Die Adoleszenz gilt als eine der prägenden Phasen im Lebenslauf des Menschen, die die Übergangsphase zwischen abhängiger Kindheit und selbstverantwortlichem Erwachsensein umfasst. Der deutsche Terminus »Adoleszenz« findet seinen Ursprung in dem lateinischen Verb adolescere, was so viel wie »heranreifen« oder »aufwachsen« bedeutet. Unter psychologischen Gesichtspunkten ist damit eine Art »Zwischenphase« gemeint, eine Entwicklungsphase im Anschluss an die Geschlechtsreife, die den Adoleszenten vor die Herausforderung stellt, eine eigene Persönlichkeit zu entwickeln und zu festigen. In Dichtung und Lyrik gilt die Adoleszenz daher auch als Zeit des »Sturm und Drang«, als Phase der Widersprüchlichkeit und Stimmungswechsel. Dies belegt nachhaltig, dass dieser biografische Abschnitt mit einer »krisenhaft erlebten Infragestellung gesellschaftlicher Werte« (SCHRADER 2004: 8) verbunden ist und Autoritäten hinterfragt werden. Mit dem Streben nach elterlicher Ablösung stellt sich der Wunsch nach Freiheit und Selbständigkeit ein, die Suche nach einer eigenen Identität beginnt. Insbesondere die Bildung einer Ich-Identität muss als zentraler Reifungsprozess der Adoleszenz betrachtet werden. Umso deutlicher individuelle Einstellungen, Kompetenzen und Wünsche zu einer Ich-Identität gebündelt werden können, umso transparenter wird diese für andere. Und je mehr die Selbstwahrnehmung des Individuums mit jener seiner Umwelt korreliert, desto geringer sind die psychischen Spannungen, die in ihm wirken. Gelingt es dem Individuum, diese Prozesse erfolgreich abzuschließen und damit ein notwendiges Maß an Individuation und Intimität zu formen, schließt sich daran die Weitergabe von Traditionen und kulturellem Wissen an, es setzt die Phase der »Generativität« ein.
Was aber geschieht, wenn es im Verlauf der Adoleszenz, deren Wirkungszeitraum in etwa vom 12. bis 20. Lebensjahr anzusiedeln ist, krisenhafte Entwicklungen einsetzen und somit den erfolgreichen Abschluss dieser Entwicklungsphase beeinträchtigen?
Diese Seminararbeit möchte der Frage nachgehen, welche Bedingungen und Wirkmechanismen für das Auftreten von Ess-Störungen im Rahmen der weiblichen Adoleszenz verantwortlich und welche Auswirkungen damit verbunden sind. Dabei soll diese Fragestellung auch unter der Berücksichtigung veränderter weiblicher Lebenslagen nachgegangen werden, wie sie für die Generation der heute 15- bis 30-Jährigen typisch ist.
Inhaltsverzeichnis
- 1.0 Einleitung
- 2.0 Weibliche Adoleszenz unter Berücksichtigung soziologischer und psychoanalytischer Theorien
- 2.1 Soziologische Erklärungen zu den Perspektiven von Adoleszentinnen
- 2.2 Die psychoanalytische Bewertung der weiblichen Adoleszenz
- 3.0 Suche nach dem Selbst: Die Adoleszenzkrise
- 3.1 Der Weg zum Ich: Selbst und Identität
- 3.2 Der emotionale Ablösungsprozess von den Eltern
- 4.0 Die Klassifikation von Ess-Störungen
- 4.1 Anorexia nervosa
- 4.2 Bulimia nervosa
- 5.0 Ursachen von Ess-Störungen
- 5.1 Biologische Faktoren
- 5.2 Gesellschaftlicher Druck und familiale Bedingungen
- 5.3 Psychologische Probleme
- 6.0 Weibliche Adoleszenz und die Entstehung von Ess-Störungen: Zwei Konstrukte
- 6.1 CATHERINE STEINER-ADAIRS Konzept der erzwungenen Autonomie
- 6.2 CHRISTINA VON BRAUN und die Säkularisierung der >>heiligen Anorexie<<
- 7.0 Nachbetrachtung
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Seminararbeit befasst sich mit der Frage, welche Bedingungen und Wirkmechanismen für das Auftreten von Ess-Störungen im Rahmen der weiblichen Adoleszenz verantwortlich sind und welche Auswirkungen damit verbunden sind. Dabei wird diese Fragestellung auch unter der Berücksichtigung veränderter weiblicher Lebenslagen betrachtet, wie sie für die Generation der heute 15- bis 30-Jährigen typisch ist.
- Soziologische und psychoanalytische Perspektiven auf die weibliche Adoleszenz
- Die Rolle der Gesellschaft in der Entwicklung von Ess-Störungen
- Individuelle Faktoren, die zu Ess-Störungen beitragen können
- Das Konzept der erzwungenen Autonomie im Zusammenhang mit Ess-Störungen
- Die Säkularisierung der >>heiligen Anorexie<<
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung stellt die Adoleszenz als eine prägende Phase im Lebenslauf dar, die den Übergang zwischen abhängiger Kindheit und selbstverantwortlichem Erwachsensein beinhaltet. Die Arbeit untersucht die Bedingungen und Wirkmechanismen für das Auftreten von Ess-Störungen im Kontext der weiblichen Adoleszenz und analysiert die damit verbundenen Auswirkungen unter Berücksichtigung veränderter Lebenslagen der heutigen Generation.
Kapitel 2 untersucht die weibliche Adoleszenz aus der Perspektive soziologischer und psychoanalytischer Theorien. Im soziologischen Kontext werden die Anforderungen der Gesellschaft und deren Verarbeitung durch Adoleszentinnen beleuchtet, wobei die geschlechtsspezifische Teilung des Arbeitsmarktes und die daraus resultierenden Einschränkungen der Lebensgestaltung für Mädchen hervorgehoben werden. Aus psychoanalytischer Sicht werden die Entwicklungen in der Adoleszenz mit dem Fokus auf die Geschlechtsidentität und die Herausforderungen der Ich-Bildung betrachtet.
Kapitel 3 konzentriert sich auf die Adoleszenzkrise und die Suche nach dem Selbst. Es werden Prozesse der Ich-Bildung, der Selbstfindung und der emotionalen Ablösung von den Eltern analysiert.
Kapitel 4 befasst sich mit der Klassifikation von Ess-Störungen und stellt die beiden Hauptformen, Anorexia nervosa und Bulimia nervosa, vor.
Kapitel 5 untersucht verschiedene Ursachen von Ess-Störungen, die in biologische Faktoren, gesellschaftlichen Druck, familiale Bedingungen und psychologische Probleme unterteilt werden.
Kapitel 6 präsentiert zwei Konstrukte, die die Entstehung von Ess-Störungen im Kontext der weiblichen Adoleszenz erklären. CATHERINE STEINER-ADAIRS Konzept der erzwungenen Autonomie und CHRISTINA VON BRAUNS Analyse der Säkularisierung der >>heiligen Anorexie<< werden vorgestellt.
Schlüsselwörter
Weibliche Adoleszenz, Ess-Störungen, Anorexia nervosa, Bulimia nervosa, soziologische Theorien, psychoanalytische Theorien, Geschlechtsidentität, Selbstfindung, Ablösungsprozess, gesellschaftlicher Druck, familiale Bedingungen, erzwungene Autonomie, heilige Anorexie.
- Arbeit zitieren
- Dipl.-Pädagoge Christof Mueller (Autor:in), 2007, Weibliche Adoleszenz und die Entwicklung von Ess-Störungen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/191995