Fabelwesen, Legenden und Utensilien der Ritter in der historischen Dietrichepik


Seminararbeit, 2003

14 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhalt

1. Einleitung

2. Drachen
2.1 Realität und Bedeutung
2.2 Intertextualität

3. Die „merminne“
3.1 Episode und Begründung
3.2 Intertextualität

4. Zwerge

5. Schwerter und Pferde
5.1 Das Schwert Balmunc oder Palmunc
5.2 Das Schwert Mimunge
5.3 Die Pferde Schemming und Valke

6. Exkurs: Legende vom Roten Ritter

7. Schlußwort

8. Bibliiografie

1. Einleitung

Mittelalterliche Literatur erscheint dem Leser manchmal sehr fantastisch und märchenhaft. Historisch intendierte Epen enthalten Szenen, in denen unvermittelt Drachen, Meerjungfrauen und andere Fabelwesen auftauchen. Inwieweit dieser Unrealismus mit der mittelalterlichen Gedankenwelt zusammenhängt, will diese Hausarbeit zu erklären versuchen. Ein anderer Themenkomplex sind Utensilien der Helden, exemplarisch hierfür: Schwerter und Pferde. Aus gegebenem Anlass sollen hierbei besonders die historischen Dietrichepen „Dietrichflucht“ und „Rabenschlacht“ berücksichtigt werden. Ferner soll ein Exkurs zur Legende des sogenannten Roten Ritters gemacht werden, da sich im vorliegenden Text eine Anspielung auf diese Figur findet. Außerdem sollen intertextuelle Bezüge zu anderen Dichtungen des Mittelalters hergestellt werden, um die Vernetzung durch gleiche Elemente innerhalb verschiedener Texte zu zeigen.

2. Drachen

2.1 Realität und Bedeutung

In der mittelalterlichen Literatur kommen nahezu überall Drachen oder sogenannte Lindwürmer vor. Das allein ist nicht sehr verwunderlich, aber tauchen sie dort nicht in einem märchenhaften Kontext auf, sondern in einer durchaus realistisch gemeinten Schilderung der Welt. Wie ist es möglich, dass wie selbstverständlich Drachen auftreten, wenn doch auch die Menschen des Mittelalters sich bewusst gewesen sein müssten, in ihrem eigenen Leben noch nie wahrhaftig einen Drachen gesehen zu haben, und somit selbst keinen Beweis für seine Existenz hatten. Und doch konsumierten sie durch Lesen oder Hören die Drachenepisoden neben ‚normalen’, also in der Realität durchaus möglichen Abenteuern, wie gefährliche Seefahrten oder Heereskämpfe, was daraufhin weist, dass die keinen Unterschied in Bezug auf die Möglichkeit oder Unmöglichkeit dieser Episoden gemacht haben.

Auch in der Dietrichepik kommen Drachen vor, in der Genealogie von „Dietrichs Flucht“ aus dem Ende des 13. Jahrhunderts muss Dietwart, ein Urahn Dietrichs, gegen ein solches Ungeheuer kämpfen, welches ihm auf seiner Reise zur zukünftigen Frau begegnet:

in der zît dô lief dort her/ ein wurm ungehiuwer,

dem vuor wildez viuwer/ ûz ze sînem munde […]

ez was ein tier kûm alsô grôz/ sam in der mâze ein serpant.[1]

Das feuerspuckende Ungeheuer – eindeutig ein Drache – hat hier die Funktion, dem brautwerbenden Dietwart als zu bewältigende Aufgabe zu dienen. Der Held muss beweisen, dass er die Frau Minne auch tatsächlich verdient. Der Drache gilt in der Mediävistik als überwindbares Hindernis, welches die Ritter und Helden fast immer besiegen können. Aber auch hier bestätigen Ausnahmen die Regel. Ein weiterer Ahne Dietrichs, nämlich König Otnit, bekommt vom eigenen Schwiegervater „vier wilde würme“[2] ins Land geschickt. Otnit wird von einem der Drachen schlafend gefunden, worauf dieser ihn fort trägt und die Drachen ihn schließlich aus seiner Rüstung saugen und somit töten. Dietrich selbst muss weder in „Dietrichs Flucht“ noch in „Rabenschlacht“[3] gegen einen Drachen kämpfen, was vielleicht damit erklärt werden kann, dass er ohnehin schon genug Kämpfe gegen seinen Onkel und Feind Ermrich führen muss. Anscheinend muss er sich daher nicht noch unbedingt im Drachenkampf beweisen.

Warum nun aber kommen Drachen und Drachenkämpfe hier so selbstverständlich vor wie zum Beispiel Zweikämpfe unter Menschen? Einen wichtigen Grund hierfür sehe ich in der Bibel, die im Mittelalter als das Buch schlechthin nahezu jedem geläufig war. Und was in der Bibel stand, war Gesetz und unbedingt wahr, denn es handelte sich nach Ansicht der Menschen im Mittelalter um nichts geringeres als das niedergeschriebene Wort Gottes. Und in der Bibel ist an vielen Stellen von Drachen die Rede, sogar eine Beschreibung von ihm lässt sich finden:

Und es erschien ein anderes Zeichen am Himmel, und siehe, ein großer, roter Drache, der hatte sieben Häupter und zehn Hörner und auf seinen Häuptern sieben Kronen, und sein Schwanz fegte den dritten Teil der Sterne des Himmels hinweg und warf sie auf die Erde.[4]

Wenn also im Mittelalter die Existenz von Drachen verneint worden wäre, so hätte das eine Verneinung von Gottes Wort bedeutet, was undenkbar ist. Es mag außerdem hinzugekommen sein, dass die Menschen sich in der Tierwelt nur begrenzt auskannten, nämlich bei den einheimischen Tieren. Wenn sie also in der Bibel von Löwen lasen, man denke nur an die bekannte Geschichte von Daniel in der Löwengrube, und gleichzeitig Geschichten mit Drachen, warum sollten sie dann annehmen, wenn sie doch beide Tiere noch nie gesehen hatten, dass es das eine gäbe und das andere nicht. Da ist es nur logisch, dass Drachen zwar als grauenhaft, aber doch als real hingenommen wurden.

Im Mittelalter war das Drachenbild negativ, das Ungeheuer galt als „Inbegriff des Chaos und des Zerstörungswillens“[5], was natürlich einen bestimmten Grund hatte. So konnte der Drachenkämpfer als durchaus ehrenwertes Mitglied des Hofes legitimiert werden, was nicht unwichtig war, denn indem er gegen den Drachen, also das Chaos, kämpfte, verteidigte er die höfische Ordnung.

Der Kampf gegen den Drachen lässt sich auch psychologisch deuten. Nach Carl Gustav Jung ist dieser nämlich gleichsam als Befreiungskampf zu verstehen, in dem das Ego sich vom Unreifen und Unbewussten befreit und „über rückläufige Neigungen“[6] triumphiert. Dies wiederum würde auch mit der oben getroffenen Aussage, dass sich der Held die umworbene Braut verdienen muss, harmonieren. Wenn er nämlich durch den Kampf an Reife gewinnt und alles Unreife verliert, so erweist ihn das unter anderem als für die Ehe würdig.

2.2 Intertextualität

Wie schon oben angedeutet, spielen Drachen in der mittelalterlichen Literatur häufig eine Rolle, sodass eine gegenseitige Beeinflussung der Texte in diesem Punkt nicht auszuschließen ist. Ich möchte daher an dieser Stelle einige Texte erwähnen, in denen Drachenepisoden vorkommen.

In der altisländischen Edda-Dichtung, sowie in deren Weiterführung Völsungasaga kämpft Sigurd gegen den Drachen Fáfnir, der einst ein Mensch gewesen ist und nun einen Schatz bewacht. Die mittelhochdeutsche Entsprechung des Stoffes ist das bekannte Nibelungenlied. Hier badet der junge Held Siegfried im Blut des von ihm getöteten Drachen, wodurch er, abgesehen von einer kleinen Stelle, die beim Baden durch ein Lindenblatt bedeckt wurde und somit kein Blut an die Haut kommen ließ, unverwundbar wird. Nach McConnell werden in beiden Texten das Böse und das Chaos vom Drachen auf den Helden übertragen, der es dann seinerseits in die Welt bringt. So ist nach dem Kampf zwischen Burgundern und Hunnen am Ende des Nibelungenliedes kaum jemand am Leben geblieben.

Auch in der Tristansaga kann der Held einen Drachen durch eine List erlegen und darf somit Isolde mit in sein Land nehmen, wenn auch eigentlich nur für seinen Vater. Nicht zuletzt ist Beowulf zu nennen, der Held eines gleichnamigen englischen Epos’, der am Ende seines erfolgreichen Lebens gegen einen feuerspeienden Drachen kämpfte, wobei beide starben, was zumindest für Beowulf einen ruhmvollen Tod bedeutete.

[...]


[1] Dietrichs Flucht, Z.1544ff. In: Martin

[2] Dietrichs Flucht, Z. 2227. In: Martin

[3] „Rabenschlacht“ wird zeitlich auf die zweite Hälfte des 13. Jahrhunderts festgesetzt. Eine eindeutige Festlegung, ob dieses Epos vor oder nach „Dietrichs Flucht“ geschrieben wurde, gibt es nicht.

[4] Offenbarung des Johannes 12,3. Neues Testament. In: Bibel

[5] Winder McConnell „Mythos Drache“. In: Müller (S. 172)

[6] Joseph L. Henderson „Die Gestalt des Helden“. In: Jung, von Franz (S. 121)

Ende der Leseprobe aus 14 Seiten

Details

Titel
Fabelwesen, Legenden und Utensilien der Ritter in der historischen Dietrichepik
Hochschule
Technische Universität Dresden  (Institut für Germanistik, Germanistische Mediävistik und Frühneuzeitforschung)
Veranstaltung
Historische Dietrichepik
Note
1,7
Autor
Jahr
2003
Seiten
14
Katalognummer
V19206
ISBN (eBook)
9783638233859
Dateigröße
362 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Fabelwesen, Legenden, Utensilien, Ritter, Dietrichepik, Historische, Dietrichepik
Arbeit zitieren
Caroline Dorn (Autor:in), 2003, Fabelwesen, Legenden und Utensilien der Ritter in der historischen Dietrichepik, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/19206

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