Im Rahmen der aktuellen politischen Diskussionen bezüglich der Alterssicherung musste die
Bundesregierung einräumen, dass die Abschaffung des ‚demographischen Faktors‘ in der
Rentenversicherung vor fünf Jahren ein Fehler war.1 Die viel zitierte Aussage Konrad Adenauers
bei Einführung des auf dem Generationenvertrag basierenden Umlageverfahrens,
„Kinder kriegen die Leute immer“2, stimmt heute nicht mehr in gleichem Maße wie noch vor
fünfzig Jahren. Die Entwicklung der Demographie in Deutschland im zwanzigsten Jahrhundert
verursacht nicht nur in Bezug auf das deutsche Rentensystem Probleme, sondern hat
Auswirkungen auf zahlreiche politische Bereiche, und erfordert eine Berücksichtigung der
demographischen Veränderungen in den politischen Entscheidungen.
Im folgenden Kapitel wird die Bevölkerungsentwicklung in Deutschland ab 1900 bis zum
heutigen Tag beschrieben, wobei der Fokus auf den Bestimmungsfaktoren Geburtenentwicklung,
Sterblichkeit, Wanderung und der deutschen Altersstruktur im Wandel liegt.
Das dritte Kapitel beinhaltet nach einer Vorstellung der wichtigsten Tendenzen der 10. Koordinierten
Bevölkerungsvorausberechnungen bis 2050 eine Herausarbeitung der zukünftigen
Problemfelder und schließt mit einem Meinungsbild der Bevölkerungswissenschaftler ab.
1 Vgl. Lohse, E. und Leithäuser, J., 2003, S. 5.
2 Vgl. Beckstein, G., 2002, S.10.
Gliederung
-Verzeichnis der Abbildungen
1 Einleitung
2 Entwicklung der Demographie in Deutschland
2.1 Geburtenentwicklung
2.2 Sterblichkeit
2.3 Wanderung
2.4 Altersstruktur
3 Bevölkerungsvorausberechnungen
3.1 Wichtige Tendenzen
3.2 Demographische Problemfelder
3.3 Irrwege und Auswege
4 Schlussbemerkung
-Verzeichnis der verwendeten Literatur
-Internetrecherche
Verzeichnis der Abbildungen
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
1 Einleitung
Im Rahmen der aktuellen politischen Diskussionen bezüglich der Alterssicherung musste die Bundesregierung einräumen, dass die Abschaffung des ‚demographischen Faktors‘ in der Rentenversicherung vor fünf Jahren ein Fehler war.[1] Die viel zitierte Aussage Konrad Adenauers bei Einführung des auf dem Generationenvertrag basierenden Umlageverfahrens, „Kinder kriegen die Leute immer“[2], stimmt heute nicht mehr in gleichem Maße wie noch vor fünfzig Jahren. Die Entwicklung der Demographie in Deutschland im zwanzigsten Jahrhundert verursacht nicht nur in Bezug auf das deutsche Rentensystem Probleme, sondern hat Auswirkungen auf zahlreiche politische Bereiche, und erfordert eine Berücksichtigung der demographischen Veränderungen in den politischen Entscheidungen.
Im folgenden Kapitel wird die Bevölkerungsentwicklung in Deutschland ab 1900 bis zum heutigen Tag beschrieben, wobei der Fokus auf den Bestimmungsfaktoren Geburtenentwicklung, Sterblichkeit, Wanderung und der deutschen Altersstruktur im Wandel liegt.
Das dritte Kapitel beinhaltet nach einer Vorstellung der wichtigsten Tendenzen der 10. Koordinierten Bevölkerungsvorausberechnungen bis 2050 eine Herausarbeitung der zukünftigen Problemfelder und schließt mit einem Meinungsbild der Bevölkerungswissenschaftler ab.
2 Entwicklung der Demographie in Deutschland
Die Veränderung der Bevölkerung eines Landes im Alters- und Geschlechtsaufbau ist immer auf eine Kombination mehrerer Faktoren zurückzuführen, die regional und individuell unterschiedlich sind. Sie bilden ein komplexes System sich verstärkender und gegenseitig aufhebender Prozesse, deren einzelne Wirkungen nur in theoretisierten Modellrechnungen isolierbar sind. Die Komponenten einer Bevölkerungsentwicklung sind auf längere Sicht niemals konstant und schlagen sich in einem unregelmäßigen Altersaufbau nieder.[3]
2.1 Geburtenentwicklung
Der erste Geburtenrückgang vollzog sich mit der ersten Phase der Industrialisierung bis zum Beginn der Weltwirtschaftskrise 1929. Die durchschnittliche Kinderzahl in einer Familie zur Jahrhundertwende betrug 4,1 und sank in den folgenden drei Dekaden auf 2,2. Der Verlauf der zusammengefassten Geburtenzahlen in Deutschland von 1871 – 2050 ist in folgender Abbildung 2-1 illustriert. Dabei ist bis 1945 der jeweilige Gebietsstand Deutschlands berücksichtigt.
Abbildung 2-1:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: aus Höhn, C., 2000, S. 379.
Die Entwicklung des generativen Verhaltens ist auf die veränderte Lebenssituation in Deutschland zurückzuführen. Die Industrialisierung löste die Ära der bäuerlichen Kultur ab. Somit war das Überleben der Eltern nicht weiterhin vom überlebenden Nachwuchs abhängig. Während des ersten Weltkrieges ging die Geburtenzahl weiter zurück und erholte sich nach Beendigung des Krieges nur kurz. Die durch den medizinischen Fortschritt gesunkene Kindersterblichkeit ermöglichte einen Familienerhalt trotz weniger Geburten. Im Zuge der Weltwirtschaftskrise ab 1929 fielen die Geburtenzahlen aufgrund der schlechten Zukunftsaussichten weiter und erreichten den Tiefpunkt 1945 am Ende des zweiten Weltkrieges mit nur 1,4 Kindern je Frau.[4] Von diesem Zeitpunkt an ist die Entwicklung in der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik gesondert zu betrachten. Die letzte Geburtenwelle setzte nach Beendigung des Krieges, während des konjunkturellen Aufschwungs, dem sogenannten ‚Wirtschaftswunder‘, ein. Getragen von einer Heiratswelle stiegen die Geburtenzahlen in beiden Teilen Deutschlands über den Generationsersatz, der bei zwei Kindern pro Frau liegt. Der sogenannte ‚Baby-Boom‘ gipfelte in West- und Ostdeutschland 1964 mit durchschnittlich 2,5 Kindern je Frau.[5] Dies führte zu den geburtenstarken Jahrgängen der fünfziger bis Mitte der sechziger Jahre.
Die Einführung und Verbreitung der Antibabypille 1965 ermöglichte den Frauen mehr Einfluss auf ihre Lebensplanung. Die Geburtenzahlen gingen im Zuge dessen aufgrund der Frauenerwerbstätigkeit und der Bildungsexpansion, die längere Ausbildungszeiten zur Folge hatte, innerhalb weniger Jahre dramatisch zurück. Innerhalb von nur zehn Jahren sank in den alten Bundesländern die Geburtenziffer auf 1,45 und in den neuen Bundesländern auf 1,54 ab. Diese Entwicklung wird als ‚Pillenknick‘ bezeichnet.
Der rückläufige Trend setzte sich in Westdeutschland bis Mitte der achtziger Jahre bis auf den Tiefststand von 1,3 Kindern pro Frau fort, danach stieg die Geburtenziffer wieder auf 1,45 an und schwankt seither um den Wert 1,4.[6]
In der ehemaligen DDR erkannte die Honecker-Regierung den Geburtenrückgang und, getrieben durch die Konkurrenzsituation zum Westen, wurden in kurzer Zeit Programme zur Familien- und Geburtenförderung initiiert. Diese Maßnahmen führten bis 1980 zu einem Geburtenanstieg auf 1,94, dem sogenannten ‚Honecker-Buckel‘. Durch die sozialen Umbrüche und die entstandene Unsicherheit, die mit der Wiedervereinigung einher gingen, sanken die Zahlen ab 1990 rapide ab und stabilisierten sich erst 1994 mit Erreichen eines historischen Geburtentiefs, des ‚Wendetals‘, mit nur noch 0,77 Kindern je Frau. Seither steigen die Geburten wieder an und es ist mit einer Anpassung auf das Niveau der alten Bundesländer zu rechnen.[7]
Die genannten historischen Ereignisse und die damit veränderten Lebensumstände der Menschen verdeutlichen den großen Einfluss von finanzieller und sozialer Sicherheit, Betreuungsangeboten und Lebenszuversicht auf das Reproduktionsverhalten der Bevölkerung und somit auf die Entwicklung der Geburtenzahlen.[8] Festzuhalten ist hierbei, dass in Deutschland seit über dreißig Jahren die Geburtenziffer ein Drittel unterhalb des Generationsersatzes liegt und Deutschland damit weltweit zu den Staaten mit der niedrigsten Geburtenhäufigkeit zählt.[9]
2.2 Sterblichkeit
Das Sterblichkeitsniveau in Deutschland nahm infolge der Fortschritte in Hygiene, Ernährung, Wohnsituation, Arbeitsbedingungen und Gesundheitswesen in den letzten hundert Jahren enorm ab. Ein weiterer Einflussfaktor ist der gestiegene materielle Wohlstand. Dies führte zu einer Verbesserung der Überlebenschancen in allen Altersgruppen.
[...]
[1] Vgl. Lohse, E. und Leithäuser, J., 2003, S. 5.
[2] Vgl. Beckstein, G., 2002, S.10.
[3] Vgl. Heigl, A., 1998, S. 295ff.
[4] Vgl. Höhn, C., 2000, S. 379.
[5] Vgl. 10. Koordinierte Bevölkerungsvorausberechnung, 2003, S. 10.
[6] ebda.
[7] Vgl. Grünheid, E., Roloff, J., 2000, S. 32.
[8] Vgl. Adrian, H., 2000, S. 7.
[9] Vgl. 10. Koordinierte Bevölkerungsvorausschätzung, 2003, S. 12.
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