Leseprobe
Inhaltverzeichnis
1 Einleitung
2 Grundlagen
2.1 Entstehungsgeschichte
2.2 Definition
2.3 Voraussetzungen
3 Gestaltungsmöglichkeiten
3.1 Verfolgte Ziele und Funktionen
3.2 Vermittelte Inhalte
3.3 Zielgruppen
3.4 Lehrmethoden
3.5 Kooperationen
4 Umsetzung
4.1 Organisatorische Verankerung
4.2 Finanzierung
4.3 Erfolgsmessung
5 Schlussbetrachtung
Literaturverzeichnis
1 Einleitung
Durch die zunehmende Globalisierung[1] sehen sich Unternehmen mit neuen Wettbewerbern, neuen Märkten sowie unbekannten Regionen konfrontiert (Neumann, 1999, S. 15). Damit verbunden ist ein praktischer Wegfall der Grenzen, welcher zu einer Verschärfung des Wettbewerbs sowie für das Unternehmen veränderte Umweltbedingungen führt. Politisch-rechtliche, technologische, gesellschaftliche, marktliche, gesamtwirtschaftliche und organisationale Einflussfaktoren, aber auch die Dynamik der Werteentwicklung sind in diesem Zusammenhang zu nennen (Andresen, 2003, S. 176; Gebauer, 2007, S. 128). Die Vielzahl an Umweltfaktoren bewirkt eine drastische Beschleunigung der Veränderungen. Das Management steht vor der Aufgabe, immer vielschichtiger zu denken, zu planen und zu handeln (Domsch & Andresen, 2001, S. 589). Dies kann das Top-Management aufgrund von begrenztem Wissen beziehungsweise begrenzter Wahrnehmungs- und Verarbeitungskapazitäten nur noch bedingt alleine meistern. Dezentralisierung im Unternehmen, welche oft mit der Internationalisierung einhergeht, verstärkt dieses Defizit (Andresen, 2003, S. 231). Unternehmen müssen daher ihre Wettbewerbsvorteile kritisch hinterfragen.
Dabei wird deutlich, dass die Humanressource wieder eine wachsende Schlüsselrolle einnimmt. Für den Erfolg des Unternehmens stehen somit zunehmend die Kompetenzen aller Mitarbeiter im Mittelpunkt. Diese gilt es verstärkt als Werttreiber und nicht als Kostenfaktor zu sehen. Wissen wird als Rohstoff der Zukunft deklariert (Gebauer, 2007, S. 129) und somit Personalentwicklung als Motor des Fortschritts bezeichnet (Becker, 2009, S. 3).
Doch auch die Humanressource und der damit verbundene Lernbedarf unterliegen diesen internen und externen Umweltfaktoren, so dass einerseits die Halbwertszeit des Wissens signifikant sinkt, andererseits die Komplexität dafür umso stärker steigt. Durch effektivere und effizientere Personalentwicklung muss versucht werden, diesem Spannungsfeld zu begegnen und so der Konkurrenz einen Schritt voraus zu sein. Dazu wird die Anwendung neuer Personalentwicklungskonzepte notwendig (Domsch & Andresen, 2001, S. 589). Investitionen in Weiterbildung werden essentiell (Stauss, 1999, S. 121).
Es gilt zu berücksichtigen, dass die klassische Zweiteilung in Lern- und Ausbildungsphase zunehmend verschwimmt und durch das sogenannte lebenslange Lernen abgelöst wird. Doch nicht nur die Unternehmen müssen an die Situation angepasste Weiterentwicklungsmöglichkeiten in der Organisation bieten (Gebauer, 2007, S. 130). Es ist auch die Aufgabe der Mitarbeiter, immer flexibler zu werden, sich selbst zu hinterfragen und von vertrauten Vorgehensweisen abzuweichen (Neumann, 1999, S. 21f.). Um dabei auch die verschiedenen Hindernisse, wie beispielsweise Ressortdenken, Privilegien und die Kontrolle von Informationen zu begegnen, bedarf es eines strategischen Bildungsmanagements (Neumann, 1999, S. 18f.; Stauss, 1999, S. 126). Dieses ist zwingend an die Unternehmensstrategie oder an Kernprozesse zu koppeln (Neumann, 1999, S. 20). Genau diese Ansätze verfolgt die Idee der Corporate University.
Im Folgenden wird das Konzept der Corporate University ausführlich dargestellt und einer kritischen Betrachtung unterzogen. Aktuelle Zahlen aus empirischen Untersuchungen sollen dabei die Ausprägungen in Deutschland kapitelübergreifend aufzeigen. Es folgt zunächst eine kurze grundlegende Einführung in die Thematik, bevor auf die Möglichkeiten der Gestaltung und die Umsetzung eingegangen werden. Im Anschluss werden zusammenfassende Erfolgsfaktoren kurz dargestellt sowie ein Fazit gezogen. Mit der überwiegend deskriptiven Vorgehensweise wird damit eine Einführung in das Thema gegeben, welche zu weiteren Untersuchungen und Recherchen anregen soll.
2 Grundlagen
Bevor das Konzept der Corporate University detailiert erläutert werden kann und um Missverständnisse zu vermeiden, ist es notwendig, zunächst zu klären, was grundsätzlich unter einer Corporate University zu verstehen ist. Dazu wird in diesem Kapitel zunächst auf die Entstehungsgeschichte eingegangen, um im Anschluss eine für diese Arbeit einheitliche Definition zu finden. Aus dieser leiten sich Voraussetzungen ab, welche Unternehmen vor der Einführung einer Corporate University berücksichtigen sollten.
2.1 Entstehungsgeschichte
Der Begriff Corporate University trat erstmalig 1955 in den USA mit der Gründung der Disney University auf. Europäischer Vorreiter war die Corporate University von AXA im Jahre 1994. Die Lufthansa School of Business, welche 1998 gegründet wurde, gilt als die erste deutsche Form einer Corporate University (Domsch & Andresen, 2001, S. 586f.). Zahlreiche Unternehmen folgten diesem Beispiel. In den 80-ger und 90-ger Jahren wuchs der Corporate University Gedanke besonders bei global agierenden Unternehmen in wettbewerbsintensiven Branchen. Dazu zählten auch die Computerindustrie und Hochtechnologiezweige. In diesen Bereichen bestand ein Defizit zwischen den steigenden Anforderungen und dem in den Schul- und Ausbildungssystemen vermittelten Wissen, welches zu theoretisch und zu wenig spezialisiert war (Domsch & Andresen, 2001, S. 587; Gebauer, 2007, S. 81). Corporate Universities stellten eine unternehmensinitiierte Reaktion darauf dar. Auch im Finanz- und Telekommunikationsbereich sowie später in der Biotechnologie war dieses Phänomen zu beobachten (Aubrey, 1999, S. 35; Domsch & Andresen, 2001, S. 588).
Zunächst stand dabei die Wissensvermittlung in Form von klassischer Aus-, Fort- und Weiterbildung insbesondere im Produktionsbereich im Vordergrund (Gebauer, 2007, S. 81; Neumann, 1999, S. 23). Im Laufe der Zeit erkannte man die Wichtigkeit, auch das Management stetig weiterzuentwickeln (Gebauer, 2007, S. 81). So schaffte man die benötigte, aber bisher fehlende Verbindung der Personalentwicklung zur Strategie, welche als Reaktion auf die eingangs erwähnten neuen Herausforderungen gefordert wurde (Neumann, 1999, S. 23).
Waren es zunächst die großen Konzerne, die Corporate Universities ins Leben riefen, verfügen mittlerweile auch zahlreiche mittelständische Unternehmen, wie beispielsweise Harley-Davidson, über eine eigene Corporate University (Neumann, 1999, S. 23). Dabei ist jedoch anzumerken, dass europäische Unternehmen oftmals schon vorher strategieorientierte Personalentwicklungsprogramme hatten, so dass Kritiker in Einzelfällen von einem reinen Umlabeln sprechen (Lucchesi-Palli & Vollath, 1999, S. 58; Stauss, 1999, S. 124). Auch gibt es Fälle, in denen der Begriff Corporate University von Unternehmen verwendet wird, obwohl eine tatsächlich strategieorientierte Personalentwicklung nicht erkennbar ist, sondern ein traditionelles Trainings Center vorliegt (Aubrey, 1999, S. 55; Domsch & Andresen, 2001, S. 604f.).
Daher soll im folgenden Abschnitt der Begriff der Corporate University für ein einheitliches Verständnis definiert werden.
2.2 Definition
Eine Corporate University ist eine „[…] innovative Lernarchitektur […], die Personal- und Unternehmensentwicklung enger miteinander verzahnt und Lernprozesse in den Strategieprozess des Unternehmens integriert.“ (Wimmer, Emmerich und Nicolai, 2002, S. 2). Sie stellt somit eine Lehreinrichtung eines Unternehmens dar, welche aus einem Netzwerk interner und externer Experten und Business Schools besteht und das Ziel verfolgt, die Personal- und die Unternehmensentwicklung miteinander zu verzahnen (Karst, 2006, S. 3). Die klassische Abgrenzung, dass die Strategieentwicklung dem oberen Management und die Implementierung dem unteren zugeordnet wird, wird damit bewusst aufgebrochen. Strategisches, innovatives und visionäres Denken soll gefördert werden, egal welcher Abteilung oder welcher Hierarchieebene man angehört (Andresen, 2003, S. 459f.). Eine Corporate University hat damit einen gestaltenden Einfluss auf die Strategieentwicklung und -implementierung (Andresen, 2003, S. 233). Hinzu kommen als Kernfunktionen die Qualifikation der Mitarbeiter, die Kulturbildung, die Nutzung von Synergien und die Standardisierung von Kernkompetenzen (Neumann, 1999, S. 24f.). Insgesamt werden damit Lernvorgänge auf individueller und organisationaler Ebene ermöglicht (Andresen, 2007, S. 748). Corporate Universities sind folglich auch nicht als Wettbewerber zu klassischen Hochschulen zu sehen (Wimmer et al., 2002, S. 82).
[...]
[1] Globalisierung kann definiert werden als „[…] Intensivierung von weltweiten sozialen Beziehungen, in dessen Zuge entfernte Orte miteinander verbunden werden in dem Sinne, daß Ereignisse an einem Ort durch Vorgänge an einem anderen, entfernten Ort geprägt werden, und umgekehrt.“ (Andresen, 2003, S. 177f.)