Bei der Arbeit in der Kinder- und Jugendhilfe, sowohl in einer Jugendwohngruppe, als auch bei der Jugendhilfe im Strafverfahren (Jugendgerichtshilfe), habe ich selbst erfahren was es bedeutet, wenn das Jugendamt und andere Beteiligte bei Jugendlichen mit komplexen Problemlagen an ihre Grenzen stoßen. Deshalb habe ich einen „ungelösten, komplizierten Fall“ der Jugendhilfe im Strafverfahren ausgewählt, um diesen im Rahmen der Arbeit psychoanalytisch zu hinterfragen.
Zuerst erfolgt jedoch die Erläuterung des Systems der Kinder- und Jugendhilfe auf der Grundlage des SGB VIII. Dies geschieht, um die Handlungsweisen des Jugendamtes im Bezug auf mein Fallbeispiel besser nachvollziehen zu können. Im Folgenden versuche ich einen Zugang zum Verständnis der Dissozialität von der psychoanalytischen Theorie psychischer Konflikte zu schaffen. Dieser Zugang beinhaltet die Ödipale Wende, die Ich- Störung, die Problematik des Über- Ichs und damit einhergehend, die narzisstischen Störungen als Teil der dissozial- aggressiven Störungen. Die genannten Bereiche sind ebenfalls vor dem Hintergrund der vorliegenden Problematik des Fallbeispiels ausgewählt worden. Den inhaltlich umfangreichsten Teil der Arbeit stellt somit auch die chronologische Erläuterung des Fallbeispiels dar (Punkt 3). Die umfangreiche Darstel-lung meines Fallbeispiels ist erforderlich, um die komplexe Problematik der Ge-schichte zu erfassen und um im Anschluss eine Interpretation erstellen zu kön-nen. Dem Fallbeispiel folgt sowohl eine Interpretation im Bezug auf die Vorgehensweise der Jugendhilfe (und deren Grenzen), als auch eine Interpretation des Falls aus der Sicht der psychoanalytischen Entwicklungspsychologie. Zur Ergänzung befinden sich im Anhang ein Auszug aus dem BGB sowie zwei handschriftliche Dokumente des Jungen aus dem Fallbeispiel.
Ziel der Arbeit ist es, Delinquenz zu verstehen. Das heißt, ein Verständnis für die Psychodynamik dissozial- aggressiver Kinder und Jugendlicher und deren Grenzüberschreitungen zu entwickeln, indem die Ursachen der Symptome (Ver-haltensweisen) psychoanalytisch hinterfragt werden. Es soll aber auch geklärt werden, was die Jugendhilfe im Fall von dissozial- aggressiven Kindern/ Jugendlichen leisten muss. Die Arbeit ist eine Verbindung zwischen Jugendhilfe und Psychoanalyse, die anhand meines Fallbeispiels hergestellt und interpretiert wird.
Inhaltsverzeichnis
- Struktur des SGB VIII
- Einleitung
- 1 Das institutionelle System der Kinder- und Jugendhilfe
- 1.1 Der Perspektivwechsel der Jugendhilfe
- 1.2 Woran orientieren sich die Leistungen der Jugendhilfe?
- 1.2.1 Eingriffsrechte und das Prinzip der Freiwilligkeit des Jugendamtes
- 1.2.2 Der Schutzauftrag des Jugendamtes
- 1.3 Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe- Im Besonderen die Hilfen zur Erziehung
- 1.4 Der Zugang zum Verständnis der Dissozialität von der psychoanalytischen Theorie psychischer Konflikte
- 2 Der Zugang zum Verständnis der Dissozialität von der psychoanalytischen Theorie psychischer Konflikte
- 2.1 Die Bedeutung der Lösung der Ödipalen Wende
- 2.2 Die Ich-Störung
- 2.3 Die Problematik des Über- Ichs
- 2.4 Die narzisstische Störung
- 3 Fallbeispiel
- 3.1 Vorstellung der Familie, Diagnostik und Behandlung in der KJP und erster Kontakt zum Jugendamt
- 3.2 Zwei Jahre später: Gewalttätigkeit in der Familie- Anzeigen wegen schwerer Körperverletzung
- 3.3 Kollegiale Beratung und Helferkonferenz im Jugendamt, Mai 2006
- 3.4 Antrag auf Hilfe zur Erziehung und Verhandlung vor dem Familiengericht
- 3.5 Zwischenzeitliche Straftaten
- 3.6 Erste stationäre Unterbringung und Flucht und Tod des Vaters
- 3.7 Zweiter stationärer Unterbringungsversuch
- 3.7.1 Probetage in der Wohngruppe
- 3.7.2 Aufenthalt in der Wohngruppe Januar- September 2007
- 3.7.3 Der (sinngemäße) Abschlussbericht der Wohngruppe
- 3.7.4 Aufenthalt bei der Mutter ab September 2007- Untersuchungshaft
- 3.8 Dritter Unterbringungsversuch in einer Jugendhilfeeinrichtung
- 3.8.1 Bericht der Einrichtung (nach Abbruch der Maßnahme)
- 3.8.2 Schulentwicklung aus dieser Zeit- Die „,10 Gebote“
- 3.8.3 Und das Ende?!
- 4 Die Interpretation der Fallgeschichte- Zum Vorgehen der Jugendhilfe und den Grenzen der Hilfemaßnahmen
- 5 Interpretation aus Sicht psychoanalytischen Entwicklungspsychologie
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit zielt darauf ab, ein tieferes Verständnis für die Psychodynamik von dissozial-aggressiven Kindern und Jugendlichen zu entwickeln. Anhand eines komplexen Fallbeispiels aus der Jugendhilfe werden die Ursachen und Symptome von delinquentem Verhalten anhand psychoanalytischer Theorien beleuchtet. Dabei wird der Fokus auf die Leistungen und Grenzen der Jugendhilfe im Umgang mit dieser Problematik gelegt.
- Psychoanalytische Interpretation von delinquentem Verhalten
- Das institutionelle System der Kinder- und Jugendhilfe
- Die Rolle des Jugendamtes im Umgang mit dissozial-aggressiven Kindern und Jugendlichen
- Analyse eines Fallbeispiels aus der Jugendhilfe im Strafverfahren
- Die Grenzen der Hilfemaßnahmen im Kontext von delinquentem Verhalten
Zusammenfassung der Kapitel
Das erste Kapitel erläutert das System der Kinder- und Jugendhilfe auf Grundlage des SGB VIII. Es werden die Rechtsnormen und Handlungsmöglichkeiten des Jugendamtes im Kontext der staatlichen „Wächteramtfunktion“ und familienersetzenden Maßnahmen beleuchtet. Das zweite Kapitel widmet sich der psychoanalytischen Theorie psychischer Konflikte und deren Bedeutung im Verständnis der Dissozialität. Es werden Themen wie die Ödipale Wende, die Ich-Störung, die Problematik des Über-Ichs und die narzisstischen Störungen im Kontext von dissozial-aggressiven Störungen behandelt.
Das dritte Kapitel beinhaltet die chronologische Darstellung des Fallbeispiels. Es zeichnet die Geschichte eines Jungen mit komplexen Problemlagen nach, die ihn in den Fokus der Jugendhilfe im Strafverfahren brachte. Die Erläuterung der einzelnen Stationen seines Lebensweges bietet Einblick in die Komplexität der Problematik und legt den Grundstein für die anschließende Interpretation.
Schlüsselwörter
Dissozialität, delinquentes Verhalten, Jugendhilfe, SGB VIII, Jugendamt, psychoanalytische Theorie, Ödipale Wende, Ich-Störung, Über-Ich, narzisstische Störungen, Fallbeispiel, Jugendhilfe im Strafverfahren, Hilfen zur Erziehung, Grenzen der Hilfemaßnahmen.
- Quote paper
- Lydia Respondeck (Author), 2012, Delinquenz verstehen, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/190516