Ein wesentlicher Bestandteil der Stadt- und Regionalplanung ist der Umgang mit dem Städtebau und den jeweiligen Stadtstrukturen. Dies gilt sowohl für die bereits vorhandene Substanz als auch für die Konzeption neu zu erschließender Gebiete. In den meisten Fällen sind diese baulichen Hüllen langlebiger als die Gesellschaftsform, in der sie entstanden sind. So existieren heute Gebäudetypologien und Stadtgrundrisse, die unterschiedlichste soziale und politische Wurzeln haben, nun aber von der jetzigen Bevölkerung z.T. zweckentfremdend genutzt werden. Man wohnt in Gründerzeitquartieren, arbeitet in Bürobauten der Postmoderne oder modernisierten Fabrikkomplexen aus der Zeit der Industrialisierung, erholt sich in Parkanlagen des Barock, nutzt die Infrastruktur aus den 20er Jahren und geht ins Konzert in einen Saal aus den 60er Jahren. Gerade in Europa gab es geschichtlich mannigfaltige Veränderungen – auch und gerade in der Anlage von Städten und ihren Nutzungsstrukturen. Nicht ohne Grund wird in letzter Zeit soviel Betonung auf den Begriff der „Europäischen Stadt“ gelegt und auf ihre Vorzüge und die geschichtlichen Hintergründe verwiesen.
Der Soziologe Walter Siebel meint mit Blick auf die Phasen des Überganges, dass „Urbanität dort am größten ist, wo neue Gesellschaftsformen alte „Hüllen“ bevölkern“. Er fügt dann das Ruhrgebiet oder die Spandauer Vorstadt in der Nachwendezeit als Beispiele an. Sehr interessant dürfte dahingehend die Auseinandersetzung mit osteuropäischen Metropolen wie Moskau oder Budapest sein - welche Effekte sich beim Aufeinandertreffen zweier unterschiedlicher Systeme bilden und wie die kommunistische Hülle die neuen Funktionen erfüllen kann?
Inhaltsverzeichnis
- 1. Die europäische Stadt
- Stadtbaugeschichte - die Entstehung der europäischen Stadt
- Die kompakte Stadt - Richard Rogers
- Die Rolle der Urbanität – Walter Siebel
- 2. Die Bedeutung der Nach- und Umnutzungen
- Die Entwicklungen des Umganges mit der alten Bausubstanz
- Gesamtgesellschaftliche Gründe für eine verstärkte Konzentration auf Umnutzungen
- Ziele und die Rolle der Denkmalpflege
- Architektonische Aufgabe „Umnutzung“
- Fazit
- 3. Fallbeispiel Berlin
- Die Entwicklung Berlins in Kürze – seine besonderen Bedingungen
- Berlin in den letzten 12 Jahren – Metropolenwahn und Zentrumssuche
- Das Planwerk Innenstadt
- Vorgehen der Regierung beim Umzug nach Berlin
- Exkurs in die Nachnutzungsmöglichkeiten verschiedener Bautypen
- Beispiele für Nachnutzungen
- Die Spandauer Vorstadt – über die Phase der Aneignung
- Weiberwirtschaft - ein nicht geschütztes Haus wird umgebaut und genutzt
- Haus des Lehrers – Nachnutzung eines Gebäudes der Nachkriegsmoderne
- Fazit
- 4. Schlussfolgerungen und Ausblicke
- Ausblicke für die Denkmalpflege
- Schlussfolgerungen für Berlin
- Gesamtgesellschaftliche Bedeutung des Themas
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit befasst sich mit der Frage, wie neue Gesellschaftsformen mit alten städtebaulichen Strukturen umgehen. Dabei liegt der Fokus auf der Aneignung und Umnutzung bestehender Gebäude und Stadtteile durch die heutige Bevölkerung.
- Die Entwicklung der europäischen Stadt im historischen Kontext
- Die Bedeutung von Nach- und Umnutzungsprozessen für den Umgang mit historischer Bausubstanz
- Die Rolle der Denkmalpflege bei der Bewahrung und Neugestaltung städtebaulicher Strukturen
- Die Entwicklung der Stadt Berlin als Fallbeispiel für die Auseinandersetzung mit unterschiedlichen gesellschaftlichen und städtebaulichen Entwicklungen
- Die Relevanz des Themas für die Stadt- und Regionalplanung sowie die Gesamtgesellschaft
Zusammenfassung der Kapitel
Kapitel 1 beleuchtet die Geschichte der europäischen Stadt und skizziert die Entwicklung von der antiken Stadt über das Mittelalter bis zur Industrialisierung. Dabei werden die Herausforderungen und Veränderungen der Stadtentwicklung durch verschiedene Gesellschaftsformen aufgezeigt.
Kapitel 2 widmet sich der Bedeutung von Nach- und Umnutzungen für den Umgang mit alter Bausubstanz. Es werden die Gründe für eine verstärkte Konzentration auf Umnutzungen analysiert und die Rolle der Denkmalpflege dabei beleuchtet. Darüber hinaus werden die architektonischen Herausforderungen und Möglichkeiten der „Umnutzung“ diskutiert.
Kapitel 3 stellt Berlin als Fallbeispiel für die Auseinandersetzung mit unterschiedlichen gesellschaftlichen und städtebaulichen Entwicklungen vor. Die Entwicklung Berlins seit der Wiedervereinigung wird dargestellt, wobei der Fokus auf der Umnutzung alter Strukturen, der Stadtentwicklung und dem Umgang mit Denkmälern liegt.
Schlüsselwörter
Die Arbeit fokussiert auf die Themen Stadtentwicklung, Nachnutzung, Umnutzung, Denkmalpflege, Stadtbaugeschichte, Gesellschaftsformen, Urbanität, Berlin, europäische Stadt und Kompakte Stadt. Darüber hinaus werden wichtige Aspekte der soziologischen und architektonischen Betrachtungsweise der Stadt und ihrer Strukturen beleuchtet.
- Arbeit zitieren
- Karsten Foth (Autor:in), 2002, Über die Aneignung alter städtebaulicher Hüllen durch neue Gesellschaftsformen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/19176