In meiner Magisterarbeit habe ich mich mit drei unterschiedlichen Texten, die das Blaubart-Motiv zum Thema haben, beschäftigt. Dabei sollte insbesondere das Verhältnis von Macht und Ohnmacht herausgearbeitet werden. Nicht selten ist Macht, ausgedrückt durch aggressive Sexualität oder Gewalt ein Tarnmantel für die dahinter liegende Ohnmacht und Angst Blaubarts, die eigentlich das Unterdrücken und Töten des weiblichen Geschlechts motiviert.
Nach einem kurzen Abriss über die kulturgeschichtliche Entwicklung des Motivs werde ich die Entwicklung der Figur seit der Erstveröffentlichung des Märchens durch Charles Perrault über die Jahrhunderte skizzieren. Daraufhin folgt die Analyse drei verschiedener Blaubart-Texte, die in unterschiedlichen Epochen entstanden sind und einen jeweils anderen Typus des Frauenmörders zeigen.
Mit Charles Perrault gelangt die Figur in den literarischen Diskurs und sein Märchen bildet die Vorlage für unzählige Adaptionen. Sein Blaubart wirkt Furcht einflößend und mächtig, doch hinter dieser Fassade verbirgt sich eine ohnmächtige und schwache Männlichkeit, die er durch gewalttätiges Handeln nach Außen zu verbergen versucht.
In Max Frischs Roman Blaubart begegnet der Leser einem Mann, der in seinem neuen Leben, das geprägt ist von einem ständig wachsenden Gefühl der Ohnmacht, das zurückliegende reflektiert. In diesem hatte er noch das Gefühl mächtig zu sein, insbesondere gegenüber den Frauen, die von ihm abhängig zu sein schienen.
Bei Dea Loher ist der Protagonist zunächst weder mächtig noch ohnmächtig, sondern der normale und unauffällige Mann ohne eigene Bedürfnisse. Ohnmacht und Macht stehen hier in einem permanenten Spannungsverhältnis, denn das eine Gefühl provoziert jeweils das andere. Der Teufelskreis wird hier durch eine Frau in Gang gesetzt und am Ende durch Blaubarts Tod, der ebenfalls durch die Frau herbeigeführt wird, beendet.
Meine These, die ich über die Interpretation der verschiedenen Blaubart-Texte zu verifizieren versuche, lautet, dass alle Varianten, trotz ihrer unterschiedlichen äußeren Strukturen und ihrer scheinbar verschiedenen Konstitutionen von Männlichkeit das gleiche Dilemma aufzeigen: die Dauerkrise, in der die männlichen Protagonisten behaftet sind und der sie durch verschiedene grausame und destruktive Verhaltensweisen gegenüber Frauen, der Gesellschaft und sich selbst zu entkommen versuchen.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Die Geschichte von Blaubart
- Motivgeschichte
- Die Legende von dem heiligen Gildas – 6. Jahrhundert
- Das Blaubart-Motiv bis zum 19. Jahrhundert
- 19. Jahrhundert: Don Juan und Blaubart – Zwei Erotomanen, die sich in der Literatur ablösen
- Das Motiv zum Ende des 19. Jahrhunderts - Diskussionen um Gilles de Rais
- Blaubart im 20. Jahrhundert
- Der Sündenfall als Zentralmythos
- Charles Perrault – Blaubart
- Inhaltsangabe
- Das Märchen – Verschiebung von Machtverhältnissen
- Die Ehe in den Zeiten der Aufklärung – Das Patriarchat und die Macht der Männlichkeit
- Verführung – Reichtum und Galanterie als Werkzeuge der Macht
- Die verbotene Kammer - Das Nachgeben der Neugier
- Sexualität
- Der Schlüssel zur Macht gibt Aufschluss über die Sexualität
- Blaubart als strafender Patriarch – Konstruktion einer mächtigen Fassade
- Segen oder Fluch des blauen Bartes?
- Das mächtige Männliche in der Frühen Neuzeit
- Gewaltanwendung zur Untermauerung der Herrschaftsverhältnisse und die Macht über den Tod
- Das Ende – Die Erlösung von Mann und Frau
- Die Moral von der Geschichte – Die beabsichtigte Botschaft des Märchens
- Blaubart – mächtiger Patriarch oder ohnmächtiges Opfer seiner Misogynie?
- Max Frischs Blaubart – Wenn jemand sich selbst den Prozess macht
- Entstehung von Blaubart und Einordnung des Stücks in Frischs Spätwerk
- Inhaltsangabe
- Formaler Aufbau
- Das Aufschließen der dunklen Kammer
- Wie sich Schaads Leben mit dem Freispruch ändert
- Dr. Schaad – ein Blaubart, der sich immer schuldig fühlt
- Justierung der Macht durch die Ehe – Eifersucht als Motor der Ohnmacht
- Rosalinde - Die Prostituierte
- Sexualität
- Unerträgliche Männerphantasien
- Metaphern und Träume als Ausdruck der sich steigernden Krise
- Sprache der Macht - Macht der Sprache
- Ein Mann verliert sich in seiner Ohnmacht – Eine Geschichte krisenhafter Identität
- Der moderne Blaubart als Hoffnung der Frauen bei Dea Loher
- Dea Loher und ihr Theater
- Entstehungsgeschichte
- Inhaltsangabe
- form follows function - Formaler Aufbau des Dramas
- Es hat sich nicht ergeben – Konstitution mittelmäßiger Männlichkeit
- Konstitution von Weiblichkeit
- Blaubarts Frauen – Ein sozialer Querschnitt
- Die Macht der Liebe
- Erlösung
- Blaubart als Befreier von den Sehnsüchten der Frauen
- Die Blinde – Letzte Liebe und Erlöserin
- Das Maß aller Dinge – Ein Blaubart der an der Definition des Idealen scheitert
- Blaubart im Wandel der Zeit – Männlichkeit zwischen Macht und Ohnmacht
- Die Grundkonflikte und -motive in den Blaubart-Texten
- Orientierung an Männlichkeitsidealen
- Fehlende Paternität
- Ehe als Konfliktherd
- Der Verführer und die Jungfrau
- Geheimnis
- Die Rolle der Frauen – Darstellung starker oder schwacher Weiblichkeit?
- Männliches und weibliches Schreiben über den Blaubart-Komplex
- Bedeutung der Liebe und der Sexualität für Blaubärte
- Der Wendepunkt – Die Schlüsselfrage
- Kompensation von Ängsten und Enttäuschungen durch Gewalt
- Konstitution von Maskulinität und Herausbildung einer Geschlechtsidentität
- Fazit Äußere Macht vs. innere Ohnmacht
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Magisterarbeit befasst sich mit der Konstitution von Männlichkeit im Kontext der Blaubart-Figur, ausgehend von drei verschiedenen Texten: dem Märchen von Charles Perrault, dem Stück "Blaubart" von Max Frisch und dem Drama "Blaubart" von Dea Loher. Die Arbeit untersucht, wie sich das Motiv des Blaubarts in verschiedenen Epochen und Kontexten entwickelt hat, welche unterschiedlichen Bedeutungen es trägt und welche Rückschlüsse es auf die Konstruktionen von Machtverhältnissen und Geschlechterrollen zulässt.
- Die Entwicklung des Blaubart-Motivs in der Kulturgeschichte
- Die Darstellung von Männlichkeit und Weiblichkeit in den drei Texten
- Die Rolle von Macht und Ohnmacht in der Beziehung zwischen Mann und Frau
- Die Bedeutung von Geheimnis, Sexualität und Gewalt in der Blaubart-Thematik
- Die Frage nach der Erlösung und der Veränderung von Geschlechterrollen im Kontext des Blaubart-Motivs
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung führt in die Thematik der Magisterarbeit ein und beschreibt den Blaubart als eine vielschichtige Figur, die in verschiedenen Epochen und Kontexten unterschiedliche Bedeutungen trägt. Die Arbeit analysiert, wie sich das Motiv des Blaubarts in der Kulturgeschichte entwickelt hat, welche unterschiedlichen Bedeutungen es trägt und welche Rückschlüsse es auf die Konstruktionen von Machtverhältnissen und Geschlechterrollen zulässt.
Das zweite Kapitel befasst sich mit der Geschichte des Blaubart-Motivs und zeichnet einen Überblick über seine kulturelle Entwicklung vom 6. Jahrhundert bis ins 20. Jahrhundert. Es geht dabei insbesondere um die Entwicklung der Figur im Kontext von Legenden, Literatur und gesellschaftlichen Konventionen.
Kapitel 3 analysiert das Märchen von Charles Perrault. Es untersucht die Darstellung von Machtverhältnissen, die Bedeutung der verbotenen Kammer, die Rolle von Sexualität und die Konstruktion einer männlichen Fassade. Des Weiteren werden die Moral des Märchens und die Frage nach der Ohnmacht des Blaubarts behandelt.
Kapitel 4 analysiert Max Frischs Stück "Blaubart" und untersucht die Darstellung von Macht und Ohnmacht im Kontext des Selbstprozesses des Protagonisten. Die Analyse beleuchtet die Rolle von Eifersucht, die Bedeutung von Sprache und Träumen und die Krise der männlichen Identität.
Kapitel 5 analysiert Dea Lohers Drama "Blaubart" und untersucht die Darstellung von Männlichkeit und Weiblichkeit im modernen Kontext. Es geht um die Konstitution von Geschlechterrollen, die Bedeutung von Liebe und die Erlösung des Blaubarts.
Schlüsselwörter
Die Arbeit beschäftigt sich mit zentralen Begriffen wie Männlichkeit, Ohnmacht, Macht, Geschlechterrollen, Blaubart-Motiv, Geheimnis, Sexualität, Gewalt, Eifersucht, Liebe und Erlösung. Die Analyse umfasst die Konzepte von Patriarchat, Kulturgeschichte, Literatur und Theater.
- Quote paper
- M.A. Kristina Hötte (Author), 2009, Zwischen Macht und Ohnmacht. Die Konstitution von Männlichkeit in den Blaubart-Texten von Charles Perrault, Max Frisch und Dea Loher, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/191708