Jugendclubs in Sportvereinen - Chancen respektive informeller Szenebildungen


Magisterarbeit, 2011

158 Seiten, Note: 1.7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Einleitung

Vorüberlegungen
2.1 Entwicklung des organisierten Sports - Wo stehen wir? Wo wollen wir hin?
2.1.1. Entwicklung der Mitgliedschaften
2.1.2. Entwicklung der Mitgliedschaften Jugendlicher
2.1.3. Vereine und Mehrfachmitgliedschaften
2.1.4. Handlungsfelder fürdie Zukunft
2.2 Das Bild von Vereinen in der Öffentlichkeit
2.3 Zielvorstellung - Was wollen wir erreichen? Was bedeutet Jugendarbeit?
2.4 Hypothesen / Grundannahmen

Ausprägungsformen - Formelles Vs. Informelles Sporttreiben
3.1 Ein anderesBildungsverständnis: Dimensionendes Lernens
3.1.1. Definitionen zum Lernen
3.1.2. Formale, non-formale undinformelle Bildungssettings
3.1.3. Formales und non-formales Lernen
3.1.4. Definitionen zum informellen Lernen
3.1.5. BedeutungdesinformellenLernensfürdie Jugendarbeit
3.2 Trendsport & Informelle Szenen

Lebenswelten Jugendlicher - Wer Sind Wir? Wer Wollen Wir Sein?!
4.1 VorüberlegungenzurBedürfnisuntersuchung
4.2 Bedürfnisse Jugendlicher in ihrer heutigen Lebenswelt
4.3 Werteuntersuchung - Wertewandel vs. Wertepluralisierung

Bindung & Dropout
5.1 Bindungstheorie
5.2 Bindungsfaktoren im formellen und informellen Sektor

Freiwilliges Engagement Im Sportverein
6.1 Motive des freiwilligen Engagement
6.2 Strukturelle Voraussetzungen

Zwischenfazit

Das Modell „Jugendclub“: Ein Fachbereich Speziell Für Jugendliche
8.1 Untersuchungsdesign
8.1.1. Interviewmethode
8.1.2. Stichprobe
8.1.3. Aufbereitungsverfahren
8.1.4. Auswertungsvorgehen
8.2 Vorstellung des Konzepts „ASC-Jugendclub“
8.3 AuswertungderInterviews
8.3.1. Organisatorisch,strukturelle Gestaltung
8.3.2. Informelle Kompetenzaneignung
8.3.3. Jugendarbeit + FreiwilligesEngagement
8.3.4. MitgliederentwicklungdesASCundBindungsverhalten

Diskussion
9.1 Organisatorisch,strukturelle Gestaltung
9.2 Informelle Kompetenzaneignung
9.3 Freiwilliges Engagement
9.4 Mitgliederentwicklungdes ASCundBindungsverhalten

Fazit

Anhang

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Organisationsdichte verschiedener Altersgruppen2010

Abbildung 2: Entwicklung der Mitgliedschaften des DOSB von 1994 - 2010

Abbildung 3: Bevölkerungsentwicklung in Deutschland von 1950-2010

Abbildung 4: Entwicklung des Organisationsgrades nach Altersklassen

Abbildung 5: Kompetenzerwerb des informellen Lernens

Abbildung 6: Der Flowkanal

Abbildung 7: Sportangebote und -zeiten im Jugendclub

Abbildung 8: Mitgliederentwicklung des ASC 2006 -2011

Abbildung 9: Entwicklung der Mitgliedszahlen der Jugendlichen (15 - 18) des ASC

1. Einleitung

In den letzten Jahren hat es zahlreiche Initiativen (wie z.B. die „Trimm-Aktion“) seitens des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) gegeben, die der Sportentwicklung dienen sollten. Diese Initiativen hatten verschiedene Zielrichtungen und Slogans. Die Entwicklungstendenz bewegt sich aber eindeutig vom „Sport für alle“ hin zu „Sport im Verein“. So kann heute festgestellt werden, dass immer mehr Menschen Sport treiben (Kuhlmann 1999, S. 129) und außerdem Sport bei Jugendlichen nicht nur im Trend liegt, sondern sie in vielerlei Hinsicht sogar als 'Trendsetter' anzusehen sind (Bräutigam 1993, S.6).

Gerade für Jugendliche hat Sport einen hohen Stellenwert. In immer kürzeren Abständen werden neue Trendsportarten erfunden und auf den Markt gebracht. Die Vielfalt an verschiedenen Sportarten hat heute ein Ausmaß angenommen, welches selbst von Trendsportexperten kaum noch erschöpfend erfasst werden kann. Jedoch gibt es nicht nur ein größeres Angebot an verschiedenen Sportarten sondern auch die Motive zum Sporttreiben gestalten sich äußerst variabel. Neben der Leistungsdimension und einer sozialen Einbindung spielen zudem die Dimensionen Gesundheit, Identifikation und Körperformung eine zusätzliche Rolle.

Vereine stehen heute in Konkurrenz mit einem vielfältigeren kommerziellen und nicht­kommerziellen Angebot. Daher kommt es nicht zu dem von Brettschneider (Brettschneider und Brandl-Bredenbeck 2010) postulierten Attraktivitäts- sondern zu einem Monopolverlust der Vereine. Das Konsumgut „Sport“ ist eben nicht mehr ausschließlich Domäne der Vereine sondern wird in zahlreichen Ausprägungsformen vom privaten Sektor angeboten.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Organisationsdichte verschiedener Altersgruppen 2010

Eindeutig zeigen Statistikenjedoch Einbrüche beim Organisationsgrad Jugendlicher im Alter von 14-19 Jahren. Dieser Effekt hat sich in den letzten Jahren eher leicht nach vorn verlagert, so dass Jugendliche heute ihre Vereinskarriere eher noch früher beenden. Anhand der Zahlen des Dosb zur Sportentwicklung lässt sich dieser Dropout besonders dramatisch darstellen.

Während im Alter von 7-14 Jahren 8 von 10 Jugendlichen im Sportverein aktiv sind, besitzen im Alter von 19-26 Jahren nur noch 4 von 10 eine Mitgliedschaft (s. Abbildung 1 DOSB 2010).

Zu Beginn werden im ersten Kapitel einige Vorüberlegungen zur Entwicklung der DOSB-Mitgliedsstatistik eine Einordnung der Untersuchungsergebnisse für eine zukünftige Entwicklung des organisierten Sports geben. Desweiteren wird dargestellt, wie Vereine zu Beginn des 21. Jahrhunderts wahrgenommen werden und welche Handlungsfelder sich aus bestehenden Entwicklungstendenzen ergeben. Danach wird eine Zielvorstellung erarbeitet, die richtungsweisend für die Ergebnisse dieser Arbeit ist. Außerdem werden Hypothesen formuliert, welche die Leitgedanken für weitere Ausführungen bilden.

Kapitel drei befasst sich mit den gegensätzlichen Ausprägungsformen formellen und informellen Sports und stellt darüber hinaus Abgrenzungsmöglichkeiten von einander dar. Es wird vor allem die Schwierigkeit der Distinktion von formellem und informellem Engagement behandelt. Schwerpunkt dieses Kapitels wird die Bedeutung des informellen Lernens für das freiwillige Engagement und Entfaltungsmöglichkeiten in der Jugendarbeit.

Das zentrale Kapitel vier widmet sich der Analyse von Voraussetzungen, die eine positive Entwicklung jugendlicher Vereinspartizipation begünstigen. Dabei handelt es sich um die Analyse jugendlicher Lebenswelten. Auf die Bedürfnis- und Werteuntersuchung wird innerhalb dieser Arbeit immer wieder referenziert werden. Damit eng verwoben ist an dieser Stelle auch eine erste Begutachtung von Dropoutgründen. Denn meiner Meinung nach stellt sich nicht die Frage ob Vereine noch zeitgemäß sind, sondern vielmehr wie sie zeitgemäß mit Veränderungen umgehen..

Daran schließt sich eine intensive Auseinandersetzung mit den Themen Bindung und Dropout in Kapitel fünf an. Hier wird ein Bindungsmodell vorgestellt, welches eine zeitliche Einordnung in verschiedene Phasen zeigt, damit der Leser besser nachvollziehen kann, warum Bindung manchmal gelingt und manchmal nicht. Außerdem behandelt dieser Abschnitt einige Prinzipien und Elemente, die Bindungsprozessen Vorschub leisten. Bevor der empirische Teil der Arbeit folgt seien noch Aspekte des freiwilligen Engagements angesprochen, womit sich Kapitel sechs auseinandersetzt. Zunächst werden Motivationen vorgestellt, die Menschen dazu anspornen, sich freiwillig ehrenamtlich zu engagieren, danach werden struturelle Voraussetzungen erarbeitet, welche nötig sind, damit Sportler im Allgemeinen und jugendliche Sportler im Speziellen Interesse an Beteiligungsmöglichkeiten bekunden.

Kern dieser Arbeit ist dann die Analyse des Jugendclub Modells des ASC von 1846 Göttingen e. V. (nachfolgend nur noch ASC genannt). Als Untersuchungsmethode wurden qualitative Interviews geführt und anhand einer qualitativen Inhaltsanalyse ausgewertet. Die Interviews liefern Datenmaterial welche, eine Analyse der Bereiche „Organisatorische und strukturelle Gestaltung“, „Informelle Kompetenzaneignung“, „Freiwilliges Engagement“ sowie „Mitgliederentwicklung und Bindung“ ermöglichen und darauf basierend eine Auswertung des Modells Jugendclub vor dem Hintergrund der Zielvorstellungen liefert.

2. Vorüberlegungen

2.1. Entwicklung des organisierten Sports - Wo stehen wir? Wo wollen wir hin?

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2: Bevölkerungsentwicklung in Deutschland von 1950-2010

Zum Sporttreiben allgemein ist zunächst festzustellen, dass die übergeordnete Entwicklung an Mitgliedschaften im DOSB bislang (noch) nicht so dramatisch ist wie häufig dargestellt und diese vor allem im Kontext betrachtet werden muss. Der bereits starke Mitgliederschwund wird weder durch Studien noch durch die veröffentlichten Daten auf der Internetseite des DOSB (DOSB 2011b) selber bestätigt. Der DOSB spricht auf dieser Seite von einem bislang nur geringen Mitgliederrückgang. Dass sich die Lage auf Bundesebene bzw. Vereinen dennoch differenziert gestalten kann steht außer Frage. Nicht zu unterschätzen dagegen ist die zukünftige Entwicklung mit der sich der organisierte Sport konfrontiert sieht. Bedingt durch den demographischen Wandel werden in Zukunft tatsächlich starke Verluste zu verbuchen sein, die dem Sinken der Bevölkerungszahlen (s. Abbildung 2) geschuldet sind. Auf Grund alternder Bevölkerung, rückläufiger Geburtenentwicklung und dadurch rückläufige Bevölkerungszahlen insgesamt ergeben sich so zahlreiche Handlungsfelder für die Zukunft.

2.1.1. Entwicklung der Mitgliedschaften

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Die Auswertung der veröffentlichten Daten des Dosb zur Entwicklung der Mitgliedschaften von 1994 - 2010 zeigt sowohl einen Anstieg der Mitgliedschaften als auch einen Anstieg des Organisationsgrades bei leicht rückläufigen Bevölkerungszahlen (s. Abbildung 3) (DOSB 2010). Die Grafik ist eine eigene Darstellung auf Basis der veröffentlichten Daten des Dosb über die Mitgliedschaften (DOSB 2010) sowie des Statistischen Bundesamtes über die Bevölkerungsentwicklung (Statistisches Bundesamt 2011). Es wird deutlich, dass es keine Transparenz bezüglich einer - von der demographischen Entwicklung bereinigten - Entwicklung der Vereine gibt. Getrennt nach den Zuwächsen alter und neuer Bundesländer konstatiert Baur einen Mitgliedschaftszuwachs von 13% in den alten und 57% in den neuen Bundesländern. Diese Entwicklung verläuft proportional zur Entwicklung der Gesamtbevölkerung. Bis 2002 wächst die Bevölkerung in Deutschland seit 1985 kontinuierlich an (Statistisches Bundesamt 2011). Kam Baur 2003 noch zu dem Schluss, dass sich kein übergeordneter Verlust an Vereinsmitgliedschaften seit Ende der 70er Jahre feststellen lässt (Baur und Burrmann 2003a, S. 556) stellt der DOSB fest: „Zum jetzigen Zeitpunkt scheinen sich die Einflüsse des demographischen Wandels und tendenziell moderat sinkender Organisationsgrade allerdings eher gegenseitig zu verstärken.“ (DOSB 2011a). Diese Aussage kann mit dem zur Verfügung stehenden Datenmaterial nicht belegt werden. Interpretationsschwierigkeiten der Daten stellen einerseits die mangelnde Unterscheidung in aktive und passive Mitgliedschaften sowie Doppelmitgliedschaften dar. Steinbach vermutet auf Grund der Aussagen Breuer's, dass zwischen den gemeldeten Mitgliedschaften und den tatsächlich sporttreibenden Einzelpersonen ein Faktor 1,5 besteht. Die Anzahl der Einzelpersonen liegt demnach bei 67% der Mitgliedschaften (Steinbach und Hartmann 2007). Ein genaueres Bild erhalten wir bei Betrachtung der Entwicklung der Mitgliedschaften aufgeschlüsselt nach verschiedenen Alterskategorien (siehe Abb. 4). Bei den bis 6-Jährigen steigt der Organisationsgrad von 23,16% (2001) auf 24,83% (2010). Die stärksten Zuwächse stellt die Gruppe der 7 - 14-Jährigen mit einem Anstieg von 60,15% auf 72,74% dar. Auch bei den 15 - 18-Jährigen finden wir ein Anwachsen der Organisationsdichte von 52,35% auf 72,74%. Die erste Gruppe, die einen Rückgang des Organisationsgrades verzeichnet, ist die Gruppe der 19- 26-Jährigen. 2001 waren noch 32,14% dieser Altersgruppe Teilnehmer des organisierten Sports während es 2010 nur noch 30,79% waren. Weitere Verluste finden sich in den nächsten beiden Gruppen. Die 27 - 40­Jährigen verzeichnen einen Verlust von 26,88% auf 24,10%. Die letzte Gruppe die Verluste verzeichnet ist die der 41- 60-Jährigen. Waren in 2001 noch 27,25% sportlich organisiert sind es in 2010 noch 25,45%. Keine Überraschung stellt das Wachstum der Organisationsdichte in der nach oben offenen Klasse der über 60-Jährigen mit einer positiven Veränderung von 15,84% auf 19,63% dar. Die leichten Verluste der mittleren Altersklassen (19-60 Jahre) scheinen sich also durch das Wachstum der randständigen Altersklassen auszugleichen. Dies resultiert in der Schlussfolgerung des Dosb, „zunächst die nicht demographisch bedingten Verluste zu stoppen, um im nächsten Schritt auch demographisch verursachte kompensieren zu können." (DOSB 2011b). Die Frage die sich aufdrängt ist nun, mit welchen Methoden der Organisationsgrad auch weiterhin erhöht werden kann. Wo liegen ungeweckte Potentiale? Wo befindet sich eine natürliche Sättigungsgrenze? Unter diesen Maximen betrachtet diese Arbeit den Bereich Jugendsport.

2.1.2. Entwicklung der Mitgliedschaften Jugendlicher

Oben bin ich auf die Entwicklung der Organisationsdichten in den verschiedenen Alterskategorien eingegangen. Dort haben wir gesehen, dass der Organisationsgrad bei den Jugendlichen sich erhöht hat. Es ist jedoch in den letzten Jahren zu Verlusten der Mitgliederzahlen in diesem Segment gekommen, welche auf den demographischen Wandel zurückzuführen sind. Der organisierte Sport scheint es also zu schaffen, den Rückgang von Mitgliedszahlen bei den Jugendlichen so gering zu halten, dass dies trotz der ebenfalls schrumpfenden Bevölkerungszahl an Jugendlichen trotzdem einem Wachstum des Organisationsgrades entspricht. In Zahlen ausgedrückt bedeutet dies, dass es zwischen 2001 und 2008 einen Anstieg an Mitgliedschaften von 2.550.259 auf 2.647.720 zu verzeichnen gab. In den beiden darauf folgenden Jahren begann die Zahl der Jugendlichen jedoch leicht von 2.635.347 (2009) auf2.618.779 (2010) zu sinken (DOSB 2010).

Die Entwicklung des organisierten Sports möchte ich nicht nur rein statistisch betrachten sondern auch eine sozial-kritische Position einnehmen. Als Basis dienen Thesen, die allgemein mit jugendlichem Sporttreiben im 21. Jahrhundert und Vereinswesen im Speziellen assoziiert werden:

1. Jugendliche werden zunehmend zu Sportmuffeln

2. Vereine verlieren für das Sporttreiben der Jugendlichen an Bedeutung

3. Trendsportarten laufen den klassischen Sportarten den Rang ab.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

85% aller Jugendlichen waren schon einmal Mitglied in einem Sportverein (Brettschneider und Brandl-Bredenbeck 2010). Darunter sind sowohl diejenigen erfasst, die aktuell immer noch Mitglied sind sowie diejenigen, die dem organisierten Sport bereits (endgültig oder vorläufig) den Rücken gekehrt haben1. Diese Zahl zeigt wie hoch der gesellschaftliche Durchdringungsgrad des organisierten Sports besonders bei Jugendlichen ist. Beachtlich allerdings ist die hohe Dropoutquote im Alter von 14-19 Jahren, so dass es bei vielen Jugendlichen nicht zu einer langfristigen Bindung über die Jugendphase hinaus kommt. Die drastische Regression der Organisationsdichte im Altersgang lässt deutlich darauf schließen, dass das organisierte Sporttreiben mit zunehmendem Alter eine stark nachlassende Rolle spielt. 72,72%, also fast % aller 7 - 14-Jährigen, sind in einem Sportverein gemeldet. Während in der darauf folgenden Lebensphase, im Alter von 15 - 18, noch immerhin über die Hälfte der Jugendlichen (58,56%) sportlich im Verein aktiv sind geht nur noch ein Drittel derjungen Erwachsenen (30,79%) dieser Art der Freizeitgestaltung nach (siehe Abb. 4).

Interessant an dieser Stelle ist die Betrachtung der verschiedenen Motive zum Sporttreiben in unterschiedlichen Lebensphasen. Meiner Meinung nach wird es in Zukunft viel wichtiger - im Zuge einer Kunden- bzw. Mitgliederorientierung - sich Gedanken darüber zu machen, für welche Zielgruppen Vereine ihr Angebot zur Verfügung stellen wollen. Denn zweifelsfrei birgt diese Überlegung ein großes Entwicklungspotential. Verbunden mit vielseitigen Motivationen zum Sporttreiben sind auch verschiedene Zielsetzungen. Gerade der Diskurs um die Leistungsorientierung in Vereinen stellt sich nicht die Frage ob die Mitglieder noch Leistungssport wollen, sondern: „Wer will Leistungssport?“ Gerade unter Jugendlichen ist das sich-miteinander-messen-wollen stark ausgeprägt. Denn über 50% der vereinsorganisierten Jugendlichen nehmen an Wettkämpfen regelmäßig teil. Zusätzlich gibt es über 30% die an einmaligen Wettkämpfen - sogenannten Sportevents - teilnehmen (Baur und Burrmann 2003a, S. 565). So wird auch erklärbar, dass klassische Sportarten, wie die großen Mannschaftssportarten, Leichtathletik und Turnen, bei den Jugendlichen nach wie vor in sind (Brettschneider und Kleine 2002, S. 113).

Die häufig gehörte Auffassung, nach der Trend- und Fun-Sportarten den traditionellen Sportaktivitäten den Rang ablaufen (z.B. Opaschowski 1997; 2000), kann nicht bestätigt werden. Gleichwohl lässt sich auch schon bei den Jugendlichen eine Orientierung zu fitnessorientiertem Sporttreiben wie auch Neugier auf neue Bewegungsformen und Erlebniswelten feststellen. (Brettschneiderund Kleine 2002, S. 113)

Einschränkend ist zu beachten, dass sich diese Aussage so generell nicht halten lässt. Bezogen auf zum Beispiel die Altersgruppe, müssen solche Aussagen differenziert betrachtet werden. Gerade in der Gruppe der 15 - 18-Jährigen verzeichnet der Deutsche Leichtathletik-Verband zum Beispiel von 1981 - 2011 starke Verluste (Deutscher Leichtathletik Verband), so dass man generalisierend von „den Jugendlichen“ nicht sprechen kann. Entgegen der Prophezeiungen von Opaschowski (Opaschowski 2000, S. 67-69) vom „Niedergang der Traditionsvereine“ laufen die Trendsportarten den traditionell gewachsenen eben nicht den Rang ab. An dieser Stelle ist es allerdings angebracht, die Erkenntnisse von Opaschowski näher zu betrachten. Nach einer Umfrage des B.A.T - Freizeit- Forschungsinstituts mit 3000 Personen ab 14 Jahren ergibt sich ein verminderter Organisationsgrad an Vereinsmitgliedern von 29% (1990) auf 21% (2000) (Opaschowski 2000, S. 67-69). In dieser Statistik geht es tatsächlich um Mitglieder und nicht um Mitgliedschaften wie sie aus den Zahlen des Dosb abzulesen sind. Zu kritisieren an dieser Umfrage ist, dass lediglich Sportler ab 14 Jahren befragt wurden. Denn erstens haben sich in den letzten Jahren der Vereinsbeitritt und damit auch der Austritt zeitlich nach vorne verlagert. Zweitens ist der Organisationsgrad in der Gruppe der 7-14-Jährigen so stark ausgeprägt wie in keiner anderen Altersklasse (männlich: 82,38% - weiblich: 63,10% - gemittelt: 72,74%) (DOSB 2010). Methodologisch schwierig ist, die sportliche Aktivität von Kindern und Jugendlichen im Rahmen von Selbstauskünften zu erfassen. Die Begriffe Sportverein und Sport werden von den Befragten ganz unterschiedlich verstanden. Als Sportverein werden von vielen Studienteilnehmern zum Beispiel auch Fitnessstudios, private Kampfsportzentren u.ä. bezeichnet. Wenn Jugendliche in einem qualitativen Interview befragt werden, was genau sie unter dem Begriff Sport subsumieren, so zählen sie auch ihren Schulweg mit dem Fahrrad zur Schule auf (Schmidt 2003, S. 38). Sicherlich ist es schwer in einer Studie diese Begriffe zu definieren zumal die Termini innerhalb der Wissenschaft ebenfalls äußerst divers verstanden werden. Dennoch sind Umfragen die einzige Methode den Zahlen des DOSB zu verifizieren. Wenn auch die Ergebnisse in verschiedenen Regionen über ganz Deutschland verteilt sowohl in ruralen als auch in urbanen Gegenden erhoben werden müssten um repräsentativ zu sein. Deswegen ist es wichtig sich dieser Tatsache bewusst zu sein und Aussagen zur sportlichen Aktivität ebenfalls vor diesem Hintergrund zu betrachten.

Des Weiteren stellt der informelle Sektor eine zunehmende Ergänzung zum organisierten Sport dar (Brettschneider und Kleine 2002, S. 129). Ein sportlicher Lebensstil wird heutzutage immer wichtiger. Dies ist bedingt durch mehrere Ursachen, wie zum Beispiel mediale Prägung, zunehmendes Gesundheitsbewusstsein, mehr verfügbare Freizeit etc. So möchte ich insbesondere in Kapitel 4 näher darauf eingehen, warum Jugendliche eigentlich Sport treiben und warum sie dafür die jeweilige Organisations form wählen. Nur wenn wir diese Frage verstehen und beantworten können, dann haben wir einen qualitativen Zugang zu ihrer intrinsischen Motivation.

Dies führt zu einem Phänomen welches Brettschneider (Brettschneider und Kleine 2002, S. 103) in seiner Studie über „Jugendarbeit in Sportvereinen - Anspruch und Wirklichkeit“ benannt hat. Er kommt zu dem Schluss, dass die Zahl der Vereinsaustritte mit der Zahl der vermehrten Nicht­Vereinssportler übereinstimmt. Denn dem Vereinsaustritt folge nicht zwangsweise auch eine völlige Sportabstinenz. Die ehemaligen Mitglieder orientieren sich nach anderen Möglichkeiten, außerhalb des Vereins weiter Sport zu treiben, vielleicht sogar ihre Mannschaftssportart (z.B. im Rahmen informeller Ligen) fortzuführen. Für Kinder und Jugendliche gibt es außerhalb des Vereinssports allerdings wenige formell organisierte Institutionen. Ganz oben stehen Schul- AG's, Tanzschulen und Fitnessstudios. Aber gerade die Schul-AG's bieten für Vereine gute Plattformen, um sich und ihr Angebot zu profilieren (Brettschneider und Kleine 2002, S. 127). Häufig kommt es dazu, wenn die Teilnehmer einer solchen AG erst mal „richtig Feuer gefangen“ haben, dass sie diese Sportart auch regelmäßig weiter ausüben möchten. Gerade in diesem Bereich ist es wichtig, qualitativ hochwertige Arbeit zu leisten. Gerade die Übungsleiter sind schließlich das Aushängeschild der Vereine. Die eingangs von mir bereits gestellte Frage ist nicht, „ob Vereine noch aktuell und ein Modell der Zukunft sind“ sondern vielmehr „wie Vereinsleben im Jahr 2030 aussehen muss, damit der organisierte Sport auch neben dem wachsenden Bereich des informellen Sports bestehen kann?“ Burrmann (Burrmann und Baur 2004, S. 63) stellt fest, dass der Vereinssport zwar bezüglich der Organisationsdichte ungeschlagen ist, aber gleichzeitig das informelle Sporttreiben deutlich an Beliebtheit gewinne. Insgesamt kommt Schmidt (Schmidt 2003, S. 38) zu dem Schluss, dass 70 - 80% der Freizeittermine der männlichen Jugendlichen auf den Sport entfallen. Dies scheint ein komplett gegenteiliges Bild zu dem zu sein, welches wir landläufig von Jugendlichen haben. Kinder seien „Bewegungsmuffel, Fastfoodjunkies und Medienfreaks.“ So lautet der kritische Titel einer Brettschneider / Brandl-Bredenbeck (Brettschneider und Kleine 2002, S. 78) Untersuchung, mit der sie genau dieses Bild zum Teil widerlegen können. Mit der sinkenden Teilnahme am organisierten Sport muss man sich, den Verlauf des Organisationsgrades im Altersgang im Blick habend, allerdings fragen, ob nicht die Erwachsenen die Sportmuffel sind. Wirkt diese Frage ein wenig polemisch vor dem Hintergrund der wachsenden Verantwortung Erwachsener und der zunehmenden zeitlichen Inanspruchnahme anderer Verpflichtungen im Alter, so soll sie aber eine weitere Perspektive eröffnen: Kann das in dieser Arbeit beschriebene Modell des „Jugend“ -clubs gegebenenfalls auf andere Altersstufen übertragen werden?

2.1.3. Vereine und Mehrfachmitgliedschaften

Auch die Tendenz zu vermehrten Mehrfachmitgliedschaften verkompliziert eine objektive Beurteilung. 77% der Teilnehmer einer Studie zum Bindungsverhalten gaben an, dass sie zum Befragungszeitpunkt in nur einem Verein gemeldet sind, 23% äußerten sich als Mitglied mehrerer Vereine (Baur 2003, S. 388). Der Hintergrund warum sich Sportler dazu entscheiden Mitglied in mehreren Vereinen zu sein ist genauso mannigfaltig wie auch die Sinnrichtungen zum Sporttreiben selbst. Daraus leiten sich verschiedene Arten von Mehrfachmitgliedschaften ab. Nach Bräutigam erörtere ich im Folgenden verschiedene Merkmale von Mehrfachmitgliedschaften.

Das erste Merkmal Sommer- und Wintersport ist eine Kombination von Saisonsportarten. Sei es, dass eine Sportart auf Grund der besonderen wetterabhängigen Bedingungen nur zu einer bestimmten Jahreszeit ausgeführt werden kann (Ski, Snowboard, Surfen, Kiten). Eine andere Variante dieses Merkmals ist, dass zwei Sportarten mit unterschiedlicher Wettkampfperiodisierung im Jahresverlauf wahrgenommen werden. Beispielhaft wird ein Schüler genannt, der in der Wintersaison (bis Mai) Basketball spielt und nach Abschluss der Wettkämpfe dann zum Tennis wechselt. Die Häufigkeit der Teilnahmen an der zweiten Sportart wird dann üblicherweise stark reduziert (Bräutigam 1993, S. 81).

Bei einem weiteren Merkmal handelt es sich um das Modell von Pflicht- und Zusatzsport. Charakteristisch ist eine hohe Verbindlichkeit sowie die Teilnahme an Wettkämpfen. Außerdem bestehen eine starke soziale Bindung durch eine oft langfristige Mitgliedschaft. Die Zusatzsportart bedient weitere Interessen und hat komplementäre Eigenschaften zur Pflichtsportart. Die Bindung gegenüber der Zusatzsportart ist allerdings deutlich geringer und in der Regel gleichzeitig sehr stark mit dem Element Motivation verknüpft. Sie steht hinter anderen persönlichen Verpflichtungen (Bräutigam 1993, S. 81).

Ähnlich dem zuvor erläuterten Typus steht bei dem nächsten Merkmal die Polarisierung zwischen Leistung und Ausgleich im Vordergrund. Es handelt sich um die Kombinationsform Leistungs- und Ausgleichssport. Bei der Leistungssportart steht der Leistungsgedanke im Vordergrund. Das Training wird nach einem periodisierten Trainingsplan zum langfristigen Leistungsaufbau ausgeführt. Diese Rahmenbedingungen fordern hohe Trainingsumfänge, daraus resultiert ein eng gestrickter Zeitplan der sich auch auf die (geringe) Freizeit auswirkt. Die Zeit, die dann noch zur freien Verfügung bleibt wird für Ausgleichssport genutzt (zum Teil ist diese auch Bestandteil der Trainingsplanung). Die Aktivität in der Ausgleichssportart stellt einen physischen, psychischen und sozialen Gegenpol zur Leistungssportart dar. Speziell in Hinsicht auf den physischen Gegenpol bedeutet dies, dass durch die Leistungssportart induzierte Dysbalancen abgefangen werden sollen (Bräutigam 1993, S. 83). Die letzte Ausprägung nennt Bräutigam (Bräutigam 1993, S. 84) den variablen Allroundsport. Dieser polysportive Mischtypus misst keiner seiner Sportarten Priorität zu. Alle ausgeführten Sportarten sind für den Sportler im Sinne einer breiten Interessenvielfalt von Bedeutung. Er probiert viel aus und ist offen für Neues, insbesondere Trendsportarten. Spaß - als übergeordneter Begriff - steht im Vordergrund für verschiedene Merkmale der Motivation (Ausdruck, Herausforderung, Flow etc.). Bei Betrachtung der Mitgliedschaftsentwicklung sollte also der Aspekt der vermehrten Mehrfachmitgliedschaften auf Grund unterschiedlicher Motivationen und Sinnrichtungen berücksichtigt werden.

2.1.4. Handlungsfelderfür die Zukunft

Im Fokus diesen Abschnitts steht nun, eine Zukunftsperspektive zu erarbeiten. Schauen wir uns zu diesem Zweck im Überblick schon einmal das Thema Vereinsbindung und durchschnittliche Mitgliedschaftsdauer an, bevor es in Kapitel 5 näher behandelt wird. In einer Studie zur Untersuchung von Disparitäten zwischen west- und ostdeutschen Sportvereinen wurden Mitglieder befragt, wie stark sie sich selber dem Sportverein gegenüber verbunden fühlen (Eigenwahrnehmung) und wie stark sie die Bindung anderer Vereinsmitglieder beurteilen (Fremdwahrnehmung). Für die westdeutschen Vereine fanden sich folgende Ergebnisse: 71% der Studienteilnehmer nannten in Eigenwahrnehmung eine hohe Verbundenheit gegenüber dem Sportverein und 67% der Befragten nimmt eine hohe Verbundenheit bei anderen Vereinsmitgliedern wahr. Diese hohe Verbundenheit drückt sich ebenfalls in der durchschnittlichen Vereinsmitgliedschaftszeit und den Vereinswechslerzahlen aus. Eine durchschnittliche Mitgliedschaft dauert 15 Jahre. Bezogen auf das Lebensalter der befragten Personen bedeutet das eine Vereinsmitgliedschaft, welche etwas mehr als ein Drittel der Lebenszeit beansprucht. Bezogen auf Kinder und Jugendliche, mit einem vermuteten Eintrittsalter zwischen 7 und 10 Jahren, folgt ein Dropout im Alter von maximal 25 Jahren (Baur 2003, S. 384-386). Diese Feststellung lässt zumindest den Umbruch in dieser Lebensphase als Austrittsgrundvermuten. Einschneidende Veränderungen im Leben der Jugendlichen im Übergang der früh-adoleszenten Phase zur Adoleszenz finden im Alter von 16-25 statt (bezogen auf alle Schulabschlüsse incl. Ausbildungsdauer). Wenn wir hierbei von einem Abiturienten ausgehen, der im Alter von 19 Jahren seinen Schulabschluss erreicht, dann fünf Jahre studiert und ggf. vor Beginn des Studiums noch ein Auslandsjahr macht, dann ergibt sich so das Alter von 25 Jahren bei Berufseinstieg nach abgeschlossenem Studium. Der Übergang von der Schule in die weitere Ausbildung und danach von der Ausbildung ins Berufsleben und damit oft einsetzender Familienplanung sind große Herausforderungen, welche eine Menge Energie und Zeit in Anspruch nehmen. Daher spielt dieser Zeitraum respektive des Dropout eine besondere Rolle. 42% der Befragten haben den Sportverein noch nie gewechselt (Baur 2003, S. 388). Das bedeutet aber auch, dass 48% zwar schon einmal den Sportverein wechselten, aber anschließend in einem anderen Verein dem organisierten Sport zunächst erhalten geblieben sind. Daher ist ein bedeutender Teil der Sportabbrecher sicherlich nicht auf - dem formellen Sport immanenten - Hemmungsfaktoren zurückzuführen sondern auf äußere Gegebenheiten, auf welche er keinen Einfluss hat.

Schwieriger ist ein scheinbares Paradoxon aufzulösen. Betrachten wir Gründe warum Sportler dem organisierten Sport den Rücken kehren und Gründe warum andere gerade den Verein als geeigneten Ort für die Ausübung ihres Sporttreibens erachten, so beobachtet man, dass von beiden Gruppen dieselben Argumente genannt werden (z.B. Regelmäßigkeit, Verbindlichkeit, Leistung, etc.) (Burrmann 2007a, S. 278). Meines Erachtens nach lässt sich dieser scheinbare Widerspruch nur beheben, indem im Rahmen einer Zielgruppenanalyse nicht nur statische Motivationslagen berücksichtigt werden. Vielmehr sollten Vereine ihren Mitgliedern eine dynamische Beziehung anbieten, welche den sich verändernden Bedürfnissen der Sportler gerecht wird. Dies setzt neben dem Vorhanden sein von Wettkampftrainingszeiten auch ein Breitensportangebot in derselben Sportart voraus. Sportler die nicht mehr am Leistungssport teilnehmen können oder wollen, haben so die Möglichkeit ihrer Sportart treu zu bleiben. Die Teilnahme am Breitensport findet allerdings nicht mit der starken Verpflichtung und Regelmäßigkeit statt wie das leistungssportliche Training. Zu untersuchen bleibt, inwiefern ein Dropout verhindert werden kann, indem die Teilnehmer die Möglichkeit haben, nahtlos in ein breitensportorientiertes Angebot überzugehen (Burrmann 2007a, S. 278).

Entgegen der Vermutung, dass im Zuge des Wertewandels bzw. der Wertepluralisierung Jugendliche heutzutage immer stärker jegliche verbindliche Formen des organisierten Sports meiden und sich im relativ unverbindlichen Breitensport engagieren ist das Gegenteil der Fall. Das Nachgehen eigener Interessen und Spaß an der Sache sind Rahmenbedingungen für weiteres Engagement. Die Teilnahme am Wettkampfbetrieb der Vereine hat ebenfalls einen Zuwachs erfahren. Über 50% der vereinsorganisierten Sportler nehmen an regelmäßigen Wettkämpfen teil. Über 30% der vereins-ungebundenen Sportler nehmen an einmaligen, ungebundenen sogenannten Events teil. Die hohe Teilnahmerate an leistungsorientiertem Sporttreiben zeigt, dass Ursache des Dropout weniger ein gesunkenes Interesse an verbindlichen Angeboten im organisierten (Leistungs-) Sport generell ist, sondern mangelnde Flexibilität der Vereine an sich verändernde Ansprüche. Dadurch werden Sportler häufig in Entscheidungssituationen gedrängt, welche sich zwischen den beiden Polen „Aufgabe der Sportart“ und „Weiterführen der Sportart und des Konflikts mit anderen Verpflichtungen“ abspielen. Vor dem Hintergrund dieser Entscheidungssituationen sollte jugendliches Vereinsengagement unter den Aspekten „Was erwarten Jugendliche von Vereinen und ihrem Sport?“ und „Wie unterscheidet sich ihr sportliches Engagement im Verein von ihrer Teilnahme am informellen Sektor?“(Baur und Burrmann 2003a, S. 565) betrachtet werden.

„So hat der Anteil an Vereinen, der mindestens ein Kursangebot für Nichtmitglieder offeriert, zwischen 2007 und 2009 signifikant um knapp 59% zugenommen.“ (Breuer und Wicker 2010, S. 6). Daraus lässt sich schließen, dass Flexibilität dem Zeitgeist der postmodernen Gesellschaft entspricht. Nach wie vor besteht aber auch ein Interesse an sozialer Interaktion und Integration.

Denn häufig werden - meiner Erfahrung als Kursleiter nach - auch Kurse über einen langen Zeitraum besucht und viele Kursteilnehmer kennen sich schon lange.

Darüber hinaus leisten Vereine eine Vielzahl weiterer sozialer Beiträge: „Sportvereine offerieren ihren Mitgliedern ein weites Feld an Möglichkeiten, um Demokratie, Bürgersinn, Selbstorganisation und Solidarität auszuüben (vgl. Braun, 2003, S. 192ff.) [...]" (Bahlke et al. 2007, S. 12). Ich denke, dass genau hier ein Problemfeld für die Zukunft liegt, in dem sich Vereine, ihre Legitimation betreffend, rechtfertigen werden müssen. Denn wo Vereine zunehmend hauptamtlich geführt werden, mit Organisationsstrukturen wie wir sie aus Betrieben kennen und wo das Ehrenamt an Bedeutung zu verlieren scheint, dort wird berechtigterweise die Frage aufkommen, wie sich die Vereine von kommerziellen Anbietern unterscheiden. Genau diese Distinktion wird ein zukünftiges Hauptaugenmerk sein, um nicht schlicht kommerzielle Erfolgsrezepte zu kopieren. Ressourcen sind hierfür allemal vorhanden. So stellt BAHLKE(Bahlke et al. 2007, S. 17) zum Beispiel fest „ [...], dass Sportvereine ihr Potenzial zur Förderung jugendlicher Mitarbeit bislang nicht ausschöpfen.“ So konstatiert er, dass es häufig über das Amt des Jugendwartes hinaus keine weiteren Partizipationsstrukturen gibt, die jugendliches Engagement fördern. Die Prämisse von Jugendarbeit lautet „Mitarbeit, Mitgestaltung und Mitverantwortung“. Schauen wir uns allerdings an, wie Jugendarbeit tatsächlich gestaltet wird, dann wird dieser Ansatz in der Praxis oft nur mangelhaft umgesetzt. Selbst Vereine welche sich die Jugendarbeit explizit auf die Fahne geschrieben haben schaffen, es nur selten ihre hierarchischen Strukturen soweit zu durchdringen, dass Jugendarbeit tatsächlich auch an der Basis so gelebt wird, wie sie auf dem Papier der Satzungen festgehalten steht. Des Weiteren bemerkt er, dass Vereinsorganisationsstrukturen die aus der Zwecksetzung von Erwachsenen heraus entstanden sind, sich aber auf Jugendliche beziehen, so nicht funktionieren können (Bahlke et al. 2007, S. 46). Beispielhaft dafür, wie Vereinsorganisationsstrukturen aus der Zwecksetzung der Jugendlichen entstehen können, steht der ASC Jugendclub. Dieser stellt eine nicht tiefgreifende, aber doch strukturell deutliche Veränderung in unserem bisherigen Verständnis von Vereinsorganisation dar. Zur Verdeutlichung stelle man sich Sportorganisationen in einem multivariablen Umfeld interindividueller sozialer Distinktion, gesellschaftlichen Leistungsdrucks, gesundheitlicher Erwartungen und dem Streben nach Bedürfnisbefriedigung als ein komplexes Gefüge aus mehreren Zahnrädern vor. In diesem Bild gibt es das ein oder andere Zahnrad, das nur ein wenig „geschmiert“ werden muss, damit das Große Ganze reibungsloser läuft. Eines dieser Zahnräder ist die strukturelle Veränderung durch den Jugendclub. Ein weiteres Zahnrad, um in diesem Bild zu bleiben, ist die Art des Sportangebots das vom Verein bereitgestellt wird.

Von der gestiegenen Sportnachfrage am stärksten profitieren aber die 'Sport-Szenen'. Sie kommen dem Wunsch der Jugendlichen nach Aktivitäten in überschaubaren Netzwerken von Gleichaltrigen und ohne Kontrolle durch Erwachsenen in besonderer Weise nach [...] (Brettschneider 2003, S. 54)

Unbestritten spielen Trendsportarten eine zunehmend wichtige Rolle besonders für die Sozialisation im Jugendalter. Der Wunsch nach Distinktion, Individualisierung, Abgrenzung von der Masse wird in vielen Werken, insbesondere dem Individualisierungsklassiker von Beck, beschrieben und reichhaltig diskutiert. Daher wird sich vermutlich auch die Zusammenstellung des Sportangebots in der Zukunft durch einen Mix aus Trendsportarten und klassischen Sportarten profilieren müssen. Die Bedeutung dieser beiden Zahnräder werde ich innerhalb dieser Arbeit ergiebig darstellen, um der großen Herausforderung nach zu gehen, die seitens des Dosb (DOSB 2011b) proklamiert wird, erst die nicht-demographisch bedingten Verluste zu stoppen.

2.2. Das Bild von Vereinen in der Öffentlichkeit

Bei der Diskussion über Sportvereine und deren Zukunft haben die Sportvereine ein ziemlich genaues Bild darüber wovon sie sprechen, wenn sie von „dem Sportverein“ reden. Ausgehend von dem Prinzip der Gemeinnützigkeit und Ehrenamtlichkeit drückt sich diese außerdem in dem Namen entweder durch die Nennung des Wortes Verein, aber mindestens durch das Kürzel e.V. aus. Anders sieht es in der Bevölkerung aus. Der Begriff Sportverein wird von Jugendlichen in Fragebögen häufig synonym für andere kommerzielle Einrichtungen wie Fitnessstudios, private Kampfsportzentren o.ä. verwendet (Brettschneider und Kleine 2002, S. 78). Zugegeben, durch die Vermischung von Vereinsstrukturen mit kommerziellen Eigenschaften und dem Dienstleistungscharakter von Großvereinen wird es zunehmend schwieriger, scharfe Abgrenzungen zu finden. Wenn zum Beispiel ein Jugendlicher, der angibt im Verein Sport zu treiben, damit ein Fitnessstudios meint, das von einem Verein geführt wird, so besteht eine hohe Abgrenzungsunschärfe gegenüber kommerziellen Anbietern. Auf Grund dieser Tatsache sind Entwicklungen, die aus Fragebogenstudien abgelesen werden, kritisch zu betrachten.

Das Bild von Vereinen in der Öffentlichkeit ist ein wichtiger Spiegel der Außenwahrnehmung. Wenn wir uns mit Themen auseinandersetzen wollen, in welche wir selber verwickelt sind, so ist es unumgänglich, auch eine Außenperspektive einzunehmen. Gerade in der Planung und Organisation von Sport für Menschen, die bislang wenig oder gar keinen Kontakt mit Sportvereinen gehabt haben, mag es Vorbehalte geben, die wir nicht erkennen können, solange wir unsere „Vereinsbrille“ tragen. In Befragungen äußern nicht-Vereinsmitglieder eher negative Assoziationen mit Vereinssport als Mitglieder. Dabei hängt die individuelle Meinung stark davon ab, ob die befragten Personen eigene Erfahrungen mit einbringen oder ob sie eine reine Beobachterperspektive einnehmen. Unabhängig von der Art der konkreten Erfahrungen besteht jedoch die Gefahr, dass das negative Erlebnis nicht im Zusammenhang mit der konkreten Situation bewertet wird, sondern verallgemeinernd auf Vereine pauschal projiziert wird. Es deutet sich durch dieses Phänomen indirekt ein weiteres Merkmal für den Vereinsdropout an. Negative Erfahrungen werden nicht toleriert und führen über kurz oder lang dazu, dass sich der betroffene Sportler vom Verein abwendet. Anders sieht der Blickwinkel von aktuellen Vereinsmitgliedern aus. Diese berichten über deutlich positivere Erfahrungen. Es kann also festgestellt werden, dass negative Erfahrungen nicht nur zum Dropout führen, sondern auch das Bild der Vereine nachhaltig negativ eintrüben (Burrmann 2007b, S. 248). Weitere Merkmale, die von Jugendlichen mit Vereinssport assoziiert werden, sind regelmäßige Teilnahme, hohe Verbindlichkeit, feste Regeln und Leistungsorientierung. Diese Merkmale werden von ihnen außerdem als Mittel zum Zweck der Leistungssteigerung befürwortet (ebd., S.255).

2.3. Zielvorstellung - Was wollen wir erreichen? Was bedeutet Jugendarbeit?

„Wer kein Ziel hat, der kommt nirgendwo an.“ (Abraham Lincoln). Diesem viel zitierten Spruch kann ich nicht ganz zustimmen. Frei nach dem Motto „Der Weg ist das Ziel“ ist es natürlich auch möglich sich ziellos treiben zu lassen. Welches Ziel man dann erreicht, ist allerdings Resultat zufälliger Entscheidungen, welche möglicherweise mit den anfänglichen Wünschen nicht im Einklang stehen. Daher möchte ich zu Beginn eine Zielvorstellung bezogen auf den Untersuchungsgegenstand „Jugendliches Sporttreiben in informellen Settings“ entwickeln. Um als Maxime einer Handlungsanweisung zu gelten ist esjedoch essentiell zu reflektieren, ob diese Zielvorstellung den eigenen Prämissen (bzw. denen des Vereins) entspricht. Dazu möchte ich die Entwicklung meiner Zielvorstellung von hinten aufrollen und stelle zunächst einmal Gründe dar, welche Vereinsmitglieder dazu bringen, den Verein zu verlassen. Diese Gründe ergeben sich durch einen Metavergleich der Ergebnisse von Hörtdorfer (Hörtdorfer et al. 1988, S. 13), Bräutigam (Bräutigam 1993, S. 100-108), Burrmann (Burrmann 2007b, S. 269-273) und Hoffmann (Hoffmann 2009, S. 49) und. Dort werden konsistent die folgenden acht Dropoutgründe genannt2 :

(1) Beginn Ausbildung/Studium (Verlassen des Heimatortes)
(2) „Keine Zeit“, Prioritätenverschiebung
(3) peer-group-Effekte, Wunsch mit Freunden/Partner Sport zu machen/Zeit zu verbringen
(4) Mangelndes Angebot
(5) Private Probleme (mit anderen TN oder dem Trainer)
(6) Probleme im Verein
(7) Langeweile (Unter-/Überforderung)
(8) Zielverfehlung

Bei näherer Betrachtung dieser Liste fällt auf, dass nur die ersten beiden Nennungen völlig außerhalb des Einflussbereiches der Vereine liegen. Tatsächlich ist allerdings abzuwägen, wie hoch ihr Potential zur Steigerung der Organisationsrate ist. Der DOSB hat hierzu konkrete Zahlenmodelle entworfen, die Auskunft über notwendige Steigerungen geben, um den prognostizierten demographischen Verlust zu nivellieren.

Bei den 7-14-Jährigen beispielsweise würde sich bei einer direkten Übertragung der demographisch bedingten Verluste die Zahl der Mitgliedschaften im DOSB bis 2030 von ursprünglich 4,5 bzw. 4,6 Mio. im Jahr 2009 auf ca. 3,4 Mio. reduzieren (-20%). Dies könnte durch die Erhöhung des Organisationsgrades kompensiert werden, benötigt würde dafür ein Organisationsgrad für die Gruppe der männlichen 7-14-Jährigen von rund 94% (2009: 82%), für Mädchen hingegen von rund 72% (2009: 63%). (DOSB 2011a) (Hervorhebung im Original)

Unterstrichen werden muss an dieser Stelle noch einmal, dass es zuerst darum geht, die nicht­demographisch bedingten Verluste zu vermindern. Zu kritisieren ist meiner Meinung nach, dass bei Diskussionen über die Entwicklung des organisierten Sports über Potentiale gesprochen wird, welche die Mitgliederzahlen bei sinkender Bevölkerung stabil halten sollen. Sicherlich ist es auch wünschenswert, die Mitgliederzahlen zu erhöhen. Unter den gegebenen Bedingungen schrumpfender Bevölkerungszahlen ist dies jedoch nur begrenzt vorstellbar. Ich bin der Meinung, Überlegungen zur Entwicklung des organisierten Sports sollten ihre Fokus vor allem auf die Organisationsdichte richten, um Verluste dort aufzuhalten und bestenfalls sogar in Gewinne zu verwandeln.

Ebenfalls wichtig zu erfahren scheint mir, was jemanden davon abhält, sich im Verein zu organisieren. Da mag es einige geben, die dem organisierten Sport generell abweisend gegenübers stehen. Außerdem gibt es wiederum andere, die sich auf Grund negativer Erlebnisse in der Vergangenheit vom Verein abgewendet haben. Und dann sind da noch diejenigen, die einem Verein beitreten würden, aber eine völlig falsche Erwartungshaltung davon haben, was sie dort erwartet, weil sie beispielsweise denken, dass ein Verein nur etwas für Menschen ist, die bereits sportlich aktiv sind (Weiß 2007a, S. 124-125).

Wenden wir uns noch einmal den Dropoutkriterien von Seite 18 zu, so können wir diese in vier Gruppen kategorisieren:

I. Externe Faktoren (beinhaltet Punkte 1 und 2)
II. Strukturelle Veränderungsmaßnahmen (beinhaltet Punkte 3 und 4)
III. Konfliktmanagement (beinhaltet Punkte 5 und 6)
IV. Qualitätsmanagement (beinhaltet Punkte 7 und 8)

Dieses sind übergeordnete Kategorien denen sich Vereine im Zuge einer strukturellen Entwicklung widmen müssen. Eine Betrachtung der Dropoutgründe führt in der tieferen Auseinandersetzung zu verschiedenen Sinnfragen, welche gleichsam als intrinsische Handlungsaufforderung der Jugendlichen zu verstehen ist. Brettschneider (Brettschneider und Brandl-Bredenbeck 2010, S. 16) erarbeitet drei Sinnkategorien speziell jugendlichen Sporttreibens :

(a) Sporttreiben allein (Körperlicher Aspekt: gutes Aussehen, Gesundheit)
(b) Sporttreiben in der peer-group (Spaß-Aspekt)
(c) Sporttreiben im Verein (Leistungsaspekt)

Betrachten wir Kontext (c) so wird dieser zweifelsfrei seit jeher institutionell bedient. Kontext (a) wird ebenfalls zunehmend von Vereinen im Rahmen vereinsinterner Fitnessstudios bedient. Schwieriger ist hingegen Kategorie (b) zu betrachten. Diese ist DIE Hochburg des informellen Sports. Sie erinnert spontan an Skater, Traceure oder Trickster3 die sich ihre eigenen urbanen Räume erschließen. Hier steht das Spaßerleben, sich-ausprobieren im Vordergrund. Es gibt keine Kontrolle von Erwachsenen, keine Vorgaben, keine Regeln außer diejenigen, welche sie sich selber auferlegt haben.

Wie dieser Kontext mit dem Vereinskontext verbunden werden kann stelle ich in Kapitel 8 „Beispiel aus der Praxis - Der ASC Jugendclub” vor. Gegebenenfalls werde ich mich zwischenzeitlich auf das „Modell Hochschulsport“ beziehen (s. Kapitel 4.1). Denn dieses schon seit Jahren an den Universitäten existierende Modell ähnelt - trotz Differenzen - Vereinsstrukturen und wird von mir als ASC Jugendclub später näher erörtert. Basis dieses Modells ist ein Sportangebot das folgende Merkmale enthält:

- Angebot vieler verschiedener Sportarten zu festen Zeiten
- Keine Teilnahmepflicht
- Einmalige Anmeldung und Nutzung des gesamten Angebotes
- Ausführung durch qualifizierte Übungsleiter
- Einstiegj ederzeit möglich

Göring (Göring 2009, S. 111) sagt bezogen auf die Situation des Hochschulsports:

„Im Vergleich zu kommerziellen Fitnesseinrichtungen muss es dem Hochschulsport gelingen, die Nachfrage und das Bedürfnis nach Körperformung im und durch Sport mit sozialen Aspekten [...] zu verknüpfen."

Diese Aussage bezieht sich zwar auf den Kontext des Hochschulsports, jedoch lässt sich die Problematik auf Vereine übertragen. Die Verknüpfung formeller und informeller Kontexte können wir schaffen, indem wir das Sporttreiben in der peer-group näher in unsere Betrachtungen einbeziehen. Dies bedarf z. B. einer Neubetrachtung der Übungsleiterrolle. Gerade wenn Vereine ein für peer-groups attraktiveres Angebot schaffen wollen, muss eine grundlegende Veränderung im Lehr- und Lernverständnis der Verantwortlichen (vom Vereinsvorstand bis hin zum Übungsleiter) stattfinden. Denn sie sind diejenigen, welche die entwickelten Zielsetzungen der Deutsche Sportjugend (dsj) (Große-Klönne 2000, S. 41) umsetzen:

- Entwicklung der Persönlichkeit
- Förderung von Gesundheit
- Sinnvolle Freizeitgestaltung
- Politische Bildung

Interessant in dem Zusammenhang ist, dass Jugendarbeit seitens der von Bahlke interviewten Vorstandsmitglieder kaum mit dem Ziel der politischen Bildung assoziiert wird (Bahlke et al. 2007, S. 242). In diesen Interviews wird deutlich, dass politische Bildung anderen Zielen der Vereinsarbeit untergeordnet ist.

Der Zugang niedriger sozialer Schichten zum Sportverein, die meiner Meinung nach besonders durch die letzten beiden Punkte (sinnvolle Freizeitgestaltung, politische Bildung) eingeschlossen und angesprochen werden sollen, gestaltet sich jedoch deutlich schwieriger als in gehobeneren Schichten. Eine Folge daraus scheint zu sein, dass sich soziales Engagement im Sportverein eher in gehobeneren Schichten als in niedrigeren Schichten findet (Bahlke et al. 2007, S. 15).

Folglich soll die Teilnahme Jugendlicher am organisierten Vereinssport unter den oben genannten Zielen insbesondere aber einer Veränderung des Image der Organisation Verein, einer Berücksichtigung jugendlicher Lebenswelten und ihrer Persönlichkeitsentwicklung untersucht werden.

2.4. Hypothesen / Grundannahmen

Diese Arbeit bewegt sich im Spannungsfeld zwischen formellem und informellem Sporttreiben. Beide haben ihre Berechtigung, ihre Vor- und Nachteile in Bezug auf Sportvermittlung. Mit dem formulierten Titel meiner Arbeit „Jugendclubs in Sportvereinen - Chancen respektive informeller Szenebildungen“ werden gleich mehrere Thesen miteinander verwoben:

1. Vereine können einen Nutzen aus alternativen Organisationsformen ziehen.
2. Es bedarf neuer kreativer Denkweisen, um diesen Nutzen zu extrahieren.
3. Es besteht das Risiko einer Ausgrenzung jugendlicher Lebenswelten aus dem sportorganisatorischen Fokus.

Wenn der organisierte Sport von peer-group Effekten und informellen Organisationsstrukturen profitieren will, dann muss er sie analysieren und daraus lernen. In Vereinen, welche ausschließlich durch top-down-Strategien organisiert sind, werden Entscheidungen in den Vorständen getroffen und dann auf Ebene der Aktiven umgesetzt. Problem dieser Strategie ist vor allem der mangelnde Realitätsbezug durch einen Mangel an Wissen über die Bedürfnisse der Sportler. So werden Bedürfnisse auf Erfahrungsbasis des eigenen Sporttreibens der Verantwortlichen angenommen. Diese Vorgehensweise birgt einige Probleme, da historisch gewachsene individuelle Erfahrungen entscheidungsleitend auf die Bedürfnisbefriedigung anderer projiziert werden.

Das Vorgehen im Rahmen einer bottom-up-Strategie orientiert sich dabei an den Bedürfnissen der Vereinsmitglieder. Wichtig an dieser Stelle ist die Betonung, dass es bei dieser Bedürfnisorientierung nicht um kurzfristige Moden und spezielle individuelle Vorlieben geht. Es geht nicht darum, Sportgeräte für eine kostspielige Modesportart anzuschaffen, welche prognostisch innerhalb kürzester Zeit wieder vom Markt verschwinden. Bedürfnisorientierung betont vielmehr eine langfristige Entwicklung die durch grundsätzliche gesellschaftliche Veränderungsprozesse geleitet wird.

„[...] Sport [ist] eine Abbildungsfläche aller wesentlichen Faktoren der sozialen Distinktionen (und ihrer Veränderungen) [...]." (Weiß 2007b, S. 10). Weiß' Zitat verdeutlich, dass sich gesellschaftliche Prozesse, Anschauungen, Verhaltensweisen im Sport wiederfinden. Dabei beeinflussen alle Arten von gesellschaftlichen Krisen, Emanzipationsbewegungen oder Individualisierungsprozesse die Entwicklung der Sportler. Jüngstes Beispiel dafür ist der Erfolg der Damen-Fußball-Weltmeisterschaft 2011 in Deutschland. Die Zuschauerbeteiligung erreichte zwar noch lange nicht das Niveau der Männer-WM, ließ jedoch eine starke Entwicklung in den Zuschauerzahlen beim TV-Konsum und Public-Viewing erkennen (Focus 2011). Auf solche Entwicklungen muss der organisierte Sport eingehen. Finden wir in Familien zunehmend eine demokratische Familienführungsstrategie so lässt sich im Gegensatz dazu in Vereinen häufig noch ein hierarchisch aufgebautes System erkennen. Ursachen welche informelles Sporttreiben so attraktiv erscheinen lassen, sind Flexibilität, peer-Zugehörigkeit und das Bedürfnis nach Autonomie über die eigene Freizeitgestaltung (Brettschneider und Kleine 2002, S. 125). Diese Gründe lassen sich in W-Fragen zusammenfassen, so können Teilnehmer beim informellen Sport frei darüber entscheiden, Was sie machen, Wie sie es gestalten, Wo sie Sport treiben, Mit Wem sie sich verabreden und Wann sie beginnen. Legt der organisierte Sport diese Verantwortung zurück in die Hände der Sportler, so besteht eine große Chance, das Vereinsleben nachhaltig attraktiv zu organisieren. Nur die Fragen nach dem Wo und Mit Wem lassen sich freilich im Verein schwer autonom regulieren. Basis für diesen Gedankengang ist das Konzept der Wertepluralisierung das ich in Kapitel 4.3 erörtern werde.

Des Weiteren haben wir es mit zwei auf den ersten Blick gegensätzlichen Trends zu tun. Zum einen stellt, wie gezeigt, das Sporttreiben eine sehr beliebte Freizeitaktivität unter Jugendlichen dar. Das belegen Strozda und Zinnecker die feststellen, dass Sport mit 78% aller Nennungen an der Spitze der Freizeitbeschäftigungen von Jugendlichen liegt (Schmidt 2003, S. 39). Sie treiben sogar mehr Sport als ihre Eltern damals. Gleichzeitig findet Brettschneider (Brettschneider und Brandl-Bredenbeck 2010, S. 16, 2010, S. 156), dass die Austrittsrate aus Vereinen bei den Jugendlichen besonders hoch ist. Nur soviel vorweg: Die hohe Austrittsrate hat mit Effekten der Fluktuation zu tun, die in der jugendlichen Orientierungs- und Probierensphase eine wichtige Rolle spielen. Dieser jugendlichen Lebenswelt annähernd, stehen zwei Begrifflichkeiten zur Diskussion, die das Spannungsfeld sportlicher Betätigungsmöglichkeiten beschreiben. Beide werden im folgenden Kapitel erläutert.

3. Ausprägungsformen - Formelles vs. informelles Sporttreiben

Die Begrifflichkeiten formell / informell scheinen in klarem Gegensatz zu stehen. Und bisweilen findet man tatsächlich wenige einheitliche Definitionen zu diesen Termini. Schwierig voneinander abzugrenzen sind diese Begriffe, sobald sie Überschneidungsbereiche aufweisen, wenn sportliches Treiben Züge beider Ausprägungsformen (formell/informell) trägt. Deswegen möchte ich diese Überschneidungsbereiche genauer betrachten und auf Besonderheiten hinweisen, die bei ihrer Verwendung begegnen können.

Als Beispiel möchte ich die sogenannten Wilden Ligen - auch Bunte Ligen genannt - anführen. Bindel findet eine treffende Charakterisierung solcher Wilden Ligen: „Raus aus dem organisierten Sport, rein in den organisierten Sport, aber bitte schön, so wie wir es wollen." (Bindel 2009, S. 212). Es gibt unterschiedliche Arten, auf die sich informeller Sport darstellt. Dabei ist vor allem die Sportart prägend. Individualsportarten und fitnessorientierter Sport können problemlos alleine ausgeübt werden. Schwieriger ist es dagegen in den Mannschaftssportarten. Mehrere Spieler müssen sich unter anderem auf einen Zeitpunkt und einen Trainingsort einigen. Allerdings ist dies noch nicht der Beginn der Wilden Liga.

Denn man differenziert zudem zwischen dem gelegentlichen Bolzen, welches mehr oder weniger ungebunden organisiert ist und dem organisierten Spielbetrieb in einer Freizeitliga (Wikipedia 20Ha). Bezogen auf das Beispiel Freizeitfußball zeigt sich, dass informeller Sport völlig unterschiedliche Ausprägungsformen haben und auch zu einem bestimmten Ausmaß organisiert sein kann. Und freilich folgt der Freizeitsport auch Regeln, aber eben „so wie wir es wollen.“ Das heißt die Regeln sind veränderbar und werden den jeweiligen Bedingungen angepasst. Das kann soweit gehen, dass es keine Foul-Regeln oder nicht einmal Schiedsrichter gibt, wie zum Beispiel beim Ultimate Frisbee. In dieser Sportart werden die Regeln von den Spielern untereinander auf Einhaltung überprüft.

Darüber hinaus kann informeller Sport auch in formelles Sporttreiben übergehen, wenn sich die Zielsetzungen der Gruppe verändern. Ein besonders prägnantes Beispiel wird in der Monographie „Vereinskarrieren von Jugendlichen“ (Bräutigam 1993) angesprochen. Es handelt sich um das Fallbeispiel „Steffi“, die zusammen mit ein paar Freundinnen eine neue Basketballabteilung in einem Verein gegründet hat. Sie hatten Basketball in einer Schul-AG kennengelernt und auf Grund ihrer Begeisterung für diese Sportart wollten sie regelmäßiger und häufiger spielen (Bräutigam 1993, S. 158). Sie erhielten auch einen Trainer, welcher den Übungsbetrieb zunehmend leistungsorientiert aufbaute, so dass Steffi die Abteilung letzten Endes auf Grund ihrer mangelnden Leistungen, welche für eine wettkampforientierte Mannschaft nicht ausreichten, verließ. An ihrer Einstellung und ihrem Spaß an der Sportart hat sich jedoch nichts geändert, wohl aber ihre Einstellung dem organisierten Sport gegenüber, so dass sie vereinsorganisierten Sport mittlerweile als Heimat von ausschließlich leistungsorientierten Sportlern sieht und diesem lieber fern bleibt. Ihr jetziges sportliches Engagement beschränkt sich auf gelegentliche Aktivitäten, bei denen sie sich nicht mehr mit Anderen vergleichen muss.

Ein anderes Beispiel mag respektive der Distinktionsmerkmale „formaler oder informeller Sport“ nicht mehr so einfach nachvollziehbar sein. Der Wikipedia Artikel über Wilde Ligen bzw. Freizeitfußball (Wikipedia 2011a) verweist auf die Realität vieler Freizeitmannschaften der Wilden Ligen, welche dazu gezwungen sind, sich Vereinen anzuschließen, um einen Fußballplatz oder eine Sporthalle zur Verfügung gestellt zu bekommen. Diese Mannschaften sind zwar Mitglied in einem Sportverein, nehmen aber am Spielgeschehen der offiziellen Fußballverbände nicht teil. Die Grenze, ob diese Mannschaft noch dem informellen Sport zuzurechnen ist, oder schon dem formellen Bereich angehört, ist schwimmend. So ergibt sich die Frage: Ab welchem Institutionalisierungsgrad gehört eine Freizeitmannschaft nicht mehr zum informellen Sport? Daher müssen weitere Distinktionsmerkmale angeführt werden. Merkmale informellen Sports sind (Hörtdorfer et al. 1988, S. 18; Brettschneider und Kleine 2002, S. 125):

- Flexibilität
- Autonomie
- Horizontale Entscheidungskultur („auf Augenhöhe“)
- Veränderbare Regeln und Kodex
- Zielsetzungen

Wenn Freizeitsportler, wie die Fußballer einer Wilden Liga, sich einem Verein anschließen, werden sie auf zwei Handlungsebenen eindeutig beschnitten. Und zwar betrifft das ihre Flexibilität sowie ihre Autonomie. Besonders bezüglich ihrer zur Verfügung stehenden Platz-/Hallenzeiten sind sie an diese gebunden. In der Regel ist diese Bindung so stark, dass Trainingszeiten wieder aufgegeben werden müssen, wenn sie nicht genutzt werden (können), um sie Anderen zur Verfügung zu stellen.

Die Punkte Horizontale Entscheidungskultur und Veränderbare Regeln bleiben von der Vereinsbindung unberührt. Es wird in der Regel weiterhin keinen Trainer geben, sondern die Mannschaft organisiert sich innerhalb eines vorgegebenen Rahmens (Hallenzeiten) selbst. Eine hohe Priorität kommt meiner Meinung nach dem Punkt Zielsetzungen zu. Verändern sich diese Zielsetzungen hin zu einer Leistungsorientierung, so werden wir zunehmend von formellem Sport reden können. Im Zuge dieser Leitlinie wird vermutlich ein Übungsleiter eingesetzt, der Trainingspläne ausarbeitet und das Training entsprechend langfristiger Zielsetzungen strukturiert gestaltet. Analog zu sportwissenschaftlichen Definitionen des Begriffs „Training“ stelle ich fest, dass formelles Sporttreiben ein zielorientiertes, strukturiertes Handeln darstellt, dessen Verantwortung in die Hand (qualifizierter) Dritter gelegt wird. Außerdem werden die zeitliche und räumliche Dimension von einem als Veranstalter fungierenden Sportverein vorgegeben. Informelles Sporttreiben ist vor allem durch eine „kann, muss aber nicht“ - Haltung geprägt. Der Wert Autonomie erhält eine zentrale Rolle. Selbst wer informell leistungsorientiert Sport treibt, hält die Zügel über die Trainingsgestaltung in der eigenen Hand, im Gegensatz zum formellen Sport, wo er an äußere Rahmenbedingungen gebunden ist. Lässt er dort eine Trainingseinheit ausfallen, muss er damit rechnen, Inhalte zu verpassen. Verschiebt er dagegen seine selbstorganisierte Trainingseinheit, kann er bestimmen, ob er den geplanten Inhalt ein anderes Mal nachholt.

Allmer (Allmer und Schulz 1998, S. 3) hat, zwar in einem anderen Zusammenhang aber dennoch treffend, das Bild geprägt, sein eigener Regisseur zu sein. Der Erlebnissport biete großartige Möglichkeiten „[...] im Sport Erlebnisse in eigener Regie zu produzieren und zu arrangieren.“ Wenn der Regisseur Ort, Art, Zeit und Methode seiner Sportinszenierung bestimmt, dann ist er bezogen auf den informellen Bereich zugleich auch der Protagonist. Im formellen Rahmen dagegen fallen diese Rollen verschiedenen Personen zu, wie Bindel basierend auf den Erkenntnissen Strob's feststellt:

In informellen Sportgruppen übernehmen die aktiven Sportler anders als im Schul- und Vereinssport gleich mehrere Handlungsrollen (vgl. Strob, 1999, S. 29). Sie organisieren, sie führen aus und vermitteln gegebenenfalls. (Bindel 2010, S. 267)

Inwiefern sich diese Übernahme verschiedener Handlungsrollen von ein und derselben Person auf die Kompetenzentwicklung auswirkt, ist sicherlich ein spannendes Forschungsfeld. Gerade die Gegenüberstellung informell aktiver und vereins-gebundener Sportler könnte spannende Ergebnisse liefern. Einen Ansatz hierzu findet sich in der Arbeit von Brettschneider (Brettschneider und Kleine 2002): „Jugendarbeit in Sportvereinen - Anspruch und Wirklichkeit“. In dieser Studie werden verschiedene Merkmale (motorische Leistungsfähigkeit, freiwilliges Engagement, Selbstkonzept, psychosoziales Wohlbefinden etc.) untersucht. Dort gibt es erstaunliche Erkenntnisse, wie beispielsweise eine ähnlich stark ausgeprägte motorische Leistungsfähigkeit im Vergleich von Vereinssportlern gegenüber nicht-Vereinssportlern. Junge Vereinssportler starteten auf einem höheren motorischen Leistungsniveau um dann beim Übergang zur Adoleszenz mit dem von nicht-Vereinssportlem gleichzuziehen. An dieser Stelle wird von Brettschneider die Kritik aufgeworfen, ob positive Auswirkungen des Sports (z.B. motorische Leistungsfähigkeit) nicht eher auf selektive statt auf sozialisierende Effekte zurückzuführen seien (Brettschneider und Kleine 2002, S. 16). An dieser Stelle möchte ich einen Perspektivenwechsel vornehmen und die Frage aufwerfen, ob nicht Entwicklungspotentiale im informellen Sport ähnliche Effekte haben und sich dadurch ein ähnliches Leistungsniveau erklären ließe (nähere Ausführungen dazu auf S. 70).

3.1. Ein anderes Bildungsverständnis: Dimensionen des Lernens

Der Begriff informelles Lernen gewinnt zunehmend an Bedeutung. Haben andere Länder das informelle Lernen schon seit den 70er Jahren entdeckt, zog Deutschland in der internationalen Debatte um informelle Bildung erst in den 80er Jahren ebenfalls nach. Ein Gebiet, dessen Bedeutung lange unterschätzt wurde, gerät nun zunehmend in den Fokus der Wissenschaft. Kein Wunder, denn die Faure-Kommission4 der UNESCO zum Beispiel schätzt, dass informelles Lernen ca. 70% aller menschlichen Lernprozesse umfasst (Neuber 2010, S. 13). Allein die Größenordnung, mit der die UNESCO das Bildungspotentiol informellen Lernens einschätzt gibt Anlass, die stattfindenden Prozesse näher zu untersuchen. Eine erste Vorstellung davon, wie die Faure-Kommission zu dieser Einschätzung kommt erhält man, unter Berücksichtigung, dass informelles Lernen sich aus zwei Bereichen zusammensetzt: Dem inzidentellen/beiläufigen und dem intentionalen Lernen. Und da inzidentelles Lernen immer unterschwellig bei jeglichen Handlungen und Interaktionen vorhanden ist, erhalten wir eine Vorstellung über das Potential welches informelles Lernen beinhaltet. Folglich lässt sich auch über Bildungspotentiale im Sport mit einer anderen Grundlage diskutieren. Zwar ist eine gewisse politisch/gesellschaftliche Skepsis gegenüber der Bedeutung des Sports (wie sie sich z. B. in der Kürzung des schulischen Sportunterrichts ausdrückt) nicht einfach zu beseitigen, aber mit den Erkenntnissen über informelle Bildungspotentiale wird seine Position nachhaltig gestärkt. Dem institutionalisierten Lernen ist fast schon immanent, dass die Lehrpersonen ihren Unterricht auf eine gewisse Art und Weise gestalten „weil sie es ,gut meinen und dem festen Glauben anhängen, dass gerade dieser Weg der beste für die Kinder sei.“ (Lange 2004, S. 194). Deutlich wird an dieser Stelle die Distinktion zwischen, formalem und informellem Lernen, bei welchem das Individuum die Methode und den Weg wählt, welche ihm am erfolgversprechendsten erscheint.

3.1.1. Definitionen zum Lernen

Die Definition des Begriffs Informelles Lernen erscheint auf den ersten Blick gar nicht so komplex. Hat man aber eine Definition gefunden und versucht diese anzuwenden, so ergeben sich beispielsweise Probleme in der Abgrenzung der Begriffe formales Lernen, non-formales Lernen und informelles Lernen, bei denen sich Überschneidungsbereiche finden. Dabei wird in den Definitionen des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) informelles Lernen an informelle Settings (Lernräume) gekoppelt. Diese Koppelung ist meiner Meinung nach nicht zulässig, was ich in den folgenden Kapiteln erarbeiten werde. Vielmehr gibt es verschiedene Ebenen, auf denen Lernen stattfindet, sowie variierende Intentionen mit denen man sich injene Lernsettings begibt. Da Lernen aber immer im Kontext zu betrachten ist, möchte ich zuerst die verschiedenen Settings darstellen, in denen Lernen geschehen kann, um dann im nächsten Schritt, auf Basis dieser Settings, die Definitionen zum formalen und non-formalen Lernen näher zu betrachten. Danach folgt eine Betrachtung des informellen Lernens. An dieser Stelle sei angesprochen, dass ich es nicht bei der Dreiteilung des Bildungsbegriffs (formales, non-formales und informelles Lernen) belasse. Sondern ich werde eine Verdichtung herbeiführen, welche sich auf den aktuellen internationalen Diskurs stützt. Diese Verdichtung wird den Terminus non-formales Lernen mit dem Begriff formales Lernen verschmelzen, was im Gegensatz zur anglo-amerikanischen Literatur steht, welche das non-formale Lernen dem informellen Lernen gleichsetzt (vgl.(Dohmen 2001). Daher fasse ich bei der weiteren Kapiteleinteilung bereits die Begriffe formales und non-formales Lernen zu einem Kapitel zusammen und behandele das informelle Lernen in einem eigenen Kapitel. In der Essenz beschränke ich mich schließlich auf die Begriffe formales und informelles Lernen.

3.1.2. Formale, non-formale und informelle Bildungssettings

Als Bildungssettings werden die Lernorte verstanden. So lassen sich analog zu den drei Lernformen formale, non-formale und informelle Bildungssettings unterscheiden. Wichtig zu unterscheiden ist meiner Meinung nach, dass Bildungssettings nicht mit den Lernformen gleichgesetzt werden dürfen, wie ich in den folgenden Kapiteln erläutern werde. Zunächst beschäftige ich mich mit der Definition von Bildungssettings nach Heim (Heim 2010, S. 108— 109):

Formale Bildungssettings sind diejenigen Lernorte, deren Bildungsauftrag außerhalb der Institution allgemein anerkannt ist. Sie sind hochgradig über Regeln und rechtliche Vorgaben strukturiert und führen so zur Zertifizierung der Teilnehmer. Daraus ergibt sich, dass für den Lernenden nur geringe Gestaltungsspielräume bestehen. Außerdem besteht eine mittelbar verpflichtende Teilnahme zum Lernen in diesem Setting. Der Prototyp des formalen Bildungssettings ist die Schule.

Die entscheidenden Unterschiede in non-formalen Bildungssettings sind, dass Aus- und Fortbildungen dort keine allgemeine Gültigkeit besitzen und die Teilnahme freiwillig ist. Außerdem finden sich größere Gestaltungsspielräume für die Lernenden. Es kann zur Zertifizierung kommen, formlose Bildungsgänge werden jedoch nicht zertifiziert. Modell für non-formale Bildungssettings sind Vereine und die Volkshochschulen (VHS).

Die dritte Gruppe bilden die informellen Lernsettings. Sie enthalten keinen expliziten Bildungsauftrag sind nur gering organisatorisch und strukturell ausgeprägt, die Teilnahme ist freiwillig und der Gestaltungsspielraum am Größten. Archetyp dafür sind die peer-groups.

Mit diesen, von Heim beschriebenen, Bildungssettings sind alle Räume abgedeckt, in denen Lernen stattfinden kann. Daher betrachte ich im Folgenden, wie dort gelernt wird.

3.1.3. Formales und non-formales Lernen

Während formales und non-formales Lernen, respektive der deutschen Literatur (vgl.: (Dohmen 2001) mit den entsprechenden Bildungssettings assoziiert werden, kann das für informelles Lernen meines Erachtens nach nicht gelten, auch wenn dies in der Fachliteratur bisher anders dargestellt wird (siehe: (BMBF 2004, S. 29). Meinen Ansatz zu dieser Sichtweise werde ich dafür im Kapitel 3.1.4 vorstellen.

Lernen, das üblicherweise in einer Bildungs- oder Ausbildungseinrichtung stattfindet, (in Bezug auf Lernziele, Lernzeit oder Lernförderung) strukturiert ist und zur Zertifizierung führt. Formales Lernen ist aus der Sicht des Lernenden zielgerichtet. (Overwien 2010, S. 42)

Wichtige Distinktionsmerkmale, die sich in Bezug auf Dohmen herausfiltern lassen, sind also die planmäßige Organisation und Abgrenzung von der übrigen Umwelt als künstliche Lernwelt. Dieses Lernen findet ausschließlich im formalen Bildungssetting statt und steht damit exemplarisch für das schulische Lernen unter Anleitung einer Lehrperson. Des Weiteren erläutert Overwien das non-formale Lernen als Lernen, das nicht in Bildungs- oder Berufsbildungseinrichtungen stattfindet und üblicherweise nicht zur Zertifizierung führt. Gleichwohl ist es systematisch (in Bezug auf Lernziele, Lerndauer und Lernmittel). Aus Sicht der Lernenden ist es zielgerichtet. (Overwien 2010, S.42-43)

Andere Ansätze aus der englischsprachigen Literatur weisen auf eine Definition hin: „[Non­formales Lernen ist eine] Sammelbezeichnung für alle Formen des Lernens, die in der gesamten

Umwelt außerhalb des formalisierten Bildungswesens stattfinden.“ (Dohmen 2001, S. 18). Dabei kommt es auch zu Überschneidungen bis hin zum kompletten Synonymgebrauch mit dem Begriff informelles Lernen. Auch wenn Overwien mit seiner Beweisführung zeigt, dass es variierende Grade der Organisation, Strukturierung, Anerkennung etc. zwischen verschiedenen Institutionen wie staatlicher Schule, VHS oder kommerziellen Fortbildungsanbietern gibt, so ist ihnen doch allen eines gemeinsam: Sie kreieren einen künstlichen Lernraum in dem von Außen5 der Lernstoff vorgegeben wird. In dieser Linie müssen wir auch die Sportvereine als Orte betrachten, in denen formal (sofern Sport so betrieben wird, wie man es allgemein von einem Verein erwartet, also in einer Trainer/Sportler Konstellation) gelernt wird, wenn auch in einem non-formalen Bildungssetting. Der Argumentation von Dohmen (Dohmen 2001, S. 25) folgend übernehme ich daher die Position, den Begriff non-formales Lernen auf Grund der mangelnden gesellschaftlichen Durchdringung und der problematischen Abgrenzung nicht zu benutzen und diesen unter dem Sammelbegriff informellen Lernens zusammenzufassen.

3.1.4. Definitionen zum informellen Lernen

In der Fachliteratur findet sich eine Vielzahl von Definitionsansätzen zum informellen Lernen. Diese erschöpfend zu behandeln würde den Rahmen dieser Arbeit sprengen. Daher sei für eine intensive, sehr fruchtbare Auseinandersetzung zum Thema auf die Arbeit „Das informelle Lernen“ von Dohmen (Dohmen 2001) verwiesen. Ich möchte an dieser Stelle einen Einblick in die Diskussion bieten und einen eigenen Ansatz beisteuern. Daher setze ich mich nun differenzierter mit der Definition des informellen Lernens auseinander. Hierzu sollen zu Beginn zwei Definitionen einen Einblick leisten.

Als informelles Lernen gelten alle (bewussten oder unbewussten) Formen des praktizierten Lernens außerhalb formalisierter Bildungsinstitutionen und Lernveranstaltungen. Es setzt sich vom formalen Lernen insbesondere dadurch ab, dass es in aller Regel von den individuellen Interessen der Akteure aus gesteuert ist. (BMBF 2004, S. 29)

Dieser meines Erachtens nach eingeengte Ansatz des Bundesministeriums für Bildung und Forschung rekurriert informelles Lernen in Abgrenzung zum Bildungssetting. Einen differenzierteren Ansatz wählt Overwien, indem er nicht explizit auf den Ort des Lernens zielt. Das BMBF schließt mit seiner Definition informelles Lernen schulischen Rahmen aus (Lernen „außerhalb formalisierter Bildungsinstitutionen“). Ganz im Gegenteil, auch die Schule ist ein Ort an dem informelles Lernen stattfindet. Die Bildung von peer-groups, das Arbeiten in Gruppen, die Wahl des Klassensprechers (und die Übernahme der damit verbundenen Verpflichtungen/Verantwortung), die Gestaltung der Pausen und der Umgang mit Konflikten in Bezug auf Klassenkameraden und den Lehrern, all das sind Situationen in denen informell gelernt wird. So lautet Overwien's Definition von informellem Lernen:

Lernen, das im Alltag, am Arbeitsplatz, im Familienkreis oder in der Freizeit stattfindet. Es ist (in Bezug auf Lernziele, Lernzeit oder Lernförderung) nicht strukturiert und fuhrt üblicherweise nicht zur Zertifizierung. Informelles Lernen kann zielgerichtet sein, istjedoch in den meisten Fällen nicht-intentional (oder inzidentell/beiläufig) (Overwien 2010, S. 43).

An dieser Stelle nähern wir uns einer weiteren Distinktion von informellem Lernen zwischen inzidentellem und selbstgesteuertem Lernen (Braun und Hansen 2010, S. 231). Dieses Begriffspaar zielt auf den variierenden qualitativen Grad des Lernens ab. Beim selbstgesteuertem Lernen vereint der Lernende zwei Rollen in einer Person, die des Lehrers und die des Lernenden. Denn beim selbstgesteuerten Lernen weist der Lernende ein Erkenntnisinteresse auf Die Methode und Rahmenbedingungen der Aneignung wählt er frei nach Gusto. Möchte ein Übungsleiter zum Beispiel mehr über Trainingsmethoden im Ausdauertraining erfahren, dann hat er die Möglichkeit entweder selbständig im Internet oder in einem Buch zu recherchieren oder aber er konsultiert den Rat von Personen die er dafür befähigt hält, ihm zur gewünschten Information zu verhelfen. Ein anderes Beispiel, das selbstgesteuertes Lernen auf den Ausbau motorischer Fähigkeiten bezieht, kommt aus der Sportpraxis. Beispielsweise will sich ein Jugendlicher den Katzensprung im Parkour aneignen: Dafür holt er sich Ratschläge von Anderen ein oder schaut sich Videos auf YouTube an, um gegebenenfalls Anregungen für Hilfestellungen selbst in die Tat umzusetzen. Selbstgesteuertes Lernen bezieht sich damit auf den kognitiven Wissenserwerb sowie die Aneignung motorischer Kompetenzen.

Inzidentelles Lernen hingegen spielt sich unter der Oberfläche des Wahrnehmbaren ab. Es findet beiläufig statt und ist nicht planbar. Darunter kann man jene Effekte zusammenfassen, welche wir im Alltag als learning-by-doing bezeichnen und die in der Regel im Unterbewusstsein stattfinden.

Dies sind üblicherweise Lernprozesse die sich auf den Kompetenzerwerb von sogenannten soft- skills oder Sozialkompetenz beziehen (z.B. Selbstvertrauen, Kommunikationsfähigkeit, Teamfähigkeit etc.). Sie sind zwar reflektierbar, geraten aber in der Regel erst durch Selbst- oder Fremdreflexion ins Bewusstsein des Lernenden.

Bei aller Komplexität liegt der Schlüssel zum Verständnis möglicherweise in der Schlichtheit versteckt. Bei Dohmen finden sich bereits Hinweise auf so eine simple Herangehensweise. Er spricht von einem Lernen „das sich aus 'natürlichen' Lebenssituationen außerhalb von künstlichen pädagogischen Lernarrangements entwickelt [...] hat.“ (Dohmen 2001, S. 18). Dohmen bezieht sich außerdem auf die Kritik Garrick's:

[...] über die verschiedenen Versuche einer Abgrenzung des informellen Lernens gegenüber dem formalen Lernen, der Sozialisation, dem Erfahrungslernen und dem beiläufigen („incidental“) Lernen und über die verschiedenen Abgrenzungskriterien wie Intentionalität, Bewusstheit, Planmäßigkeit etc. (Dohmen 2001, S. 24-25)

Er beschreibt Lernen in als umfassende natürliche Funktion des Menschen. So können wir im ursprünglichsten Sinne Lernen als Adaptationsprozesse begreifen. Also die Anpassung an Erfordernisse auf zellulärer/neuronaler Ebene. Ebenso wie auf physiologischer Ebene Veränderungen stattfinden, um Anforderungen an den Organismus gerecht zu werden (Muskelwachstum, Kapillarisierung etc.), so folgen als Antwort kognitiver oder motorischer Problemstellungen neurologische Veränderungen, die es ermöglichen eine Aufgabe beim nächsten Mal besser zu bewältigen. Auf Basis dieser evolutionstheoretischen Betrachtungen können wir Lernen als jegliche Anpassungsmechanismen verstehen, welche in Reaktion auf Auseinandersetzung mit der Umwelt geschehen. Edelmann entwickelt eine Begriffsbestimmung von Lernen, die sich wie folgt beschreiben lässt: Lernen besteht aus einer Veränderung der Verhaltens- und Handlungsmöglichkeiten, in qualitativer oder quantitativer Art und Weise, als Reaktion auf die Auseinandersetzung mit der Umwelt (Edelmann 1994, S. 6-7). Auch Dohmen greift in Anlehnung an Garrick dieses Verständnis von Lernen auf wenn er über eine „natürliche Lebensfunktion“ oder „natürliches Lernen“ des Menschen spricht (Dohmen 2001, S. 25). Diesem Argumentationsstrang weiter folgend nähern wir uns einer Definition des informellen Lernens.

Edelmann (Edelmann 1994, S. 419-420) geht weiterhin auf die dualistische Lerntheorie ein. Diese distinguiert grundsätzlich zwei Hauptkategorien des Lernens. Menschen hätten dieser Lerntheorie zufolge die Möglichkeit zur Anpassung an die Umwelt (Außensteuerung) sowie zur aktiven Gestaltung der Umwelt (Innensteuerung). Betrachten wir diese Phänomene genauer, so finden wir Parallelen zu den Begriffen des inzidentellen und intentionalen Lernens. Während Lernen durch Anpassung an die Umwelt durch Außensteuerung geschieht (was stark vereinfacht einem Reiz-Reaktions-Schema gleicht) und somit inzidentell geschieht, finden wir bei der aktiven Gestaltung der Umwelt einen intentionalen Ansatz. Das inzidentelle Lernen kann zwar nicht gesteuert aber durch Inszenierung von Rahmenbedingungen beeinflusst werden. Was dabei gelernt wird, bleibtjedoch ungewiss. Auf dieser Seite des Lernens befinden wir uns in der Rolle des Individuums welches zwar etwas lernt, der Aneignungsprozess jedoch weder inneren noch äußeren Zielvorgaben folgt. Auf der anderen Seite hingegen lässt sich intentionales Lernen weiter untergliedern. Das Ziel, welches als Lerneffekt am Ende steht, kann entweder aus dem Individuum selbst erwachsen, oder es wird von einer anderen Person an sie herangetragen. Dabei muss das Erkenntnisinteresse nicht zwangsweise auf der Seite des Lernenden liegen. So folgen hieraus zwei unterschiedliche Lernkategorien: Eine lehrerzentrierte (formales Lernen) und eine lernerzentrierte (informelles Lernen) Kategorie. Zur Abgrenzung des formalen vom informellen Lernen dienen die sogenannten Modalitäten des Lernens wie sie Düx (Düx und Rauschenbach 2010, S. 57) ausschnittsweise erwähnt. Die folgenden Modalitäten weisen die Extrempole zwischen formal und informell geprägtem Lernen auf:

- implizit - explizit
- intendiert - nicht-intendiert
- direkt - indirekt
- zufällig - geplant
- extrinsisch motiviert - intrinsisch motiviert

Grundlage des informellen Lernens sind also jene Faktoren, die aus der Lernpsychologie bereits bekannt sind. Edelmann (Edelmann 1994, S. 418-419) weist daraufhin, dass bis heute nach über 100 Jahre langer Forschung kein Konsens darüber besteht, in wie viele Unterkategorien man Lernen sinnvoller Weise klassifizieren kann und nennt als die vier Grundformen des Lernens:

- das Reiz-Reaktions-Lernen
- das instrumentelle Lernen
- das kognitive Lernen
- das Lernen von planvollem Handeln und Problemlosen.

Der obigen Beweisführung folgend konnten wir die Argumentation bezogen auf Dohmen's Aussage „alles Lernen, das nicht formales Lernen ist, ist informelles Lernen“ auch ins Gegenteil verkehren: Wenn wir informelles Lernen als „natürliches Lernen“ auffassen, welches wir von Kind an beherrschen und uns unser ganzes Leben begleitet, dann können wir von diesem einen Bereich des künstlichen (formalen) Lernens abgrenzen. Das in diesem erarbeitete Lernverständnis lege ich als Grundlage für die weiteren Diskurse. Mit der Bedeutung des informellen Lernens setzt sich das folgende Kapitel auseinander.

[...]


1 Im Folgenden beziehe ich mich bei der Verwendung des Begriffes Dropout immer aufbeide Möglichkeiten: das vorläufige sowie endgültige Ausscheiden aus Vereinen.

2 Es handelt sich hierbei nicht um eine Rangreihenfolge. Später folgt basierend auf diesen Gründen eine Gruppierung, daher wähle ich hier die Benutzung von Kardinalzahlen.

3 Fachbegriff für Sportler welche die Sportart Tricking ausführen - eine Kombination verschiedener Bewegungskünste aus bekannten Sportarten wie Turnen, Kampfsport, Breakdance, Capoeira

4 Unesco Bildungskommission unter der Leitung von Edgar Faure.

5 Auf den Begriff der Außensteuerung wird in Kapitel 3.1.4 eingegangen.

Ende der Leseprobe aus 158 Seiten

Details

Titel
Jugendclubs in Sportvereinen - Chancen respektive informeller Szenebildungen
Hochschule
Georg-August-Universität Göttingen  (Faculty of Sport Science)
Note
1.7
Autor
Jahr
2011
Seiten
158
Katalognummer
V191518
ISBN (eBook)
9783656164357
ISBN (Buch)
9783656164449
Dateigröße
1791 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Jugendclub, Sportverein, informelles Lernen, Szene, ASC von 1860 Göttingen, Sportförderung, Sportentwicklung
Arbeit zitieren
Kai Gausmann (Autor:in), 2011, Jugendclubs in Sportvereinen - Chancen respektive informeller Szenebildungen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/191518

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