allem Priming; folglich stellen sich unterschiedliche Forschungsfragen, die dementsprechend anders untersucht werden. Dabei werden die oben stehenden Annahmen als offene Forschungsfragen wie folgt formuliert:

4.1.1 Komplex „Thematisierung“

Wie wirkt sich der Umfang der medialen Berichterstattung zum Themenkomplex „Angelegenheiten/Wahl des Bundespräsidenten“ und die unterschiedlich intensive Thematisierung der Kandidaten Gauck und Wulff auf die entsprechende Themenwichtigkeit bzw. das Interesse der Bevölkerung an den beiden konkurrierenden Kandidaten Gauck bzw. Wulff aus?

4.1.2 Komplex „Bewertung“ bzw. „Einstellungsveränderung“

Beeinflussen Unterschiede der Berichterstattung im Hinblick auf Bewertung und Image Priming der beiden Kandidaten Gauck und Wulff die Kandidatenpräferenz/Einstellung der Bevölkerung gegenüber Gauck und Wulff? -

Zwar wird - wie theoretisch begründet - den Massenmedien ein erheblicher Einfluss im Bezug auf die Prägung von Kandidatenimages zugesprochen, jedoch dürften neben der thematisierten Parteiidentifikation bzw. Parteipräferenz als Kontrollvariablen weitere, kontextspezifische intervenierende resp. Kontrollvariablen auf die Kandidatenpräferenz im Vorfeld der BP-Wahl 2010 einwirken. In Ergänzung zur allgemeinen offenen Hypothese der Präferenz- bzw. Einstellungsänderung werden daher vier gerichtete unspezifische Hypothesen aufgestellt, wobei besonderes Interesse an der Untersuchung der bereits angesprochenen wohl wirkmächtigsten Variable politischer Präferenz bzw. Parteiidentifikation besteht: Lässt sich der im Zeitverlauf erhobene Einfluss der (Gauck-freundlicheren) Medienberichterstattung womöglich auf eine Einstellungsveränderung selbst bei denjenigen Rezipienten ausmachen, die eine hohe Parteiidentifikation für die Partei des Gegenkandidaten Wulff haben? -

H1: Zusätzlich zur massenmedialen Berichterstattung wird die Kandidatenpräferenz spezifischer Bevölkerungsgruppen beeinflusst von …

a)…der Parteipräferenz: Die individuelle Präferenz eines Kandidaten steht in starkem positivem Zusammenhang mit derjenigen des eigenen politischen Lagers.

b)…der Herkunft (Ost-West-Unterschied): Der ostdeutsche Kandidat Gauck liegt in der Gunst der Ostdeutschen vor der der Westdeutschen.

Aufgrund der Vita Gaucks, die maßgeblich von seinem Leben und Schaffen in der ehemaligen DDR, seinem Widerstand gegen deren Obrigkeit und seinem Engagement für die Aufarbeitung des DDR-Unrechts etc. geprägt ist, wird vermutet, dass die Sympathien für Gauck als Kandidaten im Osten Deutschlands überwiegen.

c)…des Alters: Jüngere bevorzugen aufgrund vermuteter größerer Distanz zu politischen Akteuren den Kandidaten Gauck, der der politischen Sphäre nicht so sehr wie sein Gegenkandidat Wulff verhaftet scheint.

Dieser Hypothese liegt die Annahme zugrunde, das politische Interesse sei besonders unter jungen Erwachsenen aufgrund erst mit zunehmendem Alter voranschreitender und abgeschlossener Integration in das berufliche, gesamtgesellschaftliche und politische Leben relativ gering.

d)…der sozialen Schicht: Der Akademiker und intellektuelle Pastor erfreut sich in höheren Schichten (die vermutlich über eine bessere Bildung und höherwertige Abschlüsse verfügen sowie dem besser gestellten, aufgeklärten Bildungsbürgertum angehören) größerer Popularität.

4.2 Grundsätzliche Forschungslogik

Da diese Studie in ihrem Anspruch im wesentlichen auf einem erweiterten A-S-Ansatz beruht, wird die Vorgehensweise vor allem von der vermuteten Medienwirkung im Hinblick auf Themenwichtigkeit und Kandidaten-Einstellung geleitet: Im Mittelpunkt des Forschungsansatzes steht daher die bei Untersuchungsanlagen zum Public Agenda-Setting übliche Kontrastierung der beiden Bezugssysteme - Massenmedien und deren Publikum - im Hinblick auf Wichtigkeit und Präferenz.

4.3 Zur methodischen Konzeption des Forschungsdesign

Die Rolle und das Verhältnis der beiden erforderlichen Konstrukte bzw. Variablen lassen sich dabei wie folgt präzisieren:

Der Themengewichtung und qualitativen Themen- bzw. Kandidatenberichterstattung in den Inhalten der Massenmedien als unabhängige Variable, erhoben durch eine Form der Inhaltsanalyse, werden die (kognitive) Themen- und Kandidatenwichtigkeit resp. (affektive) Kandidatenpräferenz für die Befragten als abhängige Variable, erhoben durch eine Form der Publikumsbefragung, gegenübergestellt.

Ein solches Vorgehen steht ganz in der gängigen Praxis der so genannten „Parallel Content Analysis“ als systematische und gleichzeitige Messung von Medieninhalten und Publikumsreaktionen. Sie ermöglicht als Mehrmethoden-Design mit fortlaufender empirischer Erhebung beider Agenden über den gesamten Untersuchungszeitraum die valide Analyse der unterstellten Wirkprozesse der Thematisierung bzw. Präferenzveränderung. Dabei legt dieser Ansatz mit der Untersuchung eines Themas auf der Publikums- und Medienagenda über einen definierten Untersuchungszeitraum seinen Schwerpunkt auf die dynamische Komponente des A-S-Ansatzes, welche solche Medienwirkungsprozesse auf gesamtgesellschaftlicher Makroebene beschreibt.37

Das zur Anwendung kommende Forschungsdesign zur Untersuchung vermuteter Zusammenhänge der Agenden und möglicher Medienwirkungen entspricht somit einem Längsschnitt-Ex-post-facto-Design zur Durchführung einer Themenaggregatanalyse38. Mit der validen und exakten Erhebung der beiden zentralen Konstrukte - den zu vergleichenden Agenden - steht und fällt ein Forschungsvorhaben zur Ermittlung etwaiger Medienwirkungen durch A-S. Daher soll im Folgenden schrittweise spezifiziert werden, wie in der vorliegenden Untersuchung verfahren wurde.

Im Rahmen dieser Arbeit wurde der Untersuchungszeitraum vom 31. Mai 2010 (der Rücktritt Köhlers vom BP-Amt) bis zum 30. Juni 2010 (Wahl des Bundespräsidenten) abgedeckt. Zur Bestimmung der relevanten Inhalte der Medienagenda wurden eigens Daten auf dem Wege einer originären Medieninhaltsanalyse erhoben.

Für deren Ermittlung wurden aufgrund ihrer guten Verfügbarkeit und Archivierbarkeit überregionale deutsche Printmedien mit Leitmediencharakter39 und einer umfangreichen Bandbreite des politischen Links-Rechts-Spektrums sowie drei reichweitenstarke politische Wochenmagazine untersucht. Dabei konnte für den relativ überschaubaren und kurzen Untersuchungszeitraum von etwa vier Wochen eine Vollerhebung aller aufgeführten Medien mit 809 relevanten Artikeln auf Basis ihrer Erscheinungsweise realisiert werden. Für die Erhebung der untersuchungsrelevanten Publikumsagenda wurde hingegen auf repräsentative Sekundärdaten aus Trend-Befragungen der forsa Gesellschaft für Sozialforschung und statistische Analyse mbH zurückgegriffen:

Zum einen wurde für den Aspekt der Thematisierung im Rahmen wöchentlich telefonisch durchgeführter fünf Trenderhebungen das Interesse am Themenkomplex

„Angelegenheiten/Wahl des Bundespräsidenten/Rücktritt“ ermittelt und zum anderen die jeweilige Bundespräsidentschaftskandidaten-Präferenz der über 18-jährigen Bevölkerung aus fünf weiteren Befragten-Samples im Zeitverlauf erhoben, um dem Themenkomplex der Einstellung bzw. Präferenzveränderung Rechnung zu tragen.

Zur Bemessung und Cross-Validierung des Publikumsinteresses an den jeweiligen Kandidaten über die Mediengattung Print hinaus wurden zusätzlich Intensität und Verlauf der entsprechenden Internet-Suchanfragen an den Quasi-Monopolisten im deutschen Suchmaschinenmarkt, Google, erfasst.

II. Empirischer Teil - Analysen

5. Themenkomplex „Thematisierung“

Wie bereits im Rahmen des Forschungsinteresses, der Vorstellung der Untersuchungssystematik und der beiden Hypothesenkomplexe dargelegt, bedarf es einer angemessenen und gesonderten Analyse der Thematisierung und der Bewertung bzw. einstellungsverändernden Medienwirkungen. Daher, der Abfolge der formulierten Hypothesen folgend, zunächst die Untersuchung der medialen Thematisierung und der Themenwichtigkeitseinschätzung des Publikums.

5.1 Die politische Agenda

Zur Darstellung, welche realen politischen Ereignisse die Agenda im Juni 2010 geprägt haben und welche konkurrierenden wichtigen Themen in dieser Zeit von Belang waren, soll an dieser Stelle ein kurzer Rückblick in Form einer Chronologie erfolgen:

KW 22

31. Mai 2010: Rücktritt von Horst Köhler

3. Juni 2010: Noch gilt Ursula von der Leyen als Favoritin

3. Juni 2010: als durchsickert Wulff wird Kandidat, sagt SPD ihr Kandidat werde Gauck

3. Juni 2010: abends offizielle Nominierung von Wulff

4. Juni 2010: Präsentation und Nominierung von Gauck durch SPD und Grüne

KW 23

8. Juni 2010: Nominierung von Jochimsen durch die Linken

11. Juni (bis 11. Juli 2010) : Fußball-Weltmeisterschaft

13. Juni 2010: WM-Spiel mit Deutschland

KW 24

15. Juni 2010: offizielle Verabschiedung von Horst Köhler

18. Juni 2010: WM-Spiel mit Deutschland

KW 25

23. Juni 2010: WM-Spiel mit Deutschland

23. Juni 2010: Gauck und sein Fahrer hatten Unfall mit Fahrradfahrer

27. Juni 2010: WM-Achtelfinale mit Deutschland

KW 26

30. Juni 2010: Bundesversammlung, Wulff wird gewählt

2. Juli 2010: Vereidigung Wulff

3. Juli 2010: WM-Viertelfinale mit Deutschland

Diese realen Ereignisse, die auch unabhängig von der medialen Berichterstattung und der Publikumswahrnehmung eingetreten waren, stellen zum einen die politische Agenda dar, sind also „issues“, die von Politikern und Parteien auf die Tagesordnung gesetzt wurden - egal ob bewusst geplant oder zwangsweise geschehen - und zeigen zum anderen das reale Umfeld in welchem die Bundespräsidentenwahl stattgefunden hat. In der Anfangsphase des von uns untersuchten Ereignisses „ Bundespr ä sidenten(neu)wahl “ standen Köhlers Rücktritt und die Nominierungen der Kandidaten im Terminkalender. In diesen wie auch in allen anderen Fällen, wenn politische Akteure Politik betreiben - also z.B. Gesetze verabschieden, Abkommen aushandeln, oder die Wirtschaft subventionieren - erschaffen sie eine politische Agenda, die von den Medien aufgenommen und verarbeitet werden muss, da sie von dieser Informationsquelle abhängig sind. In der ersten Bundespräsidenten-Wahlkampf- Kalenderwoche (31. Mai bis 6. Juni 2010) ähnelt das Agenda-Setting daher einem „ top- down-Modell “40 bzw. dem „ Model of societal agenda setting “41 nach Kleinnijenhuis&Rietberg:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Model of societal agenda setting42. Abb. 4.

Anders als bei echten Wahlen mussten die Parteien in diesem Wahlkampf43 gar nicht versuchen, ihre Themen auf die Agenda zu bringen. Wenn solche realen Ereignisse zum politischen Thema geworden sind, dann besteht ein Informationsbedarf, den die Medien befriedigen müssen. Manchmal werden auch Menschen zum politischen Thema, wie im Falle eines CDU- und eines SPD-Kandidaten, die beide Bundespräsident werden sollen. Im nächsten Schritt soll untersucht werden, welche Aufmerksamkeit dem Bundespräsidentenwahlkampf und den damit in Zusammenhang stehenden Personen von den Medien geschenkt wurde.

5.2 Die Medienagenda - Thematisierung der Bundespräsidentenwahl und Darstellung der Kandidaten Gauck und Wulff

Ausgehend vom Anliegen und Gesamtdesign des Forschungsprojektes (Kap. 3 und 4) kann eine umfassende Medieninhaltsanalyse Befunde und Aufschlüsse über die Medienagenda und die Berichterstattung zur Bundespräsidentenwahl 2010, deren Thematisierung und die Darstellung der Kandidaten ermöglichen. Die Medieninhaltsanalyse versucht zum einen die Entwicklung der Medienagenda, insbesondere die Thematisierung der Bundespräsidentenwahl, im Zeitverlauf aufzuzeigen und zum anderen der Frage nachzugehen, ob sich im Rahmen einer wissenschaftlichen Betrachtung der Medienagenda Unterschiede in der Berichterstattung über die beiden Haupt-Kandidaten für das Amt des Bundespräsidenten, Christian Wulff und Joachim Gauck, feststellen lassen: Wird über beide Kandidaten ausgewogen berichtet oder fällt die Berichterstattung zugunsten eines Kandidaten aus?

5.2.1 Untersuchungszeitraum und Untersuchungsgegenstand „Leitmedien Print“

Wegen ihrer hochrangigen Bedeutsamkeit und guten Archivierbarkeit wie Verfügbarkeit betrachtet die inhaltsanalytische Untersuchung der Medienagenda im Rahmen dieser Forschung für den relevanten Untersuchungszeitraum vom 31. Mai 2010 (Rücktritt Horst Köhler) bis 30. Juni 2010 (Wahl eines neuen Bundespräsidenten durch die Bundesversammlung) überregionale deutsche Leitmedien Print, denen „eine Hauptfunktion in der Konstitution gesellschaftlicher Kommunikation und von Öffentlichkeit zukommt“.44 Leitmedien, häufig auch als Qualitätsmedien oder Meinungsführermedien bezeichnet, besitzen eine starke Verbreitung beziehungsweise große Reichweite und üben einen besonders starken Einfluss auf die öffentliche Meinung und auf andere Massenmedien aus. Ihre Leitfunktion ergibt sich aus ihrer herausragenden Bedeutung, die Akteure der Öffentlichkeit und insbesondere andere Journalisten dem Medium zuerkennen.45 Der Berichterstattung und Agenda von Leitmedien, die sich etwa durch frühzeitiges Aufgreifen von Themen (Agenda Setting) sowie die Schaffung von Bezugsrahmen (Framing) auszeichnet, kann folglich bei der Darstellung und Wahrnehmung von Themen und Deutungsmustern ein außerordentlicher Einfluss auf andere Massenmedien, die Öffentlichkeit und damit auch - so die hier zugrunde liegende Annahme - auf die Publikumsagenda unterstellt werden, was ihre Betrachtung im Rahmen dieser Projektforschung als Untersuchungsgegenstand sinnvoll erscheinen lässt.46 Mit der inhaltsanalytischen Untersuchung der Printausgaben von Spiegel, Süddeutsche Zeitung (SZ), Stern, Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ), Zeit, Focus, Tageszeitung (taz), Frankfurter Rundschau (FR), Welt und Bild wird ein breites Spektrum an überregional bedeutsamen Tageszeitungen, Wochenzeitungen und Nachrichtenmagazinen unterschiedlichster Ausrichtung, politischer und ideologischer Couleur abgedeckt.47

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Untersuchungsgegenstand Leitmedien Print48. Tab. 1.

Für den klar abgesteckten Untersuchungszeitraum vom Rücktritt Horst Köhlers am 31. Mai 2010 bis zur Wahl des neuen Bundespräsidenten am 30. Juni 2010 konnte eine Vollerhebung auf Ausgabenebene der genannten Leitmedien realisiert werden.49

5.2.2 „Quantitativ und qualitativ“

Um sowohl der Thematisierung der Bundespräsidentenwahl als auch der Thematisierung und Darstellung der Haupt-Kandidaten Joachim Gauck (Kandidat der Oppositionsparteien SPD und Grüne) und Christian Wulff (Kandidat der Regierungsparteien CDU/CSU und FDP) und vermuteten Unterschieden in der Berichterstattung nachgehen zu können, musste die Operationalisierung der Inhaltsanalyse als empirische Methode sowohl quantitative als auch qualitative Elemente einbeziehen50.

Im Rahmen einer stärker formal-deskriptiv geprägten, quantitativen Analyse von Häufigkeiten wurden auf Ausgabenebene alle Artikel mit Bezug zur Bundespräsidentenwahl51 sowie ein Konglomerat von 25 Variablen erfasst, das Befunde und Aufschlüsse über Frequenzen der Thematisierung beziehungsweise über die Häufigkeit der Thematisierung der Kandidaten Gauck und Wulff ermöglicht. Zentraler Indikator für die Thematisierung eines Kandidaten ist die Häufigkeit seiner Namensnennung. Aus kommunikationswissenschaftlicher Perspektive scheint zudem nicht nur der Blick auf die reine Thematisierung - erfasst durch Zählung der Namensnennungen - von Bedeutung, sondern auch die Aufbereitung und Platzierung der Erwähnungen, was eine weitergehende Ausdifferenzierung des Erhebungsinstrument erforderte. Die Erfassung konzentrierte sich deshalb nicht nur auf eine reine Auszählung der Namensnennungen52 insgesamt pro Ausgabe als zentrale und aussagekräftige Kenngröße, sondern differenzierte beispielsweise zwischen Nennungen auf Titelseiten, in Überschriften oder die Visualisierung (Bild) jeweils für die Kandidaten Gauck und Wulff.53

Um neben einer quantitativen Analyse von Häufigkeiten und Frequenzen der Thematisierung und Darstellung (Kap. 5.2.2 Häufigkeiten und Frequenzen) auch qualitativ-aussagekräftige Aufschlüsse über Valenzen, Bewertungsrichtungen und Tendenzen in der Thematisierung und Darstellung generieren zu können wurde versucht, die untersuchten Artikel einer ArtikelGlobal-Bewertung zuzuordnen.54 Zudem waren die Codierer bei der Auszählung und Auswertung der Medieninhalte angehalten, induktiv am Material typische Fall-Beispiele der Berichterstattung und Frames der typischen Darstellung mit aufzunehmen (vgl. Kap: 6.2 Die Medienagenda: Valenzen und Globalbewertungen).

5.2.3 Häufigkeiten und Frequenzen

5.2.3.1 Thematisierung der Bundespräsidentenwahl

Bei 809 Artikeln konnte für die betrachten Medien im Untersuchungszeitraum ein unmittelbarer Bezug zur Bundespräsidentenwahl festgestellt werden.55

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Thematisierung: Artikel Bundespräsidentenwahl im Zeitverlauf (Kiosk). Abb 5.

Der Verlauf der medienübergreifenden Thematisierung der Bundespräsidentenwahl, gemessen an Artikeln mit Bezug zur Bundespräsidentenwahl, in Abbildung 556 spiegelt sichtbar auch den Verlauf der Real-Ereignisse (vgl. Kap.5.1 Die politische Agenda): Am Tag des Rücktritts von Horst Köhler vom Amt des Bundespräsidenten am 31. Mai 2010 ist die Zahl der gemessenen Artikel mit Bezügen zur Bundespräsidentenwahl medienübergreifend gleich Null. Mit diesem Ereignis war offenbar nicht zu rechnen, der Rücktritt Horst Köhlers kam für alle Akteure, Experten und Journalisten offenkundig derart überraschend, dass am Tag des Rücktritts in den untersuchten Leitmedien Print nicht einmal Spekulationen oder Insider-Informationen nachzuweisen waren. Umso rasanter steigt die Thematisierung in den darauffolgenden Tagen von 1. bis zum 5. Juni, wo sie einen ersten Höhepunkt erreicht. Die Medien arbeiten den Rücktritt von Horst Köhler auf und spekulieren sehr bald über geeignete Nachfolger. Am 3. Juni 2010 wird die Nominierung Christian Wulffs als Kandidat der Regierungskoalition von CDU/CSU und FDP, am 4. Juni die von Joachim Gauck als Kandidat der Oppositionsparteien SPD und Grüne offiziell bekanntgegeben, was den Höchststand der gemessenen Artikel-Thematisierung am 5. Juni erklären kann. In den darauffolgenden Tagen bis zum 12. Juni fällt die Berichterstattung wieder leicht und pegelt sich auf einem relativ konstanten Niveau ein. Die Nominierung der Kandidatin der Linken, Luc Jochimsen, am 8. Juni spiegelt sich kaum sichtbar wider. Ein deutlich erkennbarer Anstieg der Thematisierung ist in den Tagen kurz vor und nach der offiziellen Verabschiedung Köhlers (Zapfenstreich) am 15. Juni zu verzeichnen. Nach dem anschließenden Abfall hält die Thematisierung wieder ein relativ konstant hohes Niveau, bevor sie in den Tagen vor der Wahl des neuen Bundespräsidenten durch die Bundesversammlung am 30. Juni erneut rasant ansteigt und ihren absoluten Spitzenwert erreicht.

[...]


1 Pörtner, Rainer: Rücktritt. Köhler den Tränen nahe. http://www.focus.de/politik/deutschland/ruecktritt-koehler- den-traenen-nahe_aid_514262.html (Zugriff 12.1.2011).

2 Langguth, Gerd: Ex-Präsident Köhler. Warum Nummer neun scheiterte. http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,698307,00.html (Zugriff 25.2.2011).

3 Fischer, Sebastian: Deutschlands Präsident. Nummer eins tritt ab. http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,735754,00.html (Zugriff 10.3.2011).

4 o.V.: Der unglückliche Bürgerkönig. http://www.spiegel.de/thema/horst_koehler/ (Zugriff 1.3.2011).

5 DAPD/ddp/FAZ.NET: Wulff soll neuer Bundespräsident werden. http://www.faz.net/s/Rub9F8AFB0E023642BAAB29EA1AEF2A9296/Doc~E6F0D13CAAB2D449AA8AD37 C59942FED6~ATpl~Ecommon~Scontent.html (Zugriff am 15.2.2011).

6 o.V.: Bundespräsidentenwahl. Linke nominiert Luc Jochimsen. http://www.zeit.de/politik/deutschland/2010- 06/bundespraesident-luc-jochimsen-linkspartei (Zugriff 4.12.2010).

7 Bench-Capon, Stephen: Gauck ist schon der Facebook-Präsident. http://www.tagesspiegel.de/politik/gauck-ist- schon-der-facebook-praesident/1854754.html (Zugriff am 4.3.2011).

8 o.V.: Kabale und Hiebe in der Koalition (Teil 2) „Gauckomanie herrscht im Land“.
http://www.faz.net/s/Rub7FC5BF30C45B402F96E964EF8CE790E1/Doc~E098B64BEDBFF44F0AE3539560B C0D765~ATpl~Ecommon~Scontent.html (Zugriff am 28.2.2011).

9 Falter, Jürgen (Hrsg.): Handbuch Wahlforschung. VS Verlag für Sozialwissenschaften. Wiesbaden, 2005. S. 480ff [Im Folgenden verkürzt als: Falter: Wahlforschung].

10 Falter: Wahlforschung. S. 478.

11 Ebda., S. 480.

12 Ebda., S. 482.

13 Der Vollständigkeit halber wird an dieser Stelle nochmals betont, dass Kandidatenpräferenz und beabsichtigtes Wahlverhalten in Bezug auf die Bundespräsidentschaft von reinem analytischen Interesse sind; in

14 Falter: Wahlforschung. Ein grundsätzlicher Hinweis zur Abweichung vom Spitzenkandidaten der präferierten Partei. S. 480.

15 Kennzeichen eines solch indirekten Wettstreits um das höchste Amt des Staates sind eine weitgehende Vermeidung bzw. das Ausbleiben von „negative campaigning“ und eine Betonung der Vorzüge der Kandidaten, die allerdings auch in der Öffentlichkeit gewichtet und abgewogen werden dürften.

16 Siehe den rot gekennzeichneten Ausschnitt der Grafik. Abb. 1. In Anlehnung an: Brettschneider, Frank: Wahlen in der Mediengesellschaft. Der Einfluss der Massenmedien auf die Parteipräferenz. In: Alemann, Ulrich von/Marschall, Stefan (Hrsg.): Parteien in der Mediendemokratie. Westdeutscher Verlag. Wiesbaden, 2002., S. 66.

17 Sie dazu detailliert: Jarren, Otfried/Grothe, Thorsten/Rybarczyk, Christoph: Medien und Politik - eine Problemskizze. In: Donsbach, Wolfgang et al (Hrsg.): Beziehungsspiele - Medien und Politik in der öffentlichen Diskussion. Fallstudien und Analysen. Verlag Bertelsmann-Stiftung. Gütersloh, 1993. S. 13ff.

18 Rössler, Patrick : Agenda-Setting. Theoretische Annahmen und empirische Evidenzen einer Medienwirkungshypothese. Aus der Reihe: Studien zur Kommunikationswissenschaft. Bd. 27. Westdeutscher Verlag. Opladen 1997. S. 31f [Im Folgenden verkürzt als: Rössler: Agenda-Setting].

19 Maurer, Marcus: Agenda-Setting. Erschienen in der Reihe: Konzepte. Ansätze der Medien- und Kommunikationswissenschaft. Bd. 1. Hrsg. von: Rössler, Patrick/Brosius, Hans-Bernd. Nomos. BadenBaden, 2010. S. 15 [Im Folgenden verkürzt als: Maurer: Agenda-Setting].

20 Rössler: Agenda-Setting. S. 93f.

21 Zur Problematik des Nachweises kognitiver Strukturen zur Bildung individueller Themenrangfolgen siehe jedoch: Eichhorn, Wolfgang: Agenda-Setting-Prozesse. Eine theoretische Analyse individueller und gesellschaftlicher Themenstrukturierung. Fischer. München 1996. S. 23.

22 Rössler: Agenda-Setting. S. 94./Maurer: Agenda-Setting. S. 16.

23 Rössler: Agenda-Setting. S. 155.

24 Rogers, Everett M./Dearing, James W.: Agenda-Setting Research: Where Has It Been, Where Is It Going? In: Communication Yearbook. Bd. 11. Hrsg. von: Anderson, James. Sage. London 1988. S. 575.

25 Rössler: Agenda-Setting. S. 157.

26 Rössler: Agenda-Setting. S. 158f.

27 Zur Terminologie vgl.: Erbring, Lutz/Goldenberg, Edie N./Miller, Arthur H.: Front-Page News and Real- World Cues. A New Look at Agenda-Setting by the Media. In: American Journal of Political Science. Bd. 24, Nr. 1, Februar 1980. S. 23.

28 Fretwurst, Benjamin/Krause, Birgit: Kurzfristige Agenda-Setting-Effekte von Fernsehnachrichten. Eine Zeitreihenanalyse am Beispiel Ausländerfeindlichkeit und Rechtsradikalismus. In: Fretwurst, Benjamin et al (Hrsg.): Fortschritte der politischen Kommunikationsforschung. Festschrift für Lutz Erbring. VS Verlag für Sozialwissenschaften. Wiesbaden, 2007. S. 193f.

29 Maurer: Agenda-Setting. S. 69f.

30 Maurer: Agenda-Setting. S. 69.

31 Ebda., S. 70.

32 Ebda., S. 71.

33 Ebda., S. 72.

34 Maurer: Agenda-Setting. S. 74.

35 Ebda., S. 75ff.

36 Maurer, Marcus/Reinemann, Carsten: Schröder gegen Stoiber. Nutzung, Wahrnehmung und Wirkung der TVDuelle. Westdeutscher Verlag. Wiesbaden, 2003. S. 33.

37 Rössler: Agenda-Setting. S. 66f.

38 Dieser Begriff ist einer Darstellung der Typologie der Agenda-Setting-Forschung entnommen. Vgl. dazu: Uekermann, Heinz R./Weiss, Hans-Jürgen: Agenda-Setting. Zurück zu einem medienzentrierten Wirkungskonzept? In: Politik und Kommunikation. Berichtsband der 25. Arbeitstagung der Deutschen Gesellschaft für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft. Hrsg. von: Saxer, Ulrich. Verlag Ölschläger. München 1983. S. 72.

39 Siehe dazu: Wilke, Jürgen (Hrsg.): Mediengeschichte der Bundesrepublik Deutschland. Bundeszentrale für Politische Bildung. Bonn 1999. S. 302-305.

40 Kleinnijenhuis, Jan/Rietberg, Ewald M.: Parties, media, the public and the economy: Patterns of societal agenda-setting. In: European Journal of Political Research 28: 95-118, 1995, hier S. 99.

41 Ebda., S. 96.

42 Ebda., S. 96.

43 Die Medien versuchten immer wieder einen Wahlkampf zu suggerierten, der keiner war. Peter Hahne bezeichnete das Ganze als "Wahlkampf, der offiziell nicht so heißen darf" (in "was nun?" im ZDF am Tag des Unfalls von Gauck am 23.6.2010).

44 Göttlich, Udo: Massenmedien: In: Schanze, Helmut (Hrsg): Metzler Lexikon MedientheorieMedienwissenschaft, Stuttgart/Weimar: Verlag J.B. Metzler, 2002. S. 193-195.

45 Vgl. Wilke, Jürgen: Mediengeschichte der Bundesrepublik Deutschland, Köln: Böhlau Verlag. 1999. S. 302 - 305.

46 Hier wird davon ausgegangen, dass die herausragende Bedeutsamkeit, die den Leitmedien Print zugesprochen wird, sich auch in Zeiten des Medienwandels, der zunehmenden Konkurrenz durch das Fernsehen und des Internets nicht auflöst, sondern möglicherweise noch bestärkt wird.

47 Die Medieninhaltsanalyse umfasste alle im Untersuchungszeitraum veröffentlichten Ausgaben bzw. Faksimile-Kopien der ausgewählten Kern-Medien inklusive Sonntags- und Wochenendausgaben. Sonderbeilagen, Begleithefte oder regionalspezifische Teile wurden nicht berücksichtigt. Im Weiteren wird nicht differenziert zwischen Wochenausgaben und Wochen-, Wochenend- oder Sonntagsausgaben der einzelnen Medien. Obwohl mitunter sowohl Bild und Bild am Sonntag (BAMS), Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) und Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung (FAS) und Welt und Welt am Sonntag teilweise autark und verschiedenen Redaktionen erstellt werden, gehören sie doch jeweils zu einem Label und Verlag, so dass fundamentale Unterschiede in der Ausrichtung und Aufbereitung von Inhalten für das Anliegen dieser Forschung als wenig ausschlaggebend, unwahrscheinlich und kaum zu erwarten erachtet wurden.

48 Auswahl nach Wilke: Mediengeschichte der Bundesrepublik Deutschland 1999, S. 304.

49 Insgesamt wurden 192 Fälle auf Ausgabenebene mit jeweils 25 erfassten Variablen aufgenommen und 809 Artikel betrachtet. Einzig fehlt die Ausgabe der Frankfurter Rundschau vom 23. Juni 2010 („missing value“).

50 Früh, Werner: Inhaltsanalyse - Theorie und Praxis, 6. überarbeitete Auflage, Konstanz: UVK Verlagsgesellschaft 2007. Kap. 2.4: Zur „Qualitativ-quantitativ-Debatte“ S. 67 ff.

51 In die Erfassung fielen alle Artikel, die direkte Bezüge zur Bundespräsidentenwahl, zum Rücktritt Horst Köhlers und zu den Kandidaten Joachim Gauck und Christian Wulff aufwiesen.

52 Erfassung nach Nennung des Nachnamens ohne Substitute wie Synonyme oder Pronomen.

53 Vgl. dazu Anhang 2: Auszählungsbogen Medienagenda (vereinfachte Darstellung).

54 Verfahren nach Rössler, Patrick: Inhaltsanalyse, Die Tendenz: Wertende Kategorien. Konstanz, UVK Verlagsgesellschaft. 2005. S. 145-165.

55 Erfasst wurden Artikel, die sich mit der Bundespräsidentenwahl, dem Rücktritt Horst Köhlers oder den Kandidaten Gauck oder Wulff befassten.

56 Abb.1: Thematisierung: Artikel Bundespräsidentenwahl im Zeitverlauf. Die Abbildung zeigt den Verlauf der medienübergreifenden Thematisierung im Verlauf des Untersuchungszeitraums. Der Hinweis „Kiosk“ verweist darauf, dass nicht allein die reine Zahl der erfassten Artikel der untersuchten Ausgaben darstellt ist, sondern die Zahl der im Untersuchungszeitraum „am Kiosk“ verfügbaren Artikel mit Bezug zur Bundespräsidentenwahl. Die Magazine und Wochenzeitungen wurden also entsprechend diesem „Kiosk“-Prinzip aufgerechnet. Das hat zum einen zur Folge das an den Erscheinungstagen der nur wöchentlich erscheinenden Medien wie Spiegel, Stern, Focus und die Zeit extreme und die Deutung irritierende Ausschläge aufgefangen werden. Zum anderen berücksichtigt die Analyse damit die Bedeutsamkeit der nur einmal wöchentlich erscheinenden Leitmedien in der Relation zu einer Tagesausgabe einer Tageszeitung. Diagramme, Tabellen und Abbildungen die im Folgenden mit dem Verweis „Kiosk“ gekennzeichnet sind, folgen diesem Prinzip. Diagramme, Tabellen und Abbildungen, die nicht mit diesem Verweis gekennzeichnet sind, beziehen sich auf die absolut erfassten Werte.

Ende der Leseprobe aus 126 Seiten

Details

Titel
Thematisierungseffekte im Vorfeld der Bundespräsidentenwahl 2010
Untertitel
Zwischen vermeintlichem „Gauck-Hype und „Gauck-Euphorie“
Hochschule
Freie Universität Berlin  (Institut für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft)
Veranstaltung
Theorien und Befunde der politischen Kommunikationsforschung
Note
2,0
Autoren
Jahr
2011
Seiten
126
Katalognummer
V190382
ISBN (eBook)
9783656150398
ISBN (Buch)
9783656150787
Dateigröße
2946 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Der Bundespräsidentenwahlkampf war das politische Top-Thema im Juni 2010. Im vorliegenden Forschungsbericht wird ein Mehrmethodendesign vorgestellt, welches innovative Messinstrumente im Rahmen der Agenda-Setting-Forschung beinhaltet, das neben einer Darstellung der Publikumsagenda eine deskriptive Analyse der Medienagenda ermöglicht. Der Methodenmix setzt sich aus einer Medieninhaltsanalyse, sämtlichen repräsentativen Sekundärdaten der forsa-Trend-Befragungen während des „Bundespräsidentenwahlkampfes“, verschiedenen Internet-Daten und einer anschließenden Parallel Content Analysis zusammen.
Schlagworte
Inhaltsanalyse, Bundespräsidentenwahlkampf, Bundespräsidentenwahl, Bundespräsident, Agenda Setting, Mehrmethodendesign, politische Agenda, Medienagenda, Publikumsagenda, Medieninhaltsanalyse, Methodenmix, forsa, Wahlkampf, Parallel Content Analysis, „Kiosk“-Prinzip, Informationssuche, Google Insights for Search, Themenkarrieren, Trenderhebung, Kandidatenpräferenz
Arbeit zitieren
Christian Rell (Autor:in)Thai Son Ngo (Autor:in)Martin Osterloh (Autor:in)Christian Soyke (Autor:in), 2011, Thematisierungseffekte im Vorfeld der Bundespräsidentenwahl 2010, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/190382

Kommentare

  • Noch keine Kommentare.
Blick ins Buch
Titel: Thematisierungseffekte im Vorfeld der Bundespräsidentenwahl 2010



Ihre Arbeit hochladen

Ihre Hausarbeit / Abschlussarbeit:

- Publikation als eBook und Buch
- Hohes Honorar auf die Verkäufe
- Für Sie komplett kostenlos – mit ISBN
- Es dauert nur 5 Minuten
- Jede Arbeit findet Leser

Kostenlos Autor werden