„Ich hab mich völlig verrannt, das war eine grauenhafte Reise. Von dem Moment an, wo man aus New York rausfährt, verändert sich nichts mehr – sieht alles gleich aus, dass man sich nichts mehr vorstellen kann – dass man sich vor allem keine Veränderung mehr vorstellen kann. Ich bin mir selbst fremd geworden“, gibt der Protagonist von Wim Wenders Roadmovie Alice in den Städten zu, als er eine Freundin besucht. Rüdiger Vogler spielt den deutschen Journalisten Philip Winter, der eine Reise durch die USA unternimmt, um eine Geschichte im Auftrag seines Verlegers zu schreiben. Währenddessen aber verliert er sein Selbstgefühl, ihm ist, wie er seiner Freundin gesteht, „Hören und Sehen vergangen“. Als er den Flug zurück in die Heimat buchen will, trifft er zufällig auf das junge Mädchen Alice, das ihm durch ihre kindliche Unbefangenheit, „her uncomplicated understanding of things and her simplicity of vision“ unbewusst hilft, wieder zu sich selbst zu finden. Wie im Film die Selbstentfremdung des Protagonisten und der Prozess seiner Selbstfindung im Bild zum Ausdruck gebracht wird und inhaltlich thematisiert wird, soll im Folgenden analysiert und interpretiert werden.
Der 110 Minuten lange Schwarzweißfilm, der 1974 in Deutschland und Amerika gedreht wurde, lässt sich in zwei bzw. drei Abschnitte unterteilen. Bei einer Zweiteilung wird unterschieden zwischen der Zeit, die Philipp ohne Alice und später mit Alice verbringt, sodass die Grenze der Abschnitte in der siebzehnten Minute des Films gezogen werden muss, wenn Philipp und Alice in der Drehtür am Flughafen aufeinandertreffen. Es besteht aber auch die Möglichkeit, den zweiten Abschnitt nochmals in zwei Hälften aufzuteilen. Auf diese Weise thematisiert der allererste Teil bis zur genannten Grenze weiterhin Philipps Selbstentfremdung in Amerika, in der Alice noch keine Rolle spielt, während der zweite Abschnitt die Reise von New York über Amsterdam nach Deutschland umfasst und der Annäherung der beiden dient. Nach einer Stunde Film beginnt der dritte Teil, wenn die beiden in Deutschland eintreffen und die Suche nach einem Heim für Alice aufnehmen, die für Philipp gleichzeitig zur Suche nach seinem eigenen Ich wird. Um diese wesentlichen Schritte in Philipps Persönlichkeits- entwicklung zu veranschaulichen, ist die folgende Analyse in die drei Abschnitte des Films unterteilt, wobei sie sich vor allem auf den ersten Teil konzentrieren wird.
Inhaltsverzeichnis
- I Einleitung
- II Philipps Selbstentfremdung auf seiner Reise durch Amerika
- II.1 Philipps Einführung
- II.2 Philipps Selbstentfremdung aufgrund seiner Besessenheit, Fotos zu machen
- II.3 Philipps Selbstentfremdung aufgrund seiner Reise und des Fernsehens
- III Philipps Annäherung an Alice
- III.1 Philipps und Alices Treffen
- III.2 Alices klare Sicht auf die Realität wirkt auf Philipp ein
- III.3 Philipps zunehmende Annäherung an Alice
- IV Philipp und Alice in Deutschland - auf der Suche nach Alices Familie und nach Philipps Selbstgefühl
- V Fazit
- VI Filmographische Angaben
- VII Literaturverzeichnis
- VII.1 Literatur
- VII.2 Internet
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Analyse befasst sich mit dem Roadmovie „Alice in den Städten“ von Wim Wenders und untersucht, wie die Selbstentfremdung und anschließende Selbstfindung des Protagonisten Philipp Winter im Film bildästhetisch und inhaltlich zum Ausdruck gebracht werden.
- Die Reise durch Amerika als Katalysator für Philipps Selbstentfremdung
- Die Rolle der Fotografie in Philipps Suche nach Identität
- Die Begegnung mit Alice als Wendepunkt in Philipps Entwicklung
- Der Einfluss von Alices kindlicher Unschuld auf Philipps Selbstfindung
- Die Suche nach Alices Familie als Metapher für Philipps eigene Suche nach Zugehörigkeit
Zusammenfassung der Kapitel
I Einleitung
Die Einleitung führt den Protagonisten Philipp Winter ein und beschreibt seine Selbstentfremdung während seiner Reise durch Amerika. Er ist ein gescheiterter Journalist, der versucht, eine Geschichte zu schreiben, aber gleichzeitig sein Selbstgefühl verliert.
II Philipps Selbstentfremdung auf seiner Reise durch Amerika
II.1 Philipps Einführung
Die Anfangseinstellung des Films zeigt ein Flugzeug, das in den Himmel aufsteigt, und die Kamera folgt ihm langsam. Die Musik ist melancholisch und die Kameraführung ist ruhig und gedehnt. Philipps Einführung erfolgt durch eine Reihe von Einstellungen, die seine Isolation und Verlorenheit in der weiten Umgebung unterstreichen.
II.2 Philipps Selbstentfremdung aufgrund seiner Besessenheit, Fotos zu machen
Philipps Besessenheit, Fotos zu machen, verstärkt seine Selbstentfremdung. Er hält an und macht Fotos von der Landschaft, die ihm jedoch nicht wirklich nahe zu kommen scheint. Er ist in seiner eigenen Welt gefangen, die durch die Kamera vermittelt wird.
II.3 Philipps Selbstentfremdung aufgrund seiner Reise und des Fernsehens
Philipps Reise durch Amerika und seine Beschäftigung mit dem Fernsehen tragen zu seiner Selbstentfremdung bei. Die Landschaft wirkt eintönig und er findet keine Verbindung zu den Menschen und Orten, die er besucht. Das Fernsehen bietet ihm keine wirkliche Flucht, sondern verstärkt nur seine Isolation.
III Philipps Annäherung an Alice
III.1 Philipps und Alices Treffen
Philipp trifft zufällig auf Alice, ein junges Mädchen, das ihm durch ihre kindliche Unbefangenheit und ihre klare Sicht auf die Realität unbewusst hilft, wieder zu sich selbst zu finden. Das Treffen markiert einen Wendepunkt in Philipps Entwicklung.
III.2 Alices klare Sicht auf die Realität wirkt auf Philipp ein
Alices Unschuld und ihre Fähigkeit, die Welt mit kindlicher Neugier zu betrachten, helfen Philipp, die Schönheit und den Wert des Lebens neu zu entdecken. Er beginnt, die Welt wieder mit offenen Augen zu sehen.
III.3 Philipps zunehmende Annäherung an Alice
Die Beziehung zwischen Philipp und Alice entwickelt sich weiter und er beginnt, sich wieder mit dem Leben zu verbinden. Er findet Freude in den kleinen Dingen und entdeckt die Schönheit der Welt neu.
IV Philipp und Alice in Deutschland - auf der Suche nach Alices Familie und nach Philipps Selbstgefühl
Philipp und Alice reisen nach Deutschland und beginnen, nach Alices Familie zu suchen. Diese Suche wird gleichzeitig zu einer Suche für Philipp selbst. Er sucht nach seinem eigenen Ich und nach seiner eigenen Identität.
Schlüsselwörter
Die zentralen Themen des Films „Alice in den Städten“ sind Selbstentfremdung, Selbstfindung, Reise, Fotografie, Kindheit, Unschuld, und die Suche nach Identität. Der Film analysiert den Prozess der Selbstentfremdung und zeigt auf, wie die Begegnung mit einem Kind dem Protagonisten helfen kann, wieder zu sich selbst zu finden.
- Arbeit zitieren
- Elisabeth Yorck (Autor:in), 2009, "Alice in den Städten" von Wim Wenders - der neue deutsche Film, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/192042