Leseprobe
Inhalt
1. Einleitung
2. Die Französische Revolution und ihre Bedeutung
2.1 Die Phasen der Französischen Revolution
2.2 Die Reaktionen auf die Französischen Revolution
3. Schiller – Aufgeklärter Geist und Skeptiker der Französischen Revolution
4. „Das Lied von der Glocke“ – Vielmehr ein historischer Kommentar als ein Gedicht
5. Fazit
6. Textnachweis/Grundlagentext
7. Literaturnachweise
1. Einleitung
Die Französische Revolution war Wegbereiter eines modernen Menschen-, Gesellschafts- und Politikbildes. Dieser 1789 begonnene Umwälzungsprozess, der sich über zehn Jahre bis 1799 hinzog, verbreitete noch einmal mehr die Motive der Aufklärung und ihrer berühmten Vertreter wie Rousseau, Montesquieu und Voltaire. Da Frankreichs absolutistische Staatsform und die dazugehörige gesellschaftliche Ordnung im Europa des späten 18. Jahrhunderts weit verbreitet war, hatten die Ideen der Aufklärung und deren beginnende Umsetzung für Europa Modellcharakter. Eine bis dato vermeintlich nicht umsetzbare Veränderung der seit Jahrhunderten herrschenden Vorstellung vom Monarchen als Alleinherrscher, vollzog sich in wenigen Monaten im Nachbarland Frankreich.
Eine Reaktion des Gelehrtenkreises innerhalb Europas ließ folglich nicht lange auf sich warten. Die Pariser Ereignisse wurden durch Journale, Briefe oder sogar durch einen persönlichen Besuch vor Ort verfolgt: Das Interesse war enorm. Auch die deutschen Intellektuellen tauschten sich aus und positionierten sich. Über die lange Dauer der Revolution veränderte sich jedoch der anfängliche Enthusiasmus vieler Befürworter/Gelehrter. Die Reaktionen reichten später von Skepsis und Kritik über Ablehnung und strikte Verurteilung dieser brutalen Umsetzung des Volkswillens v.a. unter der Jakobiner Herrschaft.
Diese Arbeit beschäftigt sich mit Schillers „Lied von der Glocke“. In diesem Gedicht sucht er den Pariser Ereignissen lyrisch beizukommen, wobei dem historisch interessierten Leser die eindeutige Kritik an der Französischen Revolution nicht entgehen dürfte. Daher sucht diese Arbeit Schillers Weg in diese scheinbare Ablehnung der Revolution in Zügen darzustellen und zu erklären. Von besonderem Interesse für diese Arbeit soll dabei der Schlussteil des Gedichtes sein (Vers 299 bis 424), weil sich Schillers Kritik an der Französischen Revolution ab diesen Versen am deutlichsten erkennen lässt.
2. Die Französische Revolution und ihre Bedeutung
2.1 Die Phasen der Französischen Revolution
Die Französische Revolution hat sich natürlich nicht einfach nur ereignet, sondern in prozesshaften Schüben über die Jahre von 1789-1799 hingezogen. Diese lassen sich in verschiedene Phasen einteilen: die erste Phase (1789-1791) war von dem Willen eine konstitutionelle Monarchie zu schaffen motiviert; die zweite zeichnet sich durch Errichtung einer Republik aus, die sich mithilfe einer Revolutionsregierung, der Jakobiner Terreur-Herrschaft, radikale Handlungsfähigkeit vor allem gegenüber revolutionsfeindlichen Kräften verschafft; die letzte Phase (1795-1799) spiegelt eine sich nur schwer gegen einerseits bürgerliches Aufbegehren nach sozialer Gleichheit und monarchistische Restaurationsbestrebungen andererseits behaupten zu könnende politische Führung wider.
2.2 Die Reaktionen auf die Französischen Revolution
Die Französische Revolution bereitete der Moderne in ihrer Staats- als auch Gesellschaftsform den Weg wie kein anderes Ereignis. So veränderten die revolutionären Geschehnisse nicht schlicht die Monarchie und die zuvor enorme klerikale Einflusssphäre, sondern setzen dieser veralteten Staatsform eine auf demokratischen Maximen beruhende Konstitution entgegen.
Nicht nur Rousseaus Leitgedanken über die Eingrenzung der individuellen Freiheit um die Freiheit aller gewährleisten zu können, auch Montesquieus Ausführungen zur Gewaltenteilung in Legislative, Judikative und Exekutive finden sich in der hauptsächlich von John Locke und aufklärerischen Motiven inspirierten Verfassung des revolutionären Frankreichs wieder.
Vor allem diese positiven und von durchweg fortschrittlichem Denken geprägten anfänglichen Bestreben der französischen Revolutionäre, deren Großteil sich aus den besitzlosen Schichten rekrutierte, waren von allerlei Wohlwollen und Sympathisanten in Europa begleitet. So reisten unter anderem Vertreter der deutschen Intelligenz wie Heinrich Campe, Georg Forster und Friedrich Ludwig Klopstock in das von revolutionären Umbrüchen und zukunftsweisenden Ereignissen geprägte Paris[1] um die Lage vor Ort erleben und beurteilen zu können. Der zunächst herrschende „Enthusiasmus“, den einige Literaten, Philosophen und Künstler freiheraus bekundeten, schwenkte mit den veränderten Forderungen der Revolutionäre in Frankreich sowie den dramatischen Hinrichtungen während des Terreur-Regimes schnell in Skepsis, später sogar in öffentlich bekundete Ablehnung um.
3. Schiller – Aufgeklärter Geist und Skeptiker der Französischen Revolution
Ein berühmtes Beispiel für den Wandel vom Befürworter zum Kritiker ist wohl Friedrich Schiller. Denn Schiller begriff sich nicht nur als Dichter und Künstler, sondern ebenso als Historiker und Philosoph, der seine Konzepte u.a. als potenzielle Erziehung und Läuterung des gemeinen Menschen einzusetzen versuchte wie in den „Briefe[n] über die ästhetische Erziehung des Menschen“ 1795. So verdrängen seine theoretischen Reflexionen zeitweise die literarischen Werke, um sich der intensiven Auseinandersetzung mit der historischen als auch zeitgenössischen Geschichte widmen zu können.[2]
Der Französischen Revolution zu Beginn mehr zu- als abgeneigt verfolgte er mittels des „Journal de Paris“ die Entwicklungen im revolutionären Paris. Den Entscheidungen, der am 17. Juni gegründeten Nationalversammlung, die zum einen auf Säkularisierung und zum anderen auf die Errichtung einer konstitutionellen Monarchie abzielten, war Schiller durchaus nicht abgeneigt.[3] So spricht er sich zunächst positiv bezüglich der Revolution aus, indem er sie als das „vollkommenste aller Kunstwerke“ beschreibt, da sie den „Bau einer wahren politischen Freiheit“[4] angestoßen habe.[5]
Schillers Auseinandersetzung mit der Bestimmung des Menschen verrät seine enorme aufklärerische Prägung, demnach soll der Mensch ‚frei‘ und ferner ein ‚ganzer‘ – nämlich Bildung und Gefühl in sich vereinender – Mensch sein. Hierbei sei allerdings die Freiheit nach Schiller nicht durch Autonomie erreichbar, sondern durch Installierung von Gesetzen, die zur Gewährleistung der Freiheit aller beitrügen. Diese heteronomen Vorstellungen gehen zweifellos auf die Theorien von Rousseau und Montesquieu zurück, die zu den französischen Rädelsführern des aufklärerischen Selbstverständnisses gehören.
Doch liegt für Schiller der Fokus nicht nur auf der Fähigkeit, sich seines eigenen Verstandes zu bemächtigen: Ebenso wichtig wie die Bildung des Verstandes sei die des Herzens, sodass der Einklang von Körper und Geist einen Idealzustand bilden könne.[6] Solche Reflexionen über die Realisierung eines ‚Idealmenschen’ sind für Schiller Anreiz reichlicher Überlegungen und Anlass zu vielerlei Kritik an der Umsetzung der Französischen Revolution.
Abstand von der Revolution nimmt Schiller dann schon Ende 1792, nämlich mit dem Beginn der Durchsetzung des „Diktat[s] der radikalen Jakobinerfraktion“[7] in der Nationalversammlung. So muss er feststellen, dass die zunächst willkommen geheißenen Neuerungen im nunmehr ‚freien’ Frankreich stark von der erhofften Umsetzung abweichen und sich statt Freiheit und Demokratie „la Grande Terreur“ herausbildet, dessen Willkür und Brutalität das absolutistische System noch übersteigt. Als logische Konsequenz muss Schiller die Gefährdung der bis dato errungenen Freiheitsrechte und der demokratischen Kerngedanken über die Volkssouveränität in Frankreich gesehen haben. Vergegenwärtigt man sich ferner die Strahlkraft der Ereignisse auf das gesamte westliche Europa, ist die Furcht vor „rohe[n] Kräfte[n]“, die „sinnlos walten“ nicht unbegründet.
Mit eben diesen Ängsten, aber auch Hoffnungen wird Schiller gehadert haben, als er seinen ureigenen Kommentar zur Französischen Revolution im „Lied von der Glocke“ 1800 in lyrischer Form umsetzte.
Diese Arbeit soll die Motive dieses Gedichtes klar herausstellen. Für den Volkserzieher Schiller ist „Das Lied von der Glocke“ Mittel, um seine Vorstellung eines sowohl staatlichen als auch gesellschaftlichen Umorientierungsprozesses wiederzugeben: Korrekturen könnten demnach nur von politisch versierten Akteuren in Zusammenarbeit mit der Obrigkeit, hingegen keinesfalls von unmündigen Laien, dem revolutionsbegeisterten Volk, vorgenommen werden.
4. „Das Lied von der Glocke“ – Vielmehr ein historischer Kommentar als ein Gedicht
1800 in Goethes und Schillers „Musenalmanach“ erschienen, beweist sich das „Lied von der Glocke“ zunächst als detailliert nachempfundener Prozess des Herstellens einer Glocke. Mit fundierter Sachkenntnis und allerlei Sinnbildern gespickt,[8] gilt es bis heute als das beliebteste und populärste von Schillers Gedichten.[9]
[...]
[1] Alt, Peter-André: Schiller. Leben – Werk – Zeit, 2.Auflage, München 2000, (Bd.2), S.113.
[2] Oschmann, Dirk: Friedrich Schiller, 1. Auflage, Köln 2009, S. 85.
[3] Alt, Peter-André, Schiller, S.113.
[4] Nach Bandangabe und Seitenzahl der National-Ausgabe zitiert, Schillers Werke von Norbert Oellers herausgegeben, Nationalausgabe, Weimar 1943: NA 20, 311).
[5] Oschmann, Dirk: Friedrich Schiller, S. 86.
[6] Oschmann, Dirk: Friedrich Schiller, S.7.
[7] Alt, Peter-André, Schiller, S.113.
[8] Luseke-Jaqui, Matthias (Hg.): Schiller-Handbuch. Leben – Werk – Wirkung, 2005 Stuttgart; Weimar, S. 287.
[9] Oellers, Norbert (Hg.): Gedichte von Friedrich Schiller. Interpretationen, 1.Auflage, Stuttgart 1996, S.279.