Urteilsrezension BGHSt 42, 139


Hausarbeit, 2003

12 Seiten, Note: 10 Punkte (vollbefriedigend)


Leseprobe


Gliederung

A. Einleitung

B. Hauptteil
I. Sachverhalt
II. Die Entscheidung des Großen Senats
III. Stellungnahme
1. Zur Anwendbarkeit des § 136 a StPO
2. Zur Anwendbarkeit des § 136 StPO
3. Berücksichtigung der prozessual garantierten Beschuldigtenrechte

C. Schlussgedanken

A. Einleitung

Straftaten aus dem Bereich der organisierten Kriminalität können ohne den Einsatz „heimlicher“ Ermittlungsmaßnahmen nur noch selten zur Aburteilung gebracht werden.[1] Der Einsatz solcher Methoden wirft jedoch eine ganze Reihe von strafprozessualen Fragen auf und wird unter diesem Blickwinkel seit längerem kontrovers diskutiert.

Der große Senat für Strafsachen hatte sich in diesem Zusammenhang in dem Beschluss vom 13.5.1996[2] mit einem Problem von besonders großer praktischer Relevanz auseinanderzusetzen. Es ging um die Fragestellung, ob ein Beweisverwertungsverbot für Äußerungen des Beschuldigten besteht, wenn er nicht weiß, dass er auf Veranlassung der Strafverfolgungsbehörden ausgefragt wurde. Neben den rein praktischen Konsequenzen ist die Beantwortung dieser Frage zwangsläufig auch „kursbestimmend“[3] für die gesamte Strafprozessrechtsdogmatik.

B. Hauptteil

I. Sachverhalt

Zunächst sei der dem Urteil zugrunde gelegte Sachverhalt kurz dargestellt. Im vorliegenden Fall bat die Polizei eine Privatperson, welche offensichtlich mit dem Tatverdächtigen bekannt war, diesem in einem vertraulichen Telefonat entsprechende Informationen über die Tat zu entlocken. Da das Gespräch nicht auf deutsch geführt werden konnte, wurde mit Wissen des Zeugen ein Dolmetscher bestellt, der das Gespräch mithörte. In dem Telefongespräch gestand der Tatverdächtige ein, die Tat begangen zu haben. Der Dolmetscher sagte dann in der Hauptverhandlung gegen den Angeklagten aus, woraufhin dieser verurteilt wurde.

II. Die Entscheidung des Großen Senats

Der große Senat für Strafsachen kam in seinem Beschluss zu dem Ergebnis, dass ein Beweisverwertungsverbot bei derartigen Ermittlungsmethoden jedenfalls dann nicht besteht, wenn es um die Aufklärung einer Straftat von erheblicher Bedeutung geht. Als weitere Voraussetzung für eine strafprozessuale Verwertungsmöglichkeit wurde angeführt, dass die Erforschung des Sachverhalts unter Einsatz anderer Ermittlungsmethoden erheblich weniger erfolgversprechend oder zumindest wesentlich erschwert sein muss.[4] Letztlich hat der BGH dieses Ergebnis im wesentlichen unter Berufung auf das Bundesverfassungsgericht[5] damit begründet, dass der Rechtsstaat zur effektiven Strafverfolgung verpflichtet sei. Eine Abwägung mit diesem Grundsatz führe schließlich zu dem soeben dargestellten Ergebnis.[6] Der große Senat hatte sich jedoch in seinem Beschluss auch umfassend mit den bisher in Schrifttum und Rechtsprechung vertretenen Ansichten auseinanderzusetzen. Die Darstellung der diesbezüglichen Erörterungen sei jedoch dem jeweils zugehörigen Kontext vorbehalten.

III. Stellungnahme

Es gilt im folgenden die einzelnen Argumente des großen Senats genau zu analysieren und den Beschluss insoweit auch kritisch zu hinterfragen.

1. Zur Anwendbarkeit des § 136 a StPO

Nur beiläufig wird in dem Beschluss des BGH die Frage der Anwendbarkeit des § 163 a IV 2 in Verbindung mit 136 a StPO angesprochen. Mit Berufung auf die Ansicht des 5. Strafsenats wird die Anwendbarkeit verneint. Das Täuschungsverbot sei nicht verletzt, da die bloße Irreführung über die eigentlichen Absichten der eingesetzten Privatperson nicht ein solches Gewicht erreiche, wie die sonstigen in § 136 a StPO aufgeführten Verstöße gegen die Willensfreiheit des Betroffenen.[7] Der zu weit gefasste Begriff der Täuschung sei restriktiv auszulegen. Diese knappe Begründung greift ersichtlich zu kurz.

Eine direkte Anwendung des § 136 a StPO scheidet freilich aus, da die Vorschrift sich nur auf die Fälle bezieht, in denen ein staatliches Vernehmungsorgan eine amtliche Anhörung des Beschuldigten durchführt.[8] Eine direkte Anwendung käme nur dann in Betracht, wenn man dem „funktionalen Vernehmungsbegriff“[9] folgt, also jegliche Äußerung des Beschuldigten genügen lässt, welche ein Strafverfolgungsorgan direkt oder indirekt herbeigeführt hat.[10] In jedem Fall kommt jedoch eine analoge Anwendung des § 136 a StPO in Betracht.[11] Die Intention des Gesetzgebers war es, eine staatliche Wahrheitsfindung um jeden Preis zu verhindern und insoweit die Menschenwürde zu schützen.[12] Die Menschenwürde wird durch die in § 136 a StPO verbotenen Methoden gleich stark beeinträchtigt. Es ergibt sich insoweit kein Unterschied zwischen der formellen und der heimlichen Vernehmung, welcher einer Analogie entgegenstehen könnte. Dem Willen des Gesetzgebers und dem Verfassungsauftrag zum Schutz der Menschenwürde kann daher nur eine analoge Anwendung des § 136 a StPO auch außerhalb formeller Vernehmungen Genüge tun.[13] Die „vernehmungsähnliche Lage“[14] muss ebenfalls erfasst werden.

[...]


[1] Schneider, NStZ 2001, 8, 9.

[2] BGHSt 42, 139.

[3] So treffend Fezer, NStZ 1996, 289, 289.

[4] BGHSt 42, 139, 157.

[5] BVerfGE 44, 353, 374.

[6] BGHSt 42, 139, 157.

[7] BGHSt 42, 139, 149; damit wird im wesentlichen der Ansicht des 5. Strafsenats gefolgt, dargestellt bei BGHSt 42, 139, 140.

[8] [8] Kleinknecht/Meyer-Goßner, § 136 a Rn 4; Roxin, NStZ 1995, 465, 465.

[9] Vgl. auch Bosch, Jura 1998, 236, 236, der insoweit von einem materiellen Vernehmungsbegriff spricht.

[10] So Schlüchter/Radbruch, NStZ 1995, 354, 354 f; Seebode, JR 1988, 427, 428; ablehnend Kleinknecht/Meyer-Goßner, § 136 a Rn 4; Widmaier, StV 1995, 621, 621.

[11] So auch Roxin, NStZ 1995, 465, 465.

[12] Vgl. Berichterstatter Dr. Greve in der Bundestagsdebatte am 26.7.1950, StenoB, 1. Wahlperiode, S. 2882.

[13] So auch Popp, NStZ 1998, 95, 95.

[14] Zum Begriff Strenberg-Lieben, Jura 1995, 299, 306.

Ende der Leseprobe aus 12 Seiten

Details

Titel
Urteilsrezension BGHSt 42, 139
Hochschule
Universität Leipzig  (Juristenfakultät Leipzig)
Veranstaltung
Übung im Strafprozessrecht
Note
10 Punkte (vollbefriedigend)
Autor
Jahr
2003
Seiten
12
Katalognummer
V19069
ISBN (eBook)
9783638232838
Dateigröße
452 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Eine Rezension des &quot,legendären&quot, Hörfallenbeschlusses. Die diesbezüglichen Ansichten werden dargestellt und ausgewertet.
Schlagworte
Urteilsrezension, BGHSt, Strafprozessrecht
Arbeit zitieren
Daniel Schnabl (Autor:in), 2003, Urteilsrezension BGHSt 42, 139, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/19069

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