Verbesserungen in der Wärmeversorgungstechnik am Beispiel eines technischen Institutsgebäudes der Universität Kassel

Fallstudie zur systematischen Identifizierung von Energieeffizienzmaßnahmen


Masterarbeit, 2011

85 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Verbrauchsdatenanalyse
2.1 Auswahl des Gebäudes Technik III/2
2.2 Detailanalyse monatlicher Zählerstände

3 Bestandsaufnahme
3.1 Wärmeversorgung im Gebäude Technik III/2
3.2 Messtechnische Bestimmung der Wärmeverluste
3.3 Ermittlung des jährlichen Wärmeverbrauchs nach Nutzung

4 Maßnahmen im Netz der statischen Heizung
4.1 Dämmung von Pumpen und Armaturen
4.2 Regelung
4.3 Hydraulischer Abgleich
4.4 Erneuern von Thermostatventilen
4.5 Austausch der Pumpen

5 Maßnahmen im Netz der dynamischen Heizung
5.1 Anschluss der Weiss - Klimageräte
5.2 Außentemperaturregelung des dynamischen Netzes
5.3 Wärmeversorgung der Nachheizregister
5.4 Wärmerückgewinnung durch die Kälteanlage
5.5 Pufferspeicher der Wärmerückgewinnung

6 Abschaltung des Nahwärmenetzes im Sommer

7 Zusammenfassung der Einsparmaßnahmen

8 Fazit

A Anhang
A 1 Literaturverzeichnis
A 2 Abbildungsverzeichnis
A 3 Tabellenverzeichnis

Verzeichnis der Formelzeichen

Lateinische Buchstaben

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Griechische Buchstaben

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1 Einleitung

Der effiziente Einsatz von Ressourcen ist ein gesamtgesellschaftliches Anliegen und mittler­weile ein fester Bestandteil politischer Beschlüsse auf fast allen Ebenen: In den Institutionen der Europäi­schen Union, von der Regierung der Bundesrepublik Deutschland, in den meisten Landesregie­rungen und in vielen Kommunen wurden Ziele zur Verringerung des CO2-Ausstoßes verabschie­det. Neben dem Ausbau erneuerbarer Energien ist die Steigerung der Energieeffizi­enz dabei das zentrale Instrument, um die verabschiedeten Ziele zu erreichen.

Das Thema der Nachhaltigkeit nimmt auch im Leitbild der Universität Kassel eine bedeutende Rolle ein, was sich in über 60 Fachgebieten mit Umweltschwerpunkt widerspiegelt.[1] Doch auch aus finanziellen Gründen spielt der Energieverbrauch eine immer größer werdende Rolle: Die Energie­kosten der Universität Kassel weisen seit vielen Jahren eine stark anstei­gende Tendenz auf und überstiegen 2010 erstmals den Betrag von sechs Millionen Euro. Davon entfallen weit mehr als zwei Millionen Euro auf Fernwärme, etwa eine Millionen Euro auf Erdgas und sonstige Brennstoffe (vgl. Abbildung 1) und mehr als 3 Millionen Euro auf Strom. Es zeigt sich also, dass den Energiekosten eine zunehmend bedeutende Rolle im Bud­get der Universität zukommt.

Laut einer ersten, konservativen Abschätzung aus dem Jahr 2009 lassen sich die Wärmekosten um 10 % und die Stromkosten um 15 % reduzieren [s. Emmerich 2009, S. 87]. Mit welchen konkre­ten Maßnahmen diese Einsparungen jedoch erzielt werden können, konnte bislang nur in Teilen geklärt werden.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Entwicklung der Energiekosten der Universität Kassel von 2002 bis 2010

Die vorliegende Arbeit soll das Potenzial thermischer Energieeinsparung genauer untersu­chen und behandelt das Thema „Verbesserungen in der Wärmeversorgungstechnik am Beispiel eines techni­schen Institutsgebäudes der Universität Kassel“. Verbesserungen sind im Sinne dieser Ar­beit all jene Maßnahmen, die langfristig den Energieverbrauch senken, ohne dabei die Nutz­energiebereitstellung zu beeinträchtigen. Dabei wird anhand eines im Rahmen dieser Arbeit aus dem Bestand auszuwählenden Gebäudes exempla­risch das Einsparpotenzial thermischer Ener­gie abgeschätzt.

Im Einzelnen werden mit der vorliegenden Arbeit die folgenden Ziele verfolgt:

- Die Identifizierung von Effizienzmaßnahmen in der Wärmeversorgung des Gebäudes.
- Die Quantifizierung der Einsparungen. Diese ermöglicht die qualitative Einordnung der ein­zel­nen Maßnahmen und erleichtert die Entscheidung darüber, welcher finanzielle Aufwand im jeweiligen Fall ökonomisch sinnvoll ist.

Der Fokus der Arbeit liegt in jenen Bereichen der Anlagentechnik, die direk­ten Einfluss auf die Wärme­versorgung des auszuwählenden Gebäudes haben. Neben der klassischen Heizungs­technik betrifft das vor allem Systeme zur Klimatisierung. Die baulichen Gegeben­heiten legen – auf Gebäudeebene – im Sinne einer Systemgrenze den Rahmen dieser Arbeit fest. Es werden aber keine Maßnahmen des baulichen Wärmeschutzes behandelt.

Im Rahmen der Untersuchungen ist es zunächst von Interesse, welche wissenschaftlichen Arbei­ten an der Universität Kassel bislang das genannte Themenfeld erschlossen haben. Die vorlie­gende Arbeit soll auf die jeweiligen Zusammenhänge aufbauen und den Fokus so legen, dass sich aus dem Gesamtkontext aller Arbeiten ein sinnvoller Zusammenhang entsteht. Den Kontext bilden dabei im Wesentlichen zwei Masterarbeiten aus den Jahren 2009 und 2010[2]:

Philipp Emmerich erstellt in „Energieeinsparung im Liegenschaftsbestand der Universität Kassel – Potentiale und Lösungsansätze“ [Emmerich 2009] mittels Standort- und Gebäudekennzahlen eine energeti­sche Bewertung des Gebäudebestands der Universität. Benedikt Biechele beschreibt in „Entwicklung eines Energiemonitoring-Konzeptes für die Gebäude der Universität Kassel“ [Bie­chele 2010] u.a. den Aufbau, den Nutzen und die Bestand­teile von Energiemonitoringsystemen. Dabei legt Biechele einen Schwerpunkt auf die für ein Energiemonitoring benötigten messtech­nischen Gebäudeausrüstung.

Kapitel 2 der vorliegenden Arbeit, die „Verbrauchsdatenanalyse“ baut auf die in [Emmerich 2009] ermittelten Kennzahlen auf, um ein Gebäude zur Detailanalyse auszuwählen. Die Analyse der Ver­brauchsdaten wird zudem insofern erweitert, als dass weitergehende Möglichkeiten dargestellt werden, die monatlich abgelesenen Wärmeverbräuche zu analysieren.

In Kapitel 3, der „Bestandsaufnahme“, ist die Messdatenauswertung ein inhaltlicher Schwer­punkt. Das Kapitel zeigt u.a. Möglichkeiten auf, Messdaten im Rahmen des in [Biechele 2010] beschriebe­nen Energiemonitoringsystems zu analysieren und zu visualisieren.

Kapitel 4 „Maßnahmen im Netz der statischen Heizung“ und Kapitel 5 „Maßnahmen im Netz der dynamischen Heizung“ machen den inhaltlichen Kern dieser Arbeit aus: In beiden Kapiteln werden eine Vielzahl von Maßnahmen identifiziert, mit denen der Wärmeverbrauch des Gebäudes redu­ziert werden kann. In Kapitel 5 ist zudem in vielen Fällen eine Quantifizierung des Einsparpotenzials möglich. Im Rahmen der Arbeit wurden verschiedene Messun­gen durchgeführt, auf denen die entspre­chenden Analysen aufbauen.

Die „Abschaltung des Nahwärmenetzes im Sommer“ (Kapitel 6) diskutiert die für das betrach­tete Gebäude relevanten Aspekte, wenn dieses im Sommer von der zentralen Wärme­versorgung ge­trennt wird, wie es z. B. in [Emmerich et al. 2011] mit Blick auf das gesamte Nahwärmenetz vorgeschla­gen wird. Die Betrachtung dieser Thematik ist an dieser Stelle auch als ein Beitrag zu weiteren aktuell stattfindenden Arbeiten zu verstehen.

In Kapitel 7 werden die Effizienzmaßnahmen zusammengestellt, die im Laufe der vorliegen­den Arbeit identifiziert werden. Mit einem Fazit in Kapitel 8 wird die Arbeit abgeschlossen.

2 Verbrauchsdatenanalyse

Wie in der Einleitung deutlich wird, ist die vorliegende Arbeit der erste wissenschaftliche Bei­trag am Fachgebiet für Solar- und Anlagentechnik der Universität Kassel, in deren Fokus die Heizungs­technik im Hochschulsektor steht. Wenngleich durch die oben beschriebenen Masterarbeiten und im Rahmen des Projektes Solarcampus der Liegenschaftsbestand der Universität Kassel in vieler­lei Hinsicht bereits untersucht wurde, so wurde bisher nicht bestimmt, nach welchen Kriterien die Verbrauchs­daten einzelner Gebäude bezüglich des Wärmeverbrauchs untersucht werden können.

Anhand von Kennzahlen wird in Kapitel 2.1 ein Gebäude aus dem Bestand ausge­wählt. Die zu­grunde liegenden Kennzahlen beruhen im Wesentlichen auf den Analysen in [Emmerich 2009]. Anschließend erfolgt in Kapitel 2.2 eine detaillierte Auswertung der monatlichen Verbrauchs­daten des ausgewählten Gebäudes.

Der inhaltliche Schwerpunkt liegt in der Darstellung einer Methodik zur Ana­lyse von (monatlichen) Verbrauchsdaten. Die dargestellten Verfahren bieten sich für Liegen­schaften mit vielen Gebäuden an, um vergleichend Wärmeverbräuche darzustellen und ggf. vertiefend zu analysie­ren. Die verbrauchsdatenbasierte Analyse stellt insofern eine Vorstufe zur weitaus aufwändige­ren messtechnischen Untersuchung dar und ließe sich etwa im Rahmen eines EDV-basierten Energiecontrollings automatisiert implementieren.

2.1 Auswahl des Gebäudes Technik III/2

Im Allgemeinen ist der erste Schritt zur energetischen Bewertung einer Liegenschaft die Analyse der zählerbasierten Verbrauchsdaten der einzelnen Gebäude. Die Verbrauchsdaten werden nach [BMVBS 2007­, S. 5-6] oder [VDI 3807-1, S. 11-15] witterungsbereinigt und auf eine einheitliche Energiebezugs­fläche bezogen und somit normiert.[3]

Zunächst können dann der absolute und der spezifische (d.h. der auf die Energiebezugsfläche normierte) Verbrauch einander gegenübergestellt werden. Je höher der spezifische Ver­brauch ist, desto eher können Einsparmaßnahmen im entsprechenden Gebäude vermutet werden. Anderer­seits bedeuten hohe absolute Verbräuche, dass auch kleine prozentuale Verbesserungen zu verhältnis­mäßig großen Energieeinsparungen führen. Ein großes Einsparpotenzial ist also tenden­ziell bei denjenigen Gebäuden zu vermuten, die sowohl hohe absolute als auch hohe spezifische Verbrauchswerte aufweisen. Bei der Auswertung des spezifi­schen Wärmeverbauchs bietet es sich zudem an, das Ergebnis im Rahmen eines sogenannten Benchmarkings mit den Werten anderer Gebäude zu vergleichen, welche einer vergleichbaren Nutzung unterliegen. Aussagekräftig sind im Allgemei­nen vor allem die folgenden Methoden:

- Vergleich mit Gebäuden gleicher Art und Nutzung innerhalb des Liegenschafts­bestands nach [VDI 3807-1, S. 27-28]
- Vergleich mit statistisch ermittelten Kennwerten von Gebäuden gleicher Art und Nut­zung, z. B. aus der ages-Studie [AGES 2007] oder aus [BMVBS 2007].

Der Vergleich von Gebäuden gleicher Art und Nutzung scheint zunächst ein sehr naheliegen­der Schritt zu sein, da sämtliche Daten selbst erhoben werden können. Jedoch muss gerade im universitä­ren Bereich mit einem sehr heterogenen Gebäudebestand gerech­net werden, so dass bei einem Liegenschaftsbestand von mehr als 80 Gebäuden, wie es bei der Universität Kassel der Fall ist, nur wenige Gebäudekategorien in nennenswerter Anzahl auftreten. Die Aussagefähigkeit von kleinen Stichproben bezüglich des Energieeinsparpoten­zials ist begrenzt, da lediglich Einzel­fälle miteinander verglichen wer­den und kein repräsentati­ver Vergleichs- oder Zielwert[4] identifiziert werden kann. An der Universität Kassel wurde daher bislang nicht systematisch auf diese Vorgehens­weise eingegangen.

Ein repräsentativer Vergleichs- und Zielwert für einzelne Gebäudekategorien kann dagegen durch die Analyse einer größeren Anzahl an deutschen Hochschulgebäuden ermittelt wer­den, wie in [AGES 2007] geschehen. Am Standort Holländischer Platz gibt es drei Gebäude (Bibliothek, Technik I/II und Technik III/2) mit einer (Netto‑)grundfläche von mehr als 20.000 m², während alle anderen Gebäude nur bis zu 9.000 m² erreichen. Durch ihre Größe haben diese Gebäude hohe absolute Heizenergieverbräuche und erfüllen damit ein wichtiges Kriterium. Die Entwick­lung der Wärmeverbrauchskennzahlen der drei größten Gebäude des Standorts Holländischer Platz (vgl. Tabelle 1) sind in Abbildung 2 zusammen mit den Zielwerten der AGES-Studie dargestellt.

Tabelle 1: Liste der drei größten Gebäude am Standort Holländischer Platz mit Nettogrund­fläche, Wärmeverbrauch im Jahr 2010 und Baujahr

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Es wird deutlich, dass die Bibliothek zwar die größte Grundfläche hat, aber einen geringeren Ver­brauch als das Gebäude Technik III/2 aufweist. Die Größe der beiden Technikgebäude ist vergleich­bar, jedoch ist der Verbrauch in Technik III/2 deutlich höher als in Technik I/II. Dabei ist auffällig, dass das Gebäude Technik III/2 erst im Jahr 1995 entstand, während das Gebäude Technik I/II bereits im Jahr 1983 erbaut wurde. Die gesetzlichen Anforderungen der 2. Wärmeschutzverordnung von 1982 an den baulichen Wärmeschutz – von der das Gebäude Technik I/II noch nicht betrof­fen war – drücken sich hier offenbar nicht in einem geringeren Ver­brauch aus.

In Abbildung 2 wird deutlich, dass sowohl die Bibliothek als auch das Gebäude Technik III/2 deut­lich schlechter als der jeweilige Zielwert der ages-Studie abschneiden. Das Gebäude Technik I/II erreicht dagegen beinahe den Zielwert. Das Gebäude Technik III/2 verbraucht pro Quadrat­meter beheizbarer Bruttogrundfläche mehr als das 1,4-fache an Heizenergie gegenüber dem Gebäude Tech­nik I/II. Dabei ist hervorzuheben, dass die Nutzung vergleichbar ist und das Gebäude Tech­nik III/2 erst deutlich später gebaut wurde. Ausgehend von diesen Überle­gun­gen wurde für die vorlie­gende Arbeit als Untersuchungsobjekt das Gebäude Technik III/2 gewählt.

Abbildung 3 zeigt, wie sich die Kosten des Wärmeverbrauchs im ausgewählten Gebäude in den Jahren 2003 bis 2010 entwickelt haben. Es wird deutlich, dass sich diese seit 2005 mehr als verdop­pelt haben und zuletzt etwa 190.000 Euro im Jahr betrugen. Neben einer geringen Verbrauchs­steigerung ist das v. a. auf steigende Energiepreise zurückzuführen.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2: Entwicklung des Wärmeverbrauchskennwerts der Gebäude Technik I/II, Technik III/2 und der Bibliothek unter Gegenüberstellung mit den Zielwerten der AGES-Studie.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 3: Entwicklung der Kosten des Wärmeverbrauchs des Gebäudes Technik III/2

- Die Berech­nungen basieren auf dem jährlich bestimmten Arbeits- und Leistungspreis.

2.2 Detailanalyse monatlicher Zählerstände

Im Folgenden werden die monatlichen Verbrauchsdaten des ausgewählten Gebäudes Technik III/2 nach zwei verschiedenen Methoden analysiert: Dem Tagesmitteltemperatur-Verfahren und dem Heizgradtag-Verfahren.

Das Tagesmitteltemperatur-Verfahren nach VDI 3807 Blatt 1 wird dazu verwendet, den Heizenergie­verbrauch und den Verbrauch für Prozesswärme (inkl. Trinkwarmwasser) aus dem gemessenen Gesamtwärmeverbrauch zu errechnen. Die Berechnung kann dann zur Bestimmung des langjährigen mittleren Heizenergieverbrauchs verwendet werden, wie es z. B. in Kapitel 3.3 auf Basis von Messdaten in einer leicht modifizierten Form geschieht. Dabei wird u. a. der Wärme­verbrauch als Funktion der mittleren Außentemperatur dargestellt, was sich in späteren Berechnun­gen als nützlich erweist.

Bei der Berechnung nach VDI 3807 werden die erfassten Verbrauchsdaten (Januar 2002 bis Ja­nuar 2011) zunächst zeitlich bereinigt, sodass sie sich jeweils genau auf einen Monat beziehen. Anschließend erfolgt eine Umrech­nung des Verbrauchs pro Monat auf die mittlere Leistung.[5] Diese Werte werden dann in Abbildung 4 (Seite 8) über der mittleren Tagestemperatur des jeweiligen Monats aufgetragen. In [VDI 3807-1­] wird dann das folgende Verfahren zur Bestim­mung der Heiz­grenze aufgeführt:

„[Man erhält] in der Heizperiode eine Punkteschar, durch die eine Regressionsgerade (Heiz­gerade) mit bestimmter Steigung gelegt werden kann. Außerhalb der Heizperiode (in den Sommer­monaten) liegen die Verbrauchswerte auf einer Waagrechten und zeigen den außen­temperatur­unabhängigen Verbrauch an. Die Heizgrenztemperatur ergibt sich aus dem Schnittpunkt der bei­den Geraden.“ [VDI 3807-1, S. 42]

Nach VDI 3807 muss also in den Wintermonaten eine lineare Regression und in den Sommer­mona­ten eine einfache Mittelwertbildung durchgeführt werden. Der Schnittpunkt der beiden Gera­den bestimmt dann die Heizgrenztemperatur (auch Heizgrenze genannt). Für diese Berechnungen muss die Punkte­schar jeweils für (außen-)temperaturabhängige und für (außen‑)temperatur­unabhängige Werte in zwei Bereiche aufgeteilt werden.

In der Norm wird keine allgemeine Angabe darüber gemacht, auf welche Weise diese beiden Berei­che aufgeteilt werden sollen. Es wird allerdings auf die Heizperiode verwiesen. Im angegebe­nen Beispiel der VDI 3807 wird pau­schal der Verbrauch der Monate Juni und Juli als temperatur­unabhängig angenommen. Diese Vorgehensweise ist aber nicht allgemein anwendbar: Es gibt z. B. auch besonders kalte Monate Juni und Juli, an denen der Verbrauch nicht temperatur­unabhängig ist.

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Abbildung 4: Abhängigkeit der mittleren Wärmeleistung von der Außentemperatur

- Die rechnerische Heiz­grenze liegt bei 14,2°C mittlerer Tagestemperatur.

Zur Unterteilung der Punkteschar wurde in dieser Arbeit daher zunächst die in Deutschland für Bestandsgebäude übliche Heizgrenze von 15 °C verwendet (siehe [IWU 2011]), da so die Heiz­periode näherungsweise abgebildet werden kann. Alle Datenpunkte mit mittleren Monatstempera­turen kleiner oder gleich 15 °C werden so als außentemperaturabhängig gewertet und alle übrigen Datenpunkte (bei T a > 15 °C) fallen in den von der Außentemperatur unabhängigen Bereich. Die allge­meine Geradengleichung lautet:

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(2.1)

Die lineare Regression über die Werte unterhalb der mittleren Monatstemperatur von 15 °C ergibt:

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(2.2)

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(2.3)

Der Mittelwert der Punkteschar oberhalb der angenommenen Heizgrenztemperatur von 15 °C dient zur Berechnung der von der Außentemperatur unabhängigen Leistung und be­trägt:

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(2.4)

Nach VDI 3807 kann nun zudem die Heizgrenze bestimmt werden. Rechnerisch wird dazu in Gl. (2.1) für die Außentemperatur T a eine unbekannte Heizgrenz­temperatur T HG eingesetzt und dann mit gleichgesetzt:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

(2.5)

Die Gleichung kann dann zur unbekannten Heizgrenz­temperatur T HG aufgelöst werden. Die auf diese Weise berechnete Heizgrenze ist die Temperatur, bei der die Regressionsgerade von auf den Mittelwert des temperaturunabhängigen Bereichs trifft. Mit den oben bestimmten Werten des Gebäudes Technik III/2 ergibt sich:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

(2.6)

Bis zu dieser Stelle entspricht die Vorgehensweise der Norm; die Ergebnisse können also bereits verwendet werden. Es ergibt sich allerdings eine kleine Ungenauigkeit: Dadurch, dass die Heizgrenze bei 14,4 °C und nicht bei 15 °C liegt, müssen die Datenpunkte bei 14,4 bis 15,0 °C mittlerer Außentemperatur als (außen‑) temperaturunabhängig gewertet werden. In die Regressionsgerade und in sind diese aber als (außen‑)temperaturabhängige Werte eingeflossen.

Diese geringe Ungenauigkeit kann vermieden werden, indem in mehreren Iterationsschritten die Aufteilung der Datenpunkte so angepasst wird, dass diese entsprechend der berechneten Heiz­grenze erfolgt. Im hier angewandten leicht modifizierten Verfahren wird also im Sinne eines iterati­ven Prozesses s und 0, und die erneut berechnet, wobei nun zur Unterteilung der Punkte­schar Gl. (2.6) verwendet wird:

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(2.7)

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(2.8)

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(2.9)

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(2.10)

Es ergibt sich also wiederum eine neue Heizgrenztemperatur. Ein weiterer Iterationsschritt ist aber nicht nötig, da sich im Bereich zwi­schen 14,2 °C und 14,4 °C keine Datenpunkte befinden, die ansons­ten die Regression und die Mittelwertbildung beeinflussen würden. Die Abweichung zwischen beiden Iterationsschritten ist im vorliegenden Fall sehr gering, kann jedoch auch größer ausfallen, wenn die zunächst angenommene Heiz­grenze weniger gut zutrifft.

Es soll durch diese Vorgehensweise jedoch nicht der Eindruck erweckt werden, dass die Heizgrenztemperatur damit genau bestimmt werden kann. Obwohl durch die Itera­tion eine Unsicherheit verringert wird, gibt es viele weitere Unsicherheiten (wie z. B. die Streu­ung der Datenpunkte aufgrund des Nutzerverhaltens, Messunsicherheiten, und unten die genauer erläuterte Unsicherheit durch die Verwendung von Monatsmittelwerten), die ein exaktes Ergebnis verhindern. Im Fall des Gebäudes Technik III/2 überlagern sich zudem verschiedene Heizkreise mit teilweise unterschiedlichen Heizgrenzen, so dass es sich um eine rechnerische, aber keine real eingestellte Heizgrenze handelt.

Der Heizenergieverbrauch kann nun – wieder nach VDI 3807 – als Funktion der Außen­tempera­tur berechnet werden. Dieser ist per Definition (außen‑)temperaturabhängig und ergibt sich aus der Differenz zwi­schen temperaturab­hängigem Verbrauch und (außen‑)temperatur­unabhängigem Verbrauch :

(2.11)

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Angepasst mit den Werten des Gebäudes Technik III/2 aus (2.7) bis (2.9) ergibt sich für den Heiz­energieverbrauch:

(2.12)

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In Abbildung 4 ist die Regressionsgerade nach Gleichung (2.1) mit den Werten aus (2.7) und (2.8) sowie der temperatur­unabhängige Verbrauch aus (2.9) eingetragen. Die Heizgrenze aus (2.10) befindet sich am Schnittpunkt beider Geraden. Diese rechnerisch bestimmte Heizgrenze muss allerdings nicht genau mit der real eingestellten bzw. der sich ergebenden Heizgrenztemperatur übereinstimmen und ist eher als grober Anhaltswert zu verstehen.

Auf dieser Basis kann die Norm-Heizlast nach [DIN EN 12831 Beiblatt 2] in einem verein­fachten Verfahren berechnet werden. Dazu wird in Gleichung (2.12) die Norm-Außentempe­ratur einge­setzt, welche für Kassel beträgt(s. [DIN EN 12831 Beiblatt 1, S. 12]):

(2.13)

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Die aus den Verbrauchsdaten ermittelte Norm-Heizlast des Gebäudes Technik III/2 beträgt 589 kW. Da in den Messungen interne und solare Wärmeeinträge enthalten sind, ist die nach die­sem Verfahren vereinfacht ermittelte Heizlast geringer als die standardmäßig errech­nete Norm-Heizlast über die Hüllflächen. Zum Vergleich: Die beim Bau des Gebäudes nach DIN 4701 errech­nete Norm-Heizlast beträgt 747 kW.

Bei der Verwendung von (2.7) bis (2.13) muss bei der Zuordnung der Datenpunkte in außentemperaturab- und unabhängige Bereiche neben den bereits beschriebenen Unsicherheiten zusätzlich berücksichtigt werden, dass systematische Feh­ler durch die Verwendung von Monatsmittel­werten anfallen:

Die Datenbasis für die obige Auswertung beruht auf monatlichen Verbrauchs­werten und den zugehö­ri­gen mittleren Außentemperaturen des jeweiligen Monats. Bei mittle­ren Monatstempera­turen knapp oberhalb der Heizgrenz­temperatur kann davon ausgegan­gen werden, dass einzelne Tage des Monats unterhalb der errechneten Heiz­grenztemperatur gelegen haben und erst im Monats­mittel die Heizgrenz­temperatur überschritten wurde. Abbildung 5 zeigt zur Verdeutlichung ein fiktives Bei­spiel, bei dem die mittlere Temperatur des gesamten Betrachtungszeitraums bei 16 °C und die zugehörige mittlere Leistung bei 85 kW liegt. Diese Werte würde man in der Auswer­tung nach diesem Kapitel als temperaturunabhängigen Verbrauch ansetzen. Im Beispiel wurde jedoch an einigen Tagen im Monat geheizt. Um das reale zu bestim­men, dürften diese kalten Tage eigentlich nicht in den Mittel­wert einfließen, sondern das reale zu 83 kW bei einer mittle­ren Monatstemperatur von 17 °C be­stimmt werden.

Es zeigt sich durch das Beispiel, dass bei der Auswertung der monatlichen Verbrauchs­werte des Gebäudes Technik III/2 in Abbildung 4 die Datenpunkte im (außen‑)temperaturunabhängigen Be­reich eigentlich etwas geringe Verbrauchs­werte aufwei­sen müssten, als es in der Grafik darge­stellt ist. Außerdem lägen dann die zugehöri­gen mittleren Tagestemperaturen bei etwas höheren Wer­ten. Insgesamt wird der temperaturunabhängige Verbrauch durch die Monatsmittelwerte etwas über­schätzt.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 5: Beispiel einer systematischen Überbewertung des von der Außentemperatur unab­hängi­gen Wärmeverbrauchs

- (T HG = 15 °C)

Bei denjenigen Wertpaaren, die im Mittel unterhalb der Heizgrenztemperatur liegen, fließen auch Tage, an denen der Verbrauch außentemperaturunabhängig war in den Mittel­wert des von der Außentemperatur abhängigen Verbrauchs ein. Abbildung 6 zeigt zur Ver­deutlichung ein Beispiel, in dem der Mittelwert aller Mess­werte des Betrachtungszeit­raums bei 90 kW und einer Temperatur von 14 °C liegt. Wenn nur die temperaturabhängigen Mess­werte verwendet würden, würde der reale Ver­brauch von 94 kW bei einer mittleren Temperatur von 13 °C errechnet werden. Dieses Beispiel verdeutlicht, dass im Fall des Gebäudes Technik III/2 in Abbildung 4 diejenigen Monats­werte, die knapp unter­halb der Heizgrenze liegen, eigentlich etwas höhere Leistungen bei etwas niedrige­ren mittleren Temperaturen aufweisen müssten. Eine Aussage darüber, wie sich die Regres­si­onsgerade durch diese systematischen Abweichungen ändern würde, lässt sich nicht gene­rell treffen: Einerseits führt der höhere reale Verbrauch zu einer flacheren Steigung der Ge­rade. Andererseits führt die niedrigere mittlere Monats­temperatur zu einer größeren Steigung. Beide Einflüsse über­lagern sich, so dass nicht bestimmt werden kann, wie sich die Steigung der Regressionsgerade letzt­lich ändern würde.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 6: Beispiel einer systematischen Unterbewertung des Heizenergieverbrauchs

- (T HG = 15 °C)

Die hier beschriebenen systematischen Fehler lassen sich durch die Verwendung von Tages­mess­werten deutlich vermindern, die aber im Fall der Universität Kassel nicht systematisch erhoben werden. Als Alternative zur Verwendung des Tagesmitteltemperatur-Verfahrens wird daher zur Vermeidung der genannten systematischen Fehler nun das „Heizgradtag-Verfahren“ eingeführt, wobei die Begrifflich­keit an das Tagesmitteltemperatur-Verfahren angelehnt ist. Die Monatsver­bräuche werden dabei ebenfalls in die mittlere Leis­tung umgerechnet, aber bei dieser Auswertung über die Heizgradtage (HGt15) des jeweiligen Monats aufgetragen (s. Abbildung 7). Heizgradtage werden berechnet, indem an Heiztagen die Differenzen zwischen der Außen­temperatur und der Heizgrenztemperatur[6] erfasst und zu einem Monatswert aufsum­miert werden. Diese Vorgehens­weise hat gegenüber der Verwendung von Monatsmittel­temperaturen den Vorteil, dass sich kalte und warme Tage nicht gegenseitig im Mittel ausglei­chen. Die oben beschriebenen systematischen Fehler bei der Verwendung von Monats­werten im Tagesmitteltemperatur-Verfahren können daher im Heizgradtag-Verfahren vermindert werden. Temperaturschwankungen innerhalb eines Tages führen jedoch weiter­hin zu geringen systematischen Fehlern im Bereich der Heizgrenztemperatur. Außerdem muss die Heizgrenztemperatur in etwa bekannt sein, um die Heizgradtage bestimmen zu können.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 7: Darstellung des Wärmeverbrauchs in Abhängigkeit von der Anzahl der Heizgrad­tage

Falls die Festlegung auf eine Grenze zwischen temperaturabhängigem und ‑unabhängigem Ver­brauch nicht benötigt wird, kann nun eine quadratische Regression über alle Datenpunkte durchge­führt werden. Eine Unterteilung der Punkteschar wie beim Tagesmitteltemperatur-Verfah­ren ist dann nicht mehr nötig und Iterations­schritte erübrigen sich somit ebenfalls. In Abbildung 7 führt die quadratische Regres­sion sogar zu einem etwas höheren Bestimmtheitsmaß als beim Tages­mitteltemperatur-Verfahren (0,96 anstelle von 0,93), was bedeu­tet, dass die Regression die Verbrauchswerte tendenziell genauer abbildet. Der von den HGt15 unab­hängige Term der Regres­sion stellt zudem einen Anhaltswert für den von der Außen­temperatur unabhängigen Verbrauch dar.

Im Vergleich beider Verfahren kann festgestellt werden, dass sich das Tagesmitteltemperatur-Verfah­ren eignet, wenn die Heizgrenztemperatur oder die Heizlast benötigt wird. Eine hohe Genauig­keit kann jedoch wie oben erläutert v. a. mit Monatsverbrauchswerten nicht erzielt werden. Wenn eine vergleichsweise einfach berechenbare Regression der Ver­brauchsdaten benötigt wird, ist das Heizgradtag-Verfahren in Kombination mit einer quadrati­schen Regression vermutlich die beste Wahl.

Zum Abschluss der Verbrauchsdatenanalyse wird nun mit dem Tagesmitteltemperatur-Verfahren abgeschätzt, wie groß der temperaturunabhängige Verbrauchsanteil des Gebäudes Technik III/2 im Jahresmittel ist. Dazu wird die oben ermittlete Heizgrenztemperatur von etwa 14,2 °C verwendet.

So können für jedes Jahr diejenigen Monate identifiziert werden, an denen die Heizgrenz­temperatur oberhalb der Heizgrenztemperatur lag. An diesen Sommer­monaten entspricht der außen­temperaturunabhängige Verbrauch gerade dem Gesamt­wärmeverbrauch des Gebäudes. Sofern die Wärmebereitstellung in diesen Monaten nicht grundle­gend anders geregelt ist als in der übrigen Zeit des Jahres, kann angenommen werden, dass der außentemperaturunabhängige Ver­brauch auch die übrigen Monate des Jahres in einer vergleichbaren Größenordnung wie im Sommer liegt. Im Gebäude Technik III/2 ist dies weitgehend der Fall. Es wird daher angenommen, dass in Monaten mit einer mittleren Monatstemperatur unterhalb der Heizgrenztemperatur der Mittel­wert des sommerlichen temperaturunabhängigen Verbrauchs anfällt. Das Ergebnis der Auswer­tung ist in Abbildung 8 für die Jahre 2002 bis 2010 graphisch dargestellt, wobei der Anteil des Heizenergieverbrauchs witterungsbereinigt wurde (Witterungsbereinigung nach [Emmerich 2009, S. 21]).

In der Abbildung wird deutlich, dass der Heizenergieverbrauch nur 60 – 70 % des Gesamt­wärme­verbrauchs ausmacht. Der restliche Verbrauch ist von der Außentemperatur unabhängig. Dieser Wert ent­spricht in [VDI 3807-1] dem Prozesswärme­verbrauch, was im Fall des untersuch­ten Technik­gebäudes in Frage gestellt werden muss: Basierend auf messtechnischen Untersuchun­gen wird der außentemperaturunabhängige Verbrauch in Kapitel 3 weiter unterglie­dert. Dabei wird sich u.a. zeigen, dass der Verlustanteil des temperaturunabhängigen Verbrauchs bei über 90 % liegt. Der Anteil der Wärmeverluste allein im von der Außentemperatur unabhängi­gen Bereich liegt also bei etwa 30 % des Gesamt­verbrauchs, was im Jahr 2010 bei einem Arbeits­preis von 75 Euro pro MWh mithin ca. 51.000 Euro ausgemacht hätte.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 8: Entwicklung des (außen-)temperaturab- und unabhängigen Wärmeverbrauchs in den Jahren 2002 – 2010

- Der Verlustanteil des temperaturunabhängigen Verbrauchs liegt nach Kapitel 3.2 bei etwa 90 %.

3 Bestandsaufnahme

In Kapitel 3.1 werden der Aufbau und die Verteilungsstruktur der Wärmeversorgung des Gebäu­des schematisch dargestellt und erklärt. Detailliertere Darstellun­gen zu einzelnen Themati­ken werden hingegen dort näher erläutert, wo sie für die jeweilige Betrachtun­gen von Nutzen sind. Unter Zuhilfe­nahme von Messergebnissen wird in Kapitel 3.2 die ungefähre Höhe der Wärmeverluste des Gebäu­des abgeschätzt und dargestellt, wie sich die Verbrauchsanteile im Sommer zusammen­setzen. Es wird zudem erläutert, an welchen Stellen des Gebäudes Messungen vorgenom­men wurden. In Kapitel 3.3 wird dargestellt, wie sich die jährlichen Verbrauchsanteile zusammensetzen.

3.1 Wärmeversorgung im Gebäude Technik III/2

Das Gebäude Technik III/2 verfügt über eine mit Fernwärme gespeiste zentrale Pumpen-Warm­wasserheizung im Zweirohrsystem. Die horizontale Wärmeverteilung befindet sich im ersten Unter­geschoss und speist die zentrale Warmwasserbereitung, das Netz der Lüftungsanlagen sowie die einzelnen Heizkreise (vgl. Abbildung 9):

In den vier Heizungs- bzw. Lüftungszentralen sind jeweils ein Heizungsverteiler für den Vor­lauf und eine Sammelschiene für den Rücklauf installiert. Aus den Verteilern und Sammlern werden die einzelnen Heizkreise gespeist, wobei jede Regelgruppe über eine eigene Umwälz­pumpe verfügt. „Jede Gruppe kann zwischen 0 und 100% geregelt werden. Dem Vorlauf jeder Gruppe wird mittels Motormischventil Rücklaufwasser derselben Gruppe beige­mischt. Regelung in Abhängigkeit von der Außentemperatur. Beste Art der Rege­lung. Umlau­fende Wassermengen in den einzelnen Grup­pen können konstant gehalten werden.“ [Recknagel et al. 2011, S. 470 – 471] Die Heizkreise versorgen vor allem Büros und Labore, aber auch Deckenstrahlheizungen von Hallen. Diejenigen Heizkreise, die die Heizkörper in Büros und Laboren speisen, werden über Installationsschächte in die oberen Stockwerke geführt, welche sich in räumlicher Nähe zu den Treppenhäusern befin­den. Im jeweiligen Stockwerk folgt dann die horizontale Anbindung zu den Verbrauchern. Dieses Heizungs­netz wird das Netz der stati­schen Heizung genannt.

Die Heizungshauptleitung speist außerdem das über einen Wärmeübertrager gekoppelte sog. Netz der dynamischen Heizung, an welches Lüftungsanlagen, Heizregister und Klimageräte angebun­den sind. Das Netz hat eine ähnliche räumliche Ausdehnung wie das Netz der statischen Heizung (d.h. über alle Stockwerke vom 2. Untergeschoss bis ins 4. Obergeschoss), besitzt aber keine eige­nen Regelkreise. Es gibt eine zentrale, differenzdruckgeregelte Umwälz­pumpe. Der Rücklauf des Netzes der dynamischen Heizung mündet in drei 3000 L Pufferspeichern, von denen einer in Betrieb ist. Diese sollen mit der Abwärme der ebenfalls im ersten Untergeschoss installierten Kälte­anlage erwärmt werden. Nach den Pufferspeichern wird der Rücklauf über einen an die Heizungs­hauptleitung gekoppelten Wärmeübertrager auf Vorlauftemperatur gebracht.

Die zentrale Trinkwarmwasserbereitung ist der dritte an die Hauptleitung angeschlos­sene Verbrau­cher. Die Problematik dieses Systems – im Wesentlichen hohe Zirkula­tionsverluste bei gleichzeitig geringem Warmwasserbedarf – wurde im Wintersemes­ter 2011 von einer Solarcampusgruppe festgestellt. Aktuell laufen weitere Untersuchungen, die mit großen Verlusten behaftete, zentrale Warmwasserbereitung durch dezentrale Warmwasserbereitungen zu ersetzen. Auf die Trinkwarm­wasserbereitung wird daher in die­ser Arbeit nur am Rande eingegangen.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 9: Schematische Darstellung der Wärmeverteilung im 1. UG des Gebäudes Technik I/II

- Die Heizungshauptleitung speist die zentrale Trinkwarm­wasserbereitung, die einzelnen Heizkreise über Verteiler in den Zentralen 1 – 4 sowie das Netz der dynamischen Heizung (rot eingezeich­net), an welchem Lüftungsanlagen und Klimageräte angeschlossen sind. Aus Darstellungsgründen sind die Rückläufe nicht eingezeichnet.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 10: Aufteilung des Gebäudes von links nach rechts in Achsen 1 - 21

- Im Bild sind die Ach­sen 8 bis 11 schraf­fiert hervorgehoben. Durch die Achsenbezeichnung wird die räumliche Zuordnung einzel­ner Gebäude­abschnitte in schematischen Darstellungen vereinfacht.

3.2 Messtechnische Bestimmung der Wärmeverluste

Im Rahmen der messtechnischen Untersuchungen wurden verschiedene Leistungsmessun­gen am Gebäude durchgeführt. Die grundlegende Berechnungsgleichung zur Bestimmung eines Wärme­stroms ist:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

(3.1)

Die Dichte und die isobare Wärmekapazität c p wurden jeweils bei einer mittleren Temperatur als konstant angenommen. Der jeweilige Volumenstrom und die Temperaturdifferenzen wurden mit einem Ultraschall-Durchfluss Messgerät „Optisonic 6300“ (Krohne Messtechnik), zwei Wärmemen­gen-Messgeräte „Fluxus F601“ (Felxim GmbH) sowie separaten NiCr-Ni Thermoelementen be­stimmt. Es wurden im Zeitraum vom 18.08.2011 bis zum 28.09.2011 die folgenden Verbräuche gemessen (vgl. Abbildung 11, Seite 19):

Die mittlere Leistung des Wärmeverbrauchs der dynamischen Heizung liegt bei 40 kW und wurde über eine Volumenstrommessung am Rücklauf und Temperatursensoren am Vorlauf[7] und am Rück­lauf bestimmt. Es wird so der gesamte Verbrauch der dynamischen Heizung gemessen, je­doch ohne die separat gemessenen Verbräuche der Pufferspeicher der Wärmerückgewinnung. Es zeigt sich eine außergewöhn­lich hohe Grundlast und zusätzliche Leistungspeaks, die tendenziell mit niedrigen Außentempera­turen korrelie­ren (vgl. auch Abbildung 28, S. 49). In der unten dargestellten Abbildung 11 wird der Wärme­verbauch für Entfeuchtung (s. u.) einzeln aufgeführt; der mittlere Verbrauch der dynami­schen Heizung beträgt dann noch ca. 32 kW, denen im Grundlastfall kein Nutzen zugeordnet wer­den kann.

Die mittlere Leistung des Wärmeverbrauchs der Pufferspeicher liegt bei 12 kW und wurde über dieselbe Volumenstrommessung am Rücklauf der dynamischen Heizung und dem erwähnten Tempera­tur­sensor am Rücklauf vor Eintritt in die Pufferspeicher sowie einem weiteren Tempera­tursensor nach Austritt aus den Pufferspeichern bestimmt. Die Wärmerück­gewinnung der Kälte­anlage könnte im Prinzip die Werte verfälschen. Da diese im Messzeit­raum aber nicht in Betrieb war, entsprechen die gemessenen Werte gerade den Speicher­verlusten mit der zugehörigen Anbin­dung. Aufgrund der geringen Temperaturdiffe­renz zwischen Speichereintritt und -austritt kann die Höhe der Speicherverluste nicht mit ho­her Genauigkeit bestimmt werden.

Die Leistungsaufnahme der Klimageräte zum Zweck der Luftentfeuchtung wurde direkt am Ein- und Austritt in die Klimageräte in Raum 1215 (1,2 kW) und 1222 (6,6 kW) gemessen. Da die Mes­sung in Raum 1222 erst ab dem 19.09.11 und in Raum 1215 erst ab dem 24.09.11 stattfand, wird für den vorherigen Zeit­raum ein konstanter Mittelwert angenommen. Der Wärmeverbrauch eines weiteren Labors in Raum 0311 kann vernachlässigt werden. Die versorg­ten Labore sind die einzi­gen drei Laborräume, bei denen die beteiligten Fachbereiche bewusst konditionierte Luft anfor­dern. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass auch in den anderen sechs Klimageräten Luft entfeuchtet wird, allerdings wird dieser Verbrauch dann als Verlust gewertet, da in den zugehöri­gen Laboren im aktuellen Betrieb keine Notwenigkeit für eine Entfeuchtung besteht. Ein Teil des gemessenen Wärmeverbrauchs in Raum 1215 und Raum 1222 kann auch auf einen Anteil Heizwärme­bedarf zurückzuführen sein, da die Klimageräte auch heizen können. Der Wärme­verbrauch zur Entfeuch­tung wird also ggf. leicht überschätzt. Da die Klimageräte jedoch von den Lüftungszentralen vorgewärmte Luft erhalten, dürfte der Heizwärmeanteil gerade im Sommer ge­ring sein.

Der Nutzenergieanteil der Trinkwarmwasserbereitung (0,5 kW) und die Verluste der Trinkw armwasser­zirkulation (10,1 kW) wurden im Rahmen einer Solarcampus-Studienarbeit im Jahr 2011 bestimmt und wer­den als konstant angenommen. Den Messergebnissen nach trifft das vor allem bei den Zirkulationsverlusten weitgehend zu. Die Variation im Nutzwärmeverbrauch des Warmwassers wird aufgrund des geringen absoluten Verbrauchs vernachlässigt: In Abbildung 11 ist der Wärme­verbrauch für Warmwasser ohnehin lediglich als dünner Strich zu erkennen.

Um die Verluste der horizontalen Wärmeverteilung (v. a. der Hauptleitung) und den Verbrauch der statischen Heizung zu bestimmen, wird auf Messdaten des bei der Fernwärme-Übergabestation fest installierten Wärmemengenzählers zurückgegriffen. Hier konnten von Seiten der Gebäudeleittech­nik stündliche Messwerte zur Verfügung gestellt werden. Da die Auflösung dieser Messwerte allerdings nur in Schritten von 100 kW[8] vorliegt, wird für jeden Datenpunkt jeweils der Mittelwert aus dem Messwert sowie den sechs vorherigen und den sechs nachfolgenden Mess­werten gebildet. Auf diese Weise kann der reale Verbrauch gut nachgebil­det werden, wie die eindeu­tige Korrelation mit den Verbrauchswerten der dynami­schen Heizung zeigt.

Die Verlustleistung der horizontalen Wärmeverteilung lässt sich nun aus der Differenz zwischen dem Gesamtwärmeverbrauch des Gebäudes und den Verbräuchen der einzeln erfassten, zuvor beschriebenen Leistungen berechnen. Dabei entspricht das Ergebnis gerade den Verlusten der Hauptleitung, wenn die Außentemperatur größer als 15 °C ist, da die nicht einzeln erfass­ten Heiz­kreise in diesem Fall abgeschaltet sind. Der Mittelwert dieser Messwerte in Höhe von 13 kW wird für die übrige Zeit der Messstrecke als konstant angenommen.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 11: Aufteilung des Wärmeverbrauchs nach Verwendungsart

- Im Zeitraum vom 07. - 09.11. 2011 konnten keine Messwerte erfasst werden.

Der Wärmeverbrauch der statischen Heizung ergibt sich dann bei Messwerten, bei denen die Außen­temperatur weniger als 15 °C betrug. Vom Gesamtwärmeverbrauch des Gebäu­des werden, wie bei der Bestimmung der Wärmeverluste der Hauptleitung, die Verbräu­che aller ande­ren Verbraucher abgezogen. Es zeigt sich, dass bei kälteren Außen­temperaturen – etwa am 20.09.11 – die statische Heizung den größten Anteil am Wärme­verbrauch des Gebäudes aus­macht.

Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass bei Außentemperaturen größer als 15 °C Wärme­verluste den überwiegenden Teil des Gesamtverbrauchs ausmachen. So lag in der zweiten Augusthälfte, einem Zeitraum mit sommerlich warmen Temperaturen, der Gesamt­verbrauch bei 76 kW. Davon wurden nur etwa 8 kW für Entfeuchtung und Trinkwarmwasser­bereitung verwendet, die restlichen 69 kW sind Verluste. Hinzu kommen bei Außentemperatu­ren von unter 15 °C noch Lei­tungs- und Regelungsverluste der statischen Heizung, die im Rahmen dieser Auswertung nicht erfasst werden können. Der Verlustanteil liegt im Sommer bei über 90 %. In der übrigen Zeit des Jahres sinkt der relative Anteil der Verluste am Gesamtverbrauch, weil der Heizwärmebedarf steigt. Die absolute Höhe der Ver­luste wird jedoch tendenziell eher steigen, da dann auch die stati­sche Heizung in Betrieb ist.

3.3 Ermittlung des jährlichen Wärmeverbrauchs nach Nutzung

Mit den in Kapitel 2 beschriebenen Auswertungen der monatlichen Verbrauchsdaten und der oben dargestellten Auswertung des sommerlichen Wärmeverbrauchs konnte noch keine Aus­sage darü­ber getroffen werden, wie groß jeweils der Anteil der statischen und der dynami­schen Heizung am gesamten Wärmeverbrauch eines Jahres ist.

In diesem Abschnitt wird das Tagesmitteltemperatur-Verfahren aus Kapitel 2.2 auf die gemesse­nen Verbrauchsdaten der dynamischen Heizung und den Verbrauch der stati­schen Heizung angewandt. In Abbildung 12 stellt jeder Datenpunkt eine mittlere Tages­leistung der statischen bzw. der dynamischen Heizung dar, wobei diese über der mittleren Außentemperatur des jeweiligen Tages aufgetragen sind. Der Verbrauch der statischen Hei­zung errechnet sich dabei aus dem an der Fernwärmeübergabe gemessenen Gesamt­verbrauch des Gebäudes abzüglich des Verbrauchs der dynamischen Heizung und des Ver­brauchs der zentralen Trinkwarmwasserbereitung:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

(3.2)

In sind bei dieser Definition neben dem Verbrauch der statischen Heizung auch die Leitungs­verluste der horizontalen Verteilung im ersten Untergeschoss enthalten.

Nach dem in Kapitel 2.2 beschriebenen iterativen Tagesmitteltemperatur-Verfahren kann nun je­weils die Punkteschar der Verbrauchswerte in außentemperaturab- und unabhängige Verbräuche aufgeteilt werden. Die Regressionsanalyse der statischen Heizung führt dann zu folgenden Ergebnis­sen:

(3.3)

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(3.4)

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(3.5)

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(3.6)

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Abbildung 12: Mittlere Leistung der statischen und dynamischen Heizung als Funktion der Außen­temperatur

- Die Tagesmittelwerte beziehen sich mit Unterbrechungen auf den Zeitraum vom 18.08. bis zum 22.11.2011.

Für die dynamische Heizung ergibt sich:

(3.7)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

(3.8)

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(3.9)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

(3.10)

Aus den Daten können zwei wichtige Rückschlüsse gezogen werden:

1. Es wird deutlich, dass der (außentemperaturabhängige) Heizenergieverbrauch der stati­schen Heizung deutlich größer ist als der Verbrauch der dynamischen Heizung . Die Heiz­periode beginnt bei der statischen Heizung zudem deutlich früher. Das bedeutet, dass die statische Heizung während der Heizperiode den größten Verbraucher dar­stellt. In Kapitel 4 werden Maßnahmen beschrieben, um diesen Verbrauchs­anteil zu senken.

2. Der von der Außentemperatur unabhängige Verbrauch der dynamischen Hei­zung ist beinahe dreimal größer als der statischen Heizung. Dies wurde bereits in Kapi­tel 3.2 deutlich und wird im gesamten Kapitel 5 wieder aufgegriffen, da hier ein gro­ßes Einspar­potenzial zu erwarten ist.

Anhand der Regressionen in Abbildung 12 kann nun der witterungsbereinigte monatliche Wärme­verbrauch unter Verwendung von langjährigen Mittelwerten berechnet werden. Wäh­rend der tempera­tur­unabhängige Verbrauch Q stat.u und Q dyn.u ganzjährig anfällt, ist dies beim außen­temperatur­abhängigen Verbrauch Q stat.H und Q dyn.H nur an Heiztagen der Fall. In der Regres­sion wird dann die mittlere Monatstemperatur an Heiztagen verwendet.

In Abbildung 13 können somit alle Verbrauchsanteile auf einer monatlichen Basis dargestellt wer­den. Zusammen mit dem Verbrauch der zentralen Trinkwarmwasserbereitung ergibt sich so der witterungsbereinigte monatliche Wärmeverbrauch des Gebäudes Technik III/2. Der witterungsbe­reinigte Jahresverbrauch ergibt sich durch die Summation der Monatswerte und liegt bei etwa 1.850 MWh. Davon entfallen ca. 62% auf die statische Heizung, 33% auf die dynami­sche Heizung und 5% auf die Warmwasserbereitung (vgl. Abbildung 14).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 13: Witterungsbereinigte Darstellung der Verbrauchsanteile der statischen Heizung, der dynamischen Heizung sowie Warmwasserverbrauch

- Die gepunkteten Anteile der statischen und dynami­schen Heizung sind von der Außentemperatur unabhängig und machen 30 % des Jahres­verbrauchs aus (vgl. Abbildung 14).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 14: Anteile der dynamischen und der statischen Heizung sowie Trinkwarmwasser­versorgung am witterungsbereinigten Gesamtverbrauch

4 Maßnahmen im Netz der statischen Heizung

In diesem Kapitel werden grundlegende Problematiken der statischen Heizung dargelegt und Verbes­serungsmaßnahmen identifiziert. Begleitend zu den einzelnen Abschnitten wird auf die Bewertung nach [DIN EN 15378] „Heizungs­systeme in Gebäuden – Inspektion von Kesseln und Heizungssystemen“ eingegan­gen. In dieser wird ein Checklistenverfahren beschrieben, mit welchem die energetische Qualität der Anlagen­tech­nik anhand von klar definier­ten Kriterien mit Punkten bewertet wird. Dadurch kann ein erster Eindruck über die Bedeutung der potenziel­len Verbesserungsmöglichkeiten erlangt werden.

Die Bewertungsskala der DIN EN 15378 reicht von null bis hundert Punkten, wobei null Punkte das Optimum darstellen. Eine hohe Punkteanzahl zeigt dagegen ein großes Verbesserungs­potenzial auf. Die Unterteilung der in den Teilbereichen der Heizungstechnik maximal erreichbaren Punkte wird in folgender Abbildung dargestellt:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 15: Bewertung des Heizungsystems nach DIN EN 15378.

Eine große Punktzahl bedeu­tet ein großes Verbesserungspotenzial. Die Bewertung des Wärmeerzeugers ist wegen der Nutzung von Fern­wärme im vorliegenden Fall irrelevant.

Da die Effizienz des Wärme­erzeugers (z. B. Abgasverlust, Ventilationsverluste, Brennwertnutzung u.a.) nicht bewertet wird, verringert sich die maximal mögliche Punktezahl auf 62 Punkte. Diese Punktezahl wird erreicht, wenn es keine Regelung gibt, die Pumpen überdimensioniert sind, eine Rohrleitungsdämmung nicht vorhanden ist und die Heizkörper nur mit einfachen Handrädern und nicht mit Thermostat­ventilen zu bedienen sind.

Es ist zu erwarten, dass sich das Gebäude Technik III/2 trotz teilweise vorhandener Schwä­chen deutlich von diesem „worst case“ abheben wird. Jedoch wird sich im weiteren Verlauf der Arbeit zeigen, dass die Bewertung der jeweiligen Aspekte im Einzelfall durchaus die Maximalpunktzahl erreicht.

4.1 Dämmung von Pumpen und Armaturen

Die Rohrleitungsdämmung ist für ein Bestandsgebäude auf einem guten Stand. Im Regelfall sind alle Rohrleitungen sowie größere Einbauten wie Absperrventile oder Schmutzfänger gedämmt. Als Dämmmaterial wird dabei üblicherweise Mineralwolle verwendet.

Ungedämmt sind dagegen typischerweise die folgenden Bestandteile des Heizungssystems (vgl. Abbildung 16):

- Absperrhähne
- Druckregulierventile
- Beimischventile
- Entlüftungsrohre
- Messtechnische Einrichtungen
- Pumpen und deren Flansche

Neben dem Heizungsnetz ist im Gebäude Technik III/2 auch ein Kaltwassernetz installiert. Die Kälte wird durch einen Verbund von 6 Kompressionskälteanlagen mit je 40 kW elektri­scher Leis­tung bereitgestellt. Im Gegensatz zum Heizungssystem sind die Armaturen im Kaltwassernetz aus Gründen des Korrosionsschutzes gedämmt. In der DIN 4140 wird u.a. die Ausführung von Wärmedäm­mungen an betriebstechnischen Anlagen in der technischen Gebäudeausrüstung beschrie­ben. Die Ausführung der Dämmung von Einbauten an Kälteanlagen gelten danach „ sinnge­mäß für Wärmedämmungen, wobei dann stets die […] Dampfbremse entfällt “ [DIN 4140, S. 53]. Die Abbildungen 17 und 18 machen den qualitativen Unterschied in der Ausführung von Kälte- und Wärmedämmungen im Gebäude Technik III/2 deutlich: Im Kaltwassernetz bleibt einzig der Motor der Pumpe unge­dämmt; alle anderen Armaturen sind gedämmt.

Für ungedämmte Armaturen besteht gemäß der Verordnung über energiesparenden Wärme­schutz und energiesparende Anlagentechnik bei Gebäuden (der Energieeinsparverordnung) eine gesetzli­che Nachrüstverpflichtung: „ Eigentümer von Gebäuden müssen dafür sorgen, dass bei heizungs­technischen Anlagen bisher ungedämmte, zugängliche Wärmeverteilungs- und Warmwasser­leitungen sowie Armaturen, die sich nicht in beheizten Räumen befinden […] gedämmt sind. “ [EnEV 2009, §10 Abs. 2]

Aus rechtlicher Sicht ist es also im Prinzip eindeutig, dass die o.g. ungedämmten Armaturen auch nachträglich gedämmt werden müssen. Durch die Bemühungen der Landesregierung Hessen – der Eigentümerin der Universitätsliegenschaften – bis zum Jahr 2030 CO2-neutral zu arbeiten [Hessischer Landtag 2010], kann auch vom politischen Willen ausgegangen werden, diese Verpflichtun­gen umzusetzen.

Die o.g. Verpflichtung zur nachträglichen Dämmung entfällt allerdings nach §10 Abs. 6 der EnEV 2009, wenn „die für die Nachrüstung erforderlichen Aufwendungen durch die eintreten­den Einsparun­gen nicht innerhalb angemessener Frist erwirtschaftet werden können.“ Da es sich aller­dings um eine Ausnahmeregelung handelt, kann im Regelfall nicht davon ausgegan­gen werden. Dass die Dämmung ein bedeutendes Einsparpotenzial ausmacht, zeigt sich zudem darin, dass sie nach DIN EN 15378 mit maximal 20 Punkten das zweit­größte Einsparpotenzial aufweist (s. Abbildung 15).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 16: Heizungszentrale III: Ungedämmte Bestandteile

- Typischerweise unge­dämmt sind Pum­pen, Entlüfter und Messgeräte wie z. B. Thermostate. Außerdem sind in diesem Fall die Dämmungen von zwei Ventilen entfernt.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 17: Dämmung von Pumpen, Absperrhähnen und messtechnischen Einrichtungen im Kalt­wassernetz

- Ähnlich wie hier sollten auch die Armaturen im Heizungsnetz gedämmt werden.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 18: Vergleich der Ausführung von Wärme- und Kältedämmungen.

Nach DIN 4140 sollte die energetische Güte beider Dämmarten identisch sein. Im Bild sind die Absperrhähne, das Regelventil und die Beimischung nur im Kaltwassernetz gedämmt.

Um die Wirtschaftlichkeit von Dämmmaßnahmen an Armaturen besser bewerten zu können, er­scheint eine überschlägige Bewertung des energetischen Einsparpotenzials sinnvoll. In der [VDI 2055-1, S. 35 - 41] wird der Einfluss von Wärmebrücken an betriebstechnischen Anlagen, z. B. durch Armatu­ren oder Flansche, beschrieben. Dabei wird der Ein­fluss der Wärmebrücken über eine äquivalente Länge ausgedrückt. Der Wärmeverlust über die Wärmebrücke entspricht so dem Verlust, der rechnerisch über ein gedämmtes Rohr mit der äquivalenten Länge der jeweiligen Wärme­brücke anfallen würde:

(4.1)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Um typische Verluste über Wärmebrücken zu bestimmen, müssen also die äquivalente Länge, der längenbezogene U-Wert sowie die mittlere Fluid- und Lufttemperatur bekannt sein.

- Für die äquivalente Länge von Armaturen werden in [VDI 2055-1, S. 152] typische Werte je nach Nennweite der Rohrleitung und Temperaturniveau des Fluids genannt. Un­gedämmte Ar­maturen haben demnach in Gebäuden bei einer Innentemperatur von 20 °C und einer Fluid­temperatur von 50 - 100 °C bei Rohrleitung mit einer Nenn­weite von 50 mm eine äquiva­lente Länge von 9 - 15 Metern. Gedämmte Armaturen wei­sen entsprechend der VDI 2055 immer noch eine äquivalente Länge von 4 - 5 m auf. Um die Einsparung zu bestim­men, wird im Folgenden die Differenz der unteren Grenzwerte, d.h. 5 Meter pro Wärme­brücke verwendet.

- Nach [DIN 18599-5, S. 47] wird ein für die Baualtersklasse ab 1980 bis heute typi­scher längen­bezogener U-Wert von 0,2 W/(m K) angenommen.
- Die Fluidtemperatur variiert je nach Heizkreis und Außentemperatur. Für die Abschät­zung wird T f = 50 °C für den Zeitraum der Heizperiode verwendet. Die Lufttemperatur liegt bei etwa 20 °C.

Bei diesen Annahmen beträgt die mittlere Verlustleistung einer Wärmebrücke nach Glei­chung (4.1) ca. 50 W. Durch die Dämmung sinkt die Verlustleistung dann auf 20 W, sodass ca. 30 W einge­spart werden.

Die Dauer der Heizperiode liegt nach [IWU 2011] bei einer Heizgrenztemperatur von 15 °C im Mittel bei 266 Tagen, d.h. bei ca. 6.400 Stunden pro Jahr. Der Wärmeverlust über diesen Zeitraum beträgt dann ca. 200 kWh pro Jahr. Das entspricht bei 7,5 Ct./kWh jährlichen Mehr­kosten von ca. 15 Euro pro ungedämmter Armatur.

Die auf diese Weise errechneten Kosten beruhen auf einer Reihe von Annahmen (s. o.), die im Einzelnen stark variieren können. Allerdings wurden stets realistische Werte gewählt, so dass im Mittel näherungsweise das errechnete Ergebnis zu erwarten ist. Letztlich dient die Abschätzung nur dazu, die Frage zu beantworten, ob die Dämmmaßnahme grundsätzlich wirtschaftlich ist und ob dementsprechend eine Nachrüstpflicht gemäß Energieeinspar­verordnung besteht. Diese Frage kann eindeutig bejaht werden: Laut [VDI 2067-1, S. 22] liegt die rechnerische Nutzungsdauer von Rohrleitungsdämmungen zum Zwecke der Wirtschaft­lichkeitsbewertung bei 20 Jahren, was zu Einsparungen von insgesamt etwa 300 Euro führt.

Die Einsparungen (ca. 300 Euro) werden in den allermeisten Fällen grö­ßer sein, als die entstehenden Kosten durch die Dämmung einer Armatur. Auch wenn in Einzelfällen niedrige­re Einsparun­gen eintreffen, dürfte die Wirtschaftlichkeit weiterhin gewährleistet sein, da die Kosten für die nachträg­liche Dämmung einer einzelnen Wärmebrücke i. d. R. sehr gering sind. Oft müsste nur ein Stück Rohrleitung gedämmt werden (z. B. bei Absperr­hähnen, Entlüftungsrohren und messtechni­schen Einrichtungen). Auch in den übrigen Fällen sind oft nur Kosten von bis zu 100 Euro zu erwar­ten. Selbst dann liegt die Amortisationsdauer für die Dämmung einer Armatur bei weniger als sieben Jahren.

Die grundsätzliche Wirtschaftlichkeit und damit die Nachrüstpflicht nach EnEV 2009 § 10, Abs. 2 wurde somit belegt. Auf eine Berechnung des gesamten Einsparpotenzials wird an dieser Stelle verzichtet, da hierfür eine hinreichend solide Datenbasis fehlt.

Für die Dämmung werden nach DIN EN 15378 10 von 20 Punkten veranschlagt, da eine Däm­mung vorhanden ist, diese aber nicht die Anforderungen der EnEV erfüllt. Es ist jedoch auch die Angaben von Zwischenwerten möglich. Da die Rohrleitungen sowie größere Einbau­ten i. d. R. gut gedämmt sind, wäre ein deutlich geringerer Wert – etwa 5 Punkte – sicher­lich eine angemesse­nere Bewertung.

[...]


[1] Siehe http://www.uni-kassel.de/uni/umwelt, Stand 12.12.2011

[2] Weitere Masterarbeiten zu den Themenbereichen Lüftung, Beleuchtung und Trinkwarmwasserversorgung werden derzeit erstellt (Stand Dezember 2011). Hinzu kommt das als Lehrveranstaltung konzipierte Projekt „solarcampus – Energieeffizienz an der Hochschule“, wo im Rahmen von studentischen Arbeiten viele Untersuchen an Universitätsgebäuden stattfinden.

[3] Vom BMVBS wird die Nettogrundfläche vorgegeben [BMVBS 2007, S. 3]. Andererseits empfiehlt der VDI die Bruttogrundfläche [VDI 3807-1, S. 16]. Wichtig sind letztlich die eindeutige Kennzeichnung der verwendeten Energiebezugsfläche und die einheitliche Verwendung innerhalb von vergleichenden Analysen.

[4] In Bezug auf die ages-Studie [AGES 2007] entspricht der Vergleichswert dem Modus der untersuchten Gebäude, ist also der am häufigsten vorkommende Wert. Der Zielwert wird durch das untere Quartil ausgedrückt, d.h. dass nur die besten 25% der betrachteten Gebäude diesen Wert erreichen.

[5] Wenn nur mittlere Leistungen verwendet werden, kann auf eine separate zeitliche Bereinigung verzichtet werden. Diese ist jedoch wichtig, wenn z. B. Monatswerte verwendet werden, da sich die Zeiträume sonst nicht vergleichen lassen.

[6] Für Bestandsgebäude wird üblicherweise TH = 15 °C angenommen, was sich hier relativ gut mit den in Gl. (2.10) ermittelten 14,2°C deckt.

[7] Nachdem festgestellt wurde, dass der entsprechende Sensor zunächst etwas zu geringe Werte maß, wurde er versetzt. Mit den nun konstant ca. 1 K höheren Messwerten wurden die vorherigen Messwerte korrigiert.

[8] Der Zähler erfasst Messwerte im Intervall von 100 kWh die stündlich erfasst werden. Das entspricht einer mittleren Leistung von 100 kW.

Ende der Leseprobe aus 85 Seiten

Details

Titel
Verbesserungen in der Wärmeversorgungstechnik am Beispiel eines technischen Institutsgebäudes der Universität Kassel
Untertitel
Fallstudie zur systematischen Identifizierung von Energieeffizienzmaßnahmen
Hochschule
Universität Kassel  (Solar- und Anlagentechnik)
Veranstaltung
Technische Gebäudeausrüstung
Note
1,0
Autor
Jahr
2011
Seiten
85
Katalognummer
V190588
ISBN (eBook)
9783656153399
ISBN (Buch)
9783656153627
Dateigröße
5681 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
verbesserungen, wärmeversorgungstechnik, beispiel, institutsgebäudes, universität, kassel, fallstudie, identifizierung, energieeffizienzmaßnahmen
Arbeit zitieren
Niklas Alsen (Autor:in), 2011, Verbesserungen in der Wärmeversorgungstechnik am Beispiel eines technischen Institutsgebäudes der Universität Kassel, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/190588

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